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Endlich Drei
Heute ist mein dritter Geburtstag.
Er unterscheidet sich bisher nicht sonderlich von den letzten beiden.
Vater und Mutter konnten wieder vor Aufregung die ganze Nacht kein Auge zumachen, sind immer wieder in meinem Zimmer herumgeschlichen, um irgendetwas zu finden, was sie hier versteckt zu haben glauben und denken wohl, ich könne bei dem Lärm schlafen.
„Hallo, könnt ihr vielleicht mal ...!“
Nach dem gemeinsamen Frühstück, bei dem ich immer wieder einzunicken drohe, präsentieren sie mir meine Geschenke.
Oh Duplo-Steine, toll! Die wissen wirklich, wie sie einen langweilen können.
„Die haben wir vom Flohmarkt.“ Diese virenverseuchten Dreckssteine könnt ihr euch sonst wo hinstecken.
Dann kommen auch schon die Gäste.
Ich bin nicht sonderlich beliebt in unserem Bekanntenkreis. Ein Kleinkind mit Oberlippenbart zieht so manche unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich und das macht sie nervös. Aber gekommen sind sie trotzdem. Wenn es was zu Essen gibt, kleben sie an einem wie die Fliegen.
„Herzlichen Glückwunsch, Jochen! Du bist jetzt drei.“ Der Arsch, wer hat den eingeladen?
Ich leugne nicht, dass ich reif bin, für einen Dreijährigen, leider fällt es mir noch schwer, es ihnen mitzuteilen. Immer wenn ich es irgendwie versuche, kommen so Sachen wie „Schau, er versucht zu reden, wie süß.“ Dass ich bisher noch nicht einmal Mama gesagt habe, scheint hier niemanden zu verwundern.
Es ist immer wieder dasselbe.
Gewünscht habe ich mir die geilen Schlangenleder-Cowboystiefel, die ich bei Deichmann im Schaufenster gesehen habe, bekommen habe ich nur langweiligen Mist. Aber wen jucken in diesem Haushalt schon meine Wünsche?
Ich beende dieses verunglückte Treffen, indem ich mein Gesicht in die Torte stecke und einatme, die Folgen werden denen dann doch zu bunt. Empört steht die ganze Sippschaft auf und verlässt brabbelnd unser Haus.
„Aber er hat doch nur ... Bleibt doch noch!“ Mein Vater ist schon eine Witzfigur.
Sie legen mich in mein umzäuntes Bett und schließen die Tür. Wenn sie nur nicht immer dieses dämliche Glockenspiel anmachen würden.
„Lalelu ...!“
Was bleibt, sind ein paar Erinnerungen an die Brüste meiner Cousine und ein flaues Gefühl in der Magengegend. Ich bin jetzt alt genug, unabhängig zu sein.
Ich streiche mit den Fingerspitzen über meinen Schnurrbart.
„Mein lieber Moustache.“
Morgen werde ich mich auf den Weg machen.