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Erotik in Minga: Die Gottesanbeterin
»Ich habe jemanden umgebracht.« Sara beobachtete Moritz, der zurückgelehnt auf dem transparenten Plastikstuhl des Schwabinger Bistros saß.
Moritz lachte auf und schlug sich auf den rechten Oberschenkel. »Guter …«
Sie schwieg, sah ihn nur an. Moritz verstummte. Die Stille begann, unangenehm zu werden.
»War doch ein – Witz?«, fragte er. Er rückte mit seinem Po auf dem Stuhl hin und her und fuhr sich durch die wuscheligen, von grauen Strähnen durchzogenen Locken.
»Nein, war es nicht«, sagte sie. »Und ich muss dir noch etwas sagen. Ich bereue es nicht.«
Moritz’ Mundwinkel gingen langsam, aber sicher nach unten. Er rückte näher an den Tisch und spielte mit dem Ring an seiner rechten Hand. Er sagte nichts. Die Stille währte nun etwas länger und er blickte sie an, als würde er darauf warten, dass sie den Scherz auflöste.
Sara hatte sich vorgenommen, von Anfang an ehrlich zu sein. Aber in diesem Moment wusste auch sie nicht, wie sie weitermachen sollte. Sie rückte sich die rahmenlose Brille zurecht, die ihr ständig auf die Nasenspitze rutschte.
»Zwölf Jahre habe ich bekommen, nach neun hat man mich entlassen. Wegen guter Führung und so … Das ist drei Monate her«, sagte Sara und wischte sich eine ihrer rot gefärbten Haarsträhnen aus dem Gesicht.
Moritz schwieg weiter.
Sara sah an seinem Adamsapfel, dass er schlucken musste. So hatte er sich sein Tinder-Date sicher nicht vorgestellt.
Moritz blickte auf den Tisch zu seinen Händen, die fortwährend mit dem Goldring spielten. Schlicht war er, dachte Sara. So einen hätte sie sich damals gewünscht.
Moritz sah sie wieder an. »W… Wer?«, fragte er.
»Meinen Ehemann«, sagte Sara. Hoffentlich stand er jetzt nicht auf und ging einfach. Hielt sie für eine mordende Medusa.
»Als du geschrieben hast, du hättest deinen Mann verloren …«, sagte Moritz und faltete seine Hände vor sich auf dem Tisch. »Ich – ich meine, irgendwie dachte ich …«
Sara setzte sich ganz gerade an den wackeligen Bistrotisch. »Dass ich auch verwitwet wäre? Irgendwie bin ich das ja. Nur – entschuldige bitte. Das ist völlig unpassend für ein erstes Date. Ich hätt nicht …« Sara nahm einen großen Schluck Rotwein. Gleich, wie sie es anging, es war immer der falsche Weg.
Moritz zwang sich zu einem Lächeln. »Schon gut, schon gut …« Sara sah seine Halsschlagader pochen. Dann fasste er sich wieder in die Locken, so fest, dass seine Fingerknöchel weiß anliefen. »Du musst dich nicht rechtfertigen«, sagte er schließlich. »Ich meine, ich muss darüber nachdenken. Aber … lass uns doch heute über etwas anderes reden.«
Sara nickte erleichtert.
Zur Verabschiedung drückte Moritz ihr einen Kuss auf die linke Wange. Seine Lippen waren feuchtwarm und aus seinen Locken kam ihr der Duft von Fichtennadeln entgegen. Für einen Moment wagte sie es, sich näher an ihn zu drücken, seinen Geruch aufzusaugen.
»Wir sehen uns wieder?«, fragte sie, als sie sich von ihm löste.
Er lächelte sie an. »Das können wir machen«, sagte er. »Es war nett mit dir. Und … wie wäre es mit Samstag? Ich könnte für uns kochen?«
Sara spürte, wie ihr Herz leichter wurde. »Ja, das wäre sehr schön«, sagte sie leise. Fasste ihren ganzen Mut zusammen und drückte auch ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Seine Bartstoppeln piksten an ihrem Kinn, während ihre Lippen seine weiche Haut berührten. Als sie von ihm ließ, fühlte sie sich mit einem Schlag einsam.
Mit erröteten Wangen schnippelte Moritz das Gemüse in seiner Küche und bereitete den Reiskocher vor.
Diese kleine Rothaarige hatte es ihm sofort angetan. Das schelmische Lächeln auf den Tinder-Fotos, das markante Kinn und der kleine Leberfleck links an der Stirn, kurz unter dem Haaransatz.
Moritz schob die Pekingente in das Backrohr. Dabei wusste er nicht einmal, ob Sara gerne chinesisch aß. Er hatte sich nicht getraut zu fragen, sondern lediglich die wichtigsten Eckdaten per SMS ausgetauscht. Seine Nackenhaare stellten sich auf, wenn er daran dachte, dass sie vielleicht darüber sprechen wollte. Er wusste immer noch nicht, wie er damit umgehen sollte. Hätte er sofort gehen sollen oder wenigstens fragen, warum sie ihren Mann …? Irgendetwas in ihm hoffte immer noch, dass es nur ein dummer Scherz von Sara war. Und gleichzeitig wusste er genau, dass Sara nicht der Typ von Frau war, der mit so etwas scherzte. Schon gar nicht vor einem Witwer. Neun Jahre, dachte er. Für ihre 48 Jahre sah sie noch gut aus, fast so, als hätte sie die Zeit einfach übersprungen, als hätte sie etwas im Knast eingefroren.
Moritz goss sich ein Glas Rotwein ein und nahm einen kräftigen Schluck. Diese Frau hatte ihren Ehemann ermordet. Was wäre wenn …?
Es klingelte. Eilig schob Moritz das Glas Rotwein hinter die Küchentheke und ging zur Tür. Er nahm den Hörer ab. Er hatte sich fest vorgenommen, selbstbewusst zu sein, doch seine Stimme war auf einmal nur ein Hauch. »Ja?«
»Sara!« Kurz und knapp. Vielleicht war sie auch nervös. Ob sie ihr letztes Mal vor neun Jahren …? War es die Nacht, in der sie …? Moritz verdrängte den Gedanken, öffnete die Wohnungstür und hörte ihre Schritte auf der Treppe. Sie trippelte irgendwie. Es hörte sich gar nicht so an, als würde ein Mensch die paar Stufen bis in den ersten Stock besteigen.
Dann zeigte sich Saras roter Schopf im Treppenhaus. Sie hob ihren Kopf und lächelte ihn an. »Hallo«, sagte sie fast schüchtern.
»Hallo!«, antwortete er mit zittriger Stimme. »Komm rein.«
»Es ist so viel übrig geblieben«, sagte Sara, die sich nach dem Essen auf seine Couch gesetzt hatte. Sie überschlug ihre Beine. Moritz konnte seinen Blick nicht abwenden von ihren Oberschenkeln, die in einer knallengen Jeans steckten.
»Nicht schlimm«, sagte er. Schob die Reste der Ente in den Kühlschrank. Dann setzte er sich zu ihr. Kam ihr dabei ganz nah. Er strich ihr mit der Hand über die Wange. Seinen Ring hatte er abgelegt. Sich eingeredet, das sei beim Kochen besser.
Sara schaute auf die Couch. Schließlich berührte er ihr Gesicht mit beiden Händen. Gezwungen von seinem Griff sah sie ihm in die Augen. Seine Blicke wanderten zu ihren Lippen. Sie waren hellrot, glänzten feucht. Sie roch nach Äpfeln und Feigen. Seine Finger glitten von ihren Wangen in Richtung ihres Halses. Er konnte die Anspannung nicht länger aushalten, umschlang sie und drückte seinen Mund auf ihren. Strich mit seiner Zunge über das weiche Fleisch, spürte sie zittern, als er die Zunge vorschob und sie küsste, wie er seit Elisabeths Tod keine Frau mehr geküsst hatte.
Eng umschlungen hob er sie leicht an, führte sie von der Couch weg. Richtung Schlafzimmer. Ließ sich mit ihr auf das Bett fallen, glitt mit seinen Händen unter ihr dunkelblaues Satintop, bis er ihren BH berührte. Sara erwiderte seine Küsse; ihre Zunge schmeckte nach dem Rotwein, den sie zuvor getrunken hatten, doch auch irgendwie süßer.
Sie richtete sich auf. Die roten Haare umrahmten ihr Gesicht, auf ihrer Stirn bildeten sich Schweißperlen. Sie zog sich das Top über den Kopf und öffnete die Jeans. Er sah zu, wie sie sich vor ihm auszog, nackt bis auf den weißen Slip, durch den er rasierte Haut erahnen konnte. Er ließ geschehen, dass sie die Knöpfe des Hemdes öffnete, die Hose herunterstreifte. Ihre Hand griff fest in den Schlitz seiner Unterhose. Moritz stöhnte, überrascht von ihrer Forschheit.
Er drehte sich ruckartig um, lag nun über ihr. Zog ihren Slip herunter, fuhr mit seinen Fingern von ihrem Bauchnabel hinab, langsam Richtung Vulva, glitt über ihre Schamlippen, rieb sie, bis ihr Atem schneller wurde und suchte schließlich mit dem Finger den Weg in sie hinein. Sie war feucht und warm. Er atmete durch, hatte schon lange nicht mehr diesen einen Duft gerochen. Nicht mehr seit Elisabeth. Er zog seinen Finger wieder aus ihr heraus, richtete sich auf. Sie griff nach seinen Hüften und schob die Unterhose herab. Er streifte dieses letzte Kleidungsstück über seine Beine, warf es in irgendeine Ecke. Ließ sich auf sie fallen. Sie umarmte ihn, küsste ihn, ihre Hände schienen überall zu sein. Er spürte die Erregung in seinem Körper, wie er steif wurde und den Wunsch, in sie einzudringen. Er schloss die Augen, als ihre Hände sein Glied umgriffen und es vorsichtig führten. Für einen Moment zögerte er. Dachte an Elisabeth, die er nie betrogen hatte. Auch nicht, als sie schon so krank war und er verzichten musste. Zwei lange Jahre. Und auf einmal schwirrten wieder die neun Jahre in seinem Kopf. Sara hinter Gittern, Sara beim Liebesakt, Sara mit einem Messer in der Hand …
»Alles in Ordnung?« Saras Stimme holte Moritz aus den Gedanken. Er nickte, atmete tief durch, drang in sie ein. Seine Hände glitten über ihre Oberschenkel, zu den Hüften und verharrten in Höhe ihrer Brüste, bevor er sich traute, diese zu berühren. Zunächst ganz sanft, dann griff er fester zu, knetete das weiche Fleisch. Er schloss die Augen; er würde bald kommen. Saras Hände bewegten sich an seinen Hüften auf und ab, griffen hart zu, bohrten sich in seine Haut, etwas Warmes floss über seine Oberschenkel.
Moritz riss die Augen auf, blickte erstarrt in Facettenaugen und einen weit aufgerissenen, grünen Schlund. Das Insekt sprang auf ihn zu, warf ihn vom Bett und biss in seine Kehle.
Mit einem Stöhnen fand Moritz sich auf dem Fußboden wieder. Die Bettdecke um sich gehüllt. Sein Glied war steif und schmerzte so wie der Arm, auf den er gefallen war. Moritz brauchte einen Moment, um zu verstehen, was geschehen war und rieb sich die Augen. Er dachte an Sara, sein rothaariges Date mit der verrückten Geschichte. Schlaftrunken tastete er nach seinem Handy auf dem Nachtschränkchen und schrieb eine SMS.
Jenny saß bereits im Park Café und rauchte eine Zigarette, als Sara beladen mit Einkaufstüten ankam.
»Na, Süße, wie war das Date?«, fragte Jenny und zwinkerte ihr zu.
Sara setzte sich. »Ich werde diesen scharlachroten Buchstaben nie loswerden. Mein Liebesleben ist mit Bernd gestorben.«
»Wieder nichts?« Jenny nahm einen weiteren Zug und blies Sara die Rauchwolke ins Gesicht. Sara hatte lange nicht geraucht. Der Geruch war ihr noch vertraut, aber … sie schüttelte sich. »Es war schön und er wollte mich wiedersehen«, sagte sie. »Aber heute früh kam dann die SMS, dass er glaubt, wir wären doch zu verschieden.«
»Faule Ausrede«, sagte Jenny. »Hast du es ihm etwa erzählt?«
Sara nickte.
»Und er hat es nicht verstanden?«
»So weit bin ich gar nicht gekommen. Er …« Sara stockte. Erinnerte sich an Bernd, seine Schläge und Tritte. Ihre Angst. Das Gefühl, keinen Ausweg zu sehen. Nur Gehen hätte nicht gereicht. Ein Leben in ständiger Angst bedeutet, er kann sie wiederfinden. Es hatte nur die eine Lösung gegeben, damit er ihr sicher nichts mehr anhaben konnte. In ihren Gedanken sah sie sich wieder zu der Axt greifen …
Jenny winkte ab. »Irgendwann wird einer kommen, der es versteht.«
Mit einer Träne im Auge sah Sara ihre Freundin an. »Vielleicht. Aber wird er auch ruhig schlafen können?«