Elfenblut
Milos rammte sein Schwert in die Brust der Elfe. Er konnte die Qual und den Tod im Angesicht seines Feindes beobachten, bevor der Lebensfunke erlosch und das Auge trübe wurde. Die Schlacht war nun schon Stunden im Gange und langsam lichtete sich das Feld - zu seinen Gunsten.
"Milos!", rief sein Feldattaché. "Wir brauchen Gefangene!".
"Ich nicht!", erwiderte Milos und zog das rote Schwert aus dem leblosen Körper. "Schlachtet sie alle ab - Frauen wie Kinder!", befahl Milos.
Krakan, der Feldattaché, bahnte sich seinen Weg zu seinem Vorgesetzten.
"Der König gab uns den Befehl Gefangene zu machen.", wiederholte er sich.
Milos senkte sein Schwert und sah Krakan mitleidig an. Der Feldgeneral sah aus wie der Teufel persönlich. Er war ein Hüne von einem Mann - ein Krieger, wie er in den alten Lehrbüchern der Sarantene beschrieben wird. Sein Zweihänderschwert führte er locker mit einer Hand und Geschichten sagen, er hätte einem Mann den Kopf vom Rumpf abgebissen. Milos wusste, dass dies nur ein Gerücht war und nicht stimmte. Doch er würde den Teufel tun, dies zuzugeben.
"Warum sollten wir Gefangene machen? Wir haben einen weiten Rückweg vor uns. Gefangene halten uns nur auf und kosten wertvolle Lebensmittel."
Krakan wagte es nicht noch einmal zu widersprechen.
***
Das Schlachtfeld war ein einziges rotes Meer. Elfen wie Menschen lagen zerschmettert, zerteilt oder mit Pfeilen gespickt am Boden. Das Wehgeschrei der Verletzten schmerzte in Milos Ohren. Er ging über die endlosen Körper, die sich bis zum Horizont erstreckten. Die Hand einer Elfe zuckte und flehende Augen sahen ihn an. Mit einem einzigen Hieb köpfte er das Zauberwesen.
"Tötet sie alle!", rief Milos seinen Soldaten zu, die es ihm gleichtaten und nach Verwundeten suchten.
Mit diesen Worten stieg er auf sein Pferd und ritt in das Lager, zurück zu seinem Zelt. Er legte seinen schweren Brustpanzer ab und setzte sich vor eine Glaskugel. Er hatte mühe sich an die Formel zu erinnern, doch nachdem er sie gesprochen hatte, begann die Kugel zu leuchten.
"Wie viele Elfen gibt es auf Erdenboden?", befragte er das Licht.
"Nur noch jene, die blutend auf dem Schlachtfeld liegen", antwortete ihm eine Stimme.
Milos war zufrieden. Er hatte seinen Auftrag erfüllt. Die letzten Elfen hauchten gerade ihren Atem aus und in wenigen Stunden war dieses Volk Geschichte. Er erinnerte sich an die Worte des Druiden: "Wir brauchen frisches Elfenblut Milos. Nur Elfenblut hat die reinigende Kraft, um die Krankheit zu vertreiben, die unser Volk einhergenommen hat." Er musste noch einmal zurück auf das Schlachtfeld.
***
Krakan hatte aufgehört zu zählen. Dutzende verwundete und flehende Elfen hatte er nun schon in das Reich von Odin geschickt - oder wie auch immer der Gott bei den Elfen hieß. Er sah Milos auf sich zureiten. Er hasste ihn mittlerweile, doch würde er das nie sagen - er hatte Angst vor ihm.
"Der nächste ist für mich.", sagte Milos, als er vom Pferd abstieg.
Er brauchte nicht lange, um einen noch lebenden Elfen zu finden. Der Elfe wusste, was auf ihn zukam. Lange genug konnte er Krakan bei seiner Schlächterarbeit zuschauen. Milos zog seinen Dolch aus der Scheide und packte den Elf am Kopf. Er zog ihn nach hinten und rammte ihm das totbringende Metall in den Hals. Der Körper der sterbenden Kreatur zuckte im Todeskampf und ein Schwall warmen Blutes schoss empor. Milos hatte die Schlagader getroffen. Er nahm ein kleines Gefäß und melkte den Elf, bis dieser Tod war.
"Bei Odin! Du hast ihn abgeschlachtet wie ein Schwein an Midsommarafton!", rief Krakan.
Er schämte sich für seinen General. So geht man nicht mit heldenhaften Kriegern um. Auch nicht, wenn es die eigenen Feinde sind. Milos sah ihn mitleidig an.
"Frisches Elfenblut.", sagte er nur und schwang sich wieder auf sein Pferd. "Das ist die Rettung für unser Volk. Und für Magerta und Agrate."
Magerta war seine Frau und Agrate seine Tochter. Beide waren der seltsamen Schlafkrankheit zum Opfer gefallen - wie alle Frauen aus Milos' Dorf.
"Jetzt mach weiter. Morgen geht es endlich nach Hause."
***
Milos ritt durch das Tor des Dorfes. Doch keiner jubelte und schrie, um seiner Rückkehr zu gedenken. Alle standen stumm und wie versteinert am Wegesrand und schauten geschockt auf die Krieger, die wieder zu Hause waren. "Was ist hier los", dachte Milos. "Ich habe mir den Tod aller Elfen extra noch einmal bestätigen lassen. Mit dem Licht der Weisheit." Milos war verwirrt. Sein König stand am Ende des Zuges und machte ein ernstes Gesicht. Milos stieg ab und kniete vor seinem König nieder.
"Nun den Milos. Wir haben dein Kommen schon von weitem gesehen. Wir waren umso verwunderter, als das wir keine Gefangenen sahen.", sagte der König.
"Mein König. Wir konnten keine Gefangenen machen. Der Proviant reichte nicht aus. Ich habe aber, was ihr begehrt: Frisches Elfenblut.", mit diesen Worten überreichte er dem König das Gefäß.
Der König schlug es aus Milos' Hand und es zerbarst am Boden. Schwarzes Blut ergoss sich über den sandigen Grund.
"Aber mein König!", Milos war geschockt.
Was hatte dies zu bedeuten. Waren alle Frauen bereits Tod? Auch Magerta und Agrate? Er sah sich um und konnte einige Frauen in der Menge erkennen.
"Du Narr!", schrie der König. "Gab ich dir nicht extra den Befehl Gefangene zu machen? Elfenblut kann man nicht aufbewahren. Es verdirbt binnen Minuten. Wir hätten die Gefangenen gebraucht, um das Blut von ihnen Selbst zu bekommen!".
Milos' Leben endete eine Minute später...