Was ist neu

Er oder Ich?

sim

Seniors
Beitritt
13.04.2003
Beiträge
7.599

Er oder Ich?

Hallo ihr Lieben,

auf meinen kritischen Hinweis zu einer Geschichte, dass diese als "Ich-Erzählung" wirkungsvoller sein könnte, erhielt ich folgende Antwort:

Geschichten in Ich-Form mag ich nicht, ist sicher auch Geschmackssache, aber die erinnern mich immer an Aufsätze aus der Grundschulzeit, mag sein, dass ich mir jetzt gerade Feinde mache, aber so ist mein Empfinden.

Da ich gerne in der Ich-Form erzähle, finde ich den Gedanken interessant. Erinnert das wirklich an Schulaufsätze?

Für eine Ich-Erzählung spricht meines Erachtens, dass ich viel subjektiver erzählen und viel besser Emotionen erzeugen kann.

Wie geht es euch? Erzählt ihr lieber als allwissender Erzähler oder auch eher als Ich-Erzähler?

 

Ganz kurz, bevor ich losmuss: Ich schreibe meistens in der Ich-Form. Fällt mir irgendwie einfacher.
Nach ner Zeit, in der ich ausschließlich in der Ich-Form schrieb, habe ich versucht mal die Perspektive zu wechseln. Und ich hatte immer das Gefühl, dass sich meine Geschichte jetz wie ein steifer, irgendwie unbeholfener Aufsatz eines Schülers ist, der gerade schreiben kann.

Ich weiß nicht warum, ich mag die Ich-Form am liebsten und es fällt mir einfacher in dieser Form zu schreiben.

 

Das kommt ganz auf die Geschichte an. Ich finde es eigentlich ganz gut, dass man da die Wahl hat. Schlechter Stil und fade Plots erinnern mich an Grundschulaufsätze, aber nicht die Ich-Perspektive. Schreibt Jack Torrance nicht auch oft in dieser Perspektive? Erinnert das irgendjemanden an Grundschulaufsätze?

übrigens war in meinen Schulaufsätzen der Protagonist viel häufiger dritte Person singular. :dozey:

 
Zuletzt bearbeitet:

das kommt auf den hauptcharakter der geschichte an. stelle ich mir diesen in etwa in meinem alter vor, habe ich richtiggehend druck, in der ichpersprektive zu schreiben, egal ob der text autobiografisches enthält oder nicht (ich tus dann nicht immer, aber doch recht oft eigentlich). ist die person wesentlich älter oder jünger ergibt sich die er/sie perspektive (meistens) von selbst.

insgesamt mag ich die ichperspektive, da man dadurch die innenansicht einer person natürlicher ins spiel bringen kann. das hört sich manchmal in erperspektive aufgesetzt an.

an schulaufsätze habe ich mich allein durch die perspektive noch nie erinnert gefühlt...

 

Auch ganz kurz: Ich denke, wenn man ein grosses Gewicht auf die Gefühle des Protagonisten legen will, ist dies mit Ich-Form einfacher. Ich-Form in der Gegenwart tönt aber manchmal seltsam und die Ich-Form in der Vergangenheit kann nicht sterben, es sei denn man wechselt an einem Punkt der Story von der Vergangenheit in die Gegenwart.

Manchmal ist es aber auch ganz praktisch, wenn man allwissend ist und sich nicht auf das Wissen des Prots beschränken muss ;)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hm - die Ich-Form dürfte die häufigste Erzählform sein, die ich auf kg.de lese. Wenn es passt okay, aber man merkt manchmal schon, dass der Autor sie der Einfachheit halber wählte und nicht weil es für die Geschichte selber sinnvoll wäre (was es aber sein sollte). Das fällt mir dann schonmal negativ auf.
Allerdings weiß ich aus eigener Erfahrung, wieviel leichter es sich manchmal aus dieser Perspektive schreibt ...

 

Hm, ich hab da auch schon öfter drüber nachgedacht, aber nicht, weil es mich an Schulaufsätze erinnert, sondern weil ich in den letzten Geschichten ´ne "Egowelle" (nicht missverstehen, bitte ;)) hatte und ich irgendwie denke "welch billiger Trick, den Leser einzubinden, schaffst du das nicht anders"...

Außerdem kann ich manche Geschichten nicht für Lesungen nehmen, da ich Frauenstimmen so schlecht imitieren kann und ein Glaubwürdigkeitsproblem hätte...

 

@Para:

und ich irgendwie denke "welch billiger Trick, den Leser einzubinden, schaffst du das nicht anders"...
Ja, das meinte ich damit dass man es oft aus Bequemlichkeit macht, um auf diesem Weg ohne weiteres Zutun eine Identifikation herzustellen.

@tagträumer:

Darf man bei einer Kurzgeschichte von der Ich-Erzählung auf die 3. Person hin und herwechseln, oder wäre das stilistisch nicht in Ordnung?
Das müsste doch machbar sein ... wenn die Übergänge bzw die Einbindung stimmt.

 

Wie willst du denn die Persprektive ändern? Besonders simpel ist sowas z.B. bei Tagebucheintragungen/Briefen und Erzählung. Oder du kannst schreiben, wie jemand sein Gedächtnis verliert und dann seine eigene Vergangenheit entdeckt :D Oder halt irgend son seltsames Zeugs, in dem jemand seinen Körper mit nem anderem Tauscht und sich selbst beobachtet - oder eben Zeitreisen für Uwe *gg*
Einfach so zu wechseln ist wohl nicht so angebracht. Ich hatte mal so ne Geschichte. Da hatte der Ich-Erzähler allerdings ständig Wahnvorstellungen und das musste ich dann halt durchhalten. Die Geschichte hab ich dann wieder gelöscht :D (also die zweite, in der das so war) Ich mag die Ich-Perspektive in kurzen Geschichten, irgendwann will ich dann Sachen erzählen, die man nicht so leicht in dieser Perspektive schreiben kann. Vielleicht bin ich einfach zu faul dazu, schließlich können das andere ja auch.

Irgendwann hab ich mal Notizen zu verschiedenen Erzählperspektiven gemacht. Bei der Ich-Perspektive hatte ich aufgeschrieben, dass die Gefahr groß ist, dass man in einer Nacherzählung landet. Kann nicht mehr so viel dazu sagen, die Notizen sind alt, hab sie nur grad rausgefischt und kann mich grad net so drauf konzentrieren es zu erläutern.

Am coolsten ist die Ich-Perspektive wohl, wenn es irgendeine lustige Geschichte ist, in der z.B. die Handlung recht klar ist und nur die Art wie der Protagonist drüber denkt lustig. Also wenn der immer so reagiert, wie man es nicht erwarten würde. Scheiß auf "der Protagonist muss nachvollziehbar handeln" *g* (naja gut, auf eine bestimmte Weise sollte es danach nachvollziehbar gemacht werden)

Ich mag lieber starke Ich-Charakter. Außerdem würde ich bei selbst erlebten die Ich-Perspektive lieber meiden. Ich stimme aber nicht zu, dass der Protagonist einer Ich-Perspektive mein Alter haben muss. Es gibt z.B. eine herrliche Satire von Barde, glaube ich, die das verwendet. "Amok(Plagiat) Dietmars großer Tag" oda so. Ich weiß nicht, wie man darauf kommt nur aufgrund einer Perspektive an Schulaufsätze erinnert zu werden...

 

Vielleicht kann ich Ginnys Bemerkungen nicht ganz nachvollziehen, weil ich bisher noch nie darüber nachgedacht habe, ob es ein billiger Trick zur Emotionserzeugung ist, die Ich-Perspektive zu wählen. Ich kann mich aber denen anschließen, die schreiben, eher autobiografisches nicht aus dieser Sicht zu schreiben. Dafür verwende ich auch den außenstehenden Erzähler.
Ich sehe die Gefahr, bei Ich-Erzählungen neigt man eher zum Nacherzählen, das kann eine Geschichte manchmal ruinieren. Allerdings nutze ich deren Möglichkeit zur subjektiven Sicht gern zur Erzeugung von Emotionen. Ist das wirklich billig? Oder ist es ein, wie auch immer, in Verruf geratenes Stilmittel?
Und stellt man wirklich über ein "Ich" eher eine Identifikation her?

Lieben Gruß, sim

 

Hm. Die Ich-Form an sich ist nicht billig. Billig fände ich es, wenn ich irgendwie merke dass der Autor nicht weiß wie er dem Leser den Protagonisten nah bringt und seine einzige Möglichkeit in der Ich-Form sieht. Die Ich-Form ist ein Stilmittel zur Identifikation mit dem Leser. Sie ist meiner Meinung nach aber dann nicht legitim, wenn sie das _einzige_ Stilmittel ist, das dem Autor dafür einfällt.

 

Wie jetzt? Du meinst der Leser soll sich in Ich-Erzählern wiederfinden? Hö? Das ist doch eher so, als würde mir n Freund bei nem Treffen irgend n Erlebnis schildern. Deswegen denke ich doch nicht gleich mir wäre das selbe passiert...

 

Naja, mit Identifikation meine ich, dass er die Gefühle nachvollziehen, dass er mitleiden und mitfiebern kann. Für einen Autoren ist es ja mit das Wichtigste, dass der Leser auf seine Charaktere anspringt, dass sie ihn interessieren. Und das passiert kaum, wenn sie ihn kalt lassen oder unnachvollziehbar handeln/fühlen.

 

"Er setzte sich auf die Stufen und verschnaufte kurz, bevor die Hetzjagt weiter ging."

"Ich setzte mich auf die Stufen und verschnaubte kurz, bevor die Hetzjagt weiter ging."

... ich sehe da keinen Unterschied...

 

Wenn mans eine ganze Geschichte durchzieht, kommt der meiner Meinung nach schon. ;-)
Es geht ja vor allem um Stellen, wo Gefühle wiedergegeben werden. Der Ich-Erzähler ist unmittelbarer, weil kein außenstehender Erzäher da ist der sagt, wie es ihm geht.

Hab mal eben gegoogelt und das im Netz gefunden, was in etwa wiedergibt was ich meinte:

Die "Ich - Erzählsituation" wird eingesetzt, wenn der Autor eine möglichst hohe Identifikation des Lesers mit dem Erzähler auslösen möchte. Diese Variante der Erzählperspektive ist wohl die authentischste Form einen Text zu transportieren. Der "ICH - Erzähler" wird von dem Leser als sehr nah und direkt empfunden, aus diesem Grund besteht die Gefahr, dass er bei Nichtgefallen des Protagonisten ziemlich schnell aus der Geschichte aussteigt.

 

Hey Ginny,

danke für den Link.

Was dein Beispiel betrifft, Anika, da gibt es wirklich noch keinen Unterschied. Allerdings gibt dieses Beispiel ja auch erstmal nur eine nüchterne Handlung wieder.

 

Interessante Frage!
Ich habe lange nicht gewagt, in der Ich-Form zu schreiben, es schien mir zu persönlich, zu intim.
Inzwischen bevorzuge ich die 1. Person und lese auch lieber Ich-Geschichten. Das Erleben ist intensiver, die Identifikation stellt sich eher ein. Gerade Gefühle, Gedanken, Erfahrungen der Ich-Person können so viel eleganter transportiert werden als in der 3. Person. Das Schreiben ist spannender, aber auch anstrengender, je nach Plot belastender. Es fällt mir z.B. (noch) schwer, eine Gewaltszene in der Ich-Form zu schreiben, da bevorzugte ich die distanzierte Sicht von außen.

 

Naschön, neuer Versuch :p

"Er war sich sicher, dass er verfolgt wurde. `knacks´ - Das musste ein Ast gewesen sein, der unter dem Fuß seines Verfolgers zerbrach. Er traute sich nicht, sich umzudrehen - was würde er da sehen? Er wollte nicht darüber nachdenken und begann zu laufen."

"Irgendjemand verfolgte mich. `knacks´ - Das musste ein Ast gewesen sein, der unter dem Fuß meines Verfolgers zerbrach. Ich traute mich nicht, mich umzudrehen - was würde ich da sehen? Ich wollte nicht darüber nachdenken und begann zu laufen."

Hey, in dem ersten Beispiel hätte ich lieber "erblicken" geschrieben, im zweiten sehen... wird man in der Perspektive automatisch umgangssprachlicher oder so? Hmm... bei dem ersten hätte ich auch noch mehr hinzugefügt. Sowas wie "Schweiß bildete sich auf seiner Stirn" und son Kram...

Das mit den Perspektiven ist ne schwierige Frage und es bringt mehr Spaß sie gemeinsam zu beantworten - finde ich ;)

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom