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Eine ungewöhnliche Busfahrt
Unruhig lief Tom vor der Haustür hin und her. Er schaute auf seine Uhr. Der Schulbus hätte vor einer viertel Stunde kommen müssen. Er blickte wieder in die Richtung aus der er immer kam und tatsächlich, er bog gerade um die Ecke. Tom nahm seinen Rucksack und wartete, dass der Bus vorfuhr, damit er endlich einsteigen konnte. Doch er hielt nicht an. Langsam rollte er an ihm vorbei. Erschrocken rannte Tom zur Fahrertür und klopfte dagegen. Hannes Diehsel, der Busfahrer, sah ihn stirnrunzelnd an, dann einen erkennenden Blick und er hielt an. Die Tür ging auf und Tom stieg ein. Er bemerkte das Hannes völlig durchgeschwitzt war. Er grüßte Tom auch nicht, wie er es immer tat, sondern schien ihn kaum zu bemerken. Er starrte nur geradeaus und fuhr wieder los. Auch bemerkte Tom, dass der Bus nur halb so voll war wie sonst. Wahrscheinlich wurden die meisten Kinder von ihren Eltern zur Schule gebracht, nachdem er nicht gekommen war. Seine Mutter hätte es auch getan, doch war sie ausgerechnet heute früher zu Arbeit gefahren. Tom setzte sich ganz nach vorne und beobachtete Hannes besorgt. Er schien nicht anwesend zu sein, seine Bewegungen waren fahrig und er schlich immer noch regelrecht die Straße entlang. Kein Wunder, dass er zu spät kam. Tom mochte Hannes. Er war immer fröhlich und dass er zu spät kam, hatte Tom noch nie erlebt. Es musste etwas Schlimmes passiert sein. Fast zwanzig Minuten später, hielten sie vor der Schule an. Die Tür ging auf und die Kinder stiegen aus. Tom sah ihnen an, wie erleichtert sie waren. Auch ihm war das alles sehr unheimlich und er wäre am liebsten mit hinaus gegangen, doch wollte er unbedingt wissen, was los war. So versteckte er sich zwischen den Bänken. Eine kurze Weile standen sie nur da. Doch schließlich schloss sich die Tür und sie fuhren los. Immer noch im Schneckentempo. Kurze Zeit später hielten sie wieder. Tom spähte vorsichtig über die Sitzlehne. Es schien als würde Hannes sich umschauen oder nach etwas suchen. Dann starrte er nach rechts, wo sich der Eingang einer Bank befand. Währenddessen trommelte er unablässig mit den Fingern auf das Lenkrad. Tom wusste nicht, wo der Bus war, wenn er keine Kinder abholte, aber bestimmt nicht am Seitenrand einer Hauptstraße, wie dieser. Ob Hannes hier wohnte? Er zeigte noch immer keine ersichtliche Reaktion, so dass Tom langsam nervös wurde. Doch dann öffnete sich die Tür des Busses und Hannes stieg aus. Tom wagte es nicht hinterher zu gehen, aus Angst entdeckt zu werden. Also beobachtete er durch das Fenster, wie Hannes die Bank betrat. Diese war zwar verglast, doch konnte Tom nur das Spiegelbild des Busses darin erkennen. Er wartete. Nichts geschah. Vielleicht sollte er einfach hinein gehen. Er wollte wissen was passierte. Vielleicht sollte er Hannes einfach fragen was los ist. Er stand auf und sprang aus den Bus, als plötzlich lautes Sirenengeheul losging. Erschrocken sah Tom sich um. Überall hielten Polizeiwagen. Männer stiegen aus. Dann ein Knall. Hannes stürzte aus der Bank. In den Händen eine Plastiktüte und eine Pistole. Hektisch schaute er nach rechts und links. In Toms Kopf schwirrte es. Wie paralysiert stand er da und starrte zu Hannes. Plötzlich schaute dieser ihn direkt an. Wie mit einem Puff entwich alle Spannung aus seinem Körper. Die Waffe hing schlaff an seiner Seite und sein Blick war so unendlich traurig. Ein Polizist kam von hinten, riss ihm die Waffe aus der Hand und zwang seine Arme auf den Rücken. Immer noch völlig verstört schaute Tom ihnen hinterher. Sie führten ihn zu einem Polizeitransporter und luden ihn ein. Tom beobachtete den Wagen, bis er schließlich um eine Ecke verschwand. Den Trubel um ihn herum nahm er kaum war. Wie von selbst fand er einen Weg durch die Menschenmenge, die sich inzwischen angesammelt hatte. Den gesamten Weg nach Hause spielte sich alles immer und immer wieder in seinem Kopf ab. Langsam nur begriff er das eben Geschehene.
Am nächsten Tag schon wusste die gesamte Schule bescheid was geschehen war. Es stand am Morgen in der Zeitung. Hannes Diehsel, der Busfahrer, hatte eine Bank überfallen. Doch erst am darauffolgenden Tag, wurde geschildert warum. Jemand hatte seine Frau und seine kleine Tochter entführt und ein Lösegeld von zehntausend Euro verlangt, die Hannes natürlich nicht hatte. Erleichtert las Tom weiter, dass die Polizei den Entführer gefasst hat und die Familie wohlbehalten wieder zu Hause ist. Nur ist Hannes damit nicht aus dem Schneider. Er wird trotzdem wegen des Raubüberfalls angeklagt. Tom war traurig. Unruhig wälzte er sich die Nacht hin und her. Vielleicht hätte er Hannes einfach fragen sollen, was los ist.