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Ein Wintertag
Der Winter bringt so einiges mit sich; Kälte, Schnee, Eis.
Viele beschweren sich, vor allem über die Kälte, obwohl sie genau wissen, dass ein warmer Sommer folgen wird. Nur wird es dann hinterher wieder kälter und die Menschen beschweren sich wieder. So geht das Tag für Tag und Jahr für Jahr.
Es gibt eigentlich keinen besonderen Grund, warum ich diesen Weg nehme.
Es ist ein Umweg, den ich immer und immer wieder gehe, gedankenverloren und müde.
Ich kämpfe gegen die Tränen an, doch diesen Kampf hab ich schon so viele Male gekämpft und so oft verloren. Ich will schreien, weinen, aufgeben und dennoch scheinen diese Verlangen überflüssig zu sein.
Es ist noch nicht lange her, als ich diesen Weg mit jemandem teilte. Doch Wege trennen sich und irgendwann kommt man ans Ziel, wenn auch allein.
Schritt für Schritt gehe ich diesen Weg weiter, hoffe, dass mich niemand so sieht, nicht jetzt, nicht irgendwann. Doch ich hoffe vergebens.
Eine alte Freundin kommt mir entgegen, ich will nur eine kurze Begrüßung murmeln und weitergehen, ohne, dass sie mir lästige Fragen stellt. Sie weckt so viele Erinnerungen.
Ich versuche im Vorbeigehen ein Lächeln, versuche „Hallo“ zu sagen, doch meine Stimme versagt. Sie geht auch nicht weiter, sie bleibt stehen, als hätte man sie dazu aufgefordert.
Wie es mir gehe, fragt sie. Nach dem was passiert sei, müsse ich ja ungeheuer viel durchgemacht haben, es täte ihr Leid.
Weiss sie überhaupt, wovon sie da redet?
Sie tut so, als wüsste sie über mich Bescheid, als wüsste sie, was ich empfinde. Aber wie kann sie das wissen, wenn nicht einmal ich es weiss?
Ich will nicht, dass sie mir ihre Hand auf die Schulter legt und krampfhaft versucht, mitgenommen zu wirken. Die Hände habe ich schon längst in meine Hosentaschen gesteckt, sie soll nicht sehen, dass ich vor Wut die Fäuste balle. Ich drücke so fest zu, doch von der Kälte sind meine Hände bereits betäubt, ich spüre nichts.
Es ändert nichts daran. Selbst wenn ich weine, schreie, vor Verzweiflung aufgebe, meine Trauer ändert nichts daran, dass die Trennung schmerzt. Ich könnte tagelang spazieren, monatelang weinen, oder immer wieder zurückblicken um die Erinnerungen wieder hochkommen zu lassen. Doch es würde alles nichts an dem Schmerz ändern.
Noch immer steht sie vor mir und weiss erst nichts zu sagen, fragt dann aber, ob ich denn wisse, wie es ihm denn momentan gehe, ob er denn jetzt glücklich sei, seit der Scheidung. Sie soll aufhören zu fragen, denn ich weiss es nicht. Und ich will es nicht wissen.
Ich starre auf den Boden, will nicht antworten. Erneut wehre ich mich gegen die Tränen, sie wollen sich ihren Weg in die Freiheit kämpfen.
Ich weiss nicht, was ich sagen soll, wo ich doch gar nichts sagen will.
Also lasse ich sie dort so stehen und gehe einfach weiter. Gehe weiter, den gewohnten Weg entlang.
Er ging fort, für irgendwen, er wird schon glücklich sein, denke ich.
Er ist am Ziel und ich irre ziellos umher.
Und deswegen weine ich.