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Einweg
Ich wasche nochmal die Hände. Die Einweglatexhandschuhe nehme ich aus dem Spender. Jetzt kann es losgehen. Ich rasiere die Haare an den Schnittstellen ab, und wasche die Stellen mit Spiritus. Ich fange mit dem linken Schenkel an. Der Schnitt ist schnell und präzise. Alles läuft sehr gut. Ich versuche möglichst den Knochen zu verschonen um Schmerzen zu verknappen. Plötzlich verkrampft der Muskel, ich muss kurz aufhören und abwarten bis der sich erholt. Puls hält sich im Rahmen. Der Schnitt ist nun fertig, ich stoppe die Blutung.
Das Nervensystem gibt auf. Mein Abendessen jault auf. Mit einem weiteren kleinen Schnitt stelle ich die Stimmbänder ab und warte. Es ist wieder still im Raum. Ich hätte liebend gerne Betäubungsmittel verwendet, ich bin kein Tier, jedoch verdirbt man damit das Fleisch, und es ist nicht mehr genießbar. Die Rauchmelder habe ich vorhin abgestellt. Der Bunsenbrenner ist eine notdürftige Lösung, aber alles andere ist sonst da, Grillgestell, Zange, Würze, Saucen, Limettenhälfte, Salz, feinster Salat mit frischem Basilikum, Oregano, Mozzarella, Brotwürfeln.
Das ist köstlich, es sind Welten zwischen dem, was auf meinem Teller liegt und allen möglichen Hähnchenbrüsten, Kalb oder Hammel. Es ist ein unvergleichbarer Genuss, alle anderen Eindrücke und Sinne verwischen und verstummen, es bleibt nur der Geschmack und die Zartheit auf der Zunge...
Als ich das zweite Stück abschneide, meldet das EKG das Rhythmusflimmern. Herzanfallnähe, Mist, ich habe mit länger gerechnet. Ich lege das Skalpell beiseite und spritze Validol. Jetzt muss es schnell gehen, jeder Herzschlag treibt das Blut mit der Chemikalie näher zur Schnittstelle.Das Braten fällt etwas schwieriger diesmal. Ich stütze mich am Schrank ab und es fällt unglücklicherweise ein Fläschchen herunter. Cerol. Verengung der Blutgefäße in Kombination mit Validol. Lethal. Das Fläschchen zerbirst neben meiner fangenden Hand und ein guter Schuss kommt in die Wunde.
Ich nehme das gute Stück vom Feuer, würze es und zähle dabei die Herzschläge. Ich beiße rein. Dann halte ich inne, um den Geschmack aufzunehmen... Sekunden ziehen sich wie Honig ins Unendliche und viel weiter. Ich lege das Kissen etwas tiefer und öffne den Vorhang ein Bisschen um von dem Mond etwas zu sehen. Ich bin allein im Zimmer sitzend auf dem Bett, mit Operationsinstrumenten, Kocheinrichtung auf dem Tisch und aufgeschlitztem Bein. Tot.