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Ein Tag im Leben

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13.07.2004
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Ein Tag im Leben

Er ging über die Strasse. Der Regen lief ihm übers Gesicht, vermischte sich mit seinen Kleidern und bildete zusammen mit ihm eine graue Silhouette, die sich Richtung Stadt vorschob.
Sein Denken war getränkt von den Eindrücken der Stadt: Graue Fassaden glotzten ihn an, die stellenweise von bunten Werbeplakaten unterbrochen wurden. Menschen ohne Gesichter schnellten an ihm vorbei. Ampeln wechselten zeitgerecht ihre Farbe und beschleunigten oder bremsten Automassen. Wellenartige Motorengeräusche, einzelne Gesprächsfetzen und aufschreckende Autohupen wurden von dem dumpfen Aufklatschen des Regens gedämpft.
Um ihn herum erdrückte ihn die Hektik der Grossstadt, drängte sich an ihn heran, versuchte in ihn hineinzudringen, doch genauso sehr versuchte er sich ihr entgegenzustellen und Einhalt zu gebieten.
Sein mittlerweile vom Regen durchnässter Mantel saugte sich an ihm fest. Er eilte weiter. Ein stechender Schmerz hatte sich in seinem Kopf festgesetzt.
Der Regen peitschte ihn voran. Wohin er wollte, wusste er nicht. Er war ziellos. Hoffnungslos.
Es schien, als würden Stunden vergehen, sich an ihn heranschleichen, ihn anspringen, um sich dann wieder davon zu machen.
Der Rhythmus der Stadt hatte von ihm Besitz ergriffen. Er war schon nicht mehr ganz bei sich, so völlig gefangengenommen in dieser anderen Welt, als er plötzlich
ruckartig stehenblieb. Sie war das schönste, was er jemals gesehen hatte.
Er verharrte bewegungslos vor ihr und war unfähig etwas anderes zu tun, als sie zu betrachten. Wie fein und zerbrechlich sie wirkte, und dennoch konnte diese Stadt ihr nichts anhaben. Sie trotzte allem, hatte Fuss gefasst zwischen Beton und dem ganzen Schmutz, den trampelnden Füssen und der Eile, von welcher sie täglich umgeben war. Auf einmal wurde es ruhig um ihn und in ihm. Die Geräusche und der Schmerz in seinem Kopf verebbten, bis sie sich völlig aufgelöst hatten. Der Schmutz, die Hektik, die ganzen Häuser und Autos waren vergessen, als ob sie niemals zuvor existiert hatten.
Er befand sich in einem weissen Tunnel, wo es nur noch ihn und die Blume gab. Ihr dunkles Karminrot reflektierte alle seine sehnlichsten Wünsche, die er in sich verborgen trug. Das Licht, welches sie umgab, fand seinen Weg direkt in seine Seele und erleuchtete sie. Er war unfähig, noch etwas zu denken. Er war nur noch.. Er, ein Mensch, die Ewigkeit, Alles.

 

Liebe(r) akasha,

Eine sehr sensible, sympatische Geschichte, finde ich. Und auch stilistisch ziemlich gelungen :)

Ich würde nur noch einmal einen Anstoß geben wollen, über einige wenige Aspekte noch einmal nachzudenken:

Graue Fassaden glotzten ihn an, die stellenweise von bunten Werbeplakaten unterbrochen wurden. Menschen ohne Gesichter...
Das "bunte" klingt positiv, in all dem grau, was wahrscheinlich nicht so gemeint ist...wie wäre es mit etwas, daß "negativer" klingt, wie "grellbunte" oder "eintönige" oder so etwas? Der Rest kommt so herrlich "matschig" daher :)

Sehr schön finde ich die Bilder, wie die den Prot anspringenden Stunden, die Hektik, die ihn erdrückt usw.

Stilistisch interessanter hätte ich es gefunden, wenn Du in dem Abschnitt:

Sie trotzte allem, hatte Fuss gefasst zwischen Beton und dem ganzen Schmutz, den trampelnden Füssen und der Eile, von welcher sie täglich umgeben war.
Das mit dem "Fuss fassen" wegläßt, denn da war mir schon klar, daß es eine Blume war. Ich würde das erst im allerletzten Teil irgendwo bringen, damit es einen Aha-Effekt gibt. Aber das ist nur meine Meinung.

Er war unfähig, noch etwas zu denken. Er war nur noch.. Er, ein Mensch, die Ewigkeit, Alles.
Ersteinmal etwas Nebensächliches: ein Punkt mehr hinter "noch.." :)
Den Abschlußsatz finde ich sehr gut. Der Gegensatz "Alltag, grau, Masse..." wird im letzten Satz auf die Spitze gebracht.
Da kann man durch eine einzelne Blume aus der Masse herausgerissen werden und wieder merken, daß man ein Mensch ist. Und mehr als das.

Deine Geschichte macht Mut, finde ich.
Alles in allem: tief, kurz und bündig :) Also, mir gefällt sie.

Gruß,

Day

 

Hallo Day!

Danke vielmals für deine Anregungen! Ich finde, du hast mir ein paar gute Tipps gegeben (mit dem bunt hast du absolut recht und auch bei den anderen Bemerkungen muss ich dir zustimmen).

Liebe Grüsse und eine gute Woche wünsche ich dir!

Seli

 

Hallo akasha!
Auch ich finde, du hast die Eindrücke des Prots sensibel und eindringlich beschrieben, obwohl meine Augen beim Lesen hin und wieder über einzelne Sätze gestolpert sind. Aber das waren Kleinigkeiten:

Der Regen lief ihm übers Gesicht, vermischte sich mit seinen Kleidern
Können Kleider sich mit etwas vermischen? Sie können sich vollsaugen, kratzen, stinken, jemandem stehen oder nicht, aber vermischen?!

Sein mittlerweile vom Regen durchnässter Mantel saugte sich an ihm fest.
Hmmm...weiß nicht... Ist ja kein Toilettenpömpel..ehh, du weißt, was ich mein!

Es schien, als würden Stunden vergehen, sich an ihn heranschleichen, ihn anspringen, um sich dann wieder davon zu machen.
Den fand ich schön!! :)

Er befand sich in einem weissen Tunnel, wo es nur noch ihn und die Blume gab. Ihr dunkles Karminrot reflektierte alle seine sehnlichsten Wünsche, die er in sich verborgen trug. Das Licht, welches sie umgab, fand seinen Weg direkt in seine Seele und erleuchtete sie. Er war unfähig, noch etwas zu denken. Er war nur noch.. Er, ein Mensch, die Ewigkeit, Alles.
Für mein Empfinden etwas overdozed! Nen' bisserl sehr pantheistisch! Aber okay, denn das ist dein Stil und ich mag's halt eher etwas drüsch.

Ansonsten ist einfach ein sehr schönes Gefühl rüber gekommen. Hab ich gern gelesen.

LG, m g

 

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