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Er und das Meer
„WARUM?“, schrie er, „WARUM?“
Doch das Meer schwieg ihn nur mit seinen kalten blauen Augen an.
Er keuchte und sein Hals schmerzte vom schreien. Dann atmete er ein paar mal tief ein. Fühlen wollte er es.
Schmecken wollte er es.
Sehen wollte er es und riechen wollte er es.
Es roch salzig. Ein Geruch der ihm jedesmal das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. „Vollmundig und befreiend“.
Die einzige Gefühlsregung, die er vernehmen konnte, war die unbändige Wut, die das Meer auf ihn hatte. Weißer Schaum aus jenem Schlund erstreckte sich so zu seinen Füßen und umspülte diese. Im Laufe der Zeit hat dies aus seinen einstiegen, weichen und samtigen Füßen, harte und trockene gemacht.
Doch er hatte keine Angst.
Er brauchte keine Angst zu haben.
Er stand mit dem Wasser in einer Verbindung.
Eine Verbindung so stark und besonders, dass das Meer zu seinem einzigen Freund wurde, seit seine Mutter tot war.
Mit ihm teilt er seine liebsten Erinnerungen und Gefühle.
Eine dieser Erinnerungen sind die Geschichten, die ihm seine Mutter nur zu gerne erzählte, wenn sie am Strand gestanden haben oder spazierengingen.
Und während sie damals dahinschlenderten, und das kalte Salzwasser sich schüchtern ihren Füßen näherte und ihre Spuren verwischte sagte sie immer: „Faber!... Sieh dir das alles an! Kannst du es spüren? Kannst du es? Kannst du es spüren?... So unendlich, wie das Meer ist,... so unendlich ist auch meine Liebe zu dir!“
Seine Augen füllten sich mit Tränen und er errötete. Jedesmal.
Dann nah er sie in den Arm und wollte sie nie mehr loslassen. Jedesmal.
Und ihm ronnen dann die Tränen über das Gesicht. Jedesmal.
„Weine nicht!“, sagte sie dann immer, „ Je mehr Tränen du vergießt, desto mehr weicht das Meer aus deinem Herzen!“
Deswegten weinte er auch nicht als sie starb. Und deswegen weinte er nicht bei der Beerdigung und auch nicht bei der Trauerfeier. Die Trauerfeier, bei der er als einziger Gast aufgeführt war.
Sein Vater ist schon vor seiner Geburt gestorben und somit war er das Einzige, an das sich seine Mutter halten konnte. Das einzige, was der Mutter etwas bedeutete.
Er ging nicht zu Schule.
Er hatte keinen Beruf und nur einen Freund.
Und die einzigen, die Faber etwas geben konnten waren seine Mutter und sein Freund.
Einmal als sie spazierengingen fragte er seine sie, wo er denn herkäme und sie antwortete:“Du bist ein Geschenk des Meeres!“
Ein Geschenk des Meeres.
Immer wieder rief er sich diesen Satz seiner Mutter ins Gedächnis zurück und merkte wie seine Augen stachen. Doch er kämpfte gegen die Tränen an. Er wollte nicht weinen. Wollte nicht seinen einzigen Freund verlieren.
Und es rauschte. Es rauschte so herrlich, wie es noch nie gerauscht hat. Es schmeckte und roch so wunderbar. Er stellte sich vor, dass Frauen auch so sind.
Dass Frauen auch so riechen und schmecken.
Wie Wasser.
Dann ging ein Strandspaziergänger an ihm vorüber und fragte ihn nach der Uhrzeit. Doch Faber interessierten solch unwichtigen Dinge nicht. Er würdigte ihn noch nicht einmal eines Blickes.
Stattdessen fasste er den Entschluss einmal mehr am Strand zu schlafen. Bei seinem Freund sein. Seine Nähe spüren.
Als es dann dunkler wurde und je weniger Menschen am Strand waren, desto mehr vernahm er das beruhigende Spiel des Wasser und fiel in einen tiefen Schlaf aus dem er nicht mehr aufwachen sollte.
Er hatte mit dem Wasser seinen Frieden geschlossen und den Streit beigelegt und Fabers Freund nahm ihn zu sich, um ihn immer in seiner Nähe haben zu können.