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Ein Messer in der Finsternis

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15.05.2002
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Ein Messer in der Finsternis

Messer in der Finsternis

Lemuel stand breitbeinig auf sein Schwert gestützt im großen Saal der Könige. Fackeln in Wandhaltern warfen tanzende Schatten auf die beiden Männer in der Mitte des Raumes, von denen einer in seinem Blute ausgestreckt dalag. Das verzierte Breitschwert von Davon dem XVI. lag ein Stück von dessen noch bebender Hand entfernt auf dem Boden - unerreichbar für den Sterbenden.
Lemuel blickte mit leerem Gesichtsausdruck auf seinen gefallenen Gegner herab. Schweiß und Blut vermischten sich auf beiden Menschen zu einem rostroten Film. Der aufrechte, große Krieger blinzelte; salzige Feuchtigkeit sammelte sich in seinen Augen. Von draußen schallte dumpfes Kriegsgebrüll herein. Seine Armee war im Begriff, die letzten königstreuen Vasallen niederzumetzeln, so, wie letztlich alles Monarchische dem neuen Zeitalter weichen sollte. Die allmächtige Klinge des gerechten Krieges hatte auch den letzten an eine altertümliche Gesellschaft gebundenen Faden durchtrennt. Den stärksten. Lemuels Augen wanderten aus seinen Gedanken wieder hin auf das zerschundene Antlitz seines Gegenspielers. Ein Röcheln entwand sich der Kehle des Königs. Blutblasen schäumten in dessen Mundwinkeln und zerplatzten: „’rum?“ Das halbe Wort stieg in die Luft und verging gleich dem Träger seines Ursprungs. Gesichtsmuskeln fielen schlaff zurück, der Blick brach und ein mächtiger Brustkasten senkte sich ein letztes Mal. Es war vorbei, doch Lemuel spürte nur eine seltsame Leere in sich.

Die Schatten hinter den Säulen des Thronsaales, in dem das mörderische Duett den Tanz des Todes begangen hatte, waberten undurchdringlich. Nur zwei Augensterne funkelten im Dunkeln, beobachtend, abwartend. Als der rechte Zeitpunkt gekommen schien, trat der kleine Mann hervor und näherte sich lautlos von hinten dem aufrechten Duellant.

Die Schwertspitze kratzte über den Boden, als Lemuel die Waffe an sich zog und in die Scheide an seinem Gürtel steckte. Plötzlich verzerrte sich sein bitterer Gesichtsausdruck zu einer Maske des Zorns, denn eine Dolchspitze kitzelte zwischen zwei Rüstungsplatten an seiner Hüfte. Wütend ausschnaubend richtete er sich an die Gestalt hinter ihm, ohne jedoch den leichtsinnigen Fehler zu begehen, sich dabei zu bewegen. Seine Worte schnellten gepresst hervor, die Wut über seine all zu leichte Überwältigung war nur schwer unter Kontrolle zu halten: „Wer bist du, dass du es wagst, einen Vertreter der neuen Regierung anzugreifen? Tu selbst etwas Gutes und lass dieses alberne Messerspiel sein, knie dich vor mir nieder und ich werde dich durch meine Klinge läutern. Du kannst doch nichts mehr gegen den Fortschritt unternehmen. Niemand kann das!“ Ein zweites Messer wurde nach diesen Worten an Lemuels Hals gelegt, an dem eine Ader heftig pulsierte. Sein Träger sprach: „Der König ist tot; durch eure Hand hingerichtet. Mein Herr und meine Freunde sind für immer von mir genommen worden und ihr seid trotz meiner Klinge noch so hochmütig, mich zu Demut und Reue euch und dem gegenüber, was ihr repräsentiert, aufzufordern?“ Ein raues Lachen voller Bitterkeit erklang, derweil das Messer, woran Schweiß glitzerte, an der Kehle einige Zentimeter weiter hoch wanderte. Der in einen Kapuzenmantel gewandete Meuchler sprach nunmehr zu sich selbst, als zu seinem Konterpart: „Was mache ich hier eigentlich? Was bringt mir denn der Tod dieses Mörders überhaupt noch?“ Lemuel spannte die Muskeln an, bereit, sich im Moment der ersten Schwäche seines Gegners von diesem zu befreien. Aber es war zu spät. Ein Schnitt und ein Stich zerrissen sein Bewusstsein und stießen ihn hinab in die dunklen Tiefen ohne Wiederkehr. „Nur neue Traurigkeit.“ Zwei Messer fielen zu Boden. Das Klirren des Aufpralls wurde als dissonantes Orchester von der Saalwand zurückgeworfen. Der Prinz kniete nieder, nahm den Kopf seines Vaters vorsichtig zwischen die Hände und presste ihm einen Abschiedskuss auf die kalte Stirn.
Stumm erhob er sich hiernach und verließ den Saal, um sich in eine ungewisse Zukunft zu begeben; auf der Flucht vor jenen, die ihn nun bis an sein Ende jagen würden und auch vor dem, was aus ihm geworden war.
Hinter ihm vermischte sich das Blut zweier Brüder miteinander.

 
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Hmm, deine Geschichte lässt mich gespalten zurück.
Zum Inhalt: Du scheinst mir den Fall der Monarchie thematisieren zu wollen. Ein sehr interessantes Thema, aber auch ein sehr schwieriges Thema. Denn, wenn du den Fall beschreibst, musst du meiner Ansicht nach auch das folgende System beschreiben. Meinen Kenntnissen nach, wäre dies dann entweder ein Kampf zwischen dem König und den Ständen im Mittelalter oder später, Ende 17. Jh das Ende des Absolutismus und Anfang demokratischer Bewegungen. Natürlich könnte es auch in Richtung Rom oder in Richtung Athen geht. Je nach dem, was du wählst, entsteht danach ein unterscheidliches System, was die ganze Sache erst wirklich interessant macht. Nach den Kampfmitteln zu ureilen, wäre Roms oder Athens Modelle wohl die angebrachtesten im Hinblick auf die Waffen. Der Gedanke von Fortschritt allerdings stammt wieder aus dem 17. Jh.
Das ist jetzt meine persönliche Meinung: Wenn du also den Fall beschreibst, solltest du dich schon irgendwie in diesen Modellen bewegen.
Nun zu dem Gegner der Monarchie. Er ist vie zu blass. Denke doch mal, wer der Gegner der Monarchie und beführworter des Fortschrittes ist. Nicht ein einzelner Krieger, sondern die Masse. Werd wird also den König töten, die Masse, wie Franz Revolution oder England. Nicht ein einzelner Krieger in irgendeinem dunklen Thronsaal, der auc noch verwundbar durch die Meuchelmörder oder den Prinzen ist. Aber selbst wenn du nur diesen einen Krieger haben möchtest, dann bitte beschreibe seine Motive eingehender, seine Ideale, etc. . Sorry, für diese Kritik. Vielleicht finden sich ja andere, die es gut finden. Ist schließlich nur meine persönliche Meinung.

Zur äußerlichen Form. Ich finde du erzählst manchmal zu viel. Zeige es einfach mal lieber. Vielleicht liege ich da falsch, aber du könntest besser in die Geschichte einführen. Der erste Absatz ist so nichtssagend. Wenn dein Thema der Fall der Monarchie ist, dann thematiesiere ihn dort schon mit einem starken Satz. Dann weiß der Leser, wo es hingeht. Anstatt dessen, schmeißt du den Leser ins kalte Wasser, in dem du einen ersten Satz bringt, der nicht wirklich viele essentielle Informationen enthält und einen zweiten, der Informationen enthält, mit denen der Leser nicht viel anfangen kann. Wer ist dieser Davon. Das einzige was es wichtiges sagt ist, dass Davon nun tot ist. Im nächsten thematisierst du dann zwar den Fall der Monarchie, aber nicht, was die Ideale des netten einsamen Kriegers sind.
Was mir noch einfällt: In der Mitte stört mich dieser Absatz mit dem Messerspiel. Der klingt unecht. Würde so jemand reagieren?

So, ich hasse es, Geschichten so zu kritisieren. Also, sei beruhigt, ich hab sie gerne gelesen. Das heißt, sie hat noch viel Potential. Da sie nicht lang ist, setz dich doch einfach nochmal hin und schöpfe das Potential deiner Geschichte aus. Gerade bei so einer kurzen Geschichte, kannst du ruhig noch etwas in die Länge gehen. Würde mich freuen, eine überarbeitete Version irgendwann einmal lesen zu dürfen!!!


Liebe Grüße

Thomas

 

Hallo Marcus,

ich hab die Geschichte gerade zum Frühstück gelesen, und ich muss sagen, sie ist etwas schwer verdaulich.
Woran liegt das?
Wahrscheinlich daran, wie Tommy schon sagte, dass ich als Leser gerade am Anfang mit vielen unwichtigen Informationen zugeschmissen werde. Der Anfang einer Geschichte muss (wie mir ein großer Weiser namens Niels-Arne Münch mal erzählt hat) packend sein, den Leser in die Geschichte ziehen. Dieser Effekt tritt bei dir nicht ein. Im ersten Satz bekomme ich eine Beschreibung des Ortes, im zweiten Satz ebenfalls - wie ein Zoom, eine Draufsicht. Das mag im Film ein gutes Mittel sein, ist es in einer Geschichte aber weniger.
Weiter geht es mit Theatralik. In dem Absatz passiert nichts anderes, als dass der König ein röchelndes "warum" ausstößt. Und das sollte er doch eigentlich wissen - oder nicht? Hier fehlt mir der Bezug. Dass sein eigener Bruder ihn umbringt, sollte für ihn doch nicht so unerwartet kommen, wenn der offenbar aus langer Hand einen Putsch vorbereitet hat.
Im zweiten Absatz sind da namenlose Messer aus der ebenso namenlosen Dunkelheit, die auf mich etwas arg strapaziert wirken. Denn dass sich ein Meuchler lautlos an jemanden anschleicht, kommt in der Realität so gut wie nie vor - gerade, weil der Boden der großen "Halle" ja vermutlich mit Stein ausgelegt ist, wo jedes Geräusch hallt. Dann kommt ein etwas gespreizter Dialog: "Hallo Mörder, der sein Messer gleich in meine Niere bohren wird, woraufhin ich qualvoll zu Grunde gehe, wenn du dich jetzt ergibst, bist du tot". Was sagt der Mörder? Ätsch, und sticht zu. Das zweite Messer ist überflüssig, wenn das eine bereits ausgereicht hat, um deinen General außer Gefecht zu setzen.
Du solltest hier unbedingt (!!!) Absätze einfügen, wenn der Sprecher wechselt, so wie es in Büchern so gut wie immer der Fall ist. So liest sich das Ganze - gerade am Schirm und gleich nach dem Aufstehen - wie ein ziemliches Kuddelmuddel, und dadurch, dass man nicht recht unterscheiden kann, wer was sagt, entsteht noch zusätzliche Verwirrung.

Das Ende bietet eine ganze Menge mehr Potential, als du ausgeschöpft hast. Erstens kann der Leichnam des Königs in der kurzen Zeit, die vergangen ist, unmöglich erkaltet sein - so etwas dauert in der Regel ein bisschen.
Zweitens - er flieht vor denen, die ihn "bis an sein Ende" jagen werden. Warum? So, wie ich das verstanden habe, sind draußen doch nur die Putschtruppen. Wenn der Vater tot ist und der Onkel tot ist, müsste er doch eigentlich der logische Thronfolger sein und alles geht so weiter wie bisher. Wer würde ihn denn jagen wollen?
Vor dem, was aus ihm geworden war - Ansichtssache. Ich würde da schreiben "vor dem, was er gesehen hatte" oder so, weil die eigentliche Veränderung ja erst noch kommt.

Du kannst mit der Überarbeitung der Geschichte Unmengen mehr Potential herauskitzeln - wenn du das Film-Element aus dem Text nimmst. Du schreibst eine Kurzgeschichte, keinen Film. Das ist ein recht häufiger Anfängerfehler, ich selbst habe ihn auch schon gemacht. Bloße Beschreibung ist langweilig - es kommt auf das Innenleben, die Hintergründe an, im Klartext - auf das, was ich in einem Film nicht sehen kann.

gruß
vita
:bounce:

 

Sanyasala,

die Geschichte hat mir eigentlich schon gut gefallen, aber sie lässt mich auch ein wenig verwirrt zurück.
Ich bin ehrlich gesagt nicht ganz mitgekommen, wer nun wie miteinander verwandt ist und welche Motivation nun wirklich im Vordergrund steht.
Warum sollte ein Prinz (Kronprinz?) ein „Schatten hinter (!) dem Thron“ sein? Ein Meuchler obendrein?
Ich persönlich mag ganz genaue Beschreibungen sehr, aber wenn es nur diese gibt und keine rechte Erklärung zu den Ereignissen, wirken diese nur noch langatmig.
Einen kleinen Fehler habe ich noch gefunden: „Summ erhob er sich“ Ich denke du meinst „stumm“.
Trotzdem fand ich es nicht schlecht und glaube, du hast dir Mühe gegeben und kannst noch viel mehr aus deiner Geschichte herausholen.

LG
Sola Lan

 

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