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Ein Pakt fürs Leben
Ein Pakt fürs Leben-überarbeitet
Ein lauer Wind wehte, als sich die sechs Männer auf den Weg machten. Den Weg, die verhasste Raubkatze endlich zur Strecke zu bringen. Sie alle waren fest entschlossen, ihr Vieh zu rächen, das sich der Tiger geholt hatte.
Auch John war ausgewählt worden, als sich die stärksten Männer des Dorfes versammelt hatten, zur Jagd auf den letzten Tiger in diesem Gebiet. Und doch hatte es dieser eine geschafft ihnen allen das Leben so schwer zu machen. Auf allen Gesichtern las John Entschlossenheit- und Hass.
Auch ihn hatte das verdammte Tier rund ein Viertel seiner Ziegen gekostet- ein Verlust, der sich für einen einfachen Bauern wie ihn nur schwer verkraften lies. Trotzdem empfand er nicht das gleiche, wie die anderen. Er konnte nicht sagen, dass er ihn hasste, den Rhiado, wie man ihn in ihrer Sprache nannte. Früher ein Name, den man nur mit Respekt aussprach, heute verwünscht. Aber John war fasziniert von diesem Wesen, dass so leise und majestätisch durch den Dschungel schlich. Nicht umsonst nannte man ihn einst " den König der Wälder".
John gestand es sich nicht gern ein, aber es machte ihn auf seltsame Art traurig, dass der König nun sterben sollte. Und er würde daran beteiligt sein. Zweifelsohne würde man von ihm erwarten sofort zu schießen, wenn der Tiger ihm vor den Lauf seines Gewehres lief.
Die Männer hielten an. Sie waren nun dort angekommen, wo man den Tiger zuletzt sah (der Betreffende war noch einmal mit dem Schrecken davon gekommen.)
Hier wollte sich die Gruppe teilen. Zwei gingen nach Westen, zwei nach Norden und John ging mit Mr Powl in östlicher Richtung. Thomas Powl war ein allseits geachteter Mann- vermögend, stark und nicht nur auf den ersten Blick ziemlich furchteinflößend, was er nach Johns Meinung nicht nur seinen zahlreichen Narben zu verdanken hatte. Alles in allem nicht gerade der Gefährte, den man sich unbedingt wünschte. Nun gut, wenn sie wirklich auf den Tiger stoßen sollten, konnte es vielleicht ganz gut sein, ihn dabei zu haben. Trotzdem...es nagte an John. Einerseits wollte er einfach nicht, dass das Leben des Tigers ausgelöscht wurde. Andererseits- ,was konnte er schon dagegen tun? Die anderen würden ihn wahrscheinlich nur auslachen oder sogar einen Verräter nennen. Nein, er musste sich fügen, vor allem wenn Powl dabei war.
Plötzlich stolperte er und fiel über einen dicken Ast. Er war zu sehr in Gedanken versunken gewesen und hatte nicht aufgepasst. „Nun machen Sie schon“, fuhr ihn Powl barsch an „Wenn Sie ihn jetzt nur nicht verscheucht haben. Stehen Sie auf!“
Doch er rührte sich nicht. Direkt hinter Powl trat der Tiger aus dem Gebüsch. Groß und majestätisch stand er da. Als Powl den entsetzten Blick von John sah, drehte er sich um.
Ein gellender, entsetzter Schrei drang durch den Dschungel und scheuchte Vögel und Affen auf.
John war allein und der Tiger stand noch da- nur wenige Meter vor ihm. Das hatte er wirklich nicht von ihm gedacht, aber Powl war geflohen. Knurrend und zähnefletschend kam der Tiger nun langsam auf ihn zu. John konnte nur immer auf seine Zähne starren, die wie Dolche aus dem weit geöffneten Maul ragten. „ Jetzt ist es aus“, wusste er.
Der Tiger stand jetzt nur noch ein paar Zentimeter vor ihm. John sah zu ihm hoch, direkt in seine bernsteinfarbene Augen, in denen sich die ganze Weisheit eines Lebens spiegelte.
Die Zeit schien still zu stehen. Dann drehte sich der Tiger langsam um und der König verschwand in seinem Reich. Wie verzaubert blieb John liegen, immer noch unfähig sich zu rühren. Einige Zeit später kamen die Männer um Johns Leiche zu bergen. Umso überraschter waren sie, ihn noch lebend vorzufinden.
Sie löcherten ihn mit tausend Fragen, die John gern beantwortete. Nur Powl hielt sich im Hintergrund...
Mit Powls Hilfe überzeugte John die anderen, nicht mehr Jagd auf den Tiger zu machen. Denn Thomas Powl schien auf einmal gar nicht mehr so erpicht darauf zu sein, den Tiger zu jagen.
Doch keinem erzählte John jemals, was wirklich geschah. Im Angesicht des Todes hatte John dem Tiger ein Versprechen gegeben. Ein Versprechen, ihn nicht mehr zu jagen, wenn er ihn nur leben ließe und aus ihrem Gebiet verschwinde.
Es war ein Pakt fürs Leben...
(Wenig später hörte man aus einem etwa 5km entfernten Dorf seltsame Klagen. Angeblich würden immer wieder ihre Herden von einem mysteriösen Jäger angegriffen werden...)