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Eine Sekunde nur

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30.09.2005
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Eine Sekunde nur

Zweiunddreißig Grad im Schatten, keine Wolke ist am Himmel zu sehen.
Asphalt glitzert in der Sonne wie Edelsteine.
Hier oben weht eine kaum spürbare Brise, ihr rotes Haar umspielt sanft ihr junges Gesicht.
Aber die blassblauen Augen erzählen etwas Anderes.
Schmerz und Leid, bittere Erfahrungen und Enttäuschungen.
Tiefe Nacht herrscht in ihrer Seele.
Sie schweigt und sieht in die Ferne. Ein Mäusebussard dreht in einiger Entfernung seine Kreise.
„Schön ist sie, die Welt“, denkt sie.
„Aber nachts sind alle Katzen grau.“
Und plötzlich weht ihr Haar sehr stark. Ihr Pulli schlackert um ihre dünnen Arme und sie verliert einen Schuh.
Ihre Kindheit war von Freude geprägt gewesen.
Ihre Mutter und ihr Vater hatten sie liebevoll umsorgt.
Sie hatte eine Schwester, aber die hatte sie nie kennen gelernt. Sie starb bei der großen Operation. Aber sie sah sie, wenn sie in den Spiegel schaute und mit den Fingern über die große Delle an ihrer Schläfe strich.
Auf dem linken Auge ist sie leider blind, aber das machte ihr nichts aus, denn sie kannte es ja nicht anders.
Papa hatte ihr jeden Abend vorgelesen, Mama hatte ihr rosa Schleifen in ihr Haar gebunden.
Mit zwei Jahren bekam sie einen Welpen zum Geburtstag geschenkt. Bobby, der Schäferhund.
Mit drei Jahren kam sie in den Kindergarten. Die anderen Kinder waren neugierig und wollten wissen, warum sie so komisch aussieht.
Lara ist ihre beste Freundin im Kindergarten, nachmittags spielen sie mit Bobby oft Fangen bei ihr Zuhause.
Mit vier Jahren bekommt sie ein leuchtendes rotes Fahrrad von Oma und Opa zum Geburtstag, sie freut sich sehr darüber und fährt damit stolz durch die Straße.
Ihr erster Schultag und Tabea ist nicht dabei. Sie geht auf eine andere Schule.
Ein Kind aus ihrer Klasse sagt „Monster“ zu ihr und alle Kinder lachen. Sie weint.
Papa kommt von einer Geschäftsreise aus China zurück und bringt ihr einen Chinesischen Fächer mit, da ist sie acht Jahre.
Mit zwölf stirbt Bobby sehr qualvoll, nachdem er vergiftetes Fleisch gegessen hat. Sie ist mit ihm allein im Wald und er verendet in ihren Armen.
Im selben Jahr stirbt auch ihr Opa, sie weint zusammen mit Mama an seinem Grab und wirft eine Rose hinunter.
Mit vierzehn verliebt sie sich in Thomas. Er liest ihren Liebesbrief laut auf dem Schulhof vor und alle Kinder lachen sie aus, Frau Wiedmann tröstet sie im Lehrerzimmer.
Sie schaut Fotos von sich und ihrer Schwester an, als sie noch zusammen waren.
Am Kopf zusammen gewachsen, ihre Schwester sieht aus wie sie selbst.
Sie fragt Mama, warum sie die Kinder bekommen hat, wenn sie doch wusste, dass was nicht stimmte.
„Weil wir uns euch gewünscht haben. Wir lieben dich“.
Nun, sie hatte keiner gefragt, ob sie so leben wollte.
Da ist sie sechzehn.
Die Leute bleiben stehen, um sie anzusehen. Sie spürt die Blicke in ihrem Nacken, wenn sie vorbei geht.
Sie steht vor dem Spiegel und weint. Siebzehn Jahre und hässlich. Rote Haare, ein verstümmeltes Gesicht. Nur eine Freundin, doch sie weiß, dass auch sie hinter ihrem Rücken tuschelt.
Ungeküsst.
Sie denkt an einen Spruch aus der Kirche, die sie früher mit den Eltern oft besuchte.
„Für Gott ist ein Menschenleben nur einen Wimpernschlag lang“.
Und sie befand, dass es nicht nur Gott so ginge. Ihr ganzes Leben war innerhalb einer Sekunde an ihr vorüber gezogen und im Nachhinein kam es ihr auch nicht länger vor.

Als ihr Körper den Asphalt küsst und ihre Erinnerungen sich auf der glitzernden Straße verteilen, schließt sie Frieden mit der Welt und den Menschen und begibt sich in eine wohlige Dunkelheit, von der sie nur Harmonie erwartet.
Ihr Erinnerungen, ihr Leben dauerte nur eine Sekunde lang und alles was übrig geblieben ist, würde der Regen mit der Zeit davon spülen.

 

Grüzi!

Bin mich nicht sicher, ob dies die richtige Spate ist?!
Ich dachte ich probier mal was anderes...
Solltet ihr der Meinung sein, dass dies "totaler Scheiß" ist, bitte ich mir das höflich mitzuteilen und ich werde mit einem "phö" auf dem Absatz kehrt machen :D

 

Hi Sumpfkuh,

das Thema íst hier schon richtig, aber wie sag ich es dir nun höflich?
Wenn etwas an der Geschichte rührt, dann die Lebensstationen. Die reihst du aber für meine Begriffe nur nüchtern und etwas lieblos aneinander. Auch ist es absolut zu viel des Guten, denn nicht alles, was deiner Prot im Leben so widerfährt ist eine zwangsläufige Folge der Operation. In sofern hast du für mein Gefühl das interessante Thema der siamesischen Zwillinge und des Weiterlebens verschenkt indem du in der Folge nur ein schweres Los an das nächste hängst.
Im Einzelen: Warum beginnst du mit fast jedem Satz eine neue Zeile? Das erscheint mir unsinnig.
Warum haben die Freundin und der Hund deiner Prot zwar Namen, sie selbst aber nicht? So viele siamesische Zwillinge, dass jeder sich in der Person wiederfinden soll, gibt es nicht. Es erschwert sogar die Identifikation.

Ihr erster Schultag und Tabea ist nicht dabei.
Wer ist Tabea? Ich dachte, ihre beste Freundin heißt Lara? Oder ist Tabea die tote Schwester? Dann müsste der Name anders eingeführt werden.
Mit zwölf stirbt Bobby sehr qualvoll, nachdem er vergiftetes Fleisch gegessen hat.
Ist Bobby da zwölf und die Prot vierzehn? So jedenfalls hast du es geschrieben.
Im selben Jahr stirbt auch ihr Opa, sie weint zusammen mit Mama an seinem Grab und wirft eine Rose hinunter
und der Papa ist nicht mit auf der Beerdigung?
Am Kopf zusammen gewachsen
Das ist überflüssig, da es schon bei der Schilderung des blinden Auges begriffen wurde.

Ich finde Selbstmord, wenn er nicht brilliant vorbereitet und in der Geschichte entsprechend zwingend ist, immer dämlich, in deiner Geschichte scheint er mir aber wirklich nur auf die Schockwirkung ausgelegt zu sein. Es gibt keinen aus der Geschichte hervorgehenden Grund, dass deine Prot sich das Leben nimmt, so sehr du in den widrigen Lebenssituationen auch übertreibst.

Ich würde dir raten, mal im Internet zu recherchieren, ob es Lebensberichte wirklich überlebender siamesischer Zwillinge gibt. Recherchiere. Eine solche Geschichte und ein solches Thema lassen sich nicht nur aus der Vorstellung bewältigen.
Schnell würdest du feststellen, dass es bei ihnen auch so etwas gibt, wie Lebensglück. Auch sind sie ihr Leben lang viel mehr auf der Suche nach dem toten Zwilling, denn anders als du es schreibst, haben sie sich gekannt, wenn auch vor der kognitiven Erinnerung. Aber eine emotionale Erinnerung ist da. Und die ist dem Zwilling sehr nah.
Ein bisschen Recherche über ganz gewöhnliche Zwillinge hätte dich sicherlich auch schon weiter gebracht. So stirbt dein Thema für mich leider an Realitätsferne und zu geringer Einfühlung in die Protagonistin.

Sorry, sim

 

Hi Sim!
Danke für deine Kritik!
Also eigentlich sollte das Hauptthema der Selbstmord sein.
Sie steht halt oben auf dem Dach, und dann springt sie.
Und während des fallens läuft eben ihr Leben noch einmal rückwärts und dabei sieht sie eben nur kurz die prägensten Ereignisse, deshalb sind die Sätze so abgehakt.
Meistens überwiegen die negativen Erinnerungen, zumindest wenn man soweit ist Selbstmord zu begehen, deshalb erinnert sie sich auch nicht an glückliche Momente (die sie aber sicher hatte).
Der ganze Hintergrund wird vielleicht nicht wirklich deutlich. Hmm.
Ich wollte das ganze so kurz wie möglich halten, denn so ein Flug vom Dach dauert ja nun auch nicht ewig.
Trotzdem danke!

Ach ja, und es war zumindest höflich :D

Gruß,
Sumpfkuh

 

Hallo Sumpfkuh,

viele Aspekte, die sim bereits angesprochen hat, könnte ich jetzt einfach nochmal wiederholen. Tu ich aber nicht, da du sie ja kennst. Z.B. was den Namen Tabea, die Formatierung des Textes und die Recherche angeht.

Es wird nicht deutlich, dass sie während ihrer GEdanken bereits fällt. So kommt der Selbstmord überraschend und erfüllt auch für mich keine Funktion. Es ist einfach ein Thema, mit dem man wirklich sparsam umgehen sollte. Spannender hätte ich es gefunden, von Möglichkeiten zu lesen, mit der Situation umzugehen.

Die kurzen, abgehackten Stationen haben mich nicht gestört.

Liebe Grüße
Juschi

 

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