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Ertappt: Der Strickende
Alles sollte wie ein Duft sein. Und wenn er nicht war dann mußte er werden. Edel, prickelnd, kostbar. Plötzlich zu Kopfe steigend; sichtbar sogar. Ein Odeur, durch das alles zerflösse, das allem Niedrigen Höhe verliehe, die sich aus der Sehnsucht nach Liebe und Harmonie erquoll. Und die Häuser am Ufer des Flüßchens malen uns Schluchten wo das Geäst trauernden Busches über den Kais zu Stürzen erwuchs, vor denen die Planken der Boote nur anmuten, wie sehr sich der alte Kran in scheinbarer Demut vor all den Qualen verneigt, aus denen die Schönheit all dessen erwuchs. Und die Kronen der Bäume zerstäuben zu duftigen Wolken, pudern die Wunden aus nächtlichen Bränden und beleben bedächtig, was wir mit Hingabe erschufen um Bruchstückchen mit einem Hauch von Geruhsamkeit zu übertünchen. So von Menschen gewollt und erträumt, denn alles ging uns verloren.
Es sollten keine Rückzieher sein, als ich mich zurückzog. Arbeitslos sollte ich sein. Langsam auch wirklich unvermittelbar. Meines sozialen Status wegen und hauptsache man hat einen. – „Schau dir erst einmal alles an!“, sagte die Herrschende Meinung im Frühjahr zu einem und dieses Mal standen die Fernsehkameras an genau der richtigen Stelle um die aufsteigenden Rauchwolken nicht nur wunderschön, so dezidiert, prachtvoll glimmend, so hübsch in den Farben und so mächtig in ihren Erscheinungsformen, pünktlich zu den Neunzehn-Uhr-Nachrichten zu übertragen. – „Zu was bist du ein Mann?“, fragte mich die Herrschende Meinung in ihrem schlechtesten Hochdeutsch und sie sprach mich instinkterweckend auf mein Gewissen hin an. – „Sicherlich auch, um etwas zu verteidigen!“, gab ich ihr abweichend zur Antwort. Worauf sie sich sofort ganz erschrocken zurückzog und ich gratulierte mir sogar, mich ihr, auch trotz aller Machtlosigkeit, so siegreich widersetzt zu haben. Allerdings hatte ich plötzlich keine Meinung mehr zu alldem, also eine Meinung, die ich beherrschte.
„Werdet nun Mann!“, spöttelte sie durch das geöffnete Fenster, durch das ich die frische Frühjahrsluft hereinließ, auch um mich zu erquicken. Einfach von Geburt an sah ich mich von ihr, also der Herrschenden Meinung, derart herausgefordert. Ich spürte sie in mir. Mit pompösem Aufbegehren hatte sie sich nachhaltig dort eingenistet. Außerdem keifte sie mein Vater, als ich damals ziemlich selbstvergessen auf dem geknüpften Teppich bei meiner Mutter saß, während sie handarbeitete und ich zu ihren Füßen spielte. Ich ersann es, mir unter dem Tisch eine Höhle zu bauen. Noch bevor ich begönne, im Kaffeesatz zu lesen, vielleicht sogar kleine Holzperlen auf einem Faden gezogen verängstigt und sie zählend mit den Fingernägeln in einer Runde hin und her zu schieben, gar Rosenkränze zu beten, machte er mir mit seiner Angst vor ihr Beine. Ich glaube, soldatische waren von ihr verlangt - Beine die strammstehen, dabei keine Mine verziehend und ihrer Übermacht striktes Gehorsam abverlangend denn andernfalls würde sie mich töten. So sehr erschrak ich vor ihr todesfürchtig, daß ich plärrte und hilfesuchend auf Muttis rettendem Schoß landete. Die Herrschende Meinung war doch jetzt gar nicht verlangt und marschieren lernte ich von alleine, weil ich es so kann und ich hatte Vati längst forsch darum gebeten, mein Exerzieren zu begutachten und es als sehr gut abzunehmen, wenn ich es im großen Flur unseres Hauses übte. Bald marschierten wir über den Sand und dann in die Kleine Beckerstraße hinein, die wir Hand in Hand den buckeligen Bürgersteig sehr zügig hinauf gegangen sind, bis wir endlich da waren. Lüneburg wäre so schön. Tatsächlich strengte mich dieser Marsch sehr an, den Mutti betrieb, weil sie es nicht abwarten konnte, ihre Familie zu treffen und um nach neuem Garn zu sehen. Endlich saßen wir in den weichen Sesseln des großzügigen Kaffees und man belohnte mich für meinen Mut, zwischen all den Erwachsenen jetzt ganz artig sein zu wollen, mit einem schönen Stück Torte. Bohnenkaffee für einen Fünfjährigen sei viel zu ungesund. Aber ich mochte doch keine Milch. Deshalb servierte man mir eine Tasse heiße Schokolade. Sie hatten sich so viel zu erzählen, von den Neuigkeiten auf den Höfen und in den Familien; auch die von mir. Kaum daß ich sie mit ihren Erzählungen verstehen konnte; nur weniges interessierte mich wirklich und ich war sehr darauf bedacht, Oma Doses Ansprüchen an wohlgefälligen Tischmanieren mit Respekt genüge zuleisten. Sie war sehr streng in ihren Anforderungen. Es reichte ein scharfer Blick, ein Stocken in ihrer Rede und der kurze Hinweis: „Grete!“, womit sie Muti meinte, die doch bitte darauf achten solle, daß ich keine Kakaoflecken in die blütenweiße Tischdecke machte oder in den hübschen, selbstgestrickten Pullover.
Ich nannte sie Dose. Auch weil alle sie jetzt so nannten, nicht etwa, weil mich ihre Korpulenz, ihre Steifheit in ihrem ein wenig aristokratischem Gehabe dazu veranlaßte, sie so zu heißen. Schon gar nicht eines Vergleiches wegen mit einer kantigen Schachtel und einem Schlitz in der Mitte ihres Deckels darin, in der sie manchen Taler für mich hineinstecken möge. Das hätten sie mir verboten. Es lag vielmehr an meiner unbeholfenen Radebrecherei als ich noch ganz klein war und Mutti mit mir unerschütterlich übte, die eine Oma von der anderen nach ihrem Namen, nicht von ihrem Bilde, von ihrer Gestalt her etwa, zu unterscheiden. In ihrem Klang waren sich beide Namen sehr ähnlich; die Oma zuhause hieß Dora und diese hier –ris und ausgerechnet ihr Name wollte mir nicht so recht über die Lippen gehen und ich sprach –se, also Dose anstatt Doris. Mutti hatte es genehmigt und sie gab sehr bald jeden Verbesserungsversuch auf, fand es viel passender, viel origineller und sie verstärkte es, wenn sie mit mir über ihre Mutter sprach und dabei meine Wortschöpfung benutzte. Kaum daß ich es mir vorstellen konnte, daß Mutti auch eine Mutter hat. Ich hielt sie doch längst für erwachsen und sie braucht doch dann gar keine, hatte ich geglaubt. Dumm, für ein schrecklich dummes Kind wurde auch ich manchmal gehalten. Schon wieder sah sich Mutti von den Strengen Blicken Oma Doses genötigt, einzugreifen, schnell mit ihren Armen über meine Schultern zu langen und mir die schiefgehaltene Kuchengabel aus der Hand zu nehmen um den Kuchen auf meinem Teller mundgerecht zu zerkleinern und um meine Nödeleien zwischen ihnen ganz unbeholfen in meinem Sessel sitzend, zu unterbinden. Damit ich bequemer und schneller fertig würde, denn wir müssen gleich weiter ins Handarbeitsgeschäft, in dem wir nach neuen Garnen und Stoffen sehen wollten. Ganz beiläufig erlernte ich in diesem munteren und sehr freundlichen Kreis das Geradesitzen, weil ich es auch so schön können wollte, wie sie alle dort und eines allgemeinen Lobes wegen, das sie mir aussprachen, wenn ich fein artig zwischen ihnen weilte. Zwischendurch aufgestanden und mir zwischen ihnen die Beine vertretend, besah ich, was sie alle so hatten und liebebedürftig, schutzsuchend trat ich dann an Muttis Seite um buhlend einen baldigen Aufbruch zu erheischen. Ihn zu erschmiegen und ihn zu erschmusen, weil ich ihnen den Grund meiner Unruhe besser nicht sagen wollte. Es war sehr bald ein Hinweis auf die Langeweile in Richtung Herrschender Meinung.
„Würdest du ein Mann, mußt du bereit sein, alles hier zu verlassen.“, gab sie mir ein. Ich würde viel Geld verdienen und Verpflichtungen zuhause endlich bezahlen können. Nicht nur für Sachen sondern auch für die Zurückgelassenen. Arbeitslosigkeit hätte ich so sicherlich überwunden. Nachdenklich wickelte ich den Faden um meine Finger und nahm flink neue Maschen auf. Fünfzehn rechte, dann drei linke, bald weitere auf eine Hilfsnadel, für den Zopf, den überkreuzen und nach drei linken bis zum Ende nur noch rechte. Strickmuster sind eigentlich sehr einfach, beherrscht man erst die Technik. Auf die Ebenmäßigkeit des Maschennetzes kommt es hierbei hauptsächlich an und die übt sich ganz automatisch ein, konzentriert man sich ausreichend. Sehr unbeholfen war ich anfänglich beim Stricken linker Maschen. Ganz und gar verlor ich die Nerven, wenn sie mir von der Nadel fielen. Nur einmal habe ich bisher das Vorderteil komplett aufröppeln müssen, wegen eines schwerwiegenden Fehlers, der mir viel zu spät aufgefallen war. Eine halbe Stunde schießwütigenden Kampfes, verschmauchter Atemluft von Schwarzpulver und Leichengeruch, eine halbe Stunde der Aussicht auf selbstverstümmelnder und vernichtender Auseinandersetzung mit Menschen anstatt mit den Maschen auf meiner Nadel habe ich erst einmal ausgedauert. Wie leicht es mir fiel, und wie wohl stimmte mich mein Erfolgserlebnis durch diese Bewußtmachung?
Sonst würdest du ein Mann, bedauerte die Herrschende Meinung gefühlsduselnd. Tatsächlich würde ich mich schämen, würde mich jetzt jemand sehen. Nicht daß ich mich verkrochen hätte, schon gar nicht vor der mannhaften Herausforderung allzeitiger Wehrbereitschaft, wenn sie allerseits so laut nach kriegerischem Kampf schreit. In dieser Hinsicht habe ich mich nur besonders getarnt. Wehe! Dennoch verspüre ich Freude, wie es mir gelingt, was ich mir vorgenommen habe und davon ausgehend, daß es das erste Mal in meinem Leben ist, daß ich einen Pullover stricke, gibt es mir ein großes Stück Selbstbestätigung. Niemand ist hier, der mir etwas zu sagen hat, außer Mutti. Aber die delegiert mich seit langem nicht mehr sondern sie ist sehr höflich und bittet, wenn sie meine Hilfe benötigt. –
Es war so naßkalt draußen und die Dunkelheit brach herein. Die Lichter in den Schaufenstern luden zu sich ein. Dazu, durch die schellenklingelnde Tür des kleinen Geschäftes in der Grapengießerstraße hineinzutreten. Heraus aus den mit Pfützen übersäten Gehwegen, auf die manches Auto schmutzige Fontänen preßte wenn es auf holperigem Kopfstein daran längs unterwegs war und die Fußgänger mußten sehr aufpassen, daß sie nicht unfreiwillig geduscht wurden. Es wäre nicht auszudenken gewesen, wenn unsere Kleider platschnaß und dreckig besudelt worden wären. Mit einem vornehmen Händedruck hatte sie ihre Kundschaft bereits an der Eingangstür begrüßt, so als hätte sie uns erwartet und nach einem kurzen Plausch fragte sie nach den werten Wünschen, die sie gerne erfüllen würde. Sie hatte uns nach hinten gebeten. Dort seien die schönen Stoffe zum Besticken. Ihre üppigen Hüte nahmen die Damen nicht vom Schopf und auch ihre schweren Wintermäntel zogen sie nicht erst aus sondern sie lösten lediglich die Knöpfe von den Knopfleisten, bevor es ihnen plötzlich zu warm würde, wenn während reiflicher Überlegung, kritischer Begutachtung und neuerlicher Verwerfung des eben noch für möglich Gehaltenen plötzlich Hitze in ihnen aufstieg, die ihnen zu schaffen machen könnte und sie in ihrer Entscheidung hemmen. Bald standen wir vor dem rustikalen Tresen bei den üppigen Auslagen und dem bis an die Decke hochragenden Regal, gefüllt mit gestapelten Stoffrollen. Damast hatte Tante Anneliese für eine Tischdecke erwogen, vielleicht auch feineres Leinen, auf gar keinen Fall reine Baumwolle für den großen Tisch im Eßzimmer. Und überhaupt, wir wollten erst einmal sehen. Dann schritt die Dame des Hauses vornehm am Tresen entlang, bückte sich nach der kleinen Trittleiter, die hinter ihm stand, die sie forsch zu sich heranzog und um einiges vor die Regalwand schob um flugs auf ihr die wenigen Stufen hinaufzusteigen und nach einer Stoffrolle zu sehen, die sie fachmännisch hervorzog. Sie beäugte sie, prüfte, ob sie vielleicht dem Geschmack der Kundschaft entspräche, bevor sie den Stoff ganz herauszog und, die Leiter geschwind wieder hinabsteigend, auf den Tisch legte. Dann noch eine, eine weitere. Freudig näherten sich die Damen, hoben die Kante des Stoffes an, und rieben mit ihren fachkundigen Fingern an ihm. Die Verkäuferin faßte die Rolle und wickelte sie weit über den Tresen ab. Dann nahm sie ein hölzernes Ellenmaß und legte Maß an, um den Damen die ihnen vorschwebene Größe auszumessen. Dann war es eine Nuance in der Farbe, ein wenig zu sehr ins Beige, das Muster erschien ihnen zu fein und der Stoff einen Tick zu grob, aber in dem dunklen Eßzimmer wird es vielleicht gar nicht auffallen. Bis man musterlose Laken erwog, die sie betrachteten und die sie lediglich in ihrer ursprünglichen Absicht bekräftigen konnten, einen Damaststoff zu kaufen, den sie in seiner Mitte reich besticken wollten.
Endlich zuhause, dauerte es nicht mehr sehr lange, bis sie wieder in der Stube neben dem kleinen Nähtisch saß auf dem sie das alte Radio stehen hatte, welches meisten angestellt war, wenn sie ihrer Passion nachging. Behende und mit unübertroffener Akorateß handarbeitete sie ihre Meisterwerke. Tischdecken, Pullover, Lochmuster in Bettwäsche. Sie übte sich in Oky, Schiffchen, Hardanger. Sie knüpfte oder sie häkelte feine Spitzen, ganze Tischdecken und Gardinen. Bei der Namensstickerei in ihre Aussteuer nähte sie verschnörkelte Namenszüge in ihre Wäsche, wenn noch keine darin waren. Hierzu besaß sie Kupferblätter, in die ihre Initialen hineingestanzt waren. Sie lagen zuhauf in der einen Schublade, aus dem ein so wohlig dezenter Duft von textilem in unsere Nase strömte, wenn man sie aufzog. Duft vom Nähgarn, Radiergummi und Gummibändern zog mich an, zu sie hin, vor dem laufenden Fernseher, oben auf dem Stubenschrank um einiges vor uns, gebannt hockend und vertraulich an ihren warmen Beinen gelehnt, auf dem warmen Knüpfteppich hockend. Nur manchmal sah ich zu ihr auf, erregt über Bilder aus dem Fernseher und sie fragend, ob sie das verstanden hat. Wie oft mußte sie für mich Nadel und Garn beiseite legen, in all den Jahren meiner Kindheit, nach zerschleißenden Streifzügen durch die Straßen und Gärten unseres Dorfes, nach kindischem Gezänk und kriegerischem Kampf nach denen es galt, abgerissene Knöpfe wieder anzunähen, ebenfalls Reißverschlüsse oder aber an der Nähmaschine nebenan eingerissene Löcher in meiner Hose zu verschließen. Strümpfe zu stopfen zeigte sie mir später. Draußen war der Kampf. Immer wieder war er ausgebrochen und natürlich wollten wir Jungen es so. Auf den Wiesen fand er statt, in den Hagen und Wäldern, in den Scheunen auf den Höfen, den Schuppen und auf ihren Böden. Im Geäst der Bäume. Wenn ich dann nach kampferprobter Toberei mal siegreich mal schluchzend vor Schmach einer Niederlage die Tür zu ihr in die Stube aufriß, mich aufgewühlt vor sie stellte und trostbedürftig einen Platz auf ihrem Schoß erbat dann klang mir das Klimpern der Nadeln ganz nahe in meinen Ohren. Bis ich an ihrem Busen ruhte und ihr gleichmäßiger, starker Herzschlag mein aufgebrachtes Gemüt beruhigte. Nadeln, die plötzlich in meiner Hand waren, als Mutti mal nicht da war. Fäden, in die ich einen Knoten schlang und unbeholfen um meine Hand wickelte. Bis Mutti wieder da war und ich sie fragen konnte, wie das denn geht? Sie zeigte es mir und ich setzte mich manchmal zu ihr und übte fleißig. Dabei erzählte sie mir von Wilhelm Haase, dem alten Melker auf ihrem Hof zuhause, der dort mit seinen Kindern entlegen, unter den Eichen in der kleinen Kate lebte. Das war zu Zeiten großer Not und Entbehrung zwischen den Kriegen. Kaum, daß seine Kinder Schuhe besaßen, lediglich in Holzpantinen waren sie unterwegs, mit denen sie auch im Winter auf langen Fußmärschen durch den Schnee zur Schule marschierten. Für sie hat er es getan, als seine Frau verstorben war. Manche Nacht hindurch strickte er, bis er ein Paar Wollstrümpfe fertig gestrickt hatte, erzählte Mutti. Dazu nahm er den Wollfaden in die Hand, schlug an und brachte die ersten Maschen auf die hölzernen Nadeln. Zählte fünfzig, sechzig Anschlagmaschen, die er gleichmäßig abnahm und auf die Nadeln hob. Dann zwei links, zwei Rechts und erst ab der Fußspitze nahm er ab. Für die Hacken nahm er sogar einen doppelten Faden, damit sie schön fest werden und sich nicht so leicht durchlaufen. Was die herrschende Meinung in die Flucht verschlug und nur manchmal drang sie aus der Ferne durch, als waberndes Gebrummel verschrockener Männerchöre, in denen sich seine Mitglieder verstört fragten, was los wäre, wenn sie das müßten. Wie wohl muß es seinen Kindern geworden sein, weil alle zu ihrem Vater hinsahen? – Gar nicht mal so schlecht, lobte Mutti mich dann. Du mußt es aber noch lange üben und übertreibe es nicht, hatte sie dann gemeint. Schule sei viel wichtiger. Ich hätte es sowieso nicht getan und ich sah auch keine Notwendigkeit solange Mutti alles so schön konnte. Aber der Grundstein war in jener Zeit von ihr gelegt.
Bald waren es Situationen in der reinen Ausweglosigkeit, als wieder einmal nichts mehr ging und ich mich neu zu fangen hatte. Daß es schön sei, wenn ich den Pullover anziehe, der mich wärmt und mir hilft, meine Gesundheit zu erhalten, sagte ich ihr. Und ich freute mich über den gelungenen Tausch, nun nicht als Teil einer gewalttätigen Gruppe vereinnahmt zu sein, in der ich mich selbst verleugnen und in ihr unter Gruppenzwang ziel- sowie wahllos mitziehen müsse. – „Werdet zur Frau!“, gab mir die Herrschende Meinung deshalb strafend auf. „Nein! Das kommt gar nicht in Frage“, wehrte ich mich mit den Worten meines Vaters, der sich schon damals so oft und so aufgebracht gegen manches auflehnte, was ich mir vorgenommen hatte. „Schon mit Rücksicht darauf, daß meine Mutter ebenso kein Mann wird, wenn ich zu stricken beginne; somit blieben wir beide doch ingänze einfach nur Menschen, die so etwas können.“, entgegnete ich der Herrschenden Meinung und herrschte sie so gleichermaßen an. Ich war Turnschuhe kaufen deswegen. Wieder einmal ging nichts. Ich hatte es mir überlegt und verschwendete danach keine weiteren Gedanken daran, mich zu rechtfertigen. Schon gar nicht vor der Herrschenden Meinung. Ich dachte, es sei die Hauptsache, daß sie mich hierbei nicht stört. Denn dann war ihr der Strickende wieder zu fein, für die ihm zumutbare Arbeit. „Sie sind doch eigentlich ein Arbeitsloser?“, zweifelte die herrschende Meinung. „Ja, dann müssen sie doch auch so sein.“, fordert sie mich heraus. – Die hatte vielleicht Probleme, mir zum Trotz. „Sieh´ mal einer an!“, gab ich ihr zur Antwort.
Alles sollte wie ein Duft sein. Und wenn er nicht war dann mußte er werden. Edel, prickelnd, kostbar.
© by joasch 20.12.2007