Endstation Hölle
„Nein, da unten, neben der Sprechanlage!“
„Witzig! Woher soll ich wissen wo die Sprechanlage ist?“
„Was schnauzen sie mich so an? Ist es meine Schuld, dass wir stecken geblieben sind?“
„Irgendwie schon! Würden sie eine halbe Tonne weniger wiegen, wären wir nicht stecken geblieben!“ sage ich und zeige ihm den Mittelfinger. Er sieht es nicht, denn es ist stockdunkel.
„Der Fahrstuhl ist uralt, das ist das Problem!“ sag der Andere und öffnet mit einem Reißen, dass die Stille durchdringt einen Klettverschluss seiner Jacke.
„Verdammt, ich hab sie doch eben gefragt, ob sie ein Feuerzeug haben!“
Der Andere antwortet nicht und führt die Flamme zu den Knöpfen. Dorthin, wo die Knöpfe eigentlich sein sollen. „Sie sind nicht da!“
„Wie, sie sind nicht da?“ frage ich.
„Lassen sie mich mal!“
„Na gut!“ sagt der Andere und gibt mir das Feuerzeug. Als er es mir gibt, zittert er so stark, dass er es fast fallen lässt.
„Nur die Ruhe, wir kommen hier schon wieder raus.“
Der Andere schluckt laut als Antwort. „Was ist das überhaupt für eine Scheiße? Warum ist das Licht ausgegangen, als wir...“ „Sie hatten Recht! Da sind keine Knöpfe.“
„Gucken sie genauer hin!“ sagt der Andere und macht seinen Reißverschluss immer wieder auf und zu.
„Hab ich schon getan! Nichts zu machen.“ Sage ich und versuche nicht nervös zu klingen.
„Wir müssen warten.“
„Hey, aufwachen! Wachen sie auf!“
„Was ist denn?“ frage ich und gähne. Wie lang habe ich geschlafen? 10 Minuten?
„Da tut sich was! Hören sie das?“ sagt er mit hoher Stimme.
Ich höre es tatsächlich. Ein klimpern wie von Schlüsseln und Schritte.
„Holen sie uns hier raus! Holen sie uns bitte hier raus.“ Ruft der Andere fast flehend.
Nichts.
„Hat er uns nicht gehört?“ fragt er.
„Keine Ahnung. Moment, was ist das?“ frage ich und stehe auf. Besser gesagt: ich schwebe auf. Der Aufzug fällt.
„Wir fahren nach unten!“ ruft der Andere erfreut. „Endlich.“
„Warum halten wir nicht?“
„Keine Ahnung, verdammt!“ schnauze ich ihn an.
„Aber das ist unmöglich! Wir können gar nicht so lange fahren!“
Ich antworte nicht. Was soll ich auch antworten? Ich kann es mir ja selber nicht erklären.
Iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiih
Was war das? Hat da jemand geschrieen? Oder war das das Quietschen des Aufzugs?
„Haben Sie den Schrei gehört?“ fragt mich der Andere.
„Das war der Aufzug.“ Als ich das sage, merke ich, dass ich mir selber nicht glaube.
Hihihihihihihihihihihihihihihihihihihihihihihihihihihihihihihihihihi
„Und das? Kann der Aufzug jetzt kichern oder was?“ Der Andere macht sich fast in die Hosen, denke ich.
„Das bilden sie sich nur ein! Wahrscheinlich bilden wir uns sogar ein, dass der Aufzug fährt.In Wirklichkeit sitzen wir immer noch auf derselben Stelle fest."
„Sie haben es doch auch gehört! Wie sollen wir uns beide dasselbe einbilden?“ schreit er hysterisch.
Ich antworte nicht.
Krr, krr, krr, krr, krr, krr, krr, krr, krr, krr, krr, krr, krr, krr, krr, krr
„Und wer kratzt jetzt an der Tür?“ fragt der Andere leise.
Wenn wir Licht hätten, könnte ich wahrscheinlich sehen, dass er wie ein Irrer mit den Augen rollt.
Von irgendwoher kommt schwaches, rötliches Licht.
Ich kann den Anderen sehen. Er rollt nicht mit den Augen, aber zittert am ganzen Leib.
Der saure Geruch kam, als alle Geräusche gleichzeitig anfingen.
Ihn sauer zu nennen, ist untertrieben. Wenn ich ihn beschreiben müsste, würde ich sagen, er riecht wie ein Mix aus Schwefel, purem Alkohol, verfaulten Eiern und etwas, dass ich nicht zuordnen kann.
Krr, krr, hihihihi, arrrgh, aaaaaah, krr, krr, niargh, iiiiiiiiiih, krick, knack
„Der Geruch von Verwesendem. Wahrscheinlich Leichen.“ Sagte der Andere anteillos.
„Reißen sie sich zusammen! Wir bilden uns das nur ein!“ sage ich und stoße ihn an.
Er wirkte nicht mehr so geistesabwesend. „Sie haben Recht!“ sagt er, wenn auch nicht ganz überzeugend.
Bumm, bumm, bumm, bumm, bumm, bumm
Jemand…nein, etwas schlägt von außen auf die Tür ein.
Je länger wir fahren, desto heller und heißer wird das Licht.
Seine Haut wird immer faltiger. Ich schaue auf meine Hände. Meine Haut auch.
Wir schwitzen nicht. Dafür ist es zu trocken.
„Bist du tot?“ frage ich ihn mit krächzender Stimme.
„Ja.“ Antwortet er. Aus seinem Bauch kommt ein Blubbern.
„Wie kam´ s?“
„Fettleibigkeit. Und bei dir?“
„Altersschwäche.“
„Kommen an ihrem Ende alle mit einem Aufzug hier runter?“
„Keine Ahnung!“