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F.

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21.10.2009
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F.

Bevor F. verschwand, sagte meine Mutter: „Nimm dir bloß kein Beispiel an ihr, wenn du in ihr Alter kommst. Sie ist unerzogen und unhöflich.“ Und ich versuchte mich zu erinnern, wann ich F. als unerzogen und unhöflich erlebt hatte. Das war gar nicht so schwer, weil mir gleich mehrere Beispiele einfielen. F. liebte es zu telefonieren und blockierte das Telefon oft über Stunden. Wann immer aber ich einen Anruf erhielt, zog sie das Kabel, sobald sie ungeduldig wurde und das Gespräch brach ab. Erst dachte ich immer, dass unser Telefon einen Defekt hatte, aber dann sah ich sie, wie sie vor dem Stecker saß und ich rief: „Hey!“, woraufhin sie nur mit den Schultern zuckte und mir den Hörer aus der Hand nahm. Ja, F. war wirklich unhöflich.
Oft blockierte F. nicht nur das Telefon, sondern auch das Bad. Das war besonders morgens sehr lästig, wenn ich dringend auf die Toilette musste oder noch die Zähne putzen, bevor ich zur Schule ging. Dann klopfte ich an die Tür und rief: „Bist du bald fertig?“ und sie flötete zurück „Gleich“, aber heraus kam sie nicht, denn sie musste sich noch die Haare machen, die Augen schminken, den Lippenstift auftragen, die Beine rasieren und das nahm viel Zeit in Anspruch. Oft kam ich deshalb zu spät und war wütend, aber F. entgegnete dann nur: „Tja, hast du eben Pech gehabt.“ So hatte ich eben Pech gehabt.
Das war F. und an ihr wollte ich mir bestimmt kein Beispiel nehmen. Manchmal kam sie viel zu spät nach Hause, oft erst gegen Mitternacht, wenn ich schon schlief. Dann wurde ich von ihren Schritten wach und dem Zuschlagen ihrer Zimmertür. F. legte keinen großen Wert auf Diskretion.
Diskretion kannte sie gar nicht. Mit der Konsequenz, dass ihr mit Hausarrest gedroht wurde, den sie umging, indem sie nach der Schule einfach wieder zu spät nach Hause kam. Und wer sollte ihr schon verbieten, zur Schule zu gehen? F. wusste, dass dies wohl kaum eintreffen würde.
Also sagte ich zu meiner Mutter: „So wie F. will ich auf keinen Fall werden. Ich werde immer artig sein und auf euch hören“, und sie tätschelte meinen Kopf und sagte: „Fein.“ So hatte ich mich beliebt gemacht, was F. nicht entgangen war, weshalb sie begann mich zu hänseln. Und sie nannte mich „Muttersöhnchen“, was ich ihr verzieh, bis sie mich als „Riesenbaby“ bezeichnete, das war schon fast zu viel, aber die Höhe war dann „Arschkriecher“ und darüber konnte ich nicht hinweg sehen. So haute ich sie und sie haute zurück, was mich zum Weinen brachte, weshalb ich sie nie wieder haute und sie mich weiter beleidigte. F. und ich hatten halt unsere Differenzen.
Aber wir hatten auch unsere schönen Tage. F. backte mir mal einen großen Kuchen zu meinem Geburtstag, mit viel Schokolade und bunten Perlen, die man essen konnte. Das war ein Anblick, mit den Perlen, den vergesse ich nicht. Sie schmeckten nur nach Zucker, süße Zuckerbomben.
An diesen Kuchen musste ich denken, als meine Mutter in mein Zimmer kam und sie sah nicht gerade erfreut aus, weshalb ich schon Angst hatte, ich hätte etwas verbrochen. Dabei hatte ich doch versprochen nicht so zu werden wie F. Und ich hielt mich daran, also warum war sie dann so sauer, fragte ich mich und sie sagte, während sie versuchte die Fassung zu bewahren, sagte sie: „Du hast nicht zufällig eine Ahnung, wo deine Schwester schon wieder steckt? Sie hätte vor drei Stunden hier sein sollen.“ F. also wieder, ich war erleichtert und als Mustersohn tat ich meine Pflicht und schüttelte wahrheitsgemäß den Kopf. Und meine Mutter schnaubte und machte die Tür zu. Dann kam sie eine Stunde später wieder zurück. Oder zwei, so genau weiß ich es nicht, aber es war Zeit vergangen, ein oder zwei Stunden. Nun sah sie nicht mehr wütend aus, sie wirkte sogar recht traurig, eher besorgt, also kurz bevor sie traurig sein würde, so sah sie aus. Und sie sagte: „F. ist noch immer nicht da, wir machen uns Sorgen.“ Ich schlug vor, sie sollen ihre Freundinnen anrufen und meine Mutter meinte: „Haben wir doch längst. Keine gibt Auskunft.“ Ich dachte nur, wann gibt es endlich Essen? Ich bin am Verhungern, wegen F. komme ich nicht zum Essen. Sie ist ja so unerzogen und unhöflich, diese F. So wie sie will ich niemals werden. Dann sah ich aus dem Fenster und es war schon dunkel und im Wohnzimmer gingen meine Eltern auf und ab und telefonierten herum und redeten aufgeregt und mein Vater meinte, würde F. nach Hause kommen, sie würde das Haus für den Rest des Jahres nicht verlassen und er würde sie zur Schule bringen und abholen, na die konnte sich auf etwas gefasst machen. Und meine Mutter sagte, er solle nicht so reden, sie mache sich große Sorgen. Ob etwas passiert sei? Ich dachte, nein, F. lungert wohl wieder nur herum, sie wird heute Nacht nach Hause kommen. Als ich im Bett lag, konnte ich nicht schlafen, obwohl es spät war und ich um diese Uhrzeit normalerweise immer schlief, bis ich von F.s Poltern geweckt wurde und so langsam erwartete ich dieses Poltern ganz sehnsüchtig und ich horchte die ganze Zeit. Ich traute mich schon gar nicht, die Augen zu schließen, so sehr war ich aufs Horchen konzentriert. Aber es kam einfach nichts, kein Geräusch von F.s Schuhen. Es polterte nicht auf der Treppe. Es polterte nur aus der Küche, weil meine Mutter polterte. Sie konnte auch nicht schlafen. Ich ging zu ihr herunter und sie machte mir ein Glas warmer Milch. Dass sie geweint hatte, sah ich, aber sie tat so, als ob nichts wäre. Und ich fragte, ob was wäre und sie sagte, es wäre nichts. Sie würde sich nur sorgen. Sie wartete die ganze Nacht bis zum Morgen, da war ich schon eingeschlafen. Als ich aufstand und in die Küche ging, saß sie noch immer dort. Und sie weinte. Und Vater schrie nicht mehr, er war ganz still. Und bleich. Ich rieb meine Augen und fragte: „Wo ist F.? Wann kommt sie wieder?“ und sie sagte, sie sei nicht zurück und hätte sich nicht gemeldet.
Ich spekulierte: „Vielleicht hat sie Angst, nach Hause zu kommen. Vielleicht hat sie Angst vor dem Hausarrest.“ Meine Eltern sagten, sie brauche sich nicht zu fürchten, sie solle nur nach Hause kommen. Wir warteten den ganzen Tag. Wir horchten auf ihre Schritte. Wir horchten auf das Klingeln des Telefons. Auf Nachrichten. Auf Informationen. Später horchten wir dem Polizeibeamten, der sagte, nach F. würde gesucht werden. Sie hätten sogar Spürhunde eingesetzt. Und Nachbarn würden auch dabei helfen. Er sagte das noch einige Tage lang, dann sagte er, sie müssten die Suche einstellen, es hätte nicht viel Sinn, und ich fragte: „Wo ist F.? Wann kommt sie wieder?“
Und ich frage es noch heute. Ich frage mich. Nicht meine Eltern, die vor Kummer ganz krank geworden sind, nicht den Polizeibeamten, der inzwischen in Rente ist. Ich stelle mir die Fragen und finde keine Antwort. Und ich denke an die bunten Perlen auf dem Kuchen und an die Worte meiner Mutter, wie sie sagt: „Nimm dir bloß kein Beispiel an ihr.“
Und nichts wünsche ich mir sehnlicher, als genau das zu tun, solange F. endlich wieder nach Hause kommt.

 
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Moi scabbed,

willkommen in Gesellschaft.

Dies ist jetzt die achte Geschichte, die Du eingestellt hast, und wenn ich mich nicht irre, hast Du bisher keinen einzigen Beitrag zu dem Text eines anderen Autors geschrieben. Dieses Forum funktioniert aber nur vom Prinzip Geben und Nehmen.
Falls Du nicht sicher bist, wie man konstruktive Kritiken verfaßt, schaue doch mal oben in der Menuleiste unter Arbeitsgruppen > Kritiker. Da Du selbst schreibst, wirst Du ja kaum denken, Du hättest davon zu wenig Ahnung, um was dazu sagen zu können. Hier gibt es viele User, die keine oder wenige Beiträge unter ihren Texten haben, und sicher auch gern wüßten, wie und ob und was beim Leser funktioniert. Tja, gib langsam mal was zurück, würde ich sagen.

Es ist außerdem sehr unhöflich, daß Du vielen Kritikern, die sich Zeit genommen haben, Deine Geschichten zu kommentieren, nichtmal antwortest. Und selbst Tippfehler, die aufgezeigt werden, korrigierst Du nicht unbedingt.

Du solltest Dich an diesem Punkt mal ernsthaft fragen, was Du eigentlich von dieser site erwartest, und was Du auch dazugeben magst. Texte abladen und Kommentare ignorieren ist hier nicht gern gesehen.

 
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Ich zwinge niemanden zu kommentieren und möchte meine Texte nur mit anderen teilen.
Wenn allerdings Kommentarzwang herrscht, bin vermutlich wirklich falsch hier.

Auch wenn ich nicht kommentiere, so heißt es nicht, dass ich die Texte der anderen User nicht lese, nur muss ich nicht akribisch auf jedem Rechtschreibfehler herum reiten, wenn mir einer auffällt und so spare ich mir die Zeilen, wenn ich eine Geschichte sowieso gut finde und nichts an ihr zu bemängeln hätte.

Wenn mich andere auf Rechtschreibfehler aufmerksam machen, korrigiere ich sie in meiner Word-Datei. Ich gebe offen zu, dass ich zu faul bin, um mir die doppelte Arbeit zu machen.

Ich sehe in jeder Anmerkung keine Verpflichtung, sondern einen Hinweis, wie ich damit umgehe, musst du dann schon mir überlassen.
Auch die Entscheidung, ob ich auf einen Kommentar eingehe oder nicht, dürfte bei mir liegen. Wenn ich nicht antworte, hat es seine Gründe, so zum Beispiel, dass ich nicht tausend Mal erklären will, worum es in meiner Geschichte überhaupt geht.

Zudem bin ich noch kein alteingesessenes Mitglied. Was also nicht ist, hätte vielleicht noch werden können.

Eigentlich war ich bislang sehr mit dem Forum zufrieden, aber nach und nach muss ich leider feststellen, dass es hier teilweise nicht besonders userfreundlich zugeht, was wirklich schade ist.

 
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dass es hier teilweise nicht besonders userfreundlich zugeht, was wirklich schade ist.
Es kann jedes Forum nur so userfreundlich sein, wie die User (also du) sich dafür einzusetzen bereit sind.
Es herrscht hier kein Kommentar- und auch kein Antwortzwang, aber gerade, wenn du Geschichten magst, freuen sich die Autoren vielleicht, dies auch zu erfahren?
Und die Rechtschreiblisten nehmen zwar leider oft den meisten Platz von Kommentaren ein (was ja eher an den vielen Fehlern liegt als an den Kommentaren), sie sind aber kein zwingender Bestandteil eines Kommentars, sondern eher eine Hilfe.

Zur Geschichte: Ein typisches Triggerthema in der bewährten Art, es von einem Kind erzählen zu lassen, um die Betroffenheit zu erhöhen. Das ist in diesem Fall nicht ungeschickt gemacht, hat durchaus Stil und die Sprachmelodie wird eingehalten.
Für mich liest es sich ein bisschen wie auf dem Reißbrett entworfen, auf den Triggereffekt ausgerichtet, weshalb konsequenterweise der wirkliche Verbleib der Schwester im Unklaren bleiben muss. Ich fühle mich als Leser also zu durchsichtig zu einer Emotion manipuliert, die genau aus diesem Grund ausbleibt. Dabei kann man der Geschichte keinen handwerklichen Mangel ankreiden, man sieht halt im übertragenen Sinne nur die "Bauanleitung" zu deutlich, wodurch es an Tiefe fehlt.
Da es ja aber nun mal keine Unterhaltungsgeschichte ist, wäre genau die für mich gefragt.

Lieben Gruß
sim

 

Es kann jedes Forum nur so userfreundlich sein, wie die User (also du) sich dafür einzusetzen bereit sind.

Das ist mir bewusst und ich hoffe, dass mein oberer Kommentar nicht als pampig aufgefasst wird. Es hat mich lediglich ein wenig geschockt, dass ich keine böse Absicht verfolgt habe, in dem ich einfach nur einen neuen Text hochgeladen habe und dafür so harsche Worte kassiere.

Es herrscht hier kein Kommentar- und auch kein Antwortzwang,

Wenn dem so wäre, warum findet Katla dann an mir solchen Anstoß?

Vielleicht kommentiere ich ja wirklich nicht, weil ich nicht weiß, wie man Kritik konstruktiv verpackt und vielleicht hatte ich auch einfach keine Zeit dazu.
Die letzten beiden Text zum Beispiel sind im Rahmen eines Uniseminars entstanden. Hätte ich dieses nicht belegt, wäre ich vermutlich gar nicht dazu gekommen, eine Geschichte zu verfassen.
Ich finde es einfach nur ungerecht, dass man meine Umstände nicht kennt und mir trotzdem Vorwürfe macht. Außerdem beraubt man mich dadurch meiner Entscheidung und das stört mich immens.

 

Hi Scabbed,

da warst du schneller mit der Antwort als ich editiert habe.

Nun, die Umstände kennen wir hier von niemandem. Allgemein kann doch, ohne dich anzugreifen, jedes Forum nur auf Geben und Nehmen basieren. Es sind ja zu 90 Prozent Autoren, die hier kommentieren und sich Mühe mit den Kommentaren geben, vor allem aber Zeit dafür aufwenden, die sie genau so gut in eigene Geschichten stecken könnten.
Dazu zwingt sie natürlich niemand, es ist ihre freie Entscheidung und auch in der Auseinandersetzung mit anderen Geschichten kann man für seine eigenen ja etwas lernen.
Nur kann so ein System natürlich auf Dauer nicht funktionieren, wenn - unabhängig davon, welche berechtigten Gründe es dafür auch immer gibt - alle Autoren nur Geschichten einstellen würden.

Liebe Grüße
sim

 

Danke für dein Feedback, sim.
Ich verstehe nur diese Passage nicht:

Für mich liest es sich ein bisschen wie auf dem Reißbrett entworfen, auf den Triggereffekt ausgerichtet, weshalb konsequenterweise der wirkliche Verbleib der Schwester im Unklaren bleiben muss.

Wie ist das gemeint?
Was ist ein Triggereffekt?

 
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Moi scabbed, nochmal,

warum ich daran Anstoß nehme, habe ich gesagt: Prinzip Nehmen und Geben. Wenn Du Dich auf der site umschaust, wirst Du vllt merken, daß es im Grunde hier sowas wie ein riesen-workshop ist, ein Forum zur Textarbeit. Verwechsle einen sachlichen Ton also bitte nicht mit Unfreundlichkeit.
Finde ich ein Verhalten aber 'unkollegial', werde ich gereizt, und das kann man dann gerne auch raushören.

Ich habe den Eindruck, Du unterliegst einem Mißverständnis: Es geht nicht darum, daß Du Deine Texte uns Kritikern erklären sollst - das interessiert keinen. Es ist so, daß Kommentare Dir aufzeigen sollen, wie fremde Augen Deinen Text lesen. Gerätst Du z.B. oft in Erklärungsnot könnte das ein guter Hinweis sein, daß Deine Texte nicht alles deutlich machen / beeinhalten, was Du sagen willst. Und das sollte jedem Schreiber wichtig sein. Das kannst Du im Text versuchen nachzuarbeiten, oder in der Antwort an einen Kommentierenden erklärend reflektieren, um es beim näxten Mal besser zu machen. Um so was geht es hier.

Zu userunfeundlich kann ich nur mit einem Spruch kommen: wie es in den Wald und so ... Es gibt übrigens einige Foren, in denen neue User erst drei Texte kommentieren müssen, bevor sie einen posten dürfen.

So, und ganz unironisch will ich jetzt auch nicht mehr Zeit in diese Diskussion stecken.

VG,
Katla

 

Nur noch kurz und abschließend dazu:
ich gelobe Besserung.

Aber, wenn wir schon bei Sprichwörtern sind: der Ton macht eben auch die Musik.

Und nun genug davon.

 

Hi scabbed,

unter Triggern verstehe ich Auslösemomente für Gefühle. Dies können grundsätzlich sowohl positive als auch negative Gefühle sein.
Bei den Texten hier sind es leider meist negative. Typische Texte dafür sind Suizid-, Borderline-, Gewalt- oder Missbrauchstexte, meist als Ich-Erzählung aus Opferperspektive, die sich einzig auf das Geschehen konzentrieren.
(Bsp.: Ich liege im Bett, träume, kann nicht schlafen - Schritte - Herzklopfen - die Treppe ächzt unter seinem Gewicht. Ängstlich schaue ich auf den Türgriff, wann wird durch einen Spalt Licht in mein Zimmer dringen und seinen überdimensionalen Schatten werfen? Augen schließen, was ich nicht sehe, passiert nicht. Die Schritte kommen näher, die Ohren kann ich nicht schließen. Die Matratze meines Bettes senkt sich unter seinem Gewicht, sein Atem riecht nach Bier, seine raue Hand schiebt mein Nachthemd nach oben: Du hast dich ja noch gar nicht vorbereitet. Hast du mich nicht erwartet, mein kleines Baby?)

So bleibt auch deine Geschichte dabei, nur bei diesem Fakt stehen zu bleiben. Ein Mädchen ist verschwunden. Die Naivität in der Erzählung des kleinen Bruders (in der er sich möglicherweise zunächst über das Grauen des Geschehens freut - häufig verwendete Möglichkeit: Kann ich ihr Zimmer haben?) ist dabei ein probates Mittel, Auslösemomente zu verstärken und auf der Emotionsklaviatur zu spielen.

Auf der Strecke bleibt dabei, was ich gerade in einer Rubrik wie Gesellschaft erwarten würde.
Im Falle deiner Geschichte Anregungen zur Auseinandersetzung (Menschen verschwinden, wie gehen Gesellschaft oder Umfeld damit um? Unterscheiden sich dörfliche Regionen da von städtischen, katholische von prostestantischen? Welchen Verdachtsmomenten sind Eltern ausgesetzt? Warum zerbrechen die meisten Ehen später an diesem Verlust?)
Wenn ich schreibe, für den Triggerefekt verichtest du konsequenterweise darauf, das Schicksal der Schwester aufzuklären, meine ich: So wie sie da steht, kann die Geschichte nur ein Ziel haben: Den Leser mit einem möglichst schlechten Gefühl zurückzulassen. Als Autor kann man das natürlich damti begründen, man wolle die Leser in der Ungewissheit des kindlichen Erzählers oder dessen Eltern zurücklassen, sie sollten diese Ungewissheit teilen. Ob das so gelingt, weiß ich nicht, denn in den Beteiligten entstehen durch diese Ungewissheit noch ganz andere Gefühle wie quälende Hoffnung, gegenseitige Schuldzuweisung. Auch sehen sie sich permanent mit Spekulationen des Umfelds konfrontiert.
Von all dem steht nichts in deiner Geschichte und als weiterführende Gedanken löst deine Geschichte dies auch nicht aus.

Liebe Grüße
sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Danke für die Aufklärung, sim.
Jetzt weiß ich, was ein Trigger ist und dass ich ihn nicht bezwecken wollte.
Und nun zu deinen Einwänden:

So bleibt auch deine Geschichte dabei, nur bei diesem Fakt stehen zu bleiben

Das war ja auch so beabsichtigt. Dieses Ereignis stellt einen dramatischen Einschnitt in das Leben des jüngeren Bruders dar und soll am Ende nur verdeutlichen, dass der Verbleib der Schwester auch noch Jahre nach dem Vorfall nicht aufgeklärt wurde und den Betroffenen zu quälender Ungewissheit wird.
Die Aspekte, die du dir für den Text gewünscht hattest, hatte ich absolut nicht im Sinn.
Im Falle deiner Geschichte Anregungen zur Auseinandersetzung (Menschen verschwinden, wie gehen Gesellschaft oder Umfeld damit um? Unterscheiden sich dörfliche Regionen da von städtischen, katholische von prostestantischen?

Zum Beispiel die regionale Auseinandersetzung. Da die Geschichte aus der Ich-Perspektive verfasst ist, könnte ich mir einfach nicht vorstellen, dass sich der Erzähler damit auseinandersetzt, im Sinne von: "Ich frage mich, wie wohl andere Menschen mit diesem Schicksal umgehen würden."
Oder
"Wie reagiert wohl die Gesellschaft auf das Verschwinden meiner Schwester?"
Das würde für mich sehr unglaubwürdig wirken.
Gott sei Dank habe ich die Erfahrung, wie es ist, einen geliebten Menschen zu verlieren und nicht zu wissen, ob er noch lebt, nicht gemacht, doch stelle ich mir vor, dass das Leben und alles darum herum nur noch zweitrangig wird und dieses eine Geschehen den Verstand dominiert. So auch bei meiner Figur.
Er reflektiert noch einmal, wie es mit seiner Schwester war und wie es dann wurde, als sie plötzlich nicht mehr da war.
Die Intention geht in die Richtung: "man merkt, was man an jemandem hat, wenn er nicht mehr da ist" und die damit verbundenen Schuldgefühle.
Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass ich fast schon genervt war von der Fürsorge meiner Oma, als wir diese in Russland besucht haben und nur wenige Monate später verstarb sie und ich hatte nicht die Gelegenheit, sie noch ein letztes Mal zu sehen.
Das sind die Schuldgefühle, die auch in diesen Text einfließen. Aber das nur nebenbei, um der Intention des Textes eine grobe Richtung zu verleihen.

Welchen Verdachtsmomenten sind Eltern ausgesetzt?

Ich habe, wie auch was diesen Aspekt angeht, immer mal wieder subtile Andeutungen verstreut.
Dadurch, dass ich den Charakter der Figur F. so aufmüpfig gezeichnet habe, könnte es sich bei ihrem Verschwinden einfach um eine Art der Rebellion handeln, was allerdings dagegen spricht sind natürlich die Jahre, die seitdem verstrichen sind und eigentlich hätte man meinen können, sie hätte über diese Zeit hinweg dazu gelernt. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht schämt sie sich auch für ihr Verhalten und traut sich deshalb nicht zurück, aber hätte sie ihrer Familie dann nicht einfach zumindest eine Nachricht zukommen lassen können, um der quälenden Ungewissheit ein Ende zu bereiten?
Du siehst, man kann interpretieren und das ist der Grund, weshalb ich diesen Ansatz offen gelassen habe.
Wilde Spekulationen über die Umstände hätten den Erzählfluss auch meiner Meinung nach eingerissen und zudem geht es ja vordergründig um die Empfindung des Erzählers und worauf er spekuliert, steht ja bereits im Text.
Ob etwas passiert sei? Ich dachte, nein, F. lungert wohl wieder nur herum, sie wird heute Nacht nach Hause kommen.

Ich hoffe, du kannst nachvollziehen, worauf ich mit all dem hinaus will.

Vielleicht ist die Rubrik auch einfach nur falsch gewählt. Ich schwankte zwischen Alltag und Gesellschaft, war auch geneigt, es unter Sonstiges zu stellen.
Wahrscheinlich hätte ich es auch einfach tun sollen :)

 

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