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Einschreibungstermin

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10.09.2006
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Einschreibungstermin

Heute ist Einschreibungstermin! Die Zeiten, in denen ich mich in Geduld und Entbehrung üben musste, kommen mir im Rückblick wie eine halbe Ewigkeit vor. Doch jetzt ist es soweit. An die Stelle der Vorstellung rückt Realität, verschwommene und unklare Bilder werden scharf und konkret.

Ich werde Lehrer!

Und tatsächlich, allen hab ich’s gezeigt. Mit 12 sprach ich das erste Mal davon und keiner hielt es für möglich. Kein Wunder, waren sie doch alle selbst vom Leben desillusioniert; Putzfrauen, Unteroffiziere ohne Aussicht auf Beförderung, Bauleute mit Schwielen an den Händen, Proletarier.
So weit will ich's nicht kommen lassen.
Deshalb nahm ich mir schon in jungen Jahren vor, dem Schicksal zu entfleuchen und einen ehrenwerten Beruf zu ergreifen.

''Rings um mich herum vernahm ich Zeit meines Lebens Unvollkommenheit, und dabei spielte es meistens keine Rolle, welche Erscheinung der Unvollkommenheit’ Wirt sein sollte. Verwandte und Bekannte, Tiere (obwohl diese ja so gesehen bereits vollkommen sind) und aber auch leblose Gegenstände technischer Art, Möbel, Spielzeug, auch das Essen. Meine Vernunft verbietet es mir nämlich, trotz bestem Willen, diese Dinge, die mir in meiner Jugend begegneten, als vollkommen zu bezeichnen. Warum aber war dies so?
Nun, bei den leblosen Dingen lag es freilich daran, dass unser Haushaltbudget einfach zu bemessen war. Aber worin liegt die Tatsache begründet, dass das Geld nicht für Besseres gereicht hat? Letztlich in der Unvollkommenheit dieser Leute, deren Geist für die Entfaltung ihrer individuellen Stärken – die Vollkommenheit – nicht energisch genug war.
Der Unterschied zu den lebenden Objekten liegt bis heute darin, dass, hervorgerufen durch Unvollkommenheit, kein intellektueller Austausch möglich schien, was aber zu meinem besonderen Ärger nicht an mangelnder finanzieller Liquidität lag, oder daran, dass sie keine Chance hatten, sich selbst zu veredeln, sondern direkt an ihrer Unvollkommenheit. Doch was soll’s!'', denke ich mir in der Straßenbahn.

Jeden Augenblick müsste es soweit sein, das Gelände, als auch die Kanzlei rückt zügig in Reichweite, bald müsste alles perfekt sein. Flink stelle ich mich hinten an der Schlange an.
Nach ungefähr zehn Minuten klinke ich mich gedanklich in ein Gespräch zweier Jungen ein, die direkt hinter mir stehen. Jedoch gelingt es mir, trotz mehrerer Versuche nicht, ihnen zu folgen, da sie beide ziemlich breit Dialekt sprechen. Nur ,dass beide Deutschlehrer werden wollen, das habe ich gerade noch so vernommen. ''Doch wie wollen diese mit so einem Dialekt Deutschlehrer werden? Das erscheint mir doch fragwürdig, gilt es doch die deutsche Sprache rein zu halten!''. Wenig später störe ich mich an einem ganzen Haufen, der rauchend und lärmend aus der Kanzlei herausstürmt. ''Jetzt gehen wir saufen, Freunde!'', schreit einer unter erheblichem Beifall der Menge drumherum.
''Um Himmels Willen, was ist den da los?'', beißt mich ein Gedanke. Nach etwa einer halben Stunde stehe ich kurz vor dem Schalter und richte schon einmal meine Unterlagen her. Plötzlich, es wird jetzt ziemlich eng, flüstert einer seinem Kumpel zu, dass er eigentlich gar keine Lust hätte, und sich nur einschreibt, weil er sonst nichts anderes wüsste.

Jetzt endlich bin ich an der Reihe. Sofort wirft mir die Dame am Pult, die einen üblen Saustall an ihrem Arbeitsplatz zu pflegen scheint, einen überaus gelangweilten Blick zu. ''Name, Adresse, Zeugnis'', murmelt sie daher, den Blick senkend auf ein Blatt Papier, die Zigarette im Mund. "Meine Dame!", antworte ich, den Kopf erhebend, ''rechte Lehrer werden hier ja wohl nicht ausgebildet, ich habe mich umentschieden, ich werde Anwalt!'' Darauf die Frau: ''Dann müssen sie aber in die Kanzlei gegenüber!... Nächster bitte!''

''Dort wird es schon besser sein'', rede ich mir ein und mache mich, ohne ein Wort zu erwidern, auf den Weg hinüber ins andere Gebäude. Erleichtert schließe ich auf und bilde zunächst, wie beim ersten Mal, das hinterste Glied der Warteschlange.

 

Hallo Pylades,

was sagt man nun dazu? Wenn ich dich recht verstehe, versuchst du das Gefühlsleben eines angehenden Studenten zu schildern, der sich in der letzten Minute von Lehramt zu Jura hin umentscheidet.

Ich muss gestehen, deine kleine Geschichte enthält eine ganze Reihe von Reibungspunkten, welche ich als unangenehm für den Leser bezeichnen würde. Es geht Los im 3. Absatz:

Mit 12 sprach ich das erste Mal davon und keiner hielt es für möglich. Kein Wunder, waren sie doch alle selbst vom Leben desillusioniert; Putzfrauen, Unteroffiziere ohne Aussicht auf Beförderung, Bauleute mit Schwielen an den Händen, Proletarier.

Da weiß man irgedwie schon, was das Programm sein soll. Den 12-jährigen der mit Putzfrauen, Bauleuten und Unteroffizieren seine Karrierepläne diskutiert, kaufe ich dir nicht ab.

Und dann der 4. Absatz. Ich selber bin ein Fan ordentlicher deutscher Sprache und komplizerter Satzkonstruktionen, aber das dieses Monster hier sagen soll? Keine Ahnung. Wenn du deinen Protagonisten damit indirekt disqualifizieren willst, ist es dir gelungen.

Der 5. Absatz. Du versuchst wohl zu beschreiben, dass das Publikum nicht so wirklich niveauvoll ist. Die Klischees auf die du dabei zurückgreifst

'Jetzt gehen wir saufen, Freunde!'
finde ich nicht wirklich überzeugend und auch nicht ansprechend formuliert.

''Um Himmels Willen, was ist den da los?'', beißt mich ein Gedanke
klingt irgendwie krank.

Der Schluss ist nicht schlecht, folgt dem häufig verwendeten Muster: Knaller zum Ende.
Der Selbstbetrug des Protagonisten kommt gut heraus und ist angenehm formuliert im Vegleich zum Rest. Und dann geht wohl wieder alles von vorne los ...


LG, N

Textkram:


Haushaltbudget einfach zu bemessen war.

zu knapp bemessen war

''Rings um mich herum vernahm ich Zeit meines Lebens Unvollkommenheit, und dabei spielte es meistens keine Rolle, welche Erscheinung der Unvollkommenheit’ Wirt sein sollte.

Warum hier Anführungszeichen? Warum ' ? Was soll das mit dem WIrt?

trotz bestem Willen

trotz + Genitiv!

Doch was soll’s!''

Ahh, hier endet das Anführungszeichen. Ich würde beide weglassen.

Nur ,dass beide Deutschlehrer

Leerzeichen falsch

''Doch wie wollen diese mit so einem Dialekt Deutschlehrer werden? Das erscheint mir doch fragwürdig, gilt es doch die deutsche Sprache rein zu halten!''

Warum Anführungszeichen?

Saustall

Umgangssprache.

 

Hallo Nicole!,

Zuerst einmal recht herzlichen Dank für Deine konstruktive Kritik. Nun, ich möchte Dir gerne sagen, was eigentlich aus meiner Sicht der Kern der KG ist:

Ein angehender Student hat ein Ideal. Um sein Ideal zu erreichen (die charakterliche Vollkommenheit) will er Lehrer werden, da er in diesem Beruf die Möglichkeit sieht, den Leuten, die er in seiner Jugend um sich herum haben musste (Putzfrauen, Unteroffizierte, =Proletarier) ''zu entfleuchen''.
Nun merkt er später bei der Einschreibung, dass auch dieser Beruf scheinbar nur so vor Unvollkommenheit strotzt (Bsp.: Die beiden Jungs, die Dialekt sprechen / die Menge, die scheinbar nach ihrer Einschreibung gleich saufen will / die Frau am Schalter). Daraufhin folgt gleich der entscheidende Teil der KG, nämlich dass sich der Protagonist umentscheident und Anwalt werden will.
Er stellt sich an der Schlange für Anwälte an und wird vermutlich dort die gleichen ''unvollkommenen'' Erlebnisse erleben. Alles in allem führt dies wohl dazu, dass er sich nirgendwo einschreiben kann.

Zu den einzelnen Punkten:

Ich finde, dass aus der KG leicht herauszulesen ist, dass sich der Protagonist in seiner Jugend mit ''Proletariern'' auseinandersetzen musste, weil er dort hineingeboren wurde. Er hat ja auch nicht mit ihnen diskutiert, sondern er wurde ja sofort als Träumer bezeichnet, als er ihnen (nebenbei) sagte, er wolle Lehrer werden.

''Jetzt gehen wir saufen, Freunde''
Wen meinst Du mit Publikum? Also auf jeden Fall soll eben die Niveaulosigkeit der angehenden Lehrer hier dargestellt werden! (Habe ich übrigens selbst erlebt bei meiner Einschreibung!)

Würde mich noch interessieren, was Du mit dem Selbstbetrug des Protagonisten meinst?
Fakt ist, dass er vor der Einschreibung erwartete, die Lehrer wären - wie er - vollkommene Wesen. Jetzt stellt er fest, auch Lehrer (rauchen) und saufen. In seiner Naivität entscheidet er sich kurzfristig um, und beweist damit, wie unvollkommen er selbst ist!

 

Die Geschichte krankt neben einer nicht besonders guten Umsetzung vor allem an ihrem Unrealismus. Niemand, der zur Schule geht und intelligent genug ist, später zu studieren, wird Lehrer als vollkommene Wesen begreifen. Was für eine Schule soll das denn sein, die ihm nicht schon längst seine Illusionen genommen hat?

 

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