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Thema des Monats Eisige Stille

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04.08.2001
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Eisige Stille

Wir sitzen nun schon seit fast zehn Tagen in der Station fest. War das Leben vor dem Sturm schon nicht abwechslungsreich, so ist dieses tägliche Aus-dem-Fenster-Stieren und das Warten auf besseres Wetter, an Eintönigkeit kaum zu überbieten.
Graum als Leiter der Station lässt es sich nicht nehmen, einmal am Tag nach draußen zu gehen und die Instrumente zu kontrollieren.
„Bist du verrückt?“, fragte ich ihn am ersten Tag, als der Blizzard sich erhoben hatte.
Er sah mich durch seinen verzottelten Bart hindurch an und antwortete: „Nein.“
„Du willst da raus gehen und zum Bunker hinüber?!“
Er nickte. Die Augen bildeten einen seltsam wachen Kontrast zum Rest seines Gesichtes.
„Das ist vollkommen irre! Vollkommen! Und das weißt du auch.“
„Hast du eine bessere Idee?“
„Ja“, antwortete ich und betonte jede Silbe. „Lass es blei-ben!“
Er hatte die Hand an der Verriegelung der Tür und ich war gewärtig, dass jeden Moment der Schneesturm wie ein Derwisch hereinfegen würde.
„Wenn wir die einfachste wissenschaftliche Arbeit ruhen lassen“, sagte er leise, „ist unsere Existenz in dieser Eiswüste ohne Berechtigung; der Sinn unseres Hier seins käme abhanden.“
So ist er, Graum, wenn man ihn sieht in seinen abgetragenen Sachen, meint man, einen Bauern vor sich zu haben. Hört man ihn aber reden, dann spürt man den Wissenschaftler in ihm.
Und er öffnete die Tür zum Chaos aus Schnee und eisiger Luft, und er machte sich auf den Weg zum Bunker, wo alle wichtigen Instrumente untergebracht sind. Ich beobachtete ihn vom Fenster aus, allerdings hatte die wirbelnde weiße Masse ihn nach wenigen Schritten verschluckt.
Flinsgaard stellte sich neben mich an die Luke.
„Er ist wirklich da rausgegangen, was?“
„Das ist Wahnsinn, er tut, als sei das ein Spaziergang.“ Die Augen taten mir weh von dem Gewirbel.
„Nun, wenn er es nicht schafft“, meinte Flinsgaard, „ist es Ebbe mit unseren Pokerspielchen. Mit nur zwei Mann ist der Spaß dahin.“
Ich sah ihn an, konnte aber nicht erkennen, ob er es tatsächlich Ernst damit meinte.
Flinsgaard war es dann auch, der Graum ausmachte, als dieser wieder zurückkehrte.
„Da“, krähte er aufgeregt. „Sieh nur, er hat es geschafft!“
Ein Schemen löste sich langsam aus der weißen Wand und mühsam und schleppend kämpfte Graum sich zu der Station zurück. Er ging gebeugt und man sah jede Böe an der Reaktion seines Körpers.
Flinsgaard sprang zur Tür und öffnete sie rechtzeitig. Graum trat ein und schloss sie mit Mühe wieder. Doch außer ein „Danke!“ sagte er nichts. Ohne uns weiter zu beachten, ging er mit dem Koffer vorbei an den Unterkünften nach hinten zum Labor, um die Messergebnisse auszuwerten.
Am nächsten Tag machte ich ihm den Vorschlag, dass jeder sich opfern solle für den täglichen Gang nach draußen, weil ich eingesehen hatte, dass er nicht davon lassen würde.
Er blickte mich tief an und begann dann plötzlich zu lachen. „Wer soll da rausgehen?!“, fragte er. „Flinsgaard? Der wird weggetragen bei seiner Größe! Den sehen wir nie wieder. Und du, Ben –“ er senkte die Stimme und sah hinunter zu meiner Prothese – „du willst da hinaus, mit deinem Bein?“
Und drehte sich um und ging davon. Ohne zurückzublicken, sagte er noch: „Nein, macht Ihr eure Aufgaben hier drinnen, ich sorge dort draußen fürs Rechte.“
Das war nun gerade das Problem: Wir hatten nichts zu tun, bei diesen Bedingungen. Alle relevanten wissenschaftlichen Geräte und Messeinrichtungen waren außerhalb des Hauptgebäudes untergebracht (nicht ohne Grund übrigens – niemand hat gern ein radioaktiv strahlendes Utensil neben seinem Schlafzimmer zu stehen). Aber unserer eigentlichen Aufgabe, Bohrungen vorzunehmen und die gewonnenen Kerne zu untersuchen, auszuwerten und die Resultate in Zusammenhang mit anderen Forschungsergebnissen zu stellen, die Tätigkeiten, wegen der wir hier in dieser Eiswüste am anderen Ende der Welt durchhielten, die konnten wir nicht ausüben.
„Was wird jetzt“, fragte Flinsgaard nach drei Tagen Ausharrens in der Station. „Wir können nicht ständig Poker spielen, um die Zeit totzuschlagen.“
Graum sah von einem Buch auf. Die Lesebrille war vollkommen antagonistisch zu seinem Äußeren. Jedes Mal wenn ich Graum mit der Brille sehe, muss ich an einen Affen denken mit einem Handy. Man erwartet nicht, solch einen Gegenstand bei ihm zu sehen.
„Du könntest die Station ausfegen, Gen.“
Flinsgaard sah von Graum zu mir, als erwartete er, dass wir loslachen würden. Doch wir blieben beide ruhig, und das beunruhigte ihn.
„Im Ernst, Graum! Die Meteorologen geben nicht vor Ende der Woche Entwarnung, ich würde mich nicht wundern, wenn der Sturm noch sechs Tage andauern würde.“
Er hatte noch keine Ahnung, was uns erwartete!
„Die Regale sind noch voll! Wir werden nicht verhungern und nicht erfrieren.“
„Das weiß ich! ’türlich werden wir nicht sterben. Aber wir haben nichts zu tun!“
Ich schaltete mich ein: „Was Gen meint, ist, dass wir hoffnungslos zurückbleiben werden mit der Arbeit. Wir schaffen unseren Zeitplan nicht, wir werden bis zum Ende des Quartals nicht durchsein mit den Tests.“
Graum legte das Buch beiseite und nahm die Brille ab. Er fixierte mich und mir wurde wie immer unwohl dabei. Flinsgaard neben mir rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her.
„Wir haben dasselbe Los“, begann Graum. „Wir können alle nicht viel tun. Auf der Bellinghausen sitzen sie genauso auf dem Trockenen. Es bleibt uns nichts als abzuwarten und Ruhe zu bewahren, den täglichen Betrieb aufrechtzuerhalten und bereit zu sein, sobald sich der Sturm verzieht. Was macht der Funkkontakt zur Bellinghausen?“
Unsere Nachbarstation liegt gerade 150 Kilometer entfernt und war ebenso von dem Unwetter betroffen. Seit Ausbruch des Sturms war der Kontakt unterbrochen.
Flinsgaard wischte über den Tisch und um ein Haar hätte er dabei seine Kaffeetasse umgeworfen.
„Tja, was soll ich sagen? Kein Kontakt bisher. Schnarren und Rauschen. Atmosphärische Störungen. Ich bin dran, aber kann nichts machen.“
„Was soll das heißen? Wann wird die Verbindung wieder hergestellt? Das kann doch nicht so schwer sein!“
„Chef, das ist kein Amateurfunk, über den wir hier reden! Das Iridium-System ist zwar kinderleicht zu bedienen, fast jeder kann damit ohne Vorkenntnisse umgehen. Aber wenn’s mal streikt, dann ist nichts zu machen. Ich kann nichts tun, nur warten und hoffen.“
„Woran liegt es?“
„Was weiß ich, vielleicht ist ein Satellit ausgefallen, Sonnenflecken oder irgendetwas. Ich habe keine Ahnung.“
Er griff fahrig zur Schachtel Zigaretten, die neben der Tasse lag.
Als er sich eine ansteckte, sagte Graum: „Geh in deine Kabine, Gen, wenn du rauchen willst!“
„Wir sollten einführen, nur noch an der frischen Luft zu rauchen“, bemerkte Graum, während Flinsgaard wortlos abzog. Er konnte das nicht ernst meinen, wir alle drei rauchten, aber Flinsgaard hatte sich hier in der Einöde zum Kettenraucher entwickelt.
„Er ist überspannt, der Kleine“, sagte ich um die Situation aufzulockern.
Graum hatte wieder das Buch und die Brille zur Hand genommen, ließ beides noch einmal sinken.
„Ja, du hast Recht“, meinte er. „Wenn er Beschäftigung hat, ist er in Ordnung, aber er darf nicht in Langeweile verfallen. Dann wird er ungenießbar.“
„Wie lange müssen wir hier noch sitzen, Aaron? Was sagen die Meteorologen.“
„Bevor die Funkanlage ausfiel, hatte ich ein Gespräch mit der Beringhausen. Die Verbindung war da schon alles andere als sauber, ich habe die Hälfte nicht verstanden, von dem was sie durchgaben. Sie hatten Informationen über das Schlechtwettergebiet, und ich meinte zu verstehen, dass es mehrere Wochen dauern kann, bis es sich verzieht.“
„Gott, ist das wahr?“
„Ich kann mich verhört haben, die Qualität war miserabel. Lass auf jeden Fall Flinsgaard nichts davon wissen. Die Bellinghausen-Station gab außerdem durch, dass sie auf einen Fund gestoßen sind, der sich von den anderen Proben abhebt. Irgendetwas müssen sie im Eis entdeckt haben.“
„Was? Warum hast du noch nichts davon erzählt?“
Mein Bein tat weh, besser gesagt, der Teil, der davon noch übrig war.
„Wie schon gesagt, ich habe nur wenig verstanden und musste mir den Rest zusammenreimen. So ist es also nicht sicher, dass ich das richtig gedeutet habe. Aber für mich hörte sich das wichtig an. ’Haben etwas gefunden, berichten später mehr!’ Es kann auch harmlos gewesen sein.“
Flinsgaard kam herein und brachte eine Wolke schalen Rauchs mit. Wir unterbrachen das Gespräch, Graum fuhr fort zu lesen und ich schrieb weiter in meinem Tagebuch.

Den Flocken zu folgen, mit dem Blick hinterher zu eilen, wenn der Wind den Schnee immer wieder in eine andere Richtung treibt, genau sehen zu können, wo entlang die Böe fährt, das macht den Reiz aus, stundenlang aus dem Fenster zu starren. Ich tat das immer öfter, es war faszinierend.
„Ist Graum draußen?“, fragte ich Flinsgaard, als ich der Meinung war, eine Gestalt gesehen zu haben.
„Ich bin hier hinten“, antwortete mir Aaron selbst aus seiner Kabine.
Ich wandte den Blick nicht ab von dem Flecken, an dem ich ihn zu erblicken gemeint hatte. Die Augen begannen mir zu tränen, als ich versuchte, den Schleier zu durchdringen.
„Was ist los?“ Graum war von hinten herangekommen und starrte nun ebenfalls aus dem Fenster. „Irgendwas anderes als Schnee?“
„Ich weiß nicht“, antwortete ich. „Ich hätte schwören können, eine Gestalt zu sehen.“ Ich musste fortschauen, das Weiß, dieses blendende Schneegestöber stach in den Augen. „Aber ich habe mich wohl getäuscht.“
Ich ging zurück zu meinem Sessel. Flinsgaard kam mir entgegen, er roch nach Alkohol.
„Was meinst du, was da draußen los ist!“ Er hatte mit angehört, was ich Graum erzählt hatte. Seine Stimme klang schwer und er lallte ein wenig. „Es wird der Postbote gewesen sein, ich erwarte ein dringendes Paket.“ Damit lief er zur Tür und machte Anstalten, sie zu öffnen. „Das ist wieder ein Andrang heute, ich werde ihm öffnen, und dann ist aber genug. Soviel Besuch am Tag kann...“
„Halt den Mund, Flinsgaard!“, bellte Graum. „Du bist betrunken!“
Augenblicklich war Flinsgaard still und nahm die Hand von der Klinke.
„Geh in deine Kabine und versuch zu schlafen. Wenn du aufwachst, wird das Wetter besser sein.“
Als Flinsgaard ohne ein weiteres Wort den Raum verlassen hatte, sagte Graum zu mir: „Es wird Zeit, dass irgend etwas passiert, unsere Nerven liegen blank. Lange kann das so nicht weiter gehen.“
„Ich bin mir sicher, dass ich mich nicht getäuscht habe. Ich habe etwas gesehen da draußen, das weiß ich.“
Ich humpelte in meine Kabine und setzte mich an den Schreibtisch.
Die Station Bransfield – unsere Station – ist ausgelegt für maximal zehn Personen Besatzung. Eine sehr kleine, ziemlich teure Station und von Anfang an nur als Satellit der erheblich größeren Bellinghausen geplant und betrieben.
Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass wir mit drei Mann Besatzung über die Runden kommen mussten. Es besteht ja eine ständige Verbindung zum Basislager und alle lebensnotwendigen Sachen, die wir nicht besitzen, sind dort zu finden. Aber momentan ist eben jeglicher Kontakt abgerissen zu unserer Mutterstation und so harmlos wie Graum sie beschrieb, ist unsere Lage wahrlich nicht.
Ich schnallte mein Bein ab und machte mich fertig zum Schlafengehen. Es gibt viele Dinge, an die man sich in der Antarktis gewöhnen muss. Die Tag und Nacht Gleiche gehört in jedem Fall dazu. Wir hatten Polartag, der zugegebenermaßen nicht im Ansatz so nervend ist wie die Nacht, aber eben auch eine gewisse Umgewöhnung bedeutet. Sternegucken ist nicht, ewiges Licht, wie es scheint.
Mein Stumpf schmerzte. Das tut er meist bei Stress und Anspannung.
Tausende von Kilometern durch feindselige Eiswüsten gestapft, monatelange Aufenthalte in Regionen, die für den Menschen nicht geeignet scheinen, in frostklaren Nächten auf Nachschub gehofft – man sollte annehmen, der Mann kann Kriegsverletzungen vorweisen.
Doch stattdessen verlor ich meinen rechten Fuß und den Unterschenkel bei einem Verkehrsunfall in der gemäßigten mitteleuropäischen Klimazone. Ein Zusammenstoß mit einem – Bierwagen. Vielleicht hätte ich mich glücklich schätzen sollen, doch ich hatte den Verlust noch immer nicht verwunden. Dann und wann in einer ruhigen Stunde, in einer U-Boot-ähnlichen Situation wie hier, kommt die Verzweifelung. Ich sitze im Einsamen, reibe wie wild an dem Stumpf und konzentriere mich darauf, nicht an die Heimat zu denken und nicht zu weinen.
Meist misslingt mir beides und ich erwache mit feuchtem Gesicht und trüben Gedanken.

Flinsgaard ist eine Frohnatur. Zumindest am Morgen, wenn man als erwachsener Mensch etwas Ruhe benötigt, versteht er es, jedem mit seiner grinsend guten Laune auf den Sender zu gehen.
Der Sturm hatte keinen Deut nachgelassen und dementsprechend war die Stimmung von Graum. Ich für meinen Teil hatte eine grauenhaft depressive Nacht hinter mir und war mir sicher, für den Verlauf des Tages nicht ansprechbar zu sein.
„Flinsgaard! Halt die Klappe!“, schnarrte Graum beim Frühstück, nachdem der ununterbrochen geschnattert hatte. „Wenigstens für zwei Minuten, bitte!“
Beleidigtes Schweigen, das nur unterbrochen wurde vom Knirschen der Brötchen und dem Aufschlagen der Eier.
Graum hat ein Hobby, dem er bei voller Auslastung unserer Station kaum nachgehen kann. Jetzt hatte er Zeit dafür und setzte sich nach dem Frühstück, nachdem wir gemeinsam abgeräumt hatten, in sein Zimmer an seine Staffelei. Er malte. Ölbilder, aus der Fantasie heraus und immer farbige, sonnige Landschaften.
Ich setzte mich im Gemeinschaftsraum an den Tisch und versuchte weiter in meinem Tagebuch zu schreiben und Flinsgaard setzte sich, immer noch eingeschnappt ans Fenster und stierte hinaus.
Ich weiß noch, dass ich begriff, dass dies hier der erste wirklich schlimme Tag in unserem Zusammenleben sein würde.
Wir waren allein, Graum hatte nach einer Weile Arbeitens die Tür seiner Kabine geschlossen.
Trotzdem ich über mein Heft gebeugt saß, spürte ich, wie Flinsgaard sich umdrehte und mich beobachtete.
„Es wird noch lange dauern, nicht?“, fragte er plötzlich leise.
„Was?“
„Der Sturm, er ist noch lange nicht vorbei, nicht? Ihr habt euch gestern unterhalten, als ich in meinem Zimmer war und rauchte. Ihr habt das Thema gewechselt, als ich wieder kam.“
„Ich weiß nicht, möglich.“
„Der Alte hat jetzt schon schlechte Laune. Weiß Gott, wie das weiter geht.“
Er wandte sich wieder zum Fenster, doch ich starrte ihn nun meinerseits an. Flinsgaard in trüben Gedanken, das war ein schlechtes Zeichen.
Ich nahm eben meinen Stift, als er sich plötzlich wieder zu mir umdrehte und einen gurgelnden Laut von sich gab.
„Was ist?“, fragte ich. „Du bist so blass, als hättest du ein Gespenst...“
So schnell es meine Prothese zuließ war ich aufgesprungen und hinübergeeilt zu Flinsgaard, der stumm aus dem Fenster wies.
Dort stand sie – eine Gestalt, vielleicht zehn Meter entfernt von uns, umtost vom Schneesturm
Und vollkommen reglos. Ich vermeinte zu erkennen, dass es sich um einen Menschen handelte, eingepackt in dicke Sachen, vermummt bis an die Nasenspitze.
Doch Flinsgaard fragte: „Was ist das?“
Es klapperte hinter uns, wir drehten uns um und sahen Graum in der Tür. Langsam kam er auf uns zu, den Pinsel noch in der Hand.
Er sagte kein Wort, starrte nur an uns vorbei, während wir ihm mit den Blicken folgten.
„Was ist los“, fragte er nur.
„Der Mann dort“, stammelte ich und wies aus dem Fenster. „Ich habe ihn gestern schon gesehen.“
Doch dort war niemand mehr. Der Sturm hatte ihn verschluckt. Nur die wilde Flockenjagd war noch zu sehen.
„Welcher Mann?“
Flinsgaard überschlug sich fast: „Scheiße, eben war er noch da, Chef. Ehrlich, da hat einer gestanden, mitten in der Antarktis und hat herübergesehen. Als wenn er auf den Bus wartet.“
„Da ist niemand, Flinsgaard. Beruhige dich wieder.“

„Was glaubst du hast du gesehen, Benjamin?“
Die Situation hatte sich schneller entspannt als befürchtet. Graum war zurück in seine Kabine getrottet und wir beide, Flinsgaard und ich, hinterher. Nun stand Graum vor seiner Staffelei, mit dem Pinsel in der Hand und fragte uns aus.
Ich starrte auf den Elch vor finnischer Heimatkulisse auf der Leinwand und versuchte mich zu erinnern.
„Ein Mann stand da und starrte zu uns hinüber. Wie Gen schon gesagt hat. Hat nur dagestanden und gestarrt.“
„Wo soll hier ein Mann herkommen?“, knurrte Graum und tauchte den Pinsel in einen blauen Farbklecks auf seiner Palette. Er begann zu mischen und bekam ein blasses Blau heraus, das er für die zarte Gischt in einem See verwandte. „Das ist vollkommen ausgeschlossen! Was hast du gesehen, Gen?“
„Dasselbe wie Ben. Ein Mann, der mitten im Schnee stand und auf irgendwas gelauert hat.“
Die Gischt wurde immer heller, Graum arbeitete jetzt mit schneeweißer Farbe. Es hatte Ähnlichkeit mit dem Schneegestöber draußen.
„War das derselbe Mann, den du gestern gesehen hast, Ben?“, fragte Graum, setzte einen letzten Klecks und drehte sich zu mir um.
Ich saß auf dem Stuhl neben der Eingangstür; in meiner Kabine steht dieser Stuhl auf der anderen Seite der Tür, doch ansonsten gleichen sich alle fünf Mannschaftszimmer der Bransfield.
„Es war derselbe. Er war zwar etwas schlechter zu erkennen als vorhin, aber ich denke schon, dass es derselbe war.“
„Er kann nicht die ganze Nacht draußen gewesen sein“, meinte Flinsgaard. „Das überlebt niemand, trotz Thermoanzug und Überlebensgepäck.“
„Niemand.“ Graum sah Flinsgaard an mit dem Pinsel in der Hand. „Niemand, da hast du Recht. Wenn es stimmt, was Ihr da sagt, dann treibt sich...jemand da draußen rum, der dann und wann vor unserer Station erscheint, die Nacht wer weiß wo verbringt und immer dann verschwindet, wenn ich ans Fenster trete.“
„Nein, nicht ganz“, sagte ich, stand vom Stuhl auf und ging hinüber zu der kleinen Luke, die nach draußen zeigte. „Dort ist er wieder.“
Flinsgaard eilte zu mir, aber er ließ Graum vorbei, der ans Fenster trat und aufstöhnte, als er die Figur draußen erblickte. „Das kann nicht wahr sein!“
Und während wir drei uns vor dem Fenster drängten, beschlug die Scheibe und die Gestalt stand reglos wie ehedem.
„Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um jemanden von der Bellinghausen handelt?“, murmelte Graum.
„Das sind fast einhundertfünfzig Kilometer, Chef! Bei den Bedingungen?“
„Seit wann ist der Funkkontakt unterbrochen?“
„Fast vier Tage. Das schafft kein Mensch. Wenn das Wetter hervorragend ist, schafft man die Distanz vielleicht an einem Tag mit dem Motorschlitten. Die Amerikaner benutzen Hovercrafts, da sind sie fix drüben. Aber der Mann da hat nicht mal einen Hundeschlitten dabei, er ist zu Fuß.“
„Das stimmt“, sagte ich und wischte meinen Atem von der Scheibe. „Unmöglich, dass er von der Bellinghausen stammt. Sie hätten uns sofort unterrichtet, wenn sie einen Mann außer Plan zu uns schickten.“
„Wir sehen keinen Motorschlitten, Flinsgaard. Wir sehen keine Hilfsmittel. Das heißt nicht, dass er keine dabei hat. Er kann eine Notunterkunft zweihundert Meter von uns aufschlagen und wir sehen sie nicht.“
„Aber warum, Chef? Wozu das Ganze, das ist doch Wahnsinn.“
Ich drehte mich weg vom Fenster und flüsterte: „Ich komme mir vor wie eins der sieben Geißlein, die den Wolf draußen beobachten.“
„Er ist weg!“
Ich wandte mich wieder um. Nichts! Nur Schnee. Und dann an einer anderen, mindestens dreißig Meter entfernten Stelle, tauchte er wieder auf.
„Ist es derselbe?“
„Ich glaube. – Ja, sieht ganz danach aus.“
„Scheiße!“
„Was ist, Flinsgaard?“
„Der sieht aus wie Schleif von der Bellinghausen!“

Graum war es, der hinausging. Er meinte, es wäre sowieso Zeit für seinen täglichen Gang zum Bunker; er würde Schleif einladen, sich in unserer Station aufzuwärmen.
Flinsgaard und ich standen innen bereit und beobachteten die ganze Aktion. Ich auf Posten am Fenster und Flinsgaard in voller Montur, auf dem Sprung hinauszustürzen, sobald sich eine kleine Absonderlichkeit ergeben sollte. Für alle Fälle hielt er die Schrotflinte in der Hand, die wir, entgegen der Vorschriften, für den Notfall zu liegen hatten (welchen Notfall nur?!)
Doch sie wurde nicht gebraucht. Schleif ließ sich bereitwillig von Graum beim Arm packen und zur Eingangstür unserer Station führen.

Wir alle drei kannten Schleif. Er war Biologe, ziemlich bekannt und hatte recht gute Verbindungen zu den Medien, so dass er immer schon als potentieller Sponsoren-Geld-Beschaffer galt. Er war groß, und wenn man mit ihm sprach, ging von ihm die Würde eines Uhus aus. Teilweise lag das wohl daran, dass er fast jeden überragte, selbst Graum musste nach oben schauen, wenn er mit ihm sprach.
Und so stand Schleif in unserer Station und sah uns mit dunklen Augen von oben herab zu, wie wir ihn aus dem Anzug schälten. Er war vollkommen apathisch, kein Wort kam über seine Lippen.
„Was ist mit ihm?“, wollte Flinsgaard wissen.
„Er scheint sich in einer Art Dämmerzustand zu befinden.“ Graum hatte mit sich und seiner eigenen Ausrüstung zu tun. „Vielleicht eine Abwehrreaktion des Körpers. Er müsste schleunigst zu einem Arzt.“
„Der ist auf der Bellinghausen“, merkte ich an.
Wir quartierten Schleif einstweilen in eine freie Kabine ein. Graum versuchte, noch einmal mit ihm zu reden, doch er starrte nur vor sich hin. Nur dann und wann entfuhr ihm ein Stöhnen und eine Art Wimmern, das uns erschauern ließ.
Wir steckten ihn ins Bett und probierten, ihm Tee einzuflößen.
„Hat er Fieber?“, fragte ich Graum.
Der schüttelte mit dem Kopf und fuhr Flinsgaard an: „Was macht der Funkkontakt? Ich brauche in den nächsten Stunden Verbindung zur Bellinghausen. Es ist wichtig! Wenn Schleif vermisst wird, setzt man dort wahrscheinlich alles daran, ihn zu finden.“
„Die Lage hat sich kein bisschen geändert, Chef, ich kann nichts tun. Nur warten.“
Unser Gast begann derweil unruhig zu werden. Er rollte fiebrig mit dem Kopf hin und her und niemand schien es zu kümmern. Wir drei standen wie zweifelnde Ärzte um sein Bett herum, während der Patient siechte.
Er begann mit den Händen zu fuchteln und sich aufzurichten. Sofort ließ er sich wieder zurückfallen.
„Scheiße, was ist mit ihm?“, japste Flinsgaard.
„He, Schleif, können Sie mich hören?“ Graum beugte sich übers Bett. „Antworten Sie mir!“
Der war jetzt nicht zu halten, sein Körper zuckte wie wild, wurde hin- und hergeworfen und zudem von einem Hustenanfall geplagt. Graum packte ihn bei den Schultern und versuchte ihn niederzudrücken.
„Schleif! Schleif!“
Plötzlich schnellte Schleif, der ältere, bettlägerige Mann, nach vorn und stieß Graum mit voller Wucht von sich. Die Kraft, die er dabei aufbrachte, war enorm; Graum flog durch das ganze Zimmer und knallte gegen die Wand.
Schleif saß im Bett, stieß die Decke fort und machte sich daran, aufzustehen. Ich stellte mich ihm in den Weg, doch die Handbewegung, mit der er mich beiseite wischte, war im Ansatz kaum zu erkennen. Der Kerl strotzte vor Kraft.
Nachdem nun auch ich außer Gefecht gesetzt war, stand Schleif vor Flinsgaard. Eine Art elektrisch aufgeladene Stille lag plötzlich über allem. Der große Schleif blickte tief atmend auf Flinsgaard hinunter, während dieser nicht in der Lage war, sich zu bewegen. Doch er schlug ihn nicht.
Langsam beugte er sich zu dem zitternden Mann herab, packte seinen Kopf und presste die Lippen auf den Mund Flinsgaards. Er küsste ihn – das volle Programm!
Wir waren so überrascht, dass es uns nicht gelang, uns zu bewegen. Wir erstarrten, während Flinsgaard und Schleif umschlungen standen wie ein Liebespaar.
Mit einem seltsamen Laut trennte sich Schleif von seinem Gegenüber, Flinsgaard holte hörbar Luft und stöhnte auf. Er wurde von Schleif weggeschubst und begann zu jammern: „Oh Gott! Dieses Schwein, er hat mir einen Kuss gegeben.“
Polternd verließ Schleif die Kabine.
Graum rappelte sich auf und wir beide jagte hinterher, während Flinsgaard noch immer stöhnte: „Die Sau hat mich geküsst. Das Schwein bring’ ich um!“
In der Station war es still und Schleif nirgends zu sehen.
„Sei vorsichtig“, zischte Graum. „Er hat Bärenkräfte!“
Wir schlichen den Gang entlang an den anderen Kabinen vorbei und stießen leise eine Tür nach der anderen auf. Ich kam mir vor wie ein Indianer im Film. Gleichzeitig aber hatte ich tiefe Furcht.
Die Kabinen waren leer und auch anderswo war Schleif nicht zu finden. Es war Flinsgaard, als er sich halbwegs wieder beruhigt hatte, der bemerkte, dass die Außentüre offen stand. Wir liefen in den Vorraum – Flinsgaard vorneweg und draußen im eisigen Sturm vor der Tür, lag Schleif mit dem Gesicht im Schnee.
Flinsgaard schlüpfte hinaus und stürmte zu dem Bewusstlosen.
„Du Sau“, brüllte er. „Du blödes Schwein!“ Und dabei trat er dem Mann mit Kraft in die Seite. Immer wieder: „Du Sau, du Sau!“ und wie in Raserei trat er zu. Graum lief zu ihm und schrie ihn an: „Flinsgaard, lass das sein!“, doch der schien ihn nicht zu hören. Er trampelte immer weiter zu.
Da packte Graum ihn und hob ihn hoch und warf ihn in den Schnee. Dort blieb er einen Augenblick liegen, bevor er aufsprang und ohne sich umzudrehen in die Station stürzte.
„Er ist bewusstlos“, rief Graum mir zu, der sich schon über Schleif gebeugt hatte. „Komm, hilf mir!“
Der Wind zerrte an meinen Sachen, es war eisig. Wir hatten keine Schutzkleidung übergezogen und die Kälte wurde mir erst jetzt richtig bewusst. Wir trugen Schleif in die Station und legten ihn zurück in sein Bett. Er hatte die Augen geschlossen, der Atem ging flach, aber der Puls war halbwegs normal. Äußerliche Wunden von Flinsgaards Ausraster waren nicht zu sehen.
Graum zog ihm die Lider hoch. „So was habe ich noch nie erlebt“, sagte er. „Er war bärenstark, dabei hatte es den Anschein, als sei er völlig entkräftet gewesen.“
„Was ist passiert“, fragte ich vorsichtig.
Graum zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Wenn wir wüssten, was auf der Bellinghausen vorgefallen ist! Die letzte Unterhaltung mit denen ist mir noch im Ohr, die Andeutung, dass sie etwas gefunden hätten. Das lässt mir keine Ruhe!“
„Aber wir suchen nach Kleinstlebewesen in Lufteinschlüssen des Eises! Wie soll solch eine Forschung damit zusammenhängen, dass Schleif ausgerastet ist? Das kann nicht miteinander zusammenhängen.“
„Ich weiß es nicht. Der Mann war völlig daneben.“
„Aber Flinsgaard im Anschluss auch. Was ist nur in ihn gefahren, der hätte Schleif glatt umgebracht.“
„Flinsgaard macht mir wirklich Sorgen! Er ist dem Druck nicht mehr gewachsen. Es wird Zeit, dass er Urlaub bekommt und die ganze Sache hier hinter sich lässt.“
„Er ist nächsten Monat dran.“ Wir gingen leise aus dem Zimmer. Graum warf noch einen Blick zurück. „Ich glaube, das macht ihn zusätzlich fertig, dass er nicht weiß, ob er den Urlaub antreten kann.“
„Er ist nächsten Monat dran?“, murmelte Graum und ich wusste nicht, was an dieser Information wichtig und überlegenswert war.

Wir sahen Flinsgaard den ganzen Tag nicht mehr. Zunächst hielt er sich in seiner Kabine verkrochen, dann hörten wir ihn in unserer kleinen Funkkabine wirken. Offensichtlich hatte er ein schlechtes Gewissen.
Innen Ruhe und jetzt wieder Gleichmütigkeit, draußen dagegen noch immer das Chaos des Blizzards. Graum ging schließlich hinaus zum Bunker und brachte die aktuellen Messergebnisse. Wahrscheinlich um den Anschein von Normalität zu wahren.
Der Zustand von Schleif änderte sich nicht. Er kam nicht zu Bewusstsein, doch die anderen Körperfunktionen blieben halbwegs zufriedenstellend. Einzig gegen Abend (wenn wir von Abend sprechen wollen bei steter Helligkeit), begann seine Nase zu bluten. Ganz leicht und zunächst unbemerkt zog sich ein schmaler Blutsfaden über sein Wange. Mich machte dieser Anblick frösteln, warum auch immer.
Graum wertete stoisch die Ergebnisse aus, Flinsgaard kämpfte mit dem Funk und ich starrte aus dem Fenster. Wie eine Astrid-Lindgren-Figur sah ich hinaus und versuchte Gestalten zu erkennen, Rettungsfahrzeuge, Hilfsmannschaften.
Irgendwann gesellte sich Graum zu mir und wortlos hielten wir gemeinsam Wacht. Wir bemerkten beide, dass etwas geschehen war und wussten nicht woran. Wir sahen uns an und im nächsten Moment platzte Flinsgaard hinein und fing an zu plappern.
„Es hat geklappt! Es ist soweit, kommt nur, kommt! Ich habe Kontakt, Kontakt!“
Er lief voraus, wir ohne Zögern hinterher. In der Funkkabine hielt er Graum den Hörer hin.
Mit Einführung des Iridium-Systems ist das Funken bequem und im Normalfall kinderleicht geworden. Der Kontakt wird mittels Satelliten hergestellt und die Bedienung erfolgt mit Apparaten, ähnlich normaler Telefone.
Graum nahm den Hörer, hielt ihn ans Ohr und lauschte.
„Was ist?“, fragte er Flinsgaard verärgert. „Ich höre nichts.“
Ich sah es an seinen Augen – kein Kontakt! Der Funkkontakt zur Bellinghausen war wieder abgerissen.
Flinsgaard drückte wie wild Knöpfe und Schalter der Station, doch er brachte keine Verbindung zustande.
„Was haben sie gesagt?“, fragte Graum, doch Flinsgaard bearbeitete immer noch die Apparatur.
„Was haben die Leute von der Bellinghausen gesagt, Flinsgaard?“ Erst als Graum lauter wurde: „Flinsgaard, verdammt!“, fuhr er herum.
„Was?“
„Hast du mit ihnen gesprochen?“
„Kurz, Chef. Ich wollte gleich Bescheid sagen.“
„Was haben sie gesagt?“
„Die Verbindung war nicht gut. Ich habe ’neue Lebensform’ verstanden, ’aggressiv’ und ’Vorsicht’.“
„Verdammt! Du hättest dir mehr Informationen geben lassen sollen!“
Er drehte sich nachdenklich um und sagte im Hinausgehen: „Versuch es weiter, Gen!“

„Was denkst du, Ben?“, fragte Graum draußen.
„Ich denke, dass die Leute auf der Bellinghausen in ziemlichen Schwierigkeiten sind.“
„Nicht nur die Bellinghausen ist in Schwierigkeiten!“ Er blickte mich finster an. „Wir sind es auch.“
Und wieder die erzwungene Routine, niemand, der etwas der Situation entsprechendes tun konnte. Flinsgaard bastelte, Graum forschte, ich schaute aus dem Fenster und dachte nach.
Wenn die Bellinghausen eine ’neue Lebensform’ entdeckt hatte, worum handelte es sich? Hatte sie tatsächlich in den winzig kleinen Einschlüssen im jahrhundertealten Eis etwas gefunden, das man als Leben bezeichnen konnte? Wenn es die Wissenschaftler unserer Mutterstation als Leben bezeichneten, warum gaben sie ihm dazu den Namen ’neue’ Lebensform? Ich war mir nicht sicher, aber konnte es sein, dass Gen etwas missverstanden hatte? Die Verbindung war sicher schlecht gewesen und nicht alles zu verstehen.
Was für eine neue Lebensform könnte man hier auf Antarktika finden? Und was hatte sie mit unserer gegenwärtigen Lage zu tun?

Ich entdeckte, dass Schleif wieder fort war. Sein Bett war leer und die Tür zu seinem Zimmer stand offen.
Eine eilige und hektische Suche fand ihn im Vorraum auf dem Boden liegend. Er war tot. Es schien, als hätte er sich zum Sterben nach draußen ins wilde Freie schleppen wollen.
Wir trugen ihn stumm nach draußen, in den Geräteschuppen, gleich neben der Station. Der Weg dorthin war nicht schwerwiegend und die Temperatur, die hier herrschte, würde den Verwesungsprozess etwas verzögern.
Ich sah die ganze Zeit, in der ich seine Füße trug, das Gesicht von Schleif und damit die breite Blutspur, die sich unter seiner Nase gebildet hatte.
Flinsgaard arbeitete verbissen weiter an der Funkverbindung, selbst essen wollte er nicht.
So saßen Graum und ich allein am Tisch und nahmen unser Abendbrot ein. Die Vorräte gingen zur Neige, wir konnten nicht mehr schlemmen.
„Was machen wir jetzt?“, fragte ich Graum, während dieser sich eine Zwiebel schälte. „Wir sind hier gefangen, haben eine Leiche, die nicht zu uns gehört und es ist abzusehen, wann uns die Vorräte ausgehen.“
„Wir warten, dass Flinsgaard den Kontakt zur Bellinghausen wieder hergestellt hat.“
„Wir werden uns einschränken müssen.“
„Der Sturm wird nicht mehr lange dauern. Ich denke heute Nacht, spätestens morgen Früh wird er sich legen. Dann wird die Bellinghausen in jedem Falle jemanden rüberschicken.“
„Was ist von der neuen Lebensform zu halten, die sie drüben entdeckt haben?“
Er antwortete nicht. Verbissen kämpfte er mit seiner Zwiebel. Als er es endlich geschafft hatte, sie zu teilen, sah er zu mir auf und sagte: „Er hat sich verhört.“
Damit aß er schweigend weiter und die Art, wie er das tat, ließ keine Diskussion zu.
Flinsgaard kam zu uns hinein und man sah ihm an, dass schon wieder etwas Schlimmes passiert war.
„Was ist los?“, fragte Graum.
„Ich habe die Verbindung wieder gekriegt.“
Wir sprangen beide auf. „Das ist doch mal was!“, rief Graum und wollte losstürmen. Doch Flinsgaard blieb stehen.
„Es ist vorbei, Chef“, sagte er traurig.
„Was sagst du, was ist vorbei? Bist du verrückt?“
„Die Nachricht, die ich heute Morgen aufgefangen habe, die Fragmente...“
„Ja?“
„Es ist eine Endlosschleife. Die Nachricht wiederholt sich immer wieder. Es sitzen keine Menschen an den Geräten auf der Bellinghausen.“
„Verdammt, ich hab es geahnt!“
Ein feiner Blutsfaden zog sich unter Flinsgaards Nase die Bahn. Graum sah es und auch ich, doch er selbst schien nichts davon zu bemerken.
„Gen, was ist mit dir?“ Graum versuchte so sanft zu sprechen wie möglich. „Was ist los?“
„Was soll los sein? Wir sitzen in der Scheiße, aber mächtig.“ Ohne drüber nachzudenken fuhr er sich mit dem Unterarm übers Gesicht und verwischte einen Großteil des Blutes. Sein Blick blieb am Handgelenk haften, das mit dem Blut besudelt war. Er bekam große Augen.
„Was zum Teufel...?“ Er sah zu uns auf und Graum hob beruhigend die Hände.
„Ganz ruhig, Gen. Ruhig nur und dann...“
„Was und dann? Was passiert, wenn ich ruhig werde, was geht hier vor?“
Der Schweiß rann ihm von der Stirn, er war rot im Gesicht, als hätte er eine große Anstrengung hinter sich. Er hyperventilierte.
„Geh in deine Kabine, Gen!“
„Warum?“
„Es ist zu deinem Besten. Geh, mach es uns nicht zu schwer.“
Ich konnte genau sehen, wie sein Widerstand, der ohnehin nicht stark war, brach. In dem Moment schlug er die Augen nieder und seine Gestalt sackte noch mehr zusammen.
„Es hat mit diesem verdammten Kuss zu tun, nicht wahr?“, murmelte er, während er sich umdrehte und auf sein Zimmer zuschlurfte. „Dieses Schwein, dieses Miststück! Ich hätte ihn töten sollen!“
Als die Tür seiner Kabine zuklappte, sprang Graum hinzu und verriegelte sie. Er schloss Gen einfach ein und sah mich danach triumphierend an.
„Was soll das?“, fragte ich.
Statt einer Antwort nahm er mich beim Arm und führte mich in die Gemeinschaftskabine, ließ mich Platz nehmen und machte uns beiden einen Kaffee.
„Gen geht es gut“, begann er, als er einschenkte. „Solange er in seinem Zimmer ausharrt, wird ihm nichts geschehen. Allerdings befürchte ich, dass das nicht lange so bleiben wird. Schleif hatte auch diese Bärenkräfte.“
Er nahm einen vorsichtigen Schluck; ich sah ihn erwartungsvoll an.
„Was liest du aus den Fakten, die sich uns bisher bieten?“, fragte er.
„Nicht viel“, antwortete ich. „Im Prinzip gar nichts. Schleif ist irgendwie von der Bellinghausen hierher gelangt und hat Gen geküsst. Was auf der Bellinghausen vor sich geht, können wir nur vermuten. Schleif ist gestorben, nachdem er Nasenbluten bekommen hatte und Flinsgaard leidet nun auch unter Nasenbluten.“
„Sehr gut. Du hast die Fakten aufgezählt, aber nicht interpretiert. Fein. Aber du hast zwei Fakten vergessen.“
„Ja?“
„Gen fährt als erster von uns auf Urlaub, und die neue Lebensform. Wir wissen nicht, um was es sich handelt, wir...“
„Wir können nicht einmal sicher sein, dass es sich um eine neue Form von Leben handelt.“
„Wegen der Unsicherheitsfaktoren habe ich Gen nicht getötet.“
Irgendwer hatte irgendwann einmal für den Gemeinschaftsraum eine altmodische Wanduhr besorgt, mit Pendel und Aufzugsmechanismus. Ihr Ticken war das einzige, was man hörte.
„Was heißt das?“ Meine Stimme drohte zu versagen.
„Das heißt, wenn Gen auch nur ansatzweise versuchen wird, einen von uns beiden zu küssen, werde ich ihn töten.“
„Das ist absurd! Das wäre Mord!“
„Diese Möglichkeit muss ich einkalkulieren. Einen Irrtum werde ich zu verantworten haben, aber ich kann es nicht zulassen, dass eine unbekannte Form des Lebens auf diese Weise in die Welt getragen wird. Ich kann es nicht zulassen.“
Wir saßen uns noch eine Weile gegenüber und starrten uns an. Was sollte ich tun? Hatte er Recht? Oder handelte es sich hier um einen Irrtum, der surrealer kaum sein konnte?
Er ist der Kommandant, und streng genommen nicht nur von der Bransfield, sondern auch von der Bellinghausen. Denn wir müssen davon ausgehen, dass auf der Mutterstation niemand mehr lebt.

Eben in dem Moment, in dem ich die Aufzeichnungen beendet habe, höre ich, wie Graum den Gang entlang kommt. Flinsgaard in seiner Kabine – in seiner Zelle – wird immer hysterischer. Seit Mitternacht etwa hämmert er gegen die Tür und brüllt unverständliches Zeug. Kaum eine Minute, da nicht Ruhe geherrscht hätte auf unserer Station. Es ist nervenzerrend.
Und über allem die Frage: Wann wird er soviel Kräfte besitzen, dass er herauskommt?
Graum hat seinen Armeerevolver ungesichert ständig dabei. Ich habe nicht gewusst, dass er so etwas besitzt! Die Schrotflinte hat er entladen und die Munition vernichtet. Er ist der einzige, der eine Waffe hat hier. Das macht mir Angst!
„Ben, Ben! Schau aus dem Fenster! Es hat aufgehört, es ist vorbei, der Sturm ist vorrüber!“
Graum. Er ruft über den Flur durch den Lärm, den Flinsgaard macht, hindurch. Ich sehe hinaus und erkenne, er hat Recht! Der Schneesturm hat sich gelegt, das Chaos ist vorbei. Die Sonne scheint auf den glitzernden Schnee, als wäre sie nie fort gewesen.
Graum tritt in mein Zimmer und packt mich bei den Schultern. Seit weiß ich wie viel Tagen lacht er das erste Mal über das ganze Gesicht. Und auch ich kann mich der Stimmung nicht entziehen, ich muss ebenfalls lachen.
Wir gehen gemeinsam zum Fenster und unser Lachen erstirbt. Kläglich dringen nur noch einige Krächzer aus den Kehlen. Was wir dort sehen, lässt das Grauen in uns hoch kriechen.
Der gesamte Horizont ist bevölkert mit vermummten Gestalten, die stoisch dastehen und sich nicht bewegen.

 
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So, das also ist meine Version des femden Onkels. Einige Anmerkungen:

Somebody wird verstehen, wenn ich sage, dass dies meine Art der Annäherung an das blaue Äffchen ist.

Zum Text: Ich weiß natürlich, dass es auf Antarktika kaum schneit, schon noch weniger Schneestürme gibt, doch was sollte ich machen.

Ebenso bin ich nicht sattelfest mit dem Iridium-System. Ich weiß aber, dass es das gibt und dass es eine feine Sache ist.


Behandelt es fair und pfleglich, es ist mein Baby!

Mit freundlichen Grüßen von hier!:D

Anmerkung wegen Neubetitelung: Diese Geschichte gehört zum TdM Januar: - Der faszinierende Unbekannte.

 

hallo,
nur ganz kurz, denn ich muss die geschichte noch ein zweites mal lesen. hab sie sozusagen überflogen. dennoch gefallen hat sie mir.
vor allem die szene mit dem kuss- das kam unerwartet. auch das ende gefällt mir. es erinnert mich an eine andere geschichte, deren titel mir aber jetzt einfach nicht einfallen will.
ziemlich trostlos und klaustrophobisch. war cool.
bis später
jeled

 

Hi jeled!

Dank für deine zügige Antwort, und auch Dank dafür, dass du vorhast, das Teil nochmal in Ruhe zu lesen!

Trostlos und klaustrophobisch, ja, das möchte sein. Bei der Location, nicht wahr.
Aber es scheint dir gefallen zu haben, das freut mich.

Zu der Kussszene möchte ich sicher später noch was sagen, mal sehen, ob es jemanden gibt, der sich darauf bezieht.

Also dann, bis später!

Grüße von diesseits!

 

Hi Hanniball,

ja, man merkt, wieviel Arbeit in dieser Geschichte steckt. Und sie ist dir auch gut gelungen. Hat mir gefallen. Witzig auch die Idee, dass ein Kuss soviel tödlicher sein kann als körperliche Gewalt. ;) Mir war der folgende Hinweis (als Flinsgaard die Eingebung hat, dass der Kuss Schuld an seinem Zustand sei) fast too much. Die Parallele hatte ich vorher schon längst beim Lesen gezogen. Da hätte ich den Holzhammer nicht noch gebraucht.

Ein paar Anmerkungen habe ich noch, größtenteils Kleinigkeiten:

Zeiten: Hier gibt es scheinbar unmotivierte Sprünge. Ich weiß, dass es im Grunde zwei Erzählzeiten gibt. Aber beim Lesen sprangen mir einzelne Passagen doch ins Auge, wo der Zeit meiner Ansicht nach nicht passen wollte. Vielleicht hatte ich da aber auch die beiden Ebenen noch nicht durchschaut. Im Nachhinein nachgeprüft habe ich das jetzt nicht, ob es Sinn macht. Wollte es hier auch nur mal anmerken.

Flinsgaard wird plötzlich als absolute Frohnatur geschildert, der schon zum Frühstück schnattert, was das Zeug hält. Bis dahin hatte ich einen ganz anderen Eindruck von ihm: düster, ein bisschen griesgrämig, schnell beleidigt, eher introvertiert. Hier liegt aus meiner Sicht ein Bruch in der Charakterisierung vor. Oder ich habe es zu Anfang falsch verstanden und ihn falsch eingeschätzt.

Für alle Fälle hielt er die Schrotflinte in der Hand, die wir, entgegen der Vorschriften, für den Notfall zu liegen hatten
Eine Formulierung, die ich so nicht kenne: etwas zu liegen haben. Gibt es das? Wo kommt die her? (Einfach nur Neugierde)

Eine eilige und hektische Suche fand ihn im Vorraum auf dem Boden liegend.
Eine Suche selbst kann nichts finden. ;)

Der Weg dorthin war nicht schwerwiegend und die Temperatur,
„Schwerwiegend“ ist in diesem Zusammenhang das falsche Wort.

„Wegen der Unsicherheitsfaktoren habe ich Gen nicht getötet.“
Das hat er ja auch gar nicht getan. Müsste hier nicht „Wegen der Unsicherheitsfaktoren werde ich Gen nicht töten.“ stehen?

Kaum eine Minute, da nicht Ruhe geherrscht hätte auf unserer Station.
Kaum eine Minute, in der Ruhe geherrscht hatte ...

Insgesamt eine gute Geschichte, handwerklich sauber, mit ambivalenten, authentischen Figuren (Graum, Benjamin) und einer sauber herausgearbeiteten Atmosphäre. Für meinen Geschmack hätte aber der Horror noch deutlicher herausgearbeitet werden können. Hier kommt für meinen Geschmack ein bisschen wenig. Enge, Eintönigkeit, Langeweile, das ist alles hinreichend ausgearbeitet und kommt auch gut rüber. Die Schock, die Angst, der HORROR gegenüber dem, was der Besatzung dann widerfährt und vor allem, was ihnen noch bevorsteht, ist dagegen recht blass.

Viele Grüße
Kerstin

 

Moin Hanniball!

Ich fange wie immer einfach mal ganz unstrukturiert an, ok?

Das Setting - das ewige Eis, die Abgeschiedenheit, die klaustrophobische Enge der Station - gefällt mir richtig gut. Obwohl ich Quervergleiche zwischen Filmen und Büchern nicht sonderlich mag, muss ich zugeben, dass ich sofort an Carpenters "The Thing" dachte.

Der Anfang weiß inhaltlich zu überzeugen. Du verzichtest auf lange Rückblenden und verpackst alle für den Leser wichtigen Informationen geschickt in die Handlung und die Dialoge. Stilistisch sind mir ein, zwei Stellen aufgefallen:

Er sah mich durch seinen verzottelten Bart hindurch an und antwortete: „Nein.“
Der Bart wächst ihm über die Augen?
Er hatte die Hand an der Verriegelung der Tür und ich war gewärtig, dass jeden Moment der Schneesturm wie ein Derwisch hereinfegen würde.
Ok, der Prot ist Wissenschaftler, aber das liest sich trotzdem gestelzt.
der Sinn unseres Hier seins käme abhanden.
Mein Duden sagt: "hier sein", aber "das Hiersein".
Kurzer Nachtrag: Word streicht es hingegen als Fehler an.

Was mich von Anfang an beeindruckt hat, ist die Charaktisierung der drei Wissenschaftler. Die Tagebuchform setzt du geschickt ein, um dem Leser die nötigen Grundinformationen zu liefern, allerdings ohne ins Referieren abzugleiten. Die nötige Tiefe und Schärfe gewinnen die drei Charaktere dann durch die Dialoge und Interaktionen untereinander. Gefällt mir wirklich gut.

Er hatte noch keine Ahnung, was uns erwartete!
Würde ich streichen. Die Geschichte ist auch ohne dieses Vorwegnehmen interessant und spannend genug.
Bevor die Funkanlage ausfiel, hatte ich ein Gespräch mit der Beringhausen.
Bellinghausen, oder gibt es noch eine dritte Station?
Die Bellinghausen-Station gab außerdem durch, dass sie auf einen Fund gestoßen sind, der sich von den anderen Proben abhebt. Irgendetwas müssen sie im Eis entdeckt haben.“
Diese Information kommt mir persönlich zu früh und auch zu unheilsschwanger. Prinzipiell sollten sich die Wissenschaftler doch darüber freuen, etwas Neues entdeckt zu haben, oder?
’Haben etwas gefunden, berichten später mehr!’ Es kann auch harmlos gewesen sein.
Warum sollte Graum davon ausgehen, dass der Fund nicht harmlos sei? Würde ich streichen, dieses Misstrauen kommt zu früh, auch wenn alle drei etwas überreizt sind.
Wir unterbrachen das Gespräch, Graum fuhr fort zu lesen und ich schrieb weiter in meinem Tagebuch.
Du wolltest "Graum las weiter und ich schrieb weiter" vermeiden, oder? Vielleicht einfach "Graum las weiter und schrieb in mein Tagebuch". Dass der Prot das bereits vorher getan hat, müsste dem Leser eigentlich klar sein.
Flinsgaard kam mir entgegen, er roch nach Alkohol.
„Was meinst du, was da draußen los ist!“ Er hatte mit angehört, was ich Graum erzählt hatte. Seine Stimme klang schwer und er lallte ein wenig. „Es wird der Postbote gewesen sein, ich erwarte ein dringendes Paket.“ Damit lief er zur Tür und machte Anstalten, sie zu öffnen. „Das ist wieder ein Andrang heute, ich werde ihm öffnen, und dann ist aber genug. Soviel Besuch am Tag kann...“
Genau solche Passagen verschaffen einem Charakter mehr Tiefe als alles andere. Gefällt mir sehr gut, vor allem weil die Szene zwar humoristisch ist, aber mit so einem verzweifelten Unterton.
Die Tag und Nacht Gleiche gehört in jedem Fall dazu.
Die Tag Gleiche? Ich weiß nicht.
Vielleicht hätte ich mich glücklich schätzen sollen, doch ich hatte den Verlust noch immer nicht verwunden. Dann und wann in einer ruhigen Stunde, in einer U-Boot-ähnlichen Situation wie hier, kommt die Verzweifelung. Ich sitze im Einsamen, reibe wie wild an dem Stumpf und konzentriere mich darauf, nicht an die Heimat zu denken und nicht zu weinen.
Meist misslingt mir beides und ich erwache mit feuchtem Gesicht und trüben Gedanken.
Der erste Satz ist unsinnig. Wenn der Fuß ab ist, ist der Fuß ab. Ob das nun im Krieg oder beim Fußnägelschneiden passiert ist, macht doch eigentlich keinen großen Unterschied. Der zweite Teil des Satzes ist ein schönes Beispiel für Tell und in meinen Augen überflüssig. Vor allem da du in den darauffolgenden Sätzen genau dieses Gefühl so geschickt vermittelst. Das Reiben an dem Stumpf hinterlässt ein viel stärkeres Bild als das "ich hatte den Verlust noch nicht überwunden". Aber das brauche ich dir wohl nicht zu erzählen.
„Du bist so blass, als hättest du ein Gespenst...“
Wäre ein einfaches "Geht's dir nicht gut?" oder "Wie siehst du denn aus?" nicht passender.

Das Erscheinen des Unbekannten im Schnee kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. Der Leser spürt förmlich, dass der zerbrechliche Mikrokosmos der Station langsam auseinander bröckelt und genau in dieser labilen und verletzlichen Situation tritt der Unbekannte auf.
Die Passage, in der Graum sein Bild weiter malt, während er sich mit dem Prot unterhält, gefällt mir ebenfalls sehr gut. Auch hier liest man, vor allem durch die detaillierten Beschreibungen des Malens, Graums Angst vor der Situation und der Umwelt raus. Er versucht, sich in die Landschaften seiner Bilder zu flüchten.

„Ich komme mir vor wie eins der sieben Geißlein, die den Wolf draußen beobachten.“
Ist mir zu metaphorisch.
Für alle Fälle hielt er die Schrotflinte in der Hand, die wir, entgegen der Vorschriften, für den Notfall zu liegen hatten (welchen Notfall nur?!)
Auch hier ist mir das Misstrauen, die Furcht gegenüber dem Fremden etwas zu radikal. Es ist schließlich nur ein Mann im Eis, der wahrscheinlich ihre Hilfe braucht und unter Umständen sogar zu ihrem eigenem Team gehört (vielleicht braucht ja auch die Bellinghausen-Station ihre Hilfe?). Außerdem sind sie zu dritt und der Mann ist allein.
Der war jetzt nicht zu halten, sein Körper zuckte wie wild, wurde hin- und hergeworfen und zudem von einem Hustenanfall geplagt.
Wer? Ich weiß, du meinst Schleif, aber vorher war noch Graum das Subjekt.
Plötzlich schnellte Schleif, der ältere, bettlägerige Mann, nach vorn und stieß Graum mit voller Wucht von sich.
Das weiß der Leser. Würde ich streichen.
„Sei vorsichtig“, zischte Graum. „Er hat Bärenkräfte!“
Auch hier würde ich ein einfaches "Mit dem stimmt irgendwas nicht!" oder dergleichen bevorzugen. Vor allem da Graum etwas weiter unten Schleif ein weiteres Mal als "bärenstark" bezeichnet, allerdings in einer Situation, in der dieses Wort eher Verwendung finden dürfte.
„Er ist nächsten Monat dran?“, murmelte Graum und ich wusste nicht, was an dieser Information wichtig und überlegenswert war.
Schöner Satz mit dem ich anfangs nicht viel anfangen konnte.
„Die Verbindung war nicht gut. Ich habe ’neue Lebensform’ verstanden, ’aggressiv’ und ’Vorsicht’.“
Viel zu viel an Information.
"Was hast du sonst noch gehört?"
"Da war noch was von 'Wirtskörpern' und 'Menschheit auslöschen'."
Kann er nicht andere Worte verstehen? Und würden nicht die verzweifelten Worte eines wahrscheinlich fast Irrsinnigen etwas verschrobener sein? Von mir aus auch Teile des "Vater Unser".
Kaum eine Minute, da nicht Ruhe geherrscht hätte auf unserer Station.
Du meinst doch eigentlich "Kaum eine Minute in der Ruhe geherrscht hätte", oder?


Ok, soviel zu dem Unstrukturierten.
Zwei Dinge sind mir aufgefallen, Hanniball, die unwiderruflich dafür sprechen, dass mir deine Geschichte gefallen hat.
Die Anzahl der Textanmerkungen nimmt zum Ende hin rapide ab. Das liegt vielleicht auch daran, dass du dich warm geschrieben hast, aber ich vermute, dass ich so in der Geschichte drin war, dass der Kritiker in mir immer leiser wurde.
Der zweite Punkt ist, dass es mir die Geschichte zu abrußt zu Ende ging. Graum durchschaut das ganze Ausmaß zu schnell bzw. verrennt sich zu schnell in seine fixe Idee. Je nachdem, wie man die Geschichte lesen möchte.
Du verschenkst hier ein wenig Potential, zumal du die drei Charaktere so liebevoll aufgebaut hast, ist es schade, dass die Situation zwischen dem vermeintlich Infizierten und den beiden Gesunden so gar nicht beleuchtet wird.

Einen Kritikpunkt, an dem es jedoch nicht viel zu ändern gibt, möchte ich noch kurz anmerken.
Die Thematik an sich ist etwas altbacken.
Für mich als Leser war relativ schnell klar, in welche Richtung das Ganze geht. Die Geschichte konnte mich leider nicht überraschen.
Das soll dich jedoch nicht unbedingt stören, da dass eine sehr subjektive Empfindung ist, die auch darauf begründet, wie "drin" man in dem Genre ist. Außerdem hast du aus diesem bekannten Plot fast alles rausgeholt. Respekt.


Alles in allem, gebe ich Katzano Recht. Man merkt der Geschichte die Sorgfalt an, sowohl im Aufbau als auch an vielen Details. Vielleicht ist meine Kritik etwas härter ausgefallen, da ich seit langem einen ähnlichen Plot mit mir rumtrage. Da liegt die Messlatte dann immer etwas höher.
Ich hoffe, du kannst mit den ganzen Anmerkungen etwas anfangen. Ich habe das meiste spontan und unreflektiert in die Tasten gehauen. Sozusagen so lange es noch frisch ist.

J

 
Zuletzt bearbeitet:

Servus Hanniball.

So so, da versucht also jemand in die Fußstapfen von John Carpenter zu treten.

Fangen wir erstmal mit den Zitaten an:

Flinsgaard stellte sich neben mich an die Luke.

Sicher, dass der Kerl nicht Stroomgard heißen soll? :D
Ansonsten finde ich den Namen ehrlich gesagt ziemlich blöde. Hat mich unbewusst immer an Flitschekacke erinnert.

Alle relevanten wissenschaftlichen Geräte und Messeinrichtungen waren außerhalb des Hauptgebäudes untergebracht (nicht ohne Grund übrigens – niemand hat gern ein radioaktiv strahlendes Utensil neben seinem Schlafzimmer zu stehen).

Ist das der eingeklammerte Nachschub, wenn einem beim Korrekturlesen plötzlich auffällt, dass manche Leser die gegebenen Tatsachen etwas unplausibel finden könnten? :)

Die Lesebrille war vollkommen antagonistisch zu seinem Äußeren. Jedes Mal wenn ich Graum mit der Brille sehe, muss ich an einen Affen denken mit einem Handy. Man erwartet nicht, solch einen Gegenstand bei ihm zu sehen.

Hier hätte ich mir noch zwei oder drei zusätzliche Sätze gewünscht, damit auch der letzte kapiert, was gemeint ist.

Er hatte noch keine Ahnung, was uns erwartete!

Trommelwirbel, der Leser bekommt ein ungutes Gefühl, schaut hoch zum Bildschirmrand, und stellt fest, dass er in der Horrorrubrik, und nicht in der für Romantik gelandet ist.
Scheiße, denkt sich der Leser jetzt. Da wird noch was unnormales passieren!

Auf der Bellinghausen sitzen sie genauso auf dem Trockenen. Es bleibt uns nichts als abzuwarten und Ruhe zu bewahren, den täglichen Betrieb aufrechtzuerhalten und bereit zu sein, sobald sich der Sturm verzieht. Was macht der Funkkontakt zur Bellinghausen?“

Ja, was macht der eigentlich, mal so ganz nebenbei gefragt? Ich meine, so wichtig isses jetzt nicht, aber ich frag mal so aus geringem Interesse.

Seit Ausbruch des Sturms war der Kontakt unterbrochen.

„Was weiß ich, vielleicht ist ein Satellit ausgefallen, Sonnenflecken oder irgendetwas.

Da passt was nicht zusammen.

Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass wir mit drei Mann Besatzung über die Runden kommen mussten. Es besteht ja eine ständige Verbindung zum Basislager und alle lebensnotwendigen Sachen, die wir nicht besitzen, sind dort zu finden. Aber momentan ist eben jeglicher Kontakt abgerissen zu unserer Mutterstation und so harmlos wie Graum sie beschrieb, ist unsere Lage wahrlich nicht.

Erstmal die Frage: Warum ist es nicht verwunderlich, wenn man in einer für zehn Mann ausgelegten Station, die nebenbei erwähnt bloß fünf Mannschaftsräume hat, mit nur drei Leuten auskommen muss?

Das mit der ständigen Verbindung ist wohl auch nichts, und wenn man dann im Falle eines Blizzards nicht alle lebensnotwendigen Sachen parat hat, ja, dann ist die Lage wahrlich nicht so harmlos. Verfehlte Planung?

, in sein Zimmer an seine Staffelei. Er malte. Ölbilder, aus der Fantasie heraus und immer farbige, sonnige Landschaften.

Naja, wenn man schon nicht alles notwendige zum überleben hat, dann aber wenigstens eine Staffelei.

Für alle Fälle hielt er die Schrotflinte in der Hand, die wir, entgegen der Vorschriften, für den Notfall zu liegen hatten (welchen Notfall nur?!)

Und eine Schrotflinte.

Irgendwer hatte irgendwann einmal für den Gemeinschaftsraum eine altmodische Wanduhr besorgt, mit Pendel und Aufzugsmechanismus.

Und eine Uhr aus Großvaters Zeiten.

Alles Dinge, die mir absolut selbstverständlich erscheinen. Nur der Proviant wird nach ein paar tagen knapp?
Vielleicht kann ja einer auf dem großen Klavier spielen, das irgendwer mal mitgebracht hat, um vom Hunger abzulenken.

„Das sind fast einhundertfünfzig Kilometer, Chef! Bei den Bedingungen?“
„Seit wann ist der Funkkontakt unterbrochen?“

Dieses ständige Chef erinnert mich irgendwie an einen billigen Ganovenstreifen, in dem ein Blödmann ständig Cheffe und Boss sagt.
Und wehsalb fragt er, seit wann der Funkkontakt unterbrochen ist. Entweder hat er ein schlechtes Erinnerungsvermögen, oder er ist einfach bloß überheblich.
Der alte ist meiner Meinung nach jedenfalls verdammt nervig, mit seiner Haudegen Art.

„Oh Gott! Dieses Schwein, er hat mir einen Kuss gegeben.“

:rotfl:
Das hat mir sehr gut gefallen.

Als die Tür seiner Kabine zuklappte, sprang Graum hinzu und verriegelte sie. Er schloss Gen einfach ein und sah mich danach triumphierend an.
„Was soll das?“, fragte ich.

Er verriegelt die Tür von AUßEN?
Und wieso schaut er triumphierend? Der Kerl ist echt unsymphatisch.

„Sehr gut. Du hast die Fakten aufgezählt, aber nicht interpretiert. Fein. Aber du hast zwei Fakten vergessen.“
„Ja?“
„Gen fährt als erster von uns auf Urlaub, und die neue Lebensform. Wir wissen nicht, um was es sich handelt, wir...“
„Wir können nicht einmal sicher sein, dass es sich um eine neue Form von Leben handelt.“
„Wegen der Unsicherheitsfaktoren habe ich Gen nicht getötet.“

Sorry, wenn ich das so direkt sage, aber: Das ist der totale Schwachsinn.
Wolltest du ursprünglich eine Detektivgeschichte schreiben? Hätte nur noch der Satz "Der Mörder muss also noch in diesem Raum sein." gefehlt.

Der gesamte Horizont ist bevölkert mit vermummten Gestalten, die stoisch dastehen und sich nicht bewegen.

Der gesamte Horizont? Wie viele Menschen haben in der Mutterstation gearbeitet?

Du merkst es sicher. Die Geschichte gefällt mir nicht. Erst recht nicht, wenn ich sie an dem Maßstab messe, den ich von dir gewohnt bin.
Woran das liegt? Da gibt es viele Gründe.
Zum einen sind deine Charaktere absolut flach. Bis auf den Ich-Erzähler finde ich sie zudem reichlich unsymphatisch, weshalb mich ihr Schicksal ohnehin nicht sonderlich interessiert hat.
Die Dialoge lesen sich bemüht. Ständig erklären sie dem Leser etwas. Deine Figuren reden über Dinge, die sie allesamt längst wissen müssten. Man merkt deutlich, dass sie oft nicht mehr als zweckmäßige Informationsübermittlung zum Hintergrund haben.
Der alte Haudegen nervt schon nach kurzer Zeit, ebenso wie ich Flinsgaard überhaupt nicht, wie bereits von einem meiner Vorredner erwähnt, als Frohnatur betrachte. Er wirkt eher agressiv auf mich, und zwar auch bereits vor dem Kuss.
Ihre gesamte Beschreibung ist hohl und klischeehaft.

Weiterhin konnte ich mir von der Station selbst überhaupt kein vernünftiges Bild machen. So, wie du sie beschreibst, hatte ich ständig einen kleinen Holzverschlag vor Augen, mit ein paar engen Schlafkammern und einem kleinen Gemeinschaftsraum mit einer Holzlattentür nach draußen, die von einem Riegel gehalten wird. Die alte Uhr war bei dieser Vorstellung auch nicht besonders hilfreich.
Kurzum: Mit einer hochmodernen Forschungsstation hat das, was du beschreibst, wenig gemein.

Die Idee selbst klingt arg von "Das Ding" abgekupfert, und der vielleicht wichtigste Punkt: Der Stil gefällt mir nicht. Du schwafelst viel, ohne dabei die Szenerie zum Leben zu erwecken. Ich möchte fast sagen, dass es sich stellenweise wie ein Bericht liest, was es ja im Grunde auch ist, aber eben kein spannender Bericht.

Die Gefühlswelt der Figuren kommt kaum, und wenn, dann nur hölzern und klischeehaft zur Geltung. Wird in ein paar Sätzen beschrieben, ohne, dass du mich als Leser mitfiebern lässt.

Es tut mir Leid, Hanniball, aber dies ist von allen Geschichten, die ich von dir kenne, die schwächste.

Trotzdem schöne Grüße

Cerberus

 

Hi Hanniball


Wie du weißt, es ist ja schließlich kein Geheimnis, freue ich mich jedes Mal, wenn ich eine neue Story von dir (oder auch manch anderer Autoren) unter »Neue Beiträge« entdecke. Das soll jetzt kein Schleimen sein, du sollst es einfach nur wissen.

Der Stil der Story ist Hanniball, nur hatte ich teilweise das Gefühl, zu Stolpern. Nicht richtig, eher, wie wenn ich morgens über alte Holzdiehlen gehe, deren gewellte Rücken durch meinen müden, schlurfenden Gang sich noch höher strecken. Dass ich einfach zu empfindlich in meinem Gleichgewicht bin. Diese Holprichkeiten habe ich dir, natürlich, alle aufgelistet. Nur zu finden mit dem Auge eines Kritikers. ;)
Ansonsten ist er gewohnt flüssig, zum Schluss hin jedoch angepasster, ein wenig verspannt wirkend, was ja gut zur Story passt. (Doch zu viele ! für meinen Geschmack *g* )
Eine Anmerkung zum Aufbau hätte ich noch: Die Story ist ein Tagebucheintrag, oder? Darauf lässt zumindest der letzte Absatz schließen. Wenn ja, hätte ich eben diesen Absatz in der 3. Person verfasst. Das ließe den Leser wieder Abstand von den Prots nehmen. Und die Tagebuchform würde besser rüber kommen.
Aber: Nur mein Empfinden!

Die Geschichte selbst ... ist mäßig spannend. Da kenne ich besseres von dir (Feindliche Übernahme, nur um eine zu nennen.) Das Setting ist frisch gewählt, im wahrsten Sinne des Wortes, doch die Rahmenhandlung ist altbekannt. (Ein Großteil aller Zombie-Filme) (Übrigens: Heute um ca. vier Uhr Nachmittag, dachten wir alle, das jüngste Gericht stehe bevor: Ein Schneesturm, der dem in deiner Story in nichts nachsteht. 15 cm auf knapp eine Stunde ... *g*)
Auf die Schnelle fiele mir jedoch auch nicht ein, welche Szenen gekürtzt werden könnten und welche länger werden dürften. Da bin ich jetzt überfragt.

Der Prot funktioniert. Er ist symphatisch, nicht nur wegen seiner Prothese (obwohl die, Gott weiß wieso, wirklich einiges dazu beiträgt!). Zwar ist er der typische Ich-Erzähler (eigentlich nur bedingt selbst am Geschehen beteiligt, weder der Infizierte, noch das Opfer), doch das Altmodische funktioniert. Zumindest hier.
Graum hingegen ... darf ich dir was gestehen? Ich hasse ihn. Ich kenne ihn kaum, und trotzdem hasse ich ihn. Ja, das klingt etwas hart, vielleicht bin ich auch voreilig und wenn du jetzt sagst, eine Tasse Kaffee mit ihm zusammen und ich würde mit ihm warm werden, ist das vielleicht richtig, und trotzdem: Ich kann ihn nicht ab. Lag das in deiner Absicht? Ich meine, er wirkt nicht nur unsymphatisch, sondern auch noch überheblich. Und, wie du dir denken kannst, ich hasse überhebliche Menschen. :D

Trotz des vielen Kritelns (von wem hab ich das wohl gelernt? Na, von wem wohl? *g*), hat mir die Story gefallen. Recht gut sogar, schönes Setting (Winterliche Umgebung versuche ich in meinen Storys immer zu umgehen, nur unter uns: Ich mag den Winter nicht), ein fast liebenswerter Ich-Erzähler und, trotz der Tatsache, dass es wenig Überraschungen in der Story gab, angenehm spannend.

Wie gesagt: Gefällt mir. :)


Liebe Grüße
Tamira


Krimskrams:

Graum als Leiter der Station lässt es sich nicht nehmen, einmal am Tag nach draußen zu gehen und die Instrumente zu kontrollieren.
Persönliches Stilempfinden, aber Graum lässt es sich als Leiter der Station nicht nehmen würde mir um ein vielfaches besser gefallen.

Hört man ihn aber reden, dann spürt man den Wissenschaftler in ihm.
Hört man ihn aber reden, hört man den Wissenschaftler in ihm.

Man erwartet nicht, solch einen Gegenstand bei ihm zu sehen.
Warum nicht einfach: Man erwartete es einfach nicht oder Es passte einfach nicht.?

Er hatte noch keine Ahnung, was uns erwartete!
Irgendjemand (Don Jorgo? chazar? ich weiß es nicht mehr) gaben mir mal den Tip, dem Leser das weitere Geschehen vorzuenthalten. Dass etwas schreckliches passieren würde (und eigentlich sagst du das ja mit dieser Aussage, wenn auch indirekt), weiß der Leser doch, schließlich kennt er die Rubrik. Diese Deutungen des Erzählers (wie zB auch: Aber als es mir das nächste Mal einfallen würde, wäre er bereits nicht mehr am Leben) kann man mE getrost weglassen.

Er ist überspannt, der Kleine“, sagte ich um die Situation aufzulockern
Der Junge ist überspannt, klingt lockerer :)


Den Flocken zu folgen, mit dem Blick hinterher zu eilen, wenn der Wind den Schnee immer wieder in eine andere Richtung treibt, genau sehen zu können, wo entlang die Böe fährt, das macht den Reiz aus, stundenlang aus dem Fenster zu starren. Ich tat das immer öfter, es war faszinierend.
Gefällt mir!

„Ich weiß nicht“, antwortete ich. „Ich hätte schwören können, eine Gestalt zu sehen.“
eine Gestalt gesehen zu haben

„Halt den Mund, Flinsgaard!“, bellte Graum. „Du bist betrunken!“
ne, nicht bellte. sagte, schrie, schimpfte, aber doch nicht bellte ;)

Vielleicht hätte ich mich glücklich schätzen sollen, doch ich hatte den Verlust noch immer nicht verwunden.
Nicht überwunden?

Ich setzte mich im Gemeinschaftsraum an den Tisch und versuchte weiter in meinem Tagebuch zu schreiben und Flinsgaard setzte sich, immer noch eingeschnappt ans Fenster und stierte hinaus.
... eingeschnappt, ans Fenster ...

Trotzdem ich über mein Heft gebeugt saß, spürte ich, wie Flinsgaard sich umdrehte und mich beobachtete.
Hier musste ich mich überschlagen: Obwohl

„Scheiße, eben war er noch da, Chef. Ehrlich, da hat einer gestanden, mitten in der Antarktis und hat herübergesehen. Als wenn er auf den Bus wartet.“
Unpassender Vergleich, mE

Er begann zu mischen und bekam ein blasses Blau heraus, das er für die zarte Gischt in einem See verwandte.
Nicht verwendete?

„Das sind fast einhundertfünfzig Kilometer, Chef! Bei den Bedingungen?“
„Seit wann ist der Funkkontakt unterbrochen?“
„Fast vier Tage. Das schafft kein Mensch. Wenn das Wetter hervorragend ist, schafft man die Distanz vielleicht an einem Tag mit dem Motorschlitten. Die Amerikaner benutzen Hovercrafts, da sind sie fix drüben. Aber der Mann da hat nicht mal einen Hundeschlitten dabei, er ist zu Fuß.“
Sie reden und reden, ziehen sogar in Betracht, dass es ein "Kollege" ist, jedoch stellt sich dann niemand die Frage, weshalb, verdammt, er nicht hereinkommt?! :D

Für alle Fälle hielt er die Schrotflinte in der Hand, die wir, entgegen der Vorschriften, für den Notfall zu liegen hatten (welchen Notfall nur?!)
Klingt merkwürdig

„Oh Gott! Dieses Schwein, er hat mir einen Kuss gegeben.“
hehe, gefällt mir (obwohl ich ihn noch einen Schritt weiter gehen hätte lassen, im Sinne von: Dieses Schwein hat mir die Zunge in den Hals gesteckt! :D )

Als die Tür seiner Kabine zuklappte, sprang Graum hinzu und verriegelte sie. Er schloss Gen einfach ein und sah mich danach triumphierend an.
Von außen? Kann man in einer Forschungsstation überhaupt seine Tür verriegeln?

Irgendwer hatte irgendwann einmal für den Gemeinschaftsraum eine altmodische Wanduhr besorgt, mit Pendel und Aufzugsmechanismus. Ihr Ticken war das einzige, was man hörte.
Entweder du erwähnst diese Uhr bereits vorher schon mal, oder du streichst das hier. ;)

 

Hallo Katzano!

ja, man merkt, wieviel Arbeit in dieser Geschichte steckt
.

In der Tat, allerdings liegt die Arbeit in der Hauptsache darin, rumzuliegen und nachzudenken (wahlweise auch mit dem Hund durch den Wald fahren und Gedanken zu schieben)
Ich muss sagen, dass dies hier nach langer Zeit wieder eine Story ist, bei der ich hin- und hergeschoben habe. Der entscheidende Einfall übrigens kam mir in der Sauna!:shy:

Witzig auch die Idee, dass ein Kuss soviel tödlicher sein kann als körperliche Gewalt.

Die Szene ist eine...tja, Reminiszenz an die Schlüsselszene von Alien - der Ausbruch des Wesens aus dem Menschen. John Hurt erfreut sich bester Gesundheit und plötzlich wird er von einem Hustenanfall geschüttelt. Ich fand es ganz witzig, statt einer Ekelszene, eine Kussszene daraus zu machen, obwohl ich schon weiß, dass gerade die Übertragung von Keimen oder fremden Mächten durch einen Kuss ein alter Hut ist. Aber im Grunde ist die ganze Story ein alter Hut!

Da hätte ich den Holzhammer nicht noch gebraucht.

Ich werd's mir überlegen, ob ich den Satz rausnehme, gut möglich, dass du Recht hast. Wir werden sehen.

Hier gibt es scheinbar unmotivierte Sprünge. Ich weiß, dass es im Grunde zwei Erzählzeiten gibt.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Zeiten stimmen, auch wenn sie durcheinander scheinen. Zuerst das Präsens, die Rückblende und zum Schluss wieder die Jetztform. Ich werde aber speziell darauf achten, wenn ich das Teil überarbeite.

Flinsgaard wird plötzlich als absolute Frohnatur geschildert, der schon zum Frühstück schnattert, was das Zeug hält.

Im Prinzip sollte diese Passage die Art darstellen, mit der Flinsgaard mit der Situation umgeht, es ist eigentlich Hektik und Unsicherheit. Aber auch hierauf werde ich achten, bei der Charakterisierung kommt es manchmal auf nur ein Wort an. Vielleicht ist auch gerade diese Morgenszene etwas schief gelungen.

Eine Formulierung, die ich so nicht kenne: etwas zu liegen haben.

Kann gut sein, dass es sich hierbei um vulgäres Gassendeutsch handelt, aber ich kenne die Wendung seit frühester Jugend. Etwas im Schrank liegen haben...na ja.

„Wegen der Unsicherheitsfaktoren habe ich Gen nicht getötet.“

Das hat er ja auch gar nicht getan. Müsste hier nicht „Wegen der Unsicherheitsfaktoren werde ich Gen nicht töten.“ stehen?

Nein, ich glaube ein noch dazwischen würde dem Satz guttun:

]„Wegen der Unsicherheitsfaktoren habe ich Gen noch nicht getötet.“

Insgesamt eine gute Geschichte, handwerklich sauber, mit ambivalenten, authentischen Figuren (Graum, Benjamin) und einer sauber herausgearbeiteten Atmosphäre.

Danke dir, in der Tat habe ich in erster Linie Augenmerk auf die Charaktere gelegt. Ich persönlich bin der Meinung, dass mir der Erzähler nicht gelungen ist, das kann aber auf die Sichtweise ankommen. Siehst ja, was Cerberus meint.

Danke für deine wohlmeinende Kritik und die Auflistung der Fehler!

Hi Don Jorgo!

Carpenters "The Thing"

Tja, das ist nun tatsächlich der Film an den ich nicht dachte, jedenfalls nicht in erster Linie. Es ist so, dass ich einen Film im Sinn hatte, den ich noch gar nicht gesehen habe, aber einzelne Szenenfotos daraus kenne. Davon habe ich mich inspirieren lassen. "Eisstation Zebra", ganz anderes Genre, ganz andere Geschichte. Aber es ging mir nur um Personen bei dieser Story, kaum habe ich Wert gelegt auf die Geschichte an sich, es sei denn, ich war interessiert, wie die Personen reagierten. Flinsgaards Reaktion auf den Kuss übrigens ist mir spontan beim Schreiben eingefallen. Die Figuren haben quasi begonnen zu leben.

Er hatte die Hand an der Verriegelung der Tür und ich war gewärtig, dass jeden Moment der Schneesturm wie ein Derwisch hereinfegen würde.
Ok, der Prot ist Wissenschaftler, aber das liest sich trotzdem gestelzt

Meinst du? Kommt mir gar nicht so vor, ich habe diese Wendung schon öfter im Leben gehört. Gur, ich werde schauen.

Mein Duden sagt: "hier sein", aber "das Hiersein".

Siehst du, das hatte ich mir auch gedacht, aber mein Rechtschreibprogramm sagte NO!

Kurzer Nachtrag: Word streicht es hingegen als Fehler an.

Ha, hat sich erledigt. Aber was ist nun richtig?:schiel:

Was mich von Anfang an beeindruckt hat, ist die Charaktisierung der drei Wissenschaftler. Die Tagebuchform setzt du geschickt ein, um dem Leser die nötigen Grundinformationen zu liefern, allerdings ohne ins Referieren abzugleiten. Die nötige Tiefe und Schärfe gewinnen die drei Charaktere dann durch die Dialoge und Interaktionen untereinander. Gefällt mir wirklich gut.

Das gefällt mir, ehrlich! Darum bin ich auch über Cerberus' Kritik ein wenig ratlos. Ich hatte auch den Eindruck, die Figuren zu kennen, war dann ein einfaches zu sehen, wie sie reagierten auf verschiedene Aktionen.

Genau solche Passagen verschaffen einem Charakter mehr Tiefe als alles andere. Gefällt mir sehr gut, vor allem weil die Szene zwar humoristisch ist, aber mit so einem verzweifelten Unterton

Die angesprochene Passage ergab sich fast von selbst, ehrlich. Ich war mitten drin bevor ich es bemerkte!

Die Tag Gleiche? Ich weiß nicht.

Heißt es nicht Tag und Nacht Gleiche? Erklärbär?! Wo ist der Erklärbär!!

Ob das nun im Krieg oder beim Fußnägelschneiden passiert ist,

Das Letztere wäre Stoff für eine skurile Horrorstory!

Der zweite Teil des Satzes ist ein schönes Beispiel für Tell und in meinen Augen überflüssig. Vor allem da du in den darauffolgenden Sätzen genau dieses Gefühl so geschickt vermittelst. Das Reiben an dem Stumpf hinterlässt ein viel stärkeres Bild als das "ich hatte den Verlust noch nicht überwunden". Aber das brauche ich dir wohl nicht zu erzählen.

Wenn du es jetzt sagst, leuchtet es ein! Fein, wird geändert!

„Du bist so blass, als hättest du ein Gespenst...“
Wäre ein einfaches "Geht's dir nicht gut?" oder "Wie siehst du denn aus?" nicht passender.

Es sollte zum Ausdruck kommen, dass dem Prot mitten im Satz zu Bewusstsein kommt, dass F. tatsächlich ein Gespenst gesehen hat.

Die Thematik an sich ist etwas altbacken

Jepp!
Aber durch deinen Kommentar zuvor hast du mir gezeigt, dass du auch der Meinung bist, dass es bei dieser Geschichte nicht darauf ankommt.

Ich hoffe, du kannst mit den ganzen Anmerkungen etwas anfangen

Jawoll, Sir! Da kannst du sicher sein, und vielen Dank dafür!

Hallo Cerberus!

So so, da versucht also jemand in die Fußstapfen von John Carpenter zu treten.

Ganz und gar nicht, im Vergleich mit dem Ding habe ich natürlich verloren. Der Film Carpenters ist so ziemlich das genaue Gegenteil von dem, was ich machen wollte.

Sicher, dass der Kerl nicht Stroomgard heißen soll?

:D

Hat mich unbewusst immer an Flitschekacke erinnert.

Da kann ich ja nun nichts für, ein Bekannter von dir?:D
In jedem Falle ist der Name besser als Müller oder Lehman, Jack oder John, nicht wahr!

Ist das der eingeklammerte Nachschub, wenn einem beim Korrekturlesen plötzlich auffällt, dass manche Leser die gegebenen Tatsachen etwas unplausibel finden könnten?

Nicht beim Korrekturlesen, nein, vorher schon. Du hast Recht, ich brauchte eine Erklärung, warum ich Graum rausschickte, und Graum musste ich rausschicken, um ihn zu charakterisieren.

Hier hätte ich mir noch zwei oder drei zusätzliche Sätze gewünscht, damit auch der letzte kapiert, was gemeint ist.
Nein, das wäre zu ausgewalzt.:D

Werd ich kürzen, Monsignore!

Trommelwirbel, der Leser bekommt ein ungutes Gefühl, schaut hoch zum Bildschirmrand, und stellt fest, dass er in der Horrorrubrik, und nicht in der für Romantik gelandet ist.
Scheiße, denkt sich der Leser jetzt. Da wird noch was unnormales passieren

Klugscheißer, :D , wurde schon angesprochen und von mir persönlich abgenommen. Ja , ich bekenne mich schuldig im Sinne der Anklage: Ich bin ein Phrasendrescher und Lautbläser!

Seit Ausbruch des Sturms war der Kontakt unterbrochen.
„Was weiß ich, vielleicht ist ein Satellit ausgefallen, Sonnenflecken oder irgendetwas.

Da passt was nicht zusammen.

Warum? Die Auswirkungen können mit dem Ausbruch des Sturm zusammengefallen sein.

Das mit der ständigen Verbindung ist wohl auch nichts, und wenn man dann im Falle eines Blizzards nicht alle lebensnotwendigen Sachen parat hat,

Hat man ja, immerhin für über eine Woche. Und wenn man weiß, dass Schneestürme in der Antarktis nicht unbedingt alltäglich sind, dann passt das schon. Wobei ich mich jetzt nicht rechtfertigen will.

Naja, wenn man schon nicht alles notwendige zum überleben hat, dann aber wenigstens eine Staffelei.

Und eine Schrotflinte.

Und eine Uhr aus Großvaters Zeiten.

Vielleicht kann ja einer auf dem großen Klavier spielen, das irgendwer mal mitgebracht hat, um vom Hunger abzulenken.

Ich habe ständig das Gefühl, du willst stänkern!::dozey:

Und wehsalb fragt er, seit wann der Funkkontakt unterbrochen ist. Entweder hat er ein schlechtes Erinnerungsvermögen,

Es geht darum, wielange ein Mensch braucht, von der Bellinghausen zur Bransfield und natürlich, wielange man keine Nachricht mehr bekommen hat. Also, wieviel Zeit demjenigen blieb, der von der Bellinghausen aufgebrochen ist.

Er verriegelt die Tür von AUßEN?

Tja, das ist tatsächlich ein Punkt, von dem ich gehofft hatte, dass ihn keiner bemerkt. Aber, was soll er machen? Das Klavier davor schieben?!

Wolltest du ursprünglich eine Detektivgeschichte schreiben? Hätte nur noch der Satz "Der Mörder muss also noch in diesem Raum sein." gefehlt.

Ist er doch auch, und das mit der Detektivgeschichte ist ein netter Gedanke.

Du merkst es sicher. Die Geschichte gefällt mir nicht.

Scheiße, das kommt jetzt aber völlig unerwartet!:D

Ich weiß nicht, entweder reden wir zwei von verschiedenen Storys oder aber du hast eine vollkommen andere erwartet.

Bis auf den Schluss muss ich sage, bin ich mit der recht zufrieden, was sich ändern wird, wenn ich sie in zwei, drei Wochen nochmal durchlese.

hatte ich ständig einen kleinen Holzverschlag vor Augen,

Ist das nicht genau ein Bild aus "The Thing"?

Es tut mir Leid, Hanniball, aber dies ist von allen Geschichten, die ich von dir kenne, die schwächste.

Ha, du kennst nicht alle!

Aber danke dir, ich werde einiges mitnehmen und ich denke, die meisten angesprochenen Dinge werde ich abändern.
Aber nicht jetzt!

Viele Grüße von diesseits!

 

Tamira, hätt ich dich glatt übersehn! Gibts nicht!

Hallo!

Die Textstellen: Danke, werde sie durchgehen.
Nahc Cerbs Kritik kann mich kaum etwas schocken. Ich muss sagen, ich habe die Story liebgewonnen, du weißt wohl weshalb. Es ist auch die erste seit laaaaaaangem, hinter der ich stehe und zu der ich auch eine schlechte Kritik vertragen kann. Jawoll!

Die Stolperstellen werde ich ausbügeln, sollst mal sehen, wenn du früh morgens über blankgewienertes Parkett schlidderst. Ich war zum Ende hin wohl tatsächlich etwas nachlässig. KG zog wieder einmal, wieder einmal!

Aber was soll heißen, ich verwende zu viele Frage- und Ausrufezeichen???!!!!

Graum kannst du nicht leiden?! Aber Kindchen, das ist der Kommandant der Station, er muss fies sein, zumindest gegen Aufrührer. Und Flinsgaard ist entwickelt sich dahin. Du wirst doch Flinsgaard nicht symphatisch finden?

Die Geschichte selbst ... ist mäßig spannend.

Ja, und damit kann ich leben. Siehe oben.

Soweit, danke dir Tamira! Freut mich auch immer, deine Kritiken unter meinen Geschichten zu lesen!:D

Bis denne, und Viele Grüße!

 

Moin Hanniball.

Ich fang mal direkt an:

Er sah mich durch seinen verzottelten Bart hindurch an und antwortete:
Nicht verzottelt, das klingt zu niedlich. "ungepflegten" oder "viel zu langen". Obwohl: durch einen Bart hindurchsehen?

Er nickte. Die Augen bildeten einen seltsam wachen Kontrast zum Rest seines Gesichtes.
Das man ja eigentlich gar nicht sieht, durch diesen verzottelten Bart ...:D

„Wenn wir die einfachste wissenschaftliche Arbeit ruhen lassen“, sagte er leise, „ist unsere Existenz in dieser Eiswüste ohne Berechtigung; der Sinn unseres Hier seins käme abhanden.“
Diese Wortwahl gefällt mir, sie charakterisiert Graum. Er sollte immer so sprechen.

So ist er, Graum, wenn man ihn sieht in seinen abgetragenen Sachen, meint man, einen Bauern vor sich zu haben. Hört man ihn aber reden, dann spürt man den Wissenschaftler in ihm.
Damit es auch der dümmste Leser kapiert;)

„Nun, wenn er es nicht schafft“, meinte Flinsgaard, „ist es Ebbe mit unseren Pokerspielchen. Mit nur zwei Mann ist der Spaß dahin.“
Flintgaard ist dir wirklich gut gelungen. Ich muss gestehen, er gefällt mir am Besten. Auch seine Stimmungsschwankungen passen.

„Da“, krähte er aufgeregt. „Sieh nur, er hat geschafft!“
Hier hätte mir eine abgeklärtere Aussage besser gefallen: "Der alte Hund hat es tatsächlich geschafft!"

Doch außer ein „Danke!“ sagte er nichts.
Selbst das ist noch zu viel. Charakterisiere ihn doch noch etwas extremer. "Er sagte nichts, und ohne uns weiter zu beachten ..."

Und drehte sich um und ging davon. Ohne zurückzublicken, sagte er noch: „Nein, macht Ihr eure Aufgaben hier drinnen, ich sorge dort draußen fürs Rechte.“
Das "Und" gehört weg. Die letzte Aussage ist mir ebenfalls zu konstruiert, so würde er (eigentlich niemand) sprechen.
Einfach: "Ich mach das allein." Peng! Aus! Er ist doch der Chef des Ganzen.

Graum sah von einem Buch auf. Die Lesebrille war vollkommen antagonistisch zu seinem Äußeren. Jedes Mal wenn ich Graum mit der Brille sehe, muss ich an einen Affen denken mit einem Handy. Man erwartet nicht, solch einen Gegenstand bei ihm zu sehen.
wenn du ein Fremdwort so intensiv erklären musst, dann lass es lieber weg.

„Du könntest die Station ausfegen, Gen.“
Flinsgaard sah von Graum zu mir, als erwartete er, dass wir loslachen würden. Doch wir blieben beide ruhig, und das beunruhigte ihn.
Eine schöne Szene.
Doch dann:
„Im Ernst, Graum! Die Meteorologen geben nicht vor Ende der Woche Entwarnung, ich würde mich nicht wundern, wenn der Sturm noch sechs Tage andauern würde.“
Ich bitte dich, aber so spricht doch keiner. "Würd mich nicht wundern, wenn das Ganze noch eine Ewigkeit dauert." Ist aber Ansichtsache, gelle?!

Er hatte noch keine Ahnung, was uns erwartete!
Guten Morgen, Herr Koontz!:D

„Wir haben dasselbe Los“, begann Graum. „Wir können alle nicht viel tun. Auf der Bellinghausen sitzen sie genauso auf dem Trockenen. Es bleibt uns nichts als abzuwarten und Ruhe zu bewahren, den täglichen Betrieb aufrechtzuerhalten und bereit zu sein, sobald sich der Sturm verzieht. Was macht der Funkkontakt zur Bellinghausen?“
Hier vermisse ich den Wissenschaftler.


Flinsgaard wischte über den Tisch und um ein Haar hätte er dabei seine Kaffeetasse umgeworfen.
Ach, der Kerl gefällt mir. Richtig authentisch. Kompliment!

„Tja, was soll ich sagen? Kein Kontakt bisher. Schnarren und Rauschen. Atmosphärische Störungen. Ich bin dran, aber kann nichts machen.“
Nee. "Tja, was soll ich sagen? Da ist nur dieses Rauschen, aber ich bleibe dran." Es interessiert doch keinen, ob es ein Schnarren oder Rauschen ist. Auch die Spezifizierung der Störung ist unwichtig. Es besteht halt kein Kontakt, fertig, aus.

„Chef, das ist kein Amateurfunk, über den wir hier reden! Das Iridium-System ist zwar kinderleicht zu bedienen, fast jeder kann damit ohne Vorkenntnisse umgehen. Aber wenn’s mal streikt, dann ist nichts zu machen. Ich kann nichts tun, nur warten und hoffen.“
Also das war so eine Sache, die ich dir nicht abnehme. Ein Funkgerät, das kinderleicht zu bedienen ist, aber beim kleinsten Sturm den Geist aufgibt? Nee, doch nicht auf so einer Station. Außerdem: Sind andere Geräte soo kompliziert, dass man ein Studium benötigt, um es bedienen zu können?


Als er sich eine ansteckte, sagte Graum: „Geh in deine Kabine, Gen, wenn du rauchen willst!“
„Wir sollten einführen, nur noch an der frischen Luft zu rauchen“, bemerkte Graum, während Flinsgaard wortlos abzog.
Das hat mir wieder sehr gut gefallen. Das ist Charakter! Das ist echt!


Als Flinsgaard ohne ein weiteres Wort den Raum verlassen hatte, sagte Graum zu mir: „Es wird Zeit, dass irgend etwas passiert, unsere Nerven liegen blank. Lange kann das so nicht weiter gehen.“
"Es wird Zeit, dass etwas passiert. Wir fangen langsam an, durchzudrehen." Vorschlag.

„Ich bin mir sicher, dass ich mich nicht getäuscht habe. Ich habe etwas gesehen da draußen, das weiß ich.“
So, das ist jetzt das letzte Beispiel, an dem ich rummecker. Ich denke, auch so würde niemand sprechen. Versetz dich in seine Situation. Du hast im Schneesturm etwas gesehen, niemand glaubt dir. So wie du die Sätze schreibst, sind sie erkärend aus der Sicht des Autors, nicht aber für die wörtliche Rede. "Ich hab da draußen was gesehen!"Graum sah mich an, und ich wusste, dass er mir nicht glaubte.

So, auch wenn es nicht so aussieht: Mir hat die Geschichte gefallen. Sehr gut sogar. Die Lokation erinnerte an "Das Ding aus einer anderen Welt", sehr gut nachvollziehbar.
Die Charaktere gefielen mir, könnten aber stellenweise noch etwas verfeinert werden. Hier zum Beispiel Graum, der mir stellenweise doch zu wenig Wissenschaftler ist. Du könntest ihn noch mehr von den anderen abgrenzen.
Flintgaard hingegen hat mir sehr gut gefallen, aber das sagte ich ja schon.

Spannend war das Ganze, auch der Schluss war überraschend, obwohl, für meinen Geschmack, ein wenig zu kurz im Gegensatz zum Rest der Geschichte.

Einziges Manko: Die stellenweise doch recht unrealistischen Dialoge. Man merkt, dass du groß nachgedacht hast, was sie wie sagen. Das wirkt dann häufig konstruiert, unecht. Kannst ja noch mal drübergehen.
Ist aber auch nur meine Meinung.

Ansonsten hats großen Spaß gemacht. Man merkt, dass Herzblut drin steckt.

Gruß! Salem

 

Hi Salem!

Dank dir für die Ausführungen, die recht professionell sind. Ich bin sowieso hocherfreut, wieviele gute Tipps hier kamen. Wirklich Sachen, die ich sonst auch immer anspreche, die mir aber diesmal wieder beim Schreiben nicht gelungen sind.

Diese Wortwahl gefällt mir, sie charakterisiert Graum.

Sowas freut mich, war es doch so beabsichtigt.

So ist er, Graum, wenn man ihn sieht in seinen abgetragenen Sachen, meint man, einen Bauern vor sich zu haben. Hört man ihn aber reden, dann spürt man den Wissenschaftler in ihm.

Damit es auch der dümmste Leser kapiert

Das sind solche Dinger, die man selbst überliest.

Er hatte noch keine Ahnung, was uns erwartete!

Guten Morgen, Herr Koontz!

:D

Ich muss dir in fast allen Fällen Recht geben, die Anmerkungen sind meist nachvollziehbar, danke dir für die qualifizierte Kritik!

Kannst ja noch mal drübergehen.

Worauf du einen lassen kannst!:D

Bis zum nächsten Mal

Viele Grüße von hier!

 

Hallo HAniball,
Eine nette etwas überdurchschnittliche Geschichte. Angenehm zu lesen, aber nicht mehr (sie ist besser als die Meisten geschichten hier, aber ich will mal streng sein ;)

Der Plot ist schon recht verbraucht und da kam mir an manchen Stellen vor, die PErsonen in der Geschichte kannten den Plot auch schon . Warum kommen sie sonst so schnell auf die neue Lebensform?
Auch in dem Moment, in dem sie den Mann in die Station lassen, kommen sie mir unlogisch vor - vor allem im Bezug auf das Gespräh vorher. Wenn sie nichts gesagt hätten und ihn einfach verwundert in die Station gelassen, hätte das viel besser gepaßt. Und dann erkennt er die Person und obwohl sie vorher sagen, er könnte gar nicht hergekommen sein, laden sie ihn einfach ein?


Die Charakterisierung der Figuren finde ich ganz gut. Auch das Ende ist schön - doch auch ich frage mich, wieviel tausend Personen da jetzt draußen stehen und von wo sie herkommen.
An mehreren Stellen könntest du die Geschichte kürzen - spannend ist sie ja schon und die Spannung ist das große Plus (auch wenn ich schnell geahnt habe, wie es ungefähr ausgehen wird)

Namen: Entweder immer mit Nachnammen, oder immer mit Vornamen, einige Male mischst du und das daht bei mir zu Lasten des Leseflusses.

„Chef, das ist kein Amateurfunk, über den wir hier reden! Das Iridium-System ist zwar kinderleicht zu bedienen, fast jeder kann damit ohne Vorkenntnisse umgehen. Aber wenn’s mal streikt, dann ist nichts zu machen. Ich kann nichts tun, nur warten und hoffen.“
schlimmer Fall "Wissenschaftliche Erklärung in ein Gespräch verpackt"-> unpassend für die direkte Rede

Wir waren allein, Graum hatte nach einer Weile Arbeitens die Tür seiner Kabine geschlossen.
Diese information kommt zu spät. Sie müßte vorher stehen - so stört sie den Lesefluss
Trotzdem ich über mein Heft gebeugt saß, spürte ich, wie Flinsgaard sich umdrehte und mich beobachtete.
Obwohl erscheint mir passender
„Niemand, da hast du Recht.
Punkt nach Niemand, um die Betonung zu verbessern. Der nachfolgende Satz ist auch überflüssig.
Er trampelte immer weiter zu.
trat
„Wir warten, dass Flinsgaard den
bis

L.G.
Bernhard

 

Hi Bernhard!

Dank dir für deine Anteilnahme!:D

Freut mich, dass du es so siehst, dass die Story besser ist als der Durchschnitt.

Der Plot ist verbraucht, in der Tat. Ich war zum Ende hin auch recht froh, überhaupt eine Erklärung gefunden zu haben für das Ganze. Insofern lag mein Hauptaugenmerk auf der Charakterisierung, weniger auf der Handlung.

Wenn du sagst, dass die Story einigermaßen spannend war, ist mir das ja geglückt.

Mit den Namen hast du natürlich Recht, bei Gelegenheit (wenn ich das Stück überarbeite), wird das geändert!

Auch die anderen Fehlerchen werden ausgemerzt!

Danke dir!

Viele Grüße von hier!

 

Hallo Hanniball,

eine solide Geschichte, aber nix Neues.
Spannend geschrieben, aber mit manchen unsauberen Stellen (siehe unten). Macht Spaß das Ding zu lesen, weil du gut (wenn auch etwas klischeehaft) mit deinen Figuren umgehst.
Sehr gelungen finde ich den Erzähler, weniger gelungen finde ich Flinsgaard, der dir letztendlich - seien wir ehrlich - nur Mittel zum Zweck ist.
Und Graum hast du ja auch etwas negativ ausgelegt, nur nimmt man ihm das gegen Ende nicht unbedingt ab: das er die ganze Situation so mühelos durchschaut und dann auch noch moralisch fragwürdige Schlüsse zieht, das kann man hinnehmen, aber überzeugen tut es nicht.

Fast erinnert mich deine Geschichte ein bisschen an einen Film, bei dem die Porduzenten auf Nummer Sicher gehen wollten.
Das kann Spaß machen, aber es befreidigt eben nicht ganz.

Details:

niemand hat gern ein radioaktiv strahlendes Utensil neben seinem Schlafzimmer zu stehen
zu stehen?

Er hatte noch keine Ahnung, was uns erwartete!
Vorausdeutungen sind ein ganz, ganz billiges Mittel, um Spannung aufzubauen - meistens funktionieren sie nicht.

Unsere Nachbarstation liegt gerade 150 Kilometer entfernt und war ebenso von dem Unwetter betroffen. Seit Ausbruch des Sturms war der Kontakt unterbrochen.
Flinsgaard wischte über den Tisch und um ein Haar hätte er dabei seine Kaffeetasse umgeworfen.
„Tja, was soll ich sagen? Kein Kontakt bisher. Schnarren und Rauschen. Atmosphärische Störungen. Ich bin dran, aber kann nichts machen.“
Hier gibst du die selbe Information auf verschiedene Art wieder: einmal reicht und der Dialog ist die geschicktere Wahl.

so harmlos wie Graum sie beschrieb, ist unsere Lage wahrlich nicht.
war unsere Lage...

Er war Biologe, ziemlich bekannt und hatte recht gute Verbindungen zu den Medien, so dass er immer schon als potentieller Sponsoren-Geld-Beschaffer galt. Er war groß, und wenn man mit ihm sprach, ging von ihm die Würde eines Uhus aus. Teilweise lag das wohl daran, dass er fast jeden überragte, selbst Graum musste nach oben schauen, wenn er mit ihm sprach.
Diese Information würde ich später im Text bringen - am Anfang des Abschnitts wirkt es für einen kurzen Moment so, als wäre mit Schleif alles normal.

Flinsgaard, lass das sein!“
"Lass das sein", sagt man zu einem Kind, das mit Dreck spielt.
Hier wäre angebracht: "Hör auf -verdammt nochmal!"

Ich habe ’neue Lebensform’ verstanden, ’aggressiv’ und ’Vorsicht’.“
Mhm, komische Information, noch komischer aber, wie Flinsgaard sie wiedergibt. Er ist nicht verwirrt wie jeder normale Mensch, der sowas hören würde.

Verdammt, ich hab es geahnt!“
Dieser Satz passt überhaupt nicht - nach so einer grausamen Mitteilung würde erst Stille herrschen. Unbedingt.

Der gesamte Horizont ist bevölkert mit vermummten Gestalten, die stoisch dastehen und sich nicht bewegen.
Das kann jetzt nicht dein Ernst sein, oder?
Ich meine, warum verschenkst du den Höhepunkt? Warum lässt du Flinsgaard nicht entkommen und die beiden anderen ihn mühsam zur Strecke bringen?

In diesem Sinne
c

 

Hallo chazar!

Du hast mir gerade noch gefehlt!:D

eine solide Geschichte, aber nix Neues.

Das nehme ich mal als Kompliment, danke!

Macht Spaß das Ding zu lesen, weil du gut (wenn auch etwas klischeehaft) mit deinen Figuren umgehst

Tja, ich sag dir was: Wenn ich nicht so faul gewesen wäre, so geil darauf, das Ding loszuwerden, hätte ich mich noch mal dransetzen müssen. Alles das, was ich anderen hier ständig predige, das hätte ich selbst tun müssen. Dann wären die angesprochenen Unsauberkeiten vielleicht etwas minimiert. So wird es wieder so sein, dass ich die Geschichte nach einem Jahr oder so raushole und überarbeite (wie in letzter Zeit einige, übrigens)

Fast erinnert mich deine Geschichte ein bisschen an einen Film, bei dem die Porduzenten auf Nummer Sicher gehen wollten.

Ja, genau. Ich habe mich schon auf die Figuren konzentriert, die Handlung vielleicht ein wenig vernachlässigt. Muss noch üben!

Das kann jetzt nicht dein Ernst sein, oder? Ich meine, warum verschenkst du den Höhepunkt?

Siehe oben, du hast natürlich Recht!
Ich gelobe Besserung:D (wie jedesmal!)

Ich danke dir für deine Mühe, war schön dich zu sehen!

Viele Grüße von hier!

 

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