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Endstation

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11.06.2005
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Endstation

Endstation (überarbeitet)

Endstation


Ich erwache aus unruhigem Schlaf.
Mit den Schmerzen kommt wieder die Wut. Es ist dunkel - mitten in der Nacht. Ich bewege mich; es tut weh. Ich schwinge meine Beine aus dem Bett - beiße die Zähne zusammen. Ich will nicht weinen - nicht mehr.
Ich stehe auf. Im Bad flackert die Birne. Ich blicke in den Spiegel, sehe die Spuren.
Seine Spuren.
Meine Wange leuchtet rot und brennt. Ich erkenne Finger, die sich dort abzeichnen.
Sein Andenken widert mich an. Blaue Flecke auf meinem Oberkörper. Ich taste nach ihnen und es tut weh; meine Schulter schmerzt. Meinen Rücken kann ich nicht sehen, aber ich spüre ihn.
Das kalte Wasser tut gut und lindert für einen Moment das Brennen in meinem Gesicht. Ein Geräusch? Ich lausche. Nein, ich habe mich getäuscht. Er schläft. Er. Soll ich ihn noch Vater nennen?
Im Flur streife ich den Mantel meiner Mutter, der dort an der Garderobe hängt.
Sie ist fort - seinetwegen. Gerne wäre ich mit ihr gegangen. Sie hat es nicht gewollt.
Die Fliesen in der Küche sind kalt und schmutzig. An meinen Füßen ist es klebrig.
Ich mache kein Licht, finde mich auch im Dunkeln zurecht. In der Schublade liegt das große Messer. Sein Metall glänzt und fühlt sich kühl an. Ich wiege es hin und her. Der Gedanke am Abend, als er fertig mit mir war, festigt sich zu einem Vorhaben. Ich stecke es hinten in meine Hose.
In seinem Zimmer riecht es nach Alkohol. Ich höre ihn leise schnarchen. Er bemerkt mich nicht, liegt auf dem Rücken und schläft in seinem betäubenden Rausch. Ich beobachte ihn dabei - lange. Er kommt mir fremd vor. Ich erforsche meine Gefühle, kann aber nichts entdecken. Die Liebe, die ich elf Jahre lang empfand, ist seit zwei Jahren dem Hass gewichen. Menschen verändern sich. Ich mich auch. Soll ich es tun? Ich spüre die Tränen in meinen Augen. Ich will nicht weinen - nicht mehr. Die Schmerzen, auch die meiner Seele, zwingen mich. Ich schlage ihm ins Gesicht. Er öffnet die Augen, aber ich will nicht, dass er mich ansieht - nie mehr. Selbst seine Blicke schmerzen. Das Kissen erstickt nicht nur die Schreie. Er fuchtelt mit den Armen, schlägt um sich. Ich will nicht, dass er mich schlägt - nie mehr.
Ich drücke das Kissen fester, und ziehe das Messer - stoße zu. Immer wieder dringt es bis zum Heft ein. Seine Bewegungen werden langsamer, erschlaffen. Ich stoße weiter zu. Er ist still, rührt sich nicht mehr. Ich stoße weiter zu. Das klitschige Messer entgleitet mir, bleibt in ihm stecken. Also gebe ich erschöpft auf. Schwitzend und schwer atmend stehe ich da - warte auf die Erleichterung. Ich spüre nichts. Ist es so? Was habe ich erwartet? Bin ich jetzt frei? Um wie viel bin ich besser als er? Wieder im Bad, wasche ich mich - vermeide den Blick in den Spiegel. Ich habe Angst, fürchte mich davor, mir in die Augen zu sehen. Ich ziehe mich an und verlasse die Wohnung. Grauer, kalter Beton im Treppenhaus. Grauer, kalter Beton auch draußen.
Ich gehe durch die Straßen; ich bin allein. Allein war ich auch vorher, nur diesmal bin ich es nicht nur innerlich. Meine Schritte lenken mich; nicht ich lenke meine Schritte. Wohin gehe ich? Die Nacht ist kalt, wie das Leben. Auch ich bin kalt - denke ich. Aber wie viel Schuld trage ich? Und ab wann habe ich mich schuldig gemacht? Hat nicht jedes Lebewesen ein Recht auf Leben ohne Schmerz? Habe ich mich nicht nur verteidigt?
Der Bahnhof wirkt bedrückend. Wo fahre ich hin? Was führt mich hier her? Lohnt ein neuer Anfang, und zu welchem Preis? Auf dem Bahnsteig weht ein kalter Wind. Ich spüre die Blicke der Fremden - fühle mich nackt. Sehen sie in mein Inneres? Ich denke an die Freunde in der Schule, auf dem Bolzplatz. Nie ahnten sie etwas. Glückliche Kinder - glückliche Kindheit. Mit elf Jahren wurde ich erwachsen - viel zu schnell. Die Schmerzen formten mich. Aber wer bin ich? Habe ich mir nicht gerade selbst den größten Schaden zugefügt? Gut, er kann mich nicht mehr schlagen. Aber warum habe ich immer noch Angst? Ich trete an den Rand und blicke den Gleisen nach, die sich in der Dunkelheit verlieren. Was ist in diesem Dunkel - was kommt danach? Was bringt ein neuer Ort, wenn ich doch immer noch der Selbe bin? Ist mein Leben jetzt plötzlich besser? In zehn Jahren habe ich keine Narben mehr. Nur die auf meiner Seele, die ich mir heute selbst beigebracht habe, bleibt für immer. Kann ich wirklich mit ihr leben? Ich höre den Zug. Wie ist sterben? Ist es nicht besser, ich wäre auch tot? Niemand könnte dann mehr über mich richten, ich wäre wirklich frei und müsste mich nicht verkriechen. Tut es weh? Die Art bestimmt den Schmerz - kann mich nicht mehr schrecken. Nie mehr Schmerzen - nie mehr!
Ich lass mich fallen...............

ENDE

 

Hallo Jason,

so hart es klingt, diese Geschichte ist dir für mein Gefühl misslungen. Die ambivalenten Gefühle, die einen so jungen Mörder begleiten hast du kaum eingefangen. Fast ist es, als kenntest du nur Schmerz und Einsamkeit, nicht aber die Erleichterung, den Rausch beim Zustechen, nicht das schlechte Gewissen, das eine solche Tat auch immer begleitet. Auch die Erkenntnis der Tat, die eventuell zu dem Suizid führen könnte lässt du völlig aus. Nur der Suizid folgt. So hast du eine Geschichte geschrieben, die zwar den klassischen Vorstellungen solcher Katastrophen folgt, sich aber darüber hinaus nicht damit beschäftigt. In dieser Form kann sie mich leider weder rühren noch erschrecken.

In keinem Schreibprogramm bracht man übrigens für Geschichten jemals mitten im Satz einen manuellen Zeilenumbruch. Das machen die ganz allein. Nur bei Sinnabsätzen und vor dem Wechsel der wörtlichen Rede empfiehlt es sich, einen zu machen. Wenn du dir hier das Layout deines Beitrags ansiehst, merkst du wie störend diese manuellen Zeilenumbrüche sind.
Ein Fehler ist mir noch aufgefallen.

Sie ist fort - wegen ihm.
Genitiv = seinetwegen

Sorry und einen lieben Gruß, sim

 

Hallo, sim.

Fast ist es, als kenntest du nur Schmerz und Einsamkeit, nicht aber die Erleichterung, den Rausch beim Zustechen, nicht das schlechte Gewissen, das eine solche Tat auch immer begleitet.

- Ich habe meinem Protagonisten mit Absicht kein schlechtes Gewissen "eingeredet". Schließlich begeht er seine Tat nicht im Affekt, aus dem er mit einem: >Oh, Gott! Was habe ich nur getan?< aufwacht. Er begeht die Tat berechnend und ist sich durchaus bewusst, über die Folgen. Nur die erhoffte Erleichterung/Befreiung dadurch (-warte auf die Erleichterung. Ich spüre nichts.) bleibt aus.

Auch die Erkenntnis der Tat, die eventuell zu dem Suizid führen könnte lässt du völlig aus. Nur der Suizid folgt. So hast du eine Geschichte geschrieben, die zwar den klassischen Vorstellungen solcher Katastrophen folgt, sich aber darüber hinaus nicht damit beschäftigt.

- Der Suizid passiert kurzentschlossen und resultiert nicht aus der Erkenntnis der Tat. Darum gibt es auch keinen Hinweis von der Tat bis zum Selbstmord.
Mein Protagonist geht zum Bahnhof, will fort und sieht den Gleisen nach, wohin sie wohl führen. Erst am Bahnsteig stellt er sich die Frage, wie es selbst ist zu sterben. Der Zug, der einen brutal, evtl. schmerzvoll, aus dem Leben reißt, wird kurzentschlossen Mittel zum Zweck. Der kurze Schmerz des Aufpralls kann nicht schlimmer sein, als die Schmerzen der Jahre davor. Leben oder Tod, das spielt für ihn keine Rolle mehr.

Die Sache mit der Formatierung ärgert mich selbst jedes Mal. Ich weiß nicht woran es liegt. Beim Kopieren des Textes in das Forum verschiebt er sich jedes Mal. Ich versuche ihn dann zwar immer etwas zurecht zu rutschen, aber meistens wird es nicht viel besser. Bin leider kein Geduldsmensch. :D

Vielleicht kannst Du mir da mal einen Tipp geben, wie man das richtig macht.
Mein Dank im Voraus ist Dir gewiss.

Schönen Gruß, JasonXI

 

Hi Jason,

ich bin ein wenig zwiegespalten.
Mit häuslicher Gewalt, Vatermord und Freitod hast Du gleich drei ziemliche Hammerthemen in einer relativ kurzen Geschichte zusammengestaucht.
Und alle drei kommen in meinen Augen zu kurz. Du gehst hin, lässt den Protagonisten - zack-zack-zack - mal eben so den Vater und dann sich selbst vom Leben zum Tode überführen, ohne Dich wirklich mit dem Protagonisten auseinanderzusetzen und sein Handeln und seine Gedankenwelt transparent zu machen.

Ein Beispiel:
In der Geschichte drängt sich der Eindruck auf, der Selbstmord stünde in irgendeiner Form im Zusammenhang mit den vorangegangenen Ereignissen. Der Zusammenhang wird nicht weiter vertieft - hier bekräftige ich sims Kritik, das muss schlüssiger, eine Erkenntnis muss her.
In Deinem Kommentar zu sims Kritik schreibst Du aber, der Protagonist stelle sich lediglich die Frage, wie es sei, selbst zu sterben. Entschuldige, aber das klingt für mich so, als ob der Protagonist sich aus nüchterner Neugier tötet - und das erscheint mir vor dem Hintergrund des prügelnden und hernach ermordeten Vaters so glaubhaft - pardon! - wie ein Elephant im rosa Tütü.

Ich denke, die Geschichte hat Potential, Deine Schreibe ist gut und flüssig, nur solltest Du Dich einfach mehr mit den Handlungsreisenden auseinander- und Dich in sie hineinversetzen.

Finde ich.

Gruß,
M.

 

Hallo.

Ich habe die Geschichte etwas überarbeitet.
Wäre nett, wenn Ihr mir noch einmal Eure Meinung dazu mitteilen würdet.
Ich hoffe, ich habe die Gefühle meines Prot jetzt etwas schlüssiger rübergebracht. :)

Gruß, JasonXI

 

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