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Erweckung

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19.05.2006
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Erweckung

„Wenn du deinen Indientrip schon in Chennai beginnst, musst du unbedingt den Sri Aurobindo-Ashram und Auroville besuchen.“ Karin strahlt mich an. „Von Chennai sind es bloß zwei bis drei Stunden nach Puducherry.“
„Du weißt, dass ich mit Sekten nichts am Hut habe.“
„Das ist keine der üblichen Sekten, Tom. Sieh es dir wenigstens an. Du bist doch ganz in der Nähe.“
„Ja, vielleicht. Mal sehen.“
Meine Ex-Freundin presst die Lippen zusammen, schüttelt den Kopf. Wie immer, wenn wir entgegengesetzte Meinungen vertreten, hüllt sie sich in Schweigen. Sie ist und bleibt eine Esoterikerin. Nicht zuletzt deshalb haben wir uns getrennt. Sie lebt in den Wolken, ich stehe mit beiden Beinen am Boden. Sie glaubt an Gott, ich halte es mit den Naturwissenschaften.
Karin hat mich freundlicherweise zum Flughafen gebracht, beim Check-in-Schalter verabschieden wir uns voneinander.
„Machs gut!“, sagt sie, drückt mir einen Kuss auf die Wange.
„Danke, du auch.“
Zwei Stunden später hebt die Maschine ab, nach weiteren zwölf Stunden lande ich in Chennai.
Ich verbringe jedes Jahr ein paar Monate in diesem großartigen Land. Es zieht mich geradezu magisch an, seit ich es als 19-Jähriger erstmals betreten habe. Von den schneebedeckten Himalajagipfeln Kaschmirs und Ladakhs bis hinunter an die tropischen Strände Goas und Keralas, von den Wüstenlandschaften Rajasthans hinüber zu den grünen Ebenen im Osten reicht sein landschaftliches Angebot. Und nicht zuletzt lockt das gute Essen. Ich könnte mich eingraben, in all die würzig scharfen Currys und Masalas, Koftas, Biryanis, Samosas und Pakoras. Vor allem aber mag ich die Menschen Indiens. Und sie mögen mich. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn innerhalb meines Bekanntenkreises gelte ich als introvertiert und arrogant. Kaum jemand verlangt nach mir, kaum jemand will, dass ich nach ihm verlange. Da lebe ich schon lieber in Indien. Dort akzeptieren mich die Leute, wie ich bin.
Natürlich gibt es in meinem Lieblingsland auch Dinge, die ich nicht mag. Kurz gesagt, zu viele Menschen, zu viel Dreck, zu viel Lärm. Es ist eine Hassliebe, die mich mit Indien verbindet. Aber die Liebe dominiert. Zweifellos. Sonst wäre ich nicht schon wieder hier.
Und natürlich fahre ich am nächsten Tag nach Puducherry, um diesen Ashram zu besichtigen, den mir Karin empfohlen hat.
Widerwillig ziehe ich vor dem Eingang Schuhe und Socken aus, unbedingte Vorschrift, ebenso wie die Verwendung von Handy und Fotokamera verboten ist.
Barfuß trete ich ein und betrachte mit spöttischem Blick das fromme Geschehen im Innenhof. Ashramiten knien meditierend vor dem Samadhi der beiden Gurus, Stirn und Hände auf die Grabplatte gepresst. Aus einem der Räume im Hintergrund ertönt leiser Gesang. Ansonsten heilige Stille. Schon frage ich mich, warum ich Karins Vorschlag gefolgt bin. Seit früher Jugend Atheist, bin ich wohl nur hierhergekommen, um meine Haltung zu bestätigen. Ich gehe, wie ich gekommen bin.
Am darauffolgenden Morgen besuche ich Auroville. Der Rezeptionist meines Hotels in Puducherry erzählt mir zuvor ein wenig darüber. Er wohnt selbst seit einigen Jahren dort. Die Bevölkerung Aurovilles sei eine harmonische Gemeinschaft friedlicher Menschen aus über sechzig Nationen, sagt er, die durch integrales Yoga versuchen, das suprakosmische, göttliche Bewusstseins zu entwickeln. Sie praktizieren die Lehre Sri Aurobindos und seiner Partnerin, Mirra Alfassa, der visionären Gründerin dieser Modellstadt, die von allen nur Mother genannt wird. Aus seinen Worten klingt Verehrung. Nachdem er geendet hat, entzündet er ein Räucherstäbchen, steckt es in die kleine Vase vor der Ganesh-Figur auf dem Empfangspult, faltet die Hände vor der Brust und schließt die Augen.
Damit ist unsere Unterhaltung beendet, ich verlasse das Hotel.
Mit einer Autorikscha mache ich mich auf den Weg, nicht lange und wir sind am Ziel.
Ab hier geht es zu Fuß weiter. Vom Besucherzentrum führt ein Pfad durch waldiges Gelände. Vogelgezwitscher erfüllt die Morgenluft, ich wandere vorbei an blühenden Büschen, Wassertümpeln und weit ausladenden Banyanbäumen, die ihre Luftwurzeln in den umliegenden Boden bohren. Wie lebende Säulenhallen muten sie an.
Nach kurzem Marsch eröffnet sich meinem Blick eine Ebene, ringförmig von Wasserkanälen durchzogen, in deren Mitte das geistige Zentrum Aurovilles steht. Eine riesige, goldfarbene Kugel, der Matrimandir, was in der Landessprache Mutters Tempel heißt. Ein Ort der Ruhe und Meditation, Aurovillianern und Langzeitgästen vorbehalten, wie ich aus meiner Unterhaltung im Hotel weiß.
Ich stehe lange am Aussichtspunkt, versunken in den Anblick dieses Glaubenszentrums, über dessen goldglänzender Kuppel Schwarzmilane ihre Kreise ziehen. In völliger Ruhe liegt die Landschaft vor mir. Je länger ich diesen Tempel betrachte, desto stärker fühle ich mich von ihm angezogen, kann meinen Blick nicht abwenden, möchte ihn betreten, seine Stille atmen. Ein neuartiges, überwältigendes Verlangen, das mich erregt, zugleich in seiner Fremdheit ängstigt. Ich will damit nichts zu tun haben, schließe die Augen, möchte es abschütteln. Entschlossen reiße ich mich los und starte den Rückweg.
Es ist bereits Mittag, mein Magen knurrt. In der Solarkitchen, einem Gasthaus der ersten Stunde, halte ich. Das Lokal ist fast voll. Stimmengewirr unterschiedlichster Sprachen schwirrt durch den Raum, es riecht verlockend nach Currys und Masalas. Wie jeden Tag gibt es hier als einzige Speise vegetarisches Thali. Ich lasse meinen Teller füllen und setze mich.
Neben mir ist noch ein Platz frei, so lerne ich Giorgio kennen. Er stammt aus Südtirol, spricht perfekt Deutsch und lebt seit Jahrzehnten in Auroville. Das schüttere Haar trägt er zu einem Pferdeschwanz gebunden, seine Haut sieht aus wie gegerbtes Leder. Er wirkt sehnig und kräftig, obwohl er mittlerweile über siebzig Jahre alt ist, wie er mir später erzählt. Wenn mich Giorgio ansieht, strahlen seinen Augen Ruhe und Zufriedenheit aus. Er ist mir auf Anhieb sympathisch.
Es drängt mich, ihm von meinen Gefühlen beim Anblick des Matrimandir zu erzählen, also beginne ich ein Gespräch. Wir quatschen zunächst über Belangloses, dann komme ich zur Sache. „Was hat dich bewegt, hier zu leben?“
Giorgio holt sich zu seinem Thali noch rasch ein Glas Wasser, lässt sich etwas Zeit, bevor er zu erzählen beginnt. „Ich gehöre zu den wenigen hier, die Mother noch persönlich kannten. Sri Aurobindo ruhte damals bereits im Samadhi seines Ashrams.
Vor unserer ersten Begegnung war ich monatelang ziellos durch Indien getingelt. Unmittelbar nach Abschluss meines Soziologiestudiums hatte ich mich auf den Weg gemacht. Unzufrieden mit den materiellen Werten des Westens, auf der Suche nach höherer Erkenntnis, wie die meisten Hippies dieser Zeit. In Puducherry war dann der Ofen aus. Ich hatte kein Geld mehr, hungerte, schlief am Strand und bettelte Touristen an. Die einzigen Dinge, die ich noch besaß, waren mein Rucksack, ein Paar abgewetzte Turnschuhe, Jeans und ein schmutziges Hemd. Ich wusste nicht mehr ein und aus, wollte aber keinesfalls nach Hause zurück. Viele Inder liefen damals barfuß. Also verkaufte ich meine jämmerlichen Sneakers. 150 Rupien erhielt ich dafür, genug, um die nächsten paar Tage zu überleben.“
Ich schüttle staunend den Kopf. „Und dann?“
„Jemand hatte mir vom Aurobindo-Ashram in Puducherry erzählt. Dort würde täglich Essen für Bedürftige ausgegeben. Am nächsten Tag ging ich hin, barfuß, verwahrlost und schmutzig, wie ich war. Ich stand als einziger Ausländer in der Schlange. Natürlich wurde ich von allen angestarrt.“
Er grinst. „Vielleicht bat mich Mother deshalb auf ihre Terrasse oberhalb des Innenhofs. Ich war überrascht, als mich einer der Ashramiten ansprach und zu ihr führte.“
Giorgio hält kurz inne, nimmt einen Schluck Wasser. „Mother ließ mich ihr gegenüber setzen, ergriff meine Hände und sah mich lange schweigend an. Dann erzählte sie mir vom göttlichen Bewusstsein und dem spirituellen Weg dorthin. Von Sri Aurobindo und seinem integralen Yoga, von den Zielen und der Charta Aurovilles, das damals noch weitgehendes Ödland war. Letztlich fragte sie mich, ob ich dort mitarbeiten wolle. Es sei harte Arbeit und es gebe nur eine kleine Maintenance, die gerade ausreiche, um zu überleben. Ich hatte davon noch nie gehört, war aber sofort von diesem Projekt fasziniert. Mich reizte vor allem das Abenteuer.“
Erneut macht er eine kurze Pause, bevor er weiterspricht. „Nie werde ich den sanften, tiefgründigen Blick ihrer Augen vergessen. Nie die energetische Berührung ihrer Hände. Mother erschien mir wie eine Heilige. Alles, was sie sagte, drang tief in meine Seele, hinterließ eine Fährte, wie Schritte in unberührtem Schnee.“
Er senkt den Blick. „Sie war der außerordentlichste Mensch, dem ich je begegnet bin. Das spürte ich schon damals. Ich bat sie, an diesem Projekt mitarbeiten zu dürfen.
Mother lächelte und sagte nur: Du bist angekommen. Bleib!“
„Und du bist geblieben.“
Giorgio nickt. „Gleich in der ersten Woche gründete ich eine Arbeitsgruppe, die sich mit der Aufforstung Aurovilles beschäftigte.“ Er lacht kurz auf. „Das war auch dringend nötig. In den ersten Jahren gab es hier Staubstürme, so trocken war das Land.“
Ich kann es kaum glauben, angesichts der tiefgrünen Vegetation, die uns umgibt. „All das habt ihr gepflanzt?“
„In den ersten Jahren kamen ständig Neuzugänge an. Meine Gruppe vergrößerte sich, wir bohrten Brunnen, setzten Tausende Bäumchen und Sträucher, legten Beete und Wege an, gruben Drainagen, damit der Monsun nicht alles wieder wegschwemmte.“
Er fügt hinzu. „Wir arbeiteten zwölf Stunden am Tag. Jeden Tag! Aber wir hatten eine sinnvolle Aufgabe und mehr und mehr entstand ein spirituelles Ziel.“
Giorgio blickt mir in die Augen. „Jetzt habe ich dir einiges von mir erzählt. Aber warum bist du hier? Aus Neugierde, aus Sensationslust? Oder treibt dich etwas anderes an?“
Ich erzähle von meiner Reiselust, der Liebe zu Indien und seinen Menschen, vor allem aber will ich ihm vom Besuch des Matrimandir berichten. Von dieser starken, mir völlig fremden Gefühlsregung, die mich dort erfasste.
Giorgio hört schweigend zu, bis ich zu Ende erzählt habe. „Nur Suchenden eröffnet sich das Mysterium des Göttlichen Bewusstseins“, sagt er dann. „Bist du ein Suchender?“
„Ich suche nicht, ich finde.“
„Also bist du rein zufällig hier.“
„Könnte man sagen. Meine Ex-Freundin gab mir den Tipp. Dachte, wenn ich schon in Puducherry bin ... ich meine … ist ja nur ein Katzensprung.“
Er setzt ein breites Grinsen auf. „Ich glaube an Ursache und Wirkung. Kein Blatt fällt zufällig vom Baum.“
„Damit hast du vermutlich Recht ... rein wissenschaftlich betrachtet.“
„Glaubst du an Gott?“, fragt er ansatzlos.
„Ich denke nicht.“
„Verstehe. Du denkst nicht und suchst nicht. Du findest.“ Wieder dieses Grinsen. „Aber du glaubst an den Urknall und alles, was daraus folgte, wie ich vermute.“
„Meine Religion heißt Mathematik, Physik und Chemie. Also ja.“
Wir schweigen eine Weile gemeinsam, dann setzt Giorgio fort. „Könntest du dir vorstellen, dass der Urknall ein willentlicher Akt war?“
„Es könnte so gewesen sein“, antworte ich. „Niemand kann das mit Bestimmtheit ausschließen.“
„Wenn du diese Hypothese zulässt, dann steckt ein Bewusstsein dahinter.“
„Warum?“
„Ohne Bewusstsein, kein willentlicher Akt.“
Mir fällt die Gottesdefinition des Hinduismus ein. Die einzige, mit der ich halbwegs leben kann. „Ein allmächtiges, kosmisches Bewusstsein, ohne Form und Eigenschaften“, murmle ich. „Die Hindus nennen es Brahman oder Ishvara.“
„Richtig“, sagt Giorgio. „Eine schaffende Kraft, aber keine lenkende, wie die Abrahamitischen Religionen lehren. Das Göttliche Bewusstsein erfüllt den gesamten Kosmos und steht zugleich darüber. Deshalb nennen wir es suprakosmisch.“
„Das Universum, mit allem, was es beinhaltet, auch dir und mir, besteht aus vierdimensionaler Raumzeit“, entgegne ich. „Energie und Materie sind dasselbe. Sie haben bloß ein unterschiedliches Erscheinungsbild. Wie Wasser und Eis.“
„Das sehe ich ebenso“, erwidert Giorgio. „Nur glauben wir hier, dass der Urknall und die daraus resultierende, vierdimensionale Raumzeit, eine willentliche Manifestation des göttlichen Bewusstseins sind. Und keine physikalische Zufälligkeit, wie der vermutete Symmetriebruch von Quantenfluktuationen eines theoretisch existierenden Urvakuums.“
Ich staune. Wie kann jemand, der naturwissenschaftlich derart gebildet ist, an ein imaginäres, göttliches Bewusstsein glauben?
„Auch wenn du kein Suchender bist, wie du behauptest“, setzt er fort. „Du warst nicht zufällig am Matrimandir. Da bin ich mir sicher. Das Eis um deine Seele hat dort Sprünge bekommen. Früher oder später wird es tauen, dann findest du, wonach du nicht suchst.“ Giorgio blickt mir tief in die Augen. „Die starken Gefühle vor dem Matrimandir waren ein Wegweiser. Er zeigt in Richtung des undefinierbaren Göttlichen Etwas.“
Er nimmt den letzten Bissen seines Thalis, trinkt einen Schluck Wasser, dann flüstert er: „Dieses Etwas klopft längst an deine Tür. Du musst sie nur öffnen.“
Damit steht Giorgio auf und verabschiedet sich. Er hat noch zu arbeiten. Ich bleibe eine Weile sitzen, mir schwirrt der Kopf. Gedankenversunken kehre ich ins Hotel zurück.
In der folgenden Nacht brauche ich lange, um einzuschlafen, wälze mich unruhig hin und her, in den kurzen Schlafphasen träume ich wirres Zeug. In einem dieser Träume erscheint mir Mother. Sie geht Hand in Hand mit Giorgio über eine blühende Wiese. Die beiden kommen auf mich zu, unterhalten sich, ich kann nicht verstehen, worüber. Als ich ihnen entgegengehen will, versagen meine Beine. Ich möchte rufen, bringe keinen Ton hervor. Ohne von mir Notiz zu nehmen, gehen sie weiter.
Erschöpft und aufgekratzt erwache ich. Was ist nur mit mir los? Karins Worte fallen mir ein. Das ist keine der üblichen Sekten, Tom. Sieh es dir doch wenigstens an.
Aber ich war doch vorgestern dort. Warum sollte ich noch einmal ... dennoch ... irgendetwas, tief in meinem Inneren, treibt mich an, gibt keine Ruhe. Duschen, frühstücken, dann mache ich mich auf den Weg. Ich kann nicht anders.
Es ist zeitig am Morgen, eine leichte Brise bringt frische Seeluft von der nahen Küste. Ich atme sie gierig ein, durchquere das Marktviertel von Puducherry, das um diese Zeit noch schläft. Nur ein paar Hunde kläffen, als ich an ihnen vorübergehe.
Bald darauf erreiche ich mein Ziel.
Tiefe Ruhe liegt über dem Samadhi von Sri Aurobindo und Mother. Kein Straßenlärm dringt in diesen Ashram. Dann und wann hört man den Ruf eines Vogels, gelegentlich ertönt Räuspern aus den umgebenden Sitzreihen, dicht besetzt von weiß gekleideten Ashramiten, die sich zur Morgenmeditation treffen.
Einige knien in schweigender Versenkung rund um die Grabstätte, Handflächen und Stirn auf die Deckplatte aus Marmor gepresst.
Ich trete näher und lese Mothers Gedenkschrift, die sie zu Ehren Sri Aurobindos auf beiden Seiten des Samadhi anbringen ließ. Ein unwiderstehlicher Drang erfasst mich, es den anderen gleichzutun. Ich knie nieder, lege Hände und Stirn auf die Grabplatte, versuche, an nichts zu denken, mich fallen zu lassen, tiefer und tiefer, bis mich absolute, geistige Stille umfängt. Plötzlich überflutet mich ein Glücksgefühl, lässt meine Wasser über die Ufer treten, ich beginne zu weinen, zittere am ganzen Körper. Und da empfange ich die Botschaft. Es ist keine Stimme, keine optische Vision, dennoch verstehe ich sie klar und deutlich. - Ich habe gefunden.

~~~



 

Ich ließ diesen Text vor wenigen Tagen löschen, da ich ihn als Erstentwurf überhastet postete. Ich bitte euch, mir diesen Lapsus nachzusehen und würde mich über eure Kommentare freuen.

 

Hallo @Manuela K.

Habe deinen Text gerne gelesen. Du hast einen sauberen, aufgeräumten Stil, sehr schön. Der Text ist wohlformuliert, wirkt überlegt und wie aus einem Guss. Das gefällt mir. Fehler konnte ich eigentlich keine entdecken. Ich finde, in dem relativ kurzen Text steckt auch recht viel drin. Dieses Spirituelle, die Sinnsuche hat mich angesprochen, auch wenn mich solche Dinge normalerweise eher kalt lassen. Also an der Stelle ein weiteres Lob: Das hast Du gut und anschaulich rübergebracht. Und jetzt kommt das berühmte ABER: Trotzdem hat mir ein klein wenig etwas gefehlt, vor allem in Bezug auf den Matrimandir (siehe unten). Was ich wiederum als gut empfinde, ist das Setting, die Beschreibungen. Der Text brauch da gar nicht viele Worte, doch sie reichen aus, um mich als Leser nach Puducherry / Auroville mitzunehmen. Ich finde, Du umschiffst die typischen Indien-Klischees (zumindest diejenigen, die mir direkt in den Sinn kommen, ausser die spirituelle Sinnsuche eines Westlers auf dem indischen Subkontinent allein ist schon ein Klischee? :D), das gefällt mir. An ein, zwei Stellen war es mir zu viel Erklärung, auch dazu unten mehr.

Ein paar wenige Anmerkungen (nur Vorschläge/Gedanken):

Seit frühester Jugend überzeugter Atheist, alles ablehnend, das mit Religion und Glaube zu tun hat, war ich hier nur aufgetaucht, um meine Haltung zu bestätigen.
Schön formuliert. Ich habe oben geschrieben, dass ich finde, der Text erklärt manchmal zu viel. Das hier ist so ein Beispiel: Also der Prota ist Atheist und darauf erklärst Du, was ein Atheist für ein Weltbild bzw. für eine Philosophie hat. Ich denke jedoch, das brauchst Du da gar nicht zu erwähnen, denn es dürfte den allermeisten LeserInnen bekannt sein. Ich finde deshalb, Du könntest diese Erklärung streichen und den Satz etwas straffen.

Und so geschah es auch. Ich ging, wie ich gekommen war.
Ich finde, das ist etwas gedoppelt. Einer der beiden Sätze würde ausreichen.

Bäumen mit dicken Luftwurzeln, die sich nahrungssuchend in den umliegenden Boden bohren. Wie lebende Säulenhallen muten sie an.
Schönes Bild!

Eine riesige, goldfarbene Kugel, das Matrimandir, was in Hindi, der indischen Landessprache, Mutters Tempel heißt.
Auch hier die Erklärung: Hindi ist die indische Landessprache. Das braucht es meiner Meinung nacht nicht unbedingt. Ich zumindest wusste, was Hindi ist. Ich denke, auch unkundigen Lesern erschliesst sich das über den Kontext.

Wenn mich Giorgio ansieht, strahlen seinen Augen Ruhe und Zufriedenheit aus.
strahlen seine Augen

Eine Stelle, bei der ich gerne mehr erfahren hätte:

Seltsam, denn ich habe Indien jahrzehntelang kreuz und quer bereist, war in unzähligen Tempeln zu Gast, ohne davon ähnlich berührt worden zu sein.
Da hätte ich gerne gewusst, wieso gerade der Matrimandir den Prota so sehr berührt hat. Was unterscheidet den Matrimandir von all den anderen Tempeln und vor allem was macht das mit dem Prota? Das kommt in dem Text zu kurz, finde ich. Im Dialog mit Giorgio könnte es vielleicht klarer werden, aber es wird nie Thema des Gesprächs, vielmehr geht es um Giorgio selbst und darum, wie dieser die naturwissenschaftlichen Glaubensgrundsätze des Protas mit einem göttlichen Bewusstsein abgleicht. Am Ende empfängt er dann die Botschaft, kommt zu einer Erkenntnis oder gar Sinneswandel. Aber das passiert so Schlag auf Schlag, zu schnell. Da fehlt mir was. Wieso passiert das jetzt gerade? Es deutet sich ja im Gespräch mit Giorgio schon so leicht an, indem er sich mit seinen Ausführungen auseinandersetzt, aber ich kann noch nicht wirklich nachvollziehen, wieso der Prota von diesem unwiderstehlichen Drang erfasst wird, seine Hände und Stirn auf die Grabplatte zu legen und danach unbändiges Glück erlebt.

Plötzlich überflutet mich ein unbändiges Glücksgefühl, lässt meine Wasser über die Ufer treten, ich beginne zu weinen, zittere am ganzen Körper.
lässt meine Wasser über die Ufer treten -> ist für mich dasselbe wie 'ich beginne zu weinen'. Eines von beiden könnte raus, denke ich.

Ja, scheint mir sehr authentisch zu sein, der Text. Schöne Sprache und obwohl ich mit dem Thema sonst nicht allzu viel anfangen kann - wie gesagt - habe ich den Text aus eingangs erwähnten Gründen gerne gelesen.

Grüsse,
d-m

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo d-m!

Mich freut dein positiver Kommentar in jeder Hinsicht. Vor allem bin ich jetzt riesig erleichtert, war mir bei diesem Text derart unsicher, kann es kaum ausdrücken. Das ist kein Understatement!
In der letzten Woche habe ich nahezu permanent daran herumgebastelt, alleine das Schlussbild mindestens ein Dutzend Mal umgeschrieben.
Danke nochmal ausdrücklich für dein Lob!!

Zu deinen Anmerkungen:
Da ich bei einem eingestellten Text, auch ohne Kommentare, laufend korrigiere, gibt es Kleinigkeiten, die du in deinem Download noch nicht drin hattest. Z.B. die Doppelung von Hindi, bzw. indischer Landessprache, habe ich bereits gestern Abend korrigiert.

Seit frühester Jugend überzeugter Atheist, alles ablehnend, das mit Religion und Glaube zu tun hat, war ich hier nur aufgetaucht, um meine Haltung zu bestätigen.
Du hast Recht, wird gestrichen. Manchmal verfalle ich in überflüssige Wortschwelgereien, die mir nicht sofort auffallen. Merci für diesen Hinweis.

Und so geschah es auch. Ich ging, wie ich gekommen war.
Ich nehme das "auch" raus, möchte aber den Rest des Satzes stehen lassen.

Seltsam, denn ich habe Indien jahrzehntelang kreuz und quer bereist, war in unzähligen Tempeln zu Gast, ohne davon ähnlich berührt worden zu sein.
Hier hättest du gerne mehr über dieses seltsame Gefühl erfahren, das den Erzähler beim Anblick dieses Tempels erfasst. Ich kann es leider nicht in Worte fassen. Gestern machte ich einen Spaziergang im Wienerwald, gemeinsam mit einem Alt-Aurovillianer, den ich von dorther kenne. Wir versuchten beide, dieses Gefühl zu definieren, konnten es aber nicht in präzise Worte fassen. Wer sich schon einmal von etwas mystisch berührt, davon angezogen fühlte, kennt es, kann es aber meist kaum erklären. Mir geht es ähnlich.

Was unterscheidet den Matrimandir von all den anderen Tempeln und vor allem was macht das mit dem Prota?
Wenn ich das bloß sagen könnte.
Was es mit dem Prot macht, erschließt sich erst ganz am Ende, in der Schlussszene. Es bereitet ihn innerlich darauf vor.

Am Ende empfängt er dann die Botschaft, kommt zu einer Erkenntnis oder gar Sinneswandel. Aber das passiert so Schlag auf Schlag, zu schnell. Da fehlt mir was. Wieso passiert das jetzt gerade?

Dazu kann ich nur dasselbe sagen, was ich schon oberhalb schrieb. Es ist kaum zu erklären. Man muss es selbst erleben. Da machte mir die Erstellung dieses Textes auch so schwer. ;)
Ich werde aber, wenn ich etwas Abstand habe, nochmal drüber nachdenken. Vielleicht fallen mir ein paar Sätze ein, um darauf hinzuleiten. Vielmehr braucht es ja nicht. Möglicherweise gelingt es mir auch, seine Emotionen noch stärker herauszuarbeiten. Derzeit schwirrt mir noch der Kopf vom vielen Überarbeiten. Immerhin liegen in meinem Papyrus 248 backups dieser very short story auf. Hab noch keinen kühlen Blick dafür.

... lässt meine Wasser über die Ufer treten,
Das sehe ich als Metapher an: Die Fassung, die Kontrolle verlieren.

Ja, scheint mir sehr authentisch zu sein, der Text.
Die Ich-Perspektive wirkt immer authentisch.
Der Plot, ebenso wie die beiden Figuren, ist jedoch zu 90 Prozent fiktiv. Der Rest, wie in jeder meiner Geschichten, ist allerdings authentisch. Such dir aus, wo du diese 10 Prozent verortest. ;)

Nochmals vielen, lieben Dank für dein konstruktives Statement.
Wird Zeit, hier wieder öfter kommentatorisch in Erscheinung zu treten. Man soll auch geben, wenn man erhält.

LG, Manuela :)

EDIT: Mir ist grade eine Überleitung zur Schlussszene eingefallen. Schon ist sie eingearbeitet.

 

Seltsam, denn ich habe Indien jahrzehntelang kreuz und quer bereist, war in unzähligen Tempeln zu Gast, ohne davon ähnlich berührt worden zu sein.​

„Ich bin sicher, du wirst finden[,] wonach du nicht suchst“,
könnte bereits im europäischen Hochmittelalter einem Parzival auf der Suche nach dem „heiligen“ Gral zugesprochen werden,

liebe Manuela,

und ich hab eigentlich nur eine kleine Anmerkung hinsichtlich der Verwendung von Konj. I (indirekte Rede) und II – nämlich hier​

Letztlich fragte sie mich, ob ich dort mitarbeiten wolle. Es wäre harte Arbeit und es gäbe nur eine kleine Maintenance, die gerade ausreichte, um zu überleben.​
wo der Wechsel zwischen Konjunktiv I („wolle“) relativiert wird durch die Zweifel, die im „wäre“ und „gäbe“ mitschwingen.
Empfehlenswert ist m. E., allemal Konj. I beizubehalten
„Es sei harte Arbeit und es gebe nur eine kleine Maintenance, die gerade ausreiche, um zu überleben“,

findet der Friedel, der noch ein schönes Wochenende wünscht!

 

Merci, Friedl, du treue Seele! :herz:
Wird sofort umgesetzt! Dein Kommentar hat sich leider mit meiner letzten Korrektur bzw. Erweiterung überschnitten: Einleitung des Schlussbildes.

 

Hallo liebe @Manuela K.,
ich steige mal direkt ein:

Nur eine einzige menschliche Statue ziert den Empfangsbereich des Parlaments in New Delhi. Es handelt sich um jene von Sri Aurobindo, dem indischen Freiheitskämpfer, Politiker, Schriftsteller, Philosophen und spirituellen Wegweiser. Der von ihm gegründete Ashram in Puducherry trägt seinen Namen.
Der Einstieg. Eigentlich klassischer Infodump, so wie es da steht. Es könnte auch auf eine bestimmte Art Erzähler hindeuten, den wissenschaftlich-edukativen. Für mich fällt aber das Wort "zieren" aus dem wissenschaftlichen Sprachduktus und ich finde, der Absatz könnte, wenn das der Ansatz sein sollte, noch nüchterner formuliert sein, um dann nicht als Infodump zu wirken. Es gibt ja Texte, die mit solchem Wissen arbeiten und trotzdem ganz wunderbar funktionieren (ich erinnere mich zb an Peeperkorns Text Überwintern: https://www.wortkrieger.de/threads/Überwintern.68563/). Andererseits frage ich mich, wozu genau die Leser:innen diese Info hier an dieser Stelle brauchen. Du führst einen Ort ein: das Parlament in Neu Delhi und eine Person: Ski Aurobindo und einen weiteren Ort: Ashram in Puducherry.

Gestern hatte ich dieses Glaubenszentrum erstmals besucht, eine Zeit lang mit der mir anhaftenden, spöttischen Arroganz das dortige Geschehen beobachtet. Bloße Neugier hatte mich hierher geführt, keineswegs die Suche nach göttlicher Erkenntnis. Seit frühester Jugend überzeugter Atheist, war ich hier nur aufgetaucht, um meine Haltung zu bestätigen. Und so geschah es. Ich ging, wie ich gekommen war.
Ok, hier erfahren wir nun, dass es sich um einen männlichen Ich-Erzähler handelt. Es spricht von gestern, heißt das, er schreibt von "heute" aus? Also von einem Tag später? Hier erzählt jemand, der sein Ich von gestern mit spöttischer Arroganz beschreibt, hätte er da gestern genauso gesagt? Ich finde den Erzähler schwer zu greifen in diesem ersten Absatz, es wird eine Entwicklung angedeutet, indem er sein gesteriges Ich reflektiert, es aber letztlich mit genau der gleichen spöttischen Arroganz betrachtet, wie gestern das Geschehen.

Am nächsten Morgen fahre ich nach Auroville. Eine Gemeinschaft friedlicher Menschen aus über sechzig Nationen, die sich auf die Herabholung des Göttlichen Bewusstseins, der Offenbarung des Supramentalen, konzentrieren. Nur wenige Kilometer außerhalb Puducherrys gelegen, von Mirra Alfassa in den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts gegründet. Sri Aurobindo erkannte in ihr eine Inkarnation der Göttlichen Mutter, seither wird sie Mother genannt.
Sprung ins Präsenz und wieder Infodump. Neuer Ort: Auroville. Neue Person: Mother. Ist das alles wichtig? Sind die Namen wichtig?

Vom Besucherzentrum führt ein Pfad durch waldiges Gelände. Vorbei an blühenden Büschen, Wassertümpeln und Bäumen mit dicken Luftwurzeln, die sich nahrungssuchend in den umliegenden Boden bohren. Wie lebende Säulenhallen muten sie an.
Nach kurzem Marsch eröffnet sich dem Blick eine grüne Ebene, ringförmig von kleinen Wasserkanälen durchlaufen, in dessen Mitte das Zentrum Aurovilles steht. Eine riesige, goldfarbene Kugel, das Matrimandir, was in der indischen Landessprache Mutters Tempel heißt. Ein Ort der Stille und Meditation.
Ich würde hier anfangen. Den kurzen Marsch hast du schon im Pfad implizit erwähnt, vielleicht einfach "dahinter" (also hinter der Säulenhalle). Von mir aus, dürfte das hier auch noch ein wenig mehr beschrieben werden (genauer als nur blühende Büsche bspw), damit ich mir wirklich ein Bild machen kann. Mir fehlt hier noch ein bisschen Kopfkino, auch weil ich noch nie in Indien war. "nahrungssuchend" würde ich löschen, das reißt mich heraus aus dem sinnlichen Erleben, gibt dem Ganzen so eine verkopfte, wissenschaftliche Herangehensweise, außer, du willst eben einen Wissenschaftler erzählen lassen, dann würde ich die Sprache und den Erzählstil aber durchgängig nüchterner machen.
Inhalt: Da kommt jemand irgendwo an, sieht, schaut hin, genießt, entspannt, nimmt sowas wie Stille und Frieden wahr. Das gefällt mir, lese ich gerne.

Ich stehe wesentlich länger am Aussichtspunkt als geplant, sehe den Schwarzmilanen zu, die hoch über der goldenen Kuppel ihre Kreise ziehen.
Was soll das bedeuten? Hat er einen strengen Zeitplan? Oder soll es der Charaktersisierung des Erzählers dienen? Dass er jemand ist, der für alles einen Plan hat? Warum nicht einfach: Ich sehe den Schwarzmilanen zu ... Ohne den ersten Teil, wäre es einfach eine Fortführung des vorherigen Schauens.

Gebannt von der Atmosphäre, die dieser Tempel ausstrahlt, gelingt es mir kaum, den Blick abzuwenden. Eine neue, emotionale Erfahrung, die mich erregt, zugleich verunsichert. Seltsam, denn ich habe Indien jahrzehntelang kreuz und quer bereist, war in unzähligen Tempeln zu Gast, ohne davon ähnlich berührt worden zu sein.
Ich wende den Blick ab, schließe die Augen, aber der Eindruck bleibt. Entschlossen reiße ich mich los und starte den Rückweg.
Also, er kommt an, sieht hin, dass er etwas spürt wird schon durch die Beschreibungen deutlich, niemand sieht den Schwarzmilanen zu, ohne etwas zu spüren, denk ich. In diesem Absatz kommt jetzt ein bisschen der Holzhammer raus oder das Telling. Der Absatz ist sehr weit weg, um auch beim Leser zu wirken (so wie zuvor die Beschreibungen gewirkt haben) und ich denke, dass ist, was du willst, also dass der Leser mitschwingen kann, oder? Oder aber es soll den Erzähler charaktersieren und es geht gar nicht darum, dass der Leser mitschwingen kann. Da bin ich mir nicht sicher, also im ganzen Text schwankt es diesbezüglich, finde ich. Also was genau willst du erzählen: Soll es eine Charakterskizze sein oder eher ein Erweckungserlebniss beschreiben? Eher das zweite, denke ich, liege aber vielleicht falsch. Also, falls es um die titelgebende Erweckung geht, dann würde ich den ganzen Absatz überdenken/löschen. Der macht die Eindrücke von davor kaputt. Aber ich verstehe, dass du hier schon andeuten willst, dass hier im Inneren bereits etwas passiert. Vielleicht reicht ein Satz. Hier nur ein Beispiel für das, was ich meine:
Ich sehe den Schwarzmilanen zu, die hoch über der goldenen Kuppel ihre Kreise ziehen und wünsche mir einer von Ihnen zu sein. Nie zuvor habe ich mir gewünscht, jemand anderes anderes als ich selbst zu sein. Ich reiße meinen Blick los und starte den Rückweg.
Moment, Rückweg? Er sieht den Milanen zu, sieht sich den Tempel an und dann macht er sich auf den Rückweg? Er geht gar nicht in den Tempel? Er sieht ihn nur von Weitem, von dem Aussichtspunkt? Ach, im nächsten Absatz ist es ja schon Mittag, dass heißt, er macht eine kleine Wanderung hin zu dem Tempel? Dewegen Marsch? Das war mir alles nicht klar. Ich glaube, es wäre hilfreich, wenn das Setting am Anfang klarer wäre. Er macht also diese kleine Wanderung. Dann macht er sich auf den Rückweg, isst etwas.

Es ist bereits Mittag. In der Solarkitchen, einer der ältesten Kantinen Aurovilles, mache ich Halt.
Das Infodumping zieht sich durch den gesamten Text. Mich kickt das jedes Mal raus, wenn der Lehrer in dem Erzähler rauskommt, weil ich den Text eben nicht als Charakterstudie lese.

Dann kommt das Gespräch mit Giorgio. Ich glaube, das ist wirklich Geschmackssache. Ich habe mal in Das Cafe am Rande der Welt reingelesen, das war ja ziemlich erfolgreich und grundsätzlich bin ich spirituellen, sinnsuchenden Geschichten auch gegenüber aufgeschlossen, das Buch konnte ich aber nicht lesen, mehr als ein paar Seiten habe ich nicht geschafft. Das funktioniert auch viel über Dialog. Und deiner erinnert mich ein wenig daran. Wenn es mein Text wäre, würde ich den Dialog radikal kürzen, auch da die InfodumpTeile löschen. Aber ich glaube auch, dass dir dieser Teil wichtig ist und dass es dann möglicherweise an die Seele des Textes geht oder so, und weil ich möglicherweise auch gar nicht die Zielgruppe bin (es wie bei dem Cafe-Buch aber genug Leser:innen dafür gibt), finde ich es schwierig dazu etwas zu schreiben. Darum belasse ich es jetzt mal dabei. Ich hoffe, es ist trotzdem etwas Hilfreiches dabei.

Viele Grüße
Katta

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Katta,
vielen Dank für dein umfangreiches Statement. :)

Der Einstieg. Eigentlich klassischer Infodump, so wie es da steht.
Das sehe ich nicht so. Unter Infodump verstehe ich überflüssige Information. Ich könnte diese Geschichte ohne vorangehender, einführender Erklärung nicht so schreiben, wie ich sie schrieb. Es stünde vermutlich schon im ersten Kommentar: Woher soll ich wissen, wer diese verdammten Figuren sind. Ich selbst bräuchte keine Info, denn ich weiß wer diese Personen waren. Dieses Wissen kann ich nicht voraussetzen.
Habe deshalb lange nachgedacht, wie ich die notwendigen Infos, möglichst am Anfang einbauen könnte und fand sie als (kurze) Einführung zumutbar.
Abgesehen davon leitet sich m.W.n. der Begriff Info-Dump davon ab, wenn sich zwei Figuren Dinge erzählen, die beide ohnehin wissen, nur um den Leser oder Seher auch darüber zu informieren. Typisch für viele TV-Serien.
Sri Aurobindo erkannte in ihr eine Inkarnation der Göttlichen Mutter, seither wird sie Mother genannt.
Dito. Wie sonst soll ich dem Leser mitteilen, woher dieser Name stammt, ohne es irgendwen erwähnen zu lassen oder es selbst anzuführen. Und das möglichst am Anfang der Story. Hätte ich das erst in den Dialog einfließen lassen sollen? Also mitten im Text? Folglich packte ich es in eine kurze Info über Auroville, denn auch das kennt vermutlich kaum jemand.
Bin für konstruktive Ratschläge durchaus dankbar, wie es besser ginge.

Sprung ins Präsenz und wieder Infodump. Neuer Ort: Auroville. Neue Person: Mother. Ist das alles wichtig? Sind die Namen wichtig?
Tja, der Sprung ins Präsens.
(Mittlerweile habe ich das "gestern war ich" und "am nächsten Morgen" geändert. Merci!)
Und ja, diese Namen sind sehr wichtig. Immerhin sind es reale Personen, die eine wesentliche Rolle in dieser Geschichte spielen. Besonders Mother.
Habe aber auch überlegt, das alles anonym zu gestalten. Örtlich und personell. Dann müsste ich aber eine andere Geschichte schreiben.
Moment, Rückweg? Er sieht den Milanen zu, sieht sich den Tempel an und dann macht er sich auf den Rückweg? Er geht gar nicht in den Tempel?
My fault! In den ersten Entwürfen gab es einen Nebensatz, der diesen Umstand erklärte. Leider ging er unterwegs verloren. Dank deines Hinweises steht er wieder an seinem Platz. Zur Info: Es ist Tagesbesuchern nicht gestattet, diesen Tempel zu betreten. Auch herrscht drinnen generelles Fotografier Verbot, ebenso wie im Aurobindo-Ashram.
Oder aber es soll den Erzähler charaktersieren und es geht gar nicht darum, dass der Leser mitschwingen kann.
Yepp! Wenn der Leser dennoch mitschwingt, stört mich das keineswegs. Aber nicht jeder ist schwingungsfähig, wie ich weiter unten ausführe.
Also was genau willst du erzählen: Soll es eine Charakterskizze sein oder eher ein Erweckungserlebniss beschreiben? Eher das zweite, denke ich,
Beides, mit Schwerpunkt auf Erweckung.

Ich sehe den Schwarzmilanen zu, die hoch über der goldenen Kuppel ihre Kreise ziehen und wünsche mir einer von Ihnen zu sein. Nie zuvor habe ich mir gewünscht, jemand anderes anderes als ich selbst zu sein.
Der Erzähler wünscht sich nicht, jemand anderer zu sein. Schon gar kein Schwarzmilan. Er ist nur gebannt von der Atmosphäre, die von dieser goldenen Kugel ausgeht. Vielleicht muss man dort gestanden sein, um das nachempfinden zu können. Ich war vorigen Sommer mit einer Freundin im Taj Mahal. Sie betrachtete das Gebäude, als stünde sie vor der riesigen Mickey Mouse in Disney World, machte ein paar Fotos mit ihrem unvermeidlichen Mobile, das wars. Sie sprach später kaum ein Wort darüber. Als ich in den frühen 80er Jahren erstmals dort war, faszinierte mich dieses Mausoleum derart, dass ich Gänsehaut bekam, stundenlang in der dortigen Gartenanlage saß und meinen Blick nicht davon abwenden konnte. Dieser Eindruck blieb tagelang haften, obwohl ich kein Moslem bin.
Anbei: Auch dort kreisen Schwarzmilane über der Kuppel. ;)

... und weil ich möglicherweise auch gar nicht die Zielgruppe bin (es wie bei dem Cafe-Buch aber genug Leser:innen dafür gibt), finde ich es schwierig dazu etwas zu schreiben.

Das ist ähnlich wie mit Musik. Was einem nicht gefällt, läuft immer zu laut. :D

Darum belasse ich es jetzt mal dabei. Ich hoffe, es ist trotzdem etwas Hilfreiches dabei.
Durchaus, liebe Katta. Durchaus.
Z.B. deinen Hinweis mit dem Begriff "zierte" habe ich gerne abgeändert, ebenso wie die "nahrungssuchenden Wurzeln" verschwindet der Einschub: "die älteste Kantine Aurovilles." Wie ich schon im Vorkommentar erwähnte, raucht mir noch der Kopf. Hätte nicht gedacht, dass es mich so viel Arbeit kosten würde, einen vierseitigen Text zu schreiben. Habe noch keinen distanzierten Blick darauf. Ich werde versuchen, zu straffen, was möglich ist. Vielleicht auch den Dialog. Mal sehen. Schade, dass dir so gar nichts an diesem Text gefallen hat.

Alles Liebe, und nochmals vielen Dank für die Zeit, die du investiert hast,
Manuela :)

 
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Hallo @Manuela K.,

Unter Infodump verstehe ich überflüssige Information. Ich könnte diese Geschichte ohne vorangehender, einführender Erklärung nicht so schreiben, wie ich sie schrieb. Es stünde vermutlich schon im ersten Kommentar: Woher soll ich wissen, wer diese verdammten Figuren sind. Ich selbst bräuchte keine Info, denn ich weiß wer diese Personen waren. Dieses Wissen kann ich nicht voraussetzen.
Habe deshalb lange nachgedacht, wie ich die notwendigen Infos, möglichst am Anfang einbauen könnte und fand sie als (kurze) Einführung zumutbar.
Abgesehen davon leitet sich m.W.n. der Begriff Info-Dump davon ab, wenn sich zwei Figuren Dinge erzählen, die beide ohnehin wissen, nur um den Leser oder Seher auch darüber zu informieren. Typisch für viele TV-Serien.
Also vielleicht gibt es unterschiedliche Defintionen von Info-Dumping? Ich würde zB nicht sagen, dass Infodump überflüssige Informationen sind, sondern Informationen, die durchaus fürs Verstehen notwendig sind, aber nicht organisch im Text verwoben sind und dadurch zB langweilen oder das Tempo zu sehr drosseln oder ... Ich glaube, im Fantasybereich ist das ein recht großes Thema (wobei ich mich in dem Genre nicht gerade gut auskenne), weil dem Worldbuilding eine zentrale Rolle zukommt. Im weiteren Sinne würde ich sagen, nutzt auch du das Info-Dumping am Anfang fürs Worldbuilding, du willst mir (als Leserin) das Setting erklären, statt es mir zu zeigen. Nach meinem Verständnis nennt man genau das Infodumping.
Und ich verstehe natürlich das Problem, das du ansprichst, dass Leser schreiben, Häh? und nicht wissen, um wen es geht und ich sehe auch die Schwierigkeit, diese Informationen im Text organisch zu platzieren bzw sich entfalten zu lassen. Nichtsdestotrotz verhindern diese Erklärungen oft das Eintauchen in die Geschichte, weil sie auf einer anderen Ebene funktionieren.

Dito. Wie sonst soll ich dem Leser mitteilen, woher dieser Name stammt, ohne es irgendwen erwähnen zu lassen oder es selbst anzuführen. Und das möglichst am Anfang der Story. Hätte ich das erst in den Dialog einfließen lassen sollen? Also mitten im Text? Folglich packte ich es in eine kurze Info über Auroville, denn auch das kennt vermutlich kaum jemand.
Bin für konstruktive Ratschläge durchaus dankbar, wie es besser ginge.
Ja, ich glaube, dass du der Geschichte keinen Gefallen tust, indem du mit einem Info/Erklärblock anfängst, außer es ist Teil des Konzepts (siehe zB Peeperkorns Geschichte). Das ist schon eine Herausforderung, die du dir da gesucht hast, von daher kann ich dir auch keine Lösung aus dem Hut zaubern. Zunächst ging es mir erstmal um die Frage, ob die jetztige Lösung für dich die beste ist, ob du das genauso willst. Aber wenn du nach Ideen fragst, dann fällt mir zB ein, die Geschichte konzeptionell anders aufzustellen. Also dann könnte es auch um Wissen gehen und dann könnten solche Blöcke sich organisch anfühlen. Dafür ist aber mMn ein anderes Konzept nötig (keine Ahnung, mir fehlen da oft die Fachbegriffe), damit meine ich, eine andere Erzählperspektive und damit meine ich nicht nur Ich- oder Er-Erzähler, sondern ganz klar jemand, der Wissen vermitteln will und zwar nicht nur die, für die Erweckungsgeschichte notwendige, sondern mehr, der immer wieder darauf zurückkommt, sodass das Wissen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte bewegt und die Erweckungsgeschichte sozusagen zusammenhält.
Eine andere Möglichkeit wäre, nicht mit dem Erklärblock anzufangen und es dem Leser einfacher zu machen. Klar ist das zumutbar, aber vielleicht geht es ja auch besser. Ich habe in meiner letzten Geschichte auch einen Infodump-Block drin und den aufzulösen, wäre echt viel Arbeit, die ich bisher noch nicht investiert habe. Also, ich werfe mit Steinen aus einem Glashaus :Pfeif:

Habe aber auch überlegt, das alles anonym zu gestalten. Örtlich und personell. Dann müsste ich aber eine andere Geschichte schreiben.
Ja, das hab ich auch überlegt beim Lesen. Würde aber möglicherweise auch nicht so viel ändern, du müsstest ja trotzdem noch die Figuren erklären, bloß dass sie dann nicht mehr diesen wahren historischen Hintergrund hätten. Nee, das find ich schon gut, dass es so ist, wie es ist.

Der Erzähler wünscht sich nicht, jemand anderer zu sein. Schon gar kein Schwarzmilan. Er ist nur gebannt von der Atmosphäre, die von dieser goldenen Kugel ausgeht. Vielleicht muss man dort gestanden sein, um das nachempfinden zu können.
Mir ging es hier nicht um den Inhalt. Ich wusste eben nicht, was in dem Erzähler vor sich geht und hab darum in Ermangelung einer Idee einfach etwas erfunden, was mit deinem Erzähler nichts zu tun hat. Mir ging es nur um ein Beispiel, wie du Leser:innen mehr teilhaben lassen könntest, weniger erklärst, mehr zeigst, dichter dran bist. Und genau dafür ist doch Literatur da, dass ich eben nicht dort gestanden haben muss, um das nachempfinden zu können, sondern dass ich nachempfinden kann, indem ich davon lese. Ich glaube, man kommt nicht um Metaphern herum, wenn es um solche Beschreibungen geht. Die östliche Philosophie ist doch voll von Metaphern, vermutlich weil herkömmliche Sprache eben nicht zum Beschreiben reicht. Als Beispiel: Seinen Blick nicht abwenden können, kann so viel bedeuten und ist ziemlich unspezfisch. Was genau hält meinen Blick? Was genau wird im Innern ausgelöst? Wie lässt sich dieses Gefühl beschreiben? Was für ein Bild würdest du malen, um das Gefühl zu beschreiben? Wenn du keine Worte hättest? Welche Farben würdest du benutzen? Gefühle werden vor allem in der rechten Hemisphäre verarbeitet, die funktioniert assoziativ, chaotisch, bildhaft, parallel. Sprache wird in der linken Hemisphäre verarbeitet, die funktioniert: sequentiell, geordnet, logisch, analytisch, linear.
Wie ich schon im Vorkommentar erwähnte, raucht mir noch der Kopf. Hätte nicht gedacht, dass es mich so viel Arbeit kosten würde, einen vierseitigen Text zu schreiben. Habe noch keinen distanzierten Blick darauf. Ich werde versuchen, zu straffen, was möglich ist. Vielleicht auch den Dialog. Mal sehen. Schade, dass dir so gar nichts an diesem Text gefallen hat.
Ich kann schon verstehen, warum dir der Kopf raucht. Ich verstehe das so, dass du deine Eindrücke der rechten Hemisphäre (also die assoziativen, bildhaften etc.) noch nicht so richtig versprachlicht bekommen hast. Das ist auf jeden Fall eine Herausforderung, die ein wenig Distanz erfordert. Vielleicht eine komische Analogie, aber Traumata werden auch vor allem rechtshemisphärisch verarbeitet und gespeichert, weshalb es wichtig ist, dass sprachlich einzuordnen, damit die Bilder nicht mehr so übermächtig sind. Du hast zum Glück kein Trauma erlebt, aber etwas, dass dich sehr beeindruckt hat (zumindest wenn ich das richtig sehe, dass dieser emotionale Anteil durchaus aus deiner persönlichen Erfahrung stammt). Ich würde sagen, suche noch ein wenig in der rechten Hemisphäre nach Bildern, die sich dazu einstellen und beschreib diese Bilder, dann weißt du später auch, was du straffen kannst. Dass mir gar nichts am Text gefallen hat, stimmt so nicht. Ich finde es noch immer schwer zu kommentieren und konzentriere mich oft auf das, was nicht funktioniert und wie man einen Text besser machen kann. Ich habe den Text durchgelesen (nicht selbstverständlich!), bin gut durchgekommen (nicht selbstverständlich!), hatte eine Idee, was ich dazu sagen könnte (nicht selbstverständlich!), weil ich das Setting mochte, das Emotionale, das Thema. Ich möchte wirklich niemanden mit meinen Kommentaren deprimieren oder so und hoffe, das war nicht der Fall.

Viele Grüße
Katta

 

Hallo @Manuela K. ,

nötigt mir erstmal Respekt ab, wie du dich hier reingekniet hast, in den Text.

Ich denke, du solltest dich fragen, was du genau mit dem Text machen möchtest. Wo soll der hin? Du hast ihn Erweckung genannt, und darum soll es ja auch gehen, um dieses, ich sag mal, sublime, metaphysische Erlebnis. Du reißt das im letzten Absatz an, der Rest des Textes bereitet das nur vor: jedoch frage ich mich, wofür der genau da ist, dieser Rest? Dir geht es doch um die Erweckung, um das Erlebnis, und nicht so sehr wie sie dahinkommt. Ich stelle mir das sehr ekstatisch vor, sehr losgelöst, sehr sinnlich, sehr beängstigend auch, etwas passiert, von dem ich nicht genau weiß, was es mit mir macht. DAS will ich doch lesen, wenn es um Erweckung geht. Ich war mal in den Staaten bei so einem Wanderprediger der mit lebenden Schlangen gearbeitet hat und die Leute sind reihenweise in Ohnmacht gefallen, danach hatte ich das Gefühl, ich habe hohes Fieber und mein Blut kocht, es war physisch und psychisch, krasse Erfahrung. So nach meinem Empfinden könntest du den Text viel experimenteller gestalten, ich sag mal Joyce-mässig pimpen, stream of consciousness, wo du ja auch im Stakkato all diese Dinge, die du erklären willst, anreißen kannst; Mathe, Physik, die fehlende Mystik in der westlichen Welt, den Tiroler, Satzfetzen, ihr eigener Atheismus, das Zweifeln, aber da!, die Wärme, die Mother, Satzfetzen, Stimmen, Gerüche, Gefühle, also alle Ebenen zusammenfallen lassen, krasser, verworrener ruhig, mehr reingehen. Vielleicht auch mal die narrative Logik überdenken, wie man von Erweckung erzählen kann, das ist halt superkompliziert, ganz ehrlich, sehr anspruchsvoll, und vielleicht ruft es da eben nach etwas invertiertem, nicht chronologischem. Was meinst du? Ich denke, du könntest hier ruhig mutiger werden, kleinteiliger, alles durcheinanderwürfeln, dieser irren Erfahrung dadurch gerechter werden vielleicht, ich weiß es nicht, sind so meine Gedanken.

Gruss, Jimmy

 
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Hallo ihr beiden!

Verzeiht, wenn ich euch gemeinsam anspreche, aber ich bin einfach müde. Wieder einmal todmüde, vom Kampf gegen meine Dämonen, die mich schlaflos halten und innerlich ausbrennen lassen. Aber das geht vorüber. Irgendwann.
Ich habe heute morgen noch ein paar kleine Änderungen am Text durchgeführt. Alleine am Matrimandir-Bild eine Stunde lang herumgebastelt, dazwischen mal irrtümlich alles gelöscht, dann lange gebraucht, bis ich wieder passende Sätze fand. Auch den von Katta kritisierten zweiten Infodump um einen Satz reduziert, da und dort etwas vertikutiert.
Eure Vorschläge finde ich wertvoll und überlegenswert. Der eine oder andere wird in eine spätere Überarbeitung eingebracht. Vielleicht gestalte ich diese Story auch vollkommen anders, obwohl ich denke, dass sie mittlerweile gut lesbar ist. Ursprünglich wollte ich nur die Erweckungsszene erzählen, wie Jimmy andachte, aber der Text hat sich dann beim Schreiben quasi verselbständigt.
Ich brauche einen freien Kopf und distanzierten Blick auf den Text. Noch habe ich ihn nicht, aber er wird bald kommen. Ich weiß, dass ihr beide äußerst kompetente Schreiber und Kommentatoren seid, ebenso wie mir die Texte von @deserted-monkey gefallen, von denen ich zwei als Folge seines Kommentars las. :thumbsup:

Alles Liebe und vielen Dank für eure intensive Auseinandersetzung damit.
Manuela :)

 
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Hi Folks!

Endlich wieder genesen und erstarkt, habe ich den Text neu konzipiert und überarbeitet. Er ließ mir halt keine Ruhe. Leider die Wortgrenze von 2000 Wörtern gesprengt. (2.415 Wörter)
Habe einige eurer Vorschläge (hoffentlich) berücksichtigt und möchte keineswegs nötigend wirken, aber vielleicht gibt es noch den einen oder anderen Verbesserungsvorschlag. Wenn ja, nur her damit.

LG, Manuela :)

 

Liebe Manuela,

ich bin nicht geeignet, die Geschichte selbst zu kommentieren, aber eine kleine Sache fiel mir auf, vielleicht magst du drüber nachdenken:

Sie glaubt an Gott, ich an die Naturwissenschaften.
Der Icherzähler ist ja als Rationalist konzipiert, da wird er das so sicher nicht sagen. Die Sicht auf Naturwissenschaft als wäre es eine alternative Religion kenne ich bislang nur von fundamentalistischen, radikal-konservativen Evangelisten v.a. aus den USA, oder von Flearthers. Selbst als Witz / Sarkasmus liest es sich als zu starker Bruch in der Figuren/Charakterkonzeption. (Oder stellst du als Autorin deinen Erzähler bloß? Wie ein foreshadowing darauf, dass er später einknickt? Das kann ich mir beim Plot und deiner sonstigen Haltung zu deinem Sujet aber eigentlich nicht vorstellen.)

Ganz liebe Grüße,
Katla

 

Hallo Katla,

wie schön, dass du vorbeischaust. :)

ich bin nicht geeignet, die Geschichte selbst zu kommentieren,
Das finde ich schade. Dein Statement wäre sicher interessant für mich.

aber eine kleine Sache fiel mir auf, vielleicht magst du drüber nachdenken:
Darüber werde ich allerdings nachdenken. Mag sein, du hast damit Recht. Vielleicht ändere ich seine Aussage auf: Sie glaubt an Gott, ich nicht.
Danke jedenfalls für diesen Hinweis.

Alles Liebe,
und immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel,
Manuela :)

 

Liebe Manuela,

hehe, nee nee, das möchtest du nicht ... ;)

Sie glaubt an Gott, ich nicht.
Wie wäre es mit: Sie glaubt an einen Gott, ich halte es mit den Naturwissenschaften. ?
Dann wäre es eine stärkere Eigenständigkeit, mehr Selbstverständlichkeit beim Erzähler und damit hätte das mehr Spannung. Denn: 'Ich glaube nicht an Gott' bedeutet streng genommen, man wäre schon überzeugt, ein Gott existierte, aber man verweigert sich, an ihn zu glauben.

Ich wünsche dir eine schöne, entspannte Woche, alles Liebe,
Katla

 
Zuletzt bearbeitet:

Der Text muss ja schrecklich misslungen sein, wenn du das schreibst.
Liebe Manuela,

zur Qualität hab ich nix gesagt, sondern nur, dass ich nicht die geeignete Person für einen Kommentar bin.

Kennst du eigentlich Fous de l’Inde, das India Syndrome? Ich musste beim Lesen deiner Geschichte sofort an einen sehr interessanten Artikel aus dem vergangenen Jahr denken: The Guardian (online, 13.1.2022), Harley Rustard: "Travelers Who Were Lost Forever". Krass, vor allem der Part mit der Versicherung. Dein Prota fällt allerdings in keine der beiden dort erwähnten Kategorien, sondern wäre eher aus dem Kontext eines christlichen Konvertierungsnarrativs bekannt. (Möglicherweise Absicht, da du dich ja an ein westliches Publikum richtest.)

Liebe Grüße, ich freue mich, dass es mit dem Vorschlag gepasst hat,
Katla

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Katla!

Ich hoffe, man schmeißt mich hier nicht raus, wenn ich etwas umfangreicher aushole. Auch ist dieser Kommentar für eventuelle, spätere Leser gedacht.
Ich kenne diese spirituellen Gehirnwäschen die manche Menschen erleben, wenn sie erstmals nach Indien kommen, und die in dem von dir verlinkten, m.A.n. extrem tendentiösen, Artikel erwähnt werden. Man denke nur an Nina Hagen. Nach ihrem Besuch in Puna konvertierte sie schlagartig zum Hinduismus. Selbst ihre Tochter nannte sie Kosma Shiva. Mittlerweile ist sie wieder weg davon und verweigert jeden Kommentar sowie eine Neuauflage ihres Albums Om Nama Shivay.
Besonders, wenn dann auch noch Drogen ins Spiel kommen, wird es für manche, besonders junge Menschen, gefährlich, ins Nirvana abzudriften.
Ich selbst bereise dieses Land seit 45 Jahren, verbringe regelmäßig längere Zeit in Auroville, laufe aber nicht mit Krishna-Zöpfchen barfuß in Fußgängerzonen herum, schlage Trommel und Schellen und singe Hindu-Mantras. Für mich stehen dort andere Werte im Vordergrund.
Ich hatte kürzlich ein mir bis dato unbekanntes, starkes, emotionales Erlebnis beim Besuch des Ashrams in Puducherry, das ich literarisch verarbeiten wollte.
Deshalb dieser Text, der keinesfalls als Aufforderung oder gar als Werbung für exotische oder sonstige Religionen verstanden werden soll. Er ist nicht autobiografisch, sondern zu 90 Prozent fiktional, wie ich schon in einem anderen Kommentar erwähnte.

Danke für dein Statement,
und Entschuldigung für etwas Off-Topic.

 

Hallo @Manuela K.,

ich habe die bisher eingetrudelten Kommentare nicht gelesen, gut möglich also, dass ich damit bereits Gesagtes wiederhole, aber ich hatte am Anfang Probleme mit der Zuordnung der Redenden.

Jemand sagt etwas - Karin strahlt diesen Jemand an. Dieser Jemand spricht einen Tom an - der Erzähler spricht von seiner Ex-Freundin, also wohl Karin, also ist der Jemand/Erzähler wohl Tom. Eigentlich gar nicht so schwer, vielleicht steh ich also nur auf dem morgendlichen Schlauch, vielleicht war ich irritiert, weil mein morgendliches Hirn die Riesentransfertleistung: Weiblicher Autor, männlicher Erzähler nicht zustande gebracht hat :shy: Ich denke aber, dass mich vor allem auch das hier irritiert hat:

„Wenn du deinen Indientrip schon in Chennai beginnst, musst du unbedingt den Sri Aurobindo-Ashram und Auroville besuchen.“ Karin strahlt mich an.

Zu dem Zeitpunkt weiß ich ja noch rein gar nichts, weiß nicht, wer hier Erzähler ist, also gehe ich erst mal davon aus, dass sprechende Person = Erzähler. Ausmerzen könnte man die Irritation vielleicht dadurch, dass Karin mich (den Erzähler) zuerst anstrahlt und dann spricht - weil es inhaltlich andersrum aber mehr Sinn macht, könnte sie vielleicht strahlen, während sie spricht, also: "Wenn du deinen Indientrip ..." - Karin strahlt, als sie mir den Vorschlag macht. Ungelenk, nicht schön, aber so oder so ähnlich könnte man da vielleicht die Irritation minimieren ... Aber hey, womöglich bin ich ja der einzige, der hier gestolpert ist.

Was mir inhaltlich direkt gefällt, ist das hier:

Und natürlich fahre ich am nächsten Tag nach Puducherry, um diesen Ashram zu besichtigen, den mir Karin empfohlen hat.

Natürlich habe ich damit gerechnet, dass er das nicht tut nach seinem Ja, vielleicht, mal sehen. Stattdessen macht er das dann direkt als erstes. Die interessantesten Leute sind doch immer die, die man nicht auf Anhieb durchblickt.

Und ich bin jetzt auch an der Geschichte interessiert, frage mich, in welche Richtung sie sich entwickelt, hier:

Am darauffolgenden Morgen besuche ich Auroville. Der Rezeptionist meines Hotels in Puducherry erzählt mir zuvor ein wenig darüber. Er wohnt selbst seit einigen Jahren dort. Die Bevölkerung Aurovilles sei eine Gemeinschaft friedlicher Menschen aus über sechzig Nationen, sagt er, die sich auf die Herabholung des Göttlichen Bewusstseins und der Entwicklung des Supramentalen konzentrieren. Sie praktizieren die Lehre Sri Aurobindos und seiner lebenslangen, spirituellen Partnerin, Mirra Alfassa, der visionären Gründerin dieser Modellstadt, die von allen nur Mother genannt wird. Aus seinen Worten klingt Verehrung. Nachdem er geendet hat, entzündet er ein Räucherstäbchen, steckt es in die kleine Vase vor der Ganesh-Figur auf dem Empfangspult, faltet die Hände vor der Brust und schließt die Augen.

Weiß ich das nämlich noch nicht. Und ein wenig befürchte ich einen Infodump, ah, da kennt sich jemand mit mit Indien und seiner Kultur aus und packt das jetzt in eine Geschichte, ob die Geschichte will oder nicht ... Nur ein kurzes Gefühl, nichts weltbewegendes, der Verdacht hat sich im weiteren Text auch nicht verhärtet ...

...

Und dann folgt das Gespräch zwischen Tom und Giorgio. Vorab möchte ich noch erwähnen, dass es an deiner Schreibe quasi nichts zu bemängeln gibt, also dass ich mich nirgendwo stoße, das wirkt alles super routiniert und ausgereift. Aber was lese ich da, inhaltlich? Hm, ein Gespräch. Über ein Thema. Ein Gespräch über ein Thema, das ich mir so oder so ähnlich vorstellen würde, wenn ich mir ein Gespräch über dieses Thema vorstellen müsste. Da ist wenig, was mich aufhorchen lässt, ich neige sogar fast dazu, es zu überspringen, schneller zu lesen. Was ich wohl sagen möchte: Ich fühle mich hier ein bisschen wie der Urpsrungstom, also so, wie ich Tom zu Anfang eingeschätzt habe, wenig ... spirituell. Und dieses Gespräch scheint ja etwas Großes in Tom zu bewirken, das Schlafen klappt nicht so richtig, er träumt wirr ... Und ich denke mir so - warum, Tom?

Ich glaube, diese Art von "Erweckung" grundsätzlich verstehen zu können und gönne es jedem Menschen, der sich auf diese Weise findet. Darum geht es also nicht. Aber das, was der Text mir zeigt, reicht mir persönlich leider nicht, um Toms Erweckung nachvollziehen zu können.

Tom hat wohl schon eine Weile gestruggelt, hat sich nicht ganz zugehörig gefühlt in Deutschland, auch die Beziehung zu Karin hat nicht funktioniert. Aber er hat nicht auf eine existenzielle Weise gestruggelt, zumindest kommt das bei mir nicht so rüber. Und jetzt sitzt er da und hört sich quasi einen Vortrag von diesem Giorgio an und ... etwas passiert. Etwas wirklich Großes, wie es scheint, später weint er dann, empfängt eine Botschaft, es ist also keine Kleinigkeit. Und es muss ja auch nicht immer die große, existenzielle Krise sein, die einen verändert, aufweckt, etwas in einem anstößt, aber ... Hier, in diesem kurzen Text, hätte ich mir wohl doch etwas etwas mehr gebraucht, um die Erweckung verstehen zu können.

Vielleicht lese ich später doch noch mal die Kommentare, vielleicht beleuchtest du da ja einige Hintergründe, die mir entgangen sind, vielleicht lese ich den Text dann noch mal anders.

So oder so, vielen Dank für den Text, hat Spaß gemacht, sich damit auseinanderzusetzen und in eine für mich weitestgehend fremde Welt einzutauchen :)

Bas

 

Hallo Bas!

Zunächst mal danke für deine Besprechung und dass du mir nicht mit ideologischen (Negativ-)Argumenten gekommen bist. Der Text wurde auch anderswo diskutiert, die Kommentare schwankten zwischen Begeisterung und Verriss, bis hin zu Werbetext für Auroville, was ich so niemals andachte. Es ist eine erfundene Geschichte, die ich aufgrund eines persönlichen, emotionalen Erlebnisses in Indien geschrieben habe. Ohne literarischer Überhöhung dieses Erlebnisses ging das für mich nicht. Natürlich stecken persönliche Anteile im Prot, wie in allen meinen Geschichten, aber beide Figuren sind weitgehend fiktiv, speziell Giorgio, den habe ich frei erfunden.
Zur deiner Verwirrung, Prot versus Erzähler, am Anfang des Textes kann ich nicht viel sagen, du bist der Erste, dem das aufstieß. Ich habe die Stelle ein paar Mal gelesen, finde sie durchaus klar formuliert. Vielleicht Geschmacksache. Immerhin empfindest du Sprache und Stil als gelungen, was mich freut, da ich zu jenen gehöre, für die Sprache immer einen Schritt vor dem Inhalt geht.
Du hast keine Vorkommentare gelesen, deshalb: Ursprünglich wollte ich nur das Schlussbild in max. 500 Wörter kleiden, was misslang, dann baute ich den Text etwas weiter aus, was ebenfalls misslang, ich ließ ihn löschen und stellte ihn, etwas verändert, erneut ein. Dann, nach Vorschlägen von Jimmy und Katta, änderte ich den infolastigen Einstieg und schrieb in stringentem Tempus. Zuvor gab es zwei Zeitebenen. Der Text ist also bis zu einem gewissen Punkt ein Puzzle.
Vielleicht ist der physikalische Anteil des Gesprächs mit Giorgio etwas zu ausufernd geraten, dies liegt vermutlich an meinem starken Interesse für diese Thematik, aber auch das wird nicht von allen Lesern so empfunden.
Du, wie auch einige andere Leser, finden die Erweckung des Prot als zu abrupt, können sie nicht nachvollziehen. Da ist schon was dran, keine Frage. Aber ich kenne Menschen, die genau diese blitzartige Erkenntnis erlebten und deren Narrativ in die Story eingeflossen ist. Nicht zuletzt gibt es das auch im Alten Testament, als Bekehrung des Saulus zum Paulus, der vom Christenmörder zum Apostel Christi geriet.

So oder so, vielen Dank für den Text, hat Spaß gemacht, sich damit auseinanderzusetzen und in eine für mich weitestgehend fremde Welt einzutauchen :)
Gern geschehen! :)

Ich denke, mit diesem Text jetzt abgeschlossen zu haben, für mich ist er fertig. Er hat mich viel Kraft gekostet, zumal ich während seiner Erstellung auch ziemlich krank war. Inhaltlich und vom Ablauf her werde ich ihn nicht mehr ändern. Würde ihn allerdings, aus heutiger Sicht, nicht mehr öffentlich posten.

Schönen Sonntag,
Manuela :)

 

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