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Ein Zirkus namens Charles

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16.02.2018
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Ein Zirkus namens Charles

"Früher setzte wir hier noch auf Hiebe mit dem Rohrstock" erklärte mir der Dompteur des Zirkus' Charles, "doch mittlerweile sind wir auf artgerechtere Methoden umgestiegen. Ihnen ist Klicker-Training sicher ein Begriff, oder?" Ich bejahte, schließlich brachte ich damit meinen eigenen Hund dazu, die Sache mit dem Bellen doch lieber sein zu lassen. Seit dem ist er ganz umgänglich geworden, auch wenn ich zugeben musste, gelegentlich mit der Hundepfeife nachgeholfen zu haben. "Machen Sie sich nichts draus - Stärke muss man vor allem bei solchen Querulanten beweisen. Sie müssen selbst so stramm bleiben wie ein Rohrstock, quasi selbst einer werden. Damit die Tiere es hier in der Manege zu etwas bringen: Peitsch das Tier aus ihnen! Man muss aus ihnen sozusagen kleine Menschenkinder machen: Nach ein paar ersten harten Jahren habe ich sie endlich soweit. Dann kann ich endlich ihr Können hier verkaufen. Und ihr Leben hat endlich einen Sinn."

Trotz seiner ausverkauften Vorstellungen, dessen Zahl er auf dreimal täglich erhöhen musste, klagte er. Seit langem habe er Tierschützer am Hals: "Sie wollen die Tiere vor mir schützen." Er schüttelte abfällig den Kopf: "Dummköpfe. Es ist in Wahrheit, wissen Sie, doch gerade andersherum. Ich muss die Tiere vor sich selbst schützen. Gerade gestern haben sie mir nachts den Affenkäfig geknackt, wollten den Affen befreien. Haben ihm die Freiheit schenken wollen. Dass er sie sich tatsächlich genommen hat war ein tragischer Unfall. Zum Glück wurde er dahinten auf der Hauptstraße überfahren. Er hätte sonst noch was anstellen können... ...ich brauchte ihn sowieso nicht mehr. Er war einfach zu alt." Ich blickte hinüber, zur Straße, sah Gitterkäfige mit Affen über den Asphalt rollen; sicherlich von ihren heutigen Zirkus Einlagen zurück kommend. Der Dompteur bemerkte meine Geistesabwesenheit: "Sie, Sie, ich meine damit natürlich, was sollen die Tiere denn machen? Ohne mich und meinen Zirkus? Ein selbstständiges Leben? Freiheit jenseits der Manege durch die ich sie dreimal täglich hetze? Sie wissen nicht einmal, dass sie hier im Kreis rennen und ihrem eigenen Schwanz hinterher jagen. Wirklich dumme Geschöpfe!" Er begann herzhaft zu lachen. Ich sah jetzt erst die Peitsche an der Hose des Dompteurs herunterhängen. Ich wagte nicht zu widersprechen.

 

Hallo Wortkrieger-Community,

ich bin froh dass ein solches Forum wie Eures gibt, in dem ich mich nun auch einklinken werde. Ich habe seit kurzem begonnen Kurzgeschichten zu schreiben und würde mich sehr über Feedback zu meiner ersten (obigen) Kurzgeschichte freuen.

Schon einmal vielen Dank,
Nils

 
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Moin Nilsfrank99 Zunächst willkommen hier auf Wortkrieger.de
Mmmhhh. Bissel arg kurz, und recht klischeehaft geraten. Außerdem bin ich mir nach dem Lesen nicht recht im klaren, ob der Dompteur gleichzeitig auch der Direktor sein soll, denn wenn ja, ist es angebracht, stets von ihm als Direktor zu sprechen. Der höhere Titel ist stets zu verwenden beim Zirkus. Die Intention des Textes klingt heraus, das macht es ja so Klischeehaft, dennoch ist ja auch was wahres daran, vor allem wenn es sich um kleine Familienzirkusse, sogenannte "Komödianten" handelt. Da ist Bildung Mangelware, und das Tier nur Mittel zum Zweck. Allerdings haben die Nie soviel Erfolg, dass sie 3 Vorstellungen am Tag geben müssten. Ich war ein paar Jahre beim Zirkus, und mehr als zwei Shows am Tag sind schlicht nicht drin schon rein Kräftemäßig. Also was tun, lieber Autor? Mach ne Geschichte draus, nicht nur ein Streiflicht, ich denke, dass Du das durchaus kannst, meint der LORD

 
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Hallo Nilsfrank99!

und würde mich sehr über Feedback zu meiner ersten (obigen) Kurzgeschichte freuen.

Das sollst du haben!

"Früher setzten wir hier noch auf Hiebe mit dem Rohrstock" erklärte mir der Dompteur des Zirkus' Charles,

Ich bin zwar kein großer Freund vom Einstieg mit Dialog, aber das hat funktioniert. Der erste Satz ist wichtig und hier hatte ich gleich einen Hook. Eine Kleinigkeit am Rande: Nach dem Gesprochenen führst du den Satz weiter, also trennen wir Dialog und Text mit einem Komma:

"Früher setzten wir hier noch auf Hiebe mit dem Rohrstock", erklärte mir ....

Seit dem ist er ganz umgänglich geworden,

Seitdem

auch wenn ich zugeben musste, gelegentlich mit der Hundepfeife nachgeholfen zu haben.

Das kommt mir vor, als wäre es an den Leser gerichtet, also kannst du es in die Gegenwart verlegen - oder gibt er es dem Direktor gegenüber zu? Da du deine Figur nicht sprechen lässt, fällt es mir als Leser schwer, die Situation richtig einzuschätzen. Ich würde mir für den ersten Absatz einen Dialog zwischem dem Protagonisten und dem Dompteur wünschen, denn so steht das, was der Mann sagt, gegen Exposition. Das ist kein Dialog, sondern macht eher den Eindruck eines Interviews, bei dem man sich auf die Antworten des Befragten konzentriert hat. Dadurch entsteht bei mir kein Gefühl für den Text oder die Figur. Ist halt nur eine in den Raum gestellte Aussage.

Trotz seiner ausverkauften Vorstellungen, dessen Zahl er auf dreimal täglich erhöhen musste, klagte er.

Du meinst die Zahl der Vorstellungen, ich weiß, aber es liest sich in dieser Form nicht gut. Die Informationen kannst du sicher in einem anderen Gewand an den Leser vermitteln.

"Obwohl er dreimal täglich Vorstellungen vor einer ausverkauften Tribüne abhielt, klagte er" würde mir jetzt spontan einfallen.

Es ist in Wahrheit, wissen Sie, doch gerade andersherum.

Das "wissen Sie" kann raus oder muss umplatziert werden, denn so klingts doof.

"Wissen Sie, in Wahrheit ist es doch genau anders herum."

Ich muss die Tiere vor sich selbst schützen. Gerade gestern haben sie mir nachts den Affenkäfig geknackt

Inhaltlich falsch. Die Affen haben doch sicher nicht den Käfig geknackt, sondern die Tierschützer. Also muss er die Tiere nicht vor sich selbst schützen, sondern vor den Aktivisten. Natürlich kann ich das jetzt auch missverstanden haben, weil das Viech ein paar Zeilen weiter auf die Straße gerannt ist.

sicherlich von ihren heutigen Zirkus Einlagen zurück kommend.

Zirkuseinlagen

Sie, Sie, ich meine damit natürlich,

Ich verstehe nicht, warum er zweimal "Sie" sagt. Spricht er ihn an, um ihn aus seiner Abwesenheit zu wecken? Würde ich dann mit Ausrufezeichen darstellen. Vielleicht noch ein "Hey!" davor setzen.

***

Ich denke, dass kein Dompteur so engstirnig und blöde ist wie dieser Kerl. Zum Training eines Tiers gehört eine ganze Menge mehr, als mit einer Peitsche in der Gegend herumzuschwingen. Daher kann ich den Ansatz der Geschichte nicht ganz ernst nehmen, weil es der Dompteur mit seinem Beruf ja auch nicht tut. Kein Zirkusdirektor würde davon ausgehen, dass die Viecher nur blöde und pelztragende Hüllen sind und so auf sie herabschauen würde er auch nicht, schließlich sind sie sein Kapital. Selbst wenn er sie als Arbeitsmaterial sieht, sollte er da schon ein wenig mehr dran hängen, immerhin verdienen sie sein Geld. Ein Ausfall bringt ja auch Unkosten mit sich. Des Weiteren ist Tiertraining schon ein wenig mehr als der pawlowsche Hund. Da wird viel mit Tierpsychologie gearbeitet, eine Verbindung zwischen dem Tier und seinem Trainer muss geknüpft werden, sonst akzeptiert es ihn nicht als Anführer ... alles solche Sachen.

Die Figuren in der Geschichte bleiben blass und eindimensional, aber das ist bei einem Text dieser Länge nicht ungewöhnlich. Leider sinds die Charaktere, die eine Handlung vorantreiben oder einen gewissen Punkt klarstellen und da du uns einen stummen Protagonisten präsentierst, der einigen blassen Ausführungen eines Direktors zuhört, kann dabei nicht viel herumkommen.

Versuch das nochmal. Nimm dir diese Geschichte und verpack sie ordentlich. Ich glaube schon, dass da Potenzial in deiner Idee steckt, aber um das auszuschöpfen, muss das ganze Ding länger sein und auch mehr bieten, als das, was du uns hier kredenzt hast. Natürlich kannst du jetzt damit kommen, dass die Tiere doch eine Metapher für die Menschen und der Direktor eine Metapher für geldgeile Großkonzerne ist, aber a.) ist das nicht neu b.) wurde diese Idee schon deutlich besser umgesetzt. Was macht deinen Versuch besonders? Meine Antwort bis zu diesem Punkt: Bisher nichts! Also pack dich ran.

 
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Hallo Nilsfrank99,

auch ich heiße Dich willkommen bei den Wortkriegern.

Jeder Anfang ist schwer, das weiß in diesem Forum vermutlich so ziemlich Jeder. Ähnlich schwer wie jeder Anfang sind auch Einleitung und Ende einer guten Kurzgeschichte. Das entschuldigt Dich jedoch nicht, wenn Du Kapitalfehler #1 begehst und direkt im ersten Satz eine Flüchtigkeit einbaust.

"Früher setzten wir hier noch auf Hiebe mit dem Rohrstock"

NWZed erwähnte ihn bereits, ich halte trotzdem noch mal den Finger auf die Wunde, damit es Dir beim nächsten Mal nicht mehr passiert :peitsch:

Ansonsten bin ich mit Deinen ersten Zeilen sehr zufrieden, denn anders als die Meisten hier, finde ich es garnicht schlecht mit einem Dialog zu starten. Er zieht den Leser sofort ins Geschehen - direkt in eine zwischenmenschliche Handlung (wenn's denn um Menschen geht). Vorausgesetzt natürlich man macht es richtig! Aber das schaffst Du aus meiner Sicht.

Was den Rest angeht kann ich meinen Vorrednern nichts mehr hinzufügen. Deiner Geschichte fehlt es hauptsächlich an ausreichender Länge.

Lass Dich nicht entmutigen und mach weiter, nur so verbesserst Du dich.


Gruß


Dave

 

Moin NilsFrank.
Noch ein Tip am Rande; Das Forum lebt davon, dass es Menschen gibt, die schreiben, und solche die es lesen und sich die Mühe machen, meist wert-volle Verbesserungsvorschläge zu geben was Zeit und Mühe kostet. Ein Minimum an Respekt ist daher, darauf zu reagieren, sich dazu zu äußern, und dann sich an die Arbeit zu machen, um die eigene Geschichte zu verbessern. Tust Du das nicht, wirst Du hier nicht sehr alt werden.
Höflichst; der LORD

 

Ich möchte mich bei euch Entschuldigen, dass ich es erst jetzt schaffe zu antworten.

Ersteinmal möchte ich mich für das zahlreiche Feedback und die kleine Verbesserungen bedanken. Und natürlich auch für die "große Kritik", zu der ich mich natürlich äußern möchte.

Ich wollte mit dieser Kurzgeschichte eine gesellschaftliche Äußerung machen, eher weniger eine "unterhaltsame" Geschichte erzählen. Das erklärt deshalb auch die Länge der Geschichte und die Flachheit der Charaktere. Ich wüsste nicht wie ich die Geschichte, mit den Hintergedanken die ich dabei habe, länger strecken sollte. Das es dabei nicht nur um "geldgeile Großkonzerne" geht, hat mich erschreckt, dass dies nicht erkannt wurde. Dabei handelt es sich wahrscheinlich generell um ein Problem bei der Gestaltung einer Kurzgeschichte: Wie gebe ich dem Leser genügend Hinweise, dass er die Intention, die der Autor hinter der Geschichte hat, erkennt.
Lord Arion: Muss eine Kurzgeschichte immer der Realität entsprechen? D.h. 1:1 die Wirkliche Zirkuswelt widerspiegeln? Darf man, um eine Botschaft herüberzubringen, eine Metapher/Symbol etwas ausgedehnt und überzogen werden?

Ich bin dankbar für eure Ratschläge, sie helfen mir über meinen Stil nachzudenken. Ich freue mich auf die weiterführende Diskussion. (-:

Vielen Dank,
Nils Frank.

 

Moin NilsFrank.
Wenn Du ein Genre, bzw. einen Ort wie den Zirkus für etwas Gesellschaftskritisches wählst, dann sollte die Beschreibung schon stimmig sein, andernfalls beweist das weniger die künstlerische Freiheit, sondern vielmehr Unkenntnis der Gegebenheiten, und das wolltest Du ja bestimmt nicht transportieren, nicht wahr? Und ja, natürlich darfst Du etwas überziehen oder ausdehnen, aber halt eben bitte entweder mit Realitätsbezug, oder aber klar erkenntlich als Satire/Fiction/Fantasy. Verstehst ?
Es grüßt Der LORD

 

Das es dabei nicht nur um "geldgeile Großkonzerne" geht, hat mich erschreckt, dass dies nicht erkannt wurde.

Weil es nur dir immanent ist. Wenn du eine Botschaft übermitteln möchtest, sorge dafür, dass sie erkennbar ist - mit so einem Schluck Text fällts mir recht schwierig, die notwendigen Details herauszulesen. Da ich mit den geldgeilen Großkonzernen gekommen bin, möchte ich noch nachhaken, dass ich bei so einer Geschichte halt grundsätzlich den Animal Farm-Vibe bekomme und die Geschichte auch gleich in diese Richtung zugeordnet habe.

Muss eine Kurzgeschichte immer der Realität entsprechen? D.h. 1:1 die Wirkliche Zirkuswelt widerspiegeln?

Das verlangt niemand - Änderungen, die in sich schlüssig sind, sind sogar gern gesehen und werden wohlwollend aufgenommen, aber wenn man schon auf den Zirkus zurückgreift, sollte man, wie Lord Arion bereits erwähnt hat, ein wenig Fachkenntnis an den Tag legen - und wenns nur die Studie des Wikipediaeintrags über einen Zirkus ist. Was kann dir sonst passieren? Genau! Deine Metaphern funktionieren nicht so, wie du es dir vorgestellt hast und dann schmeckt die ganze Suppe recht fad.

 

NWZed Ich dachte, ich hätte meine Grundbotschaft relativ deutlich gemacht. Naja, wie du ja gesagt hast, passen die Metaphern nicht, weil ich ein komplett anderes Bild habe von einem Zirkus als ihr bzw. soweit überzogen habe, dass man es nicht mehr als solchen erkennt.

Ich danke euch für eure Rückmeldungen, ich versuche in einiger Zeit mich nochmal an dem selben Thema oder probiere mich an einer anderen Idee aus (wie ich Lust habe).

 

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