Was ist neu

Fall

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18.12.2001
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Fall

Die abgestandene Luft in dem kleinen, abgelegenen Büro am Rande der Stadt war auch heute wieder von dichten, weißen Rauchschwaden zahlloser, abgebrannter Zigarettenkippen geschwängert, als Paul gerade einen flüchtigen Blick auf die hier zum spärlichen Inventar zählende, schwarze, kastenförmige Digitaluhr warf. Die tief rot leuchtenden Segmente ihrer Anzeige markierten gerade in diesem Moment durch ihre neu angeordnete Struktur eine neue Zeit: 3:43 Uhr nachts - oder morgens. Der Digitaluhr war das einerlei. Ihre Verantwortung erfüllte sich bereits mit der exakten Messung der Zeit. Mehr blieb ihr nicht zu tun. Und mehr kannte sie auch nicht.

Die Straßen waren längst oder noch leer gefegt. Und es war still. Paul legte wie üblich keinen Wert darauf, diese ihn umgebende Ruhe irgendwie zu vertreiben. Das auf dem Schreibtisch stehende, kleine Radio eines Kollegen schaltete er so gut wie nie ein. Er saß nur ruhig da, mit auf den Tisch hochgelagerten Füßen, das Gesäß auf der weichen Polsterung des alten, längst abgewetzten Drehstuhls ruhend und den Rücken nach hinten gegen die eigentlich viel zu tief eingestellte Lehne verlagert. Während Paul gerade an einer fast abgebrannten Kippe zog dachte er über die ihm vermutlich noch bevorstehenden Anrufe nach. Je später es wurde, desto hoffnungsloser wurden seiner Erfahrung nach auch die zu behandelnden Fälle. Nach drei riefen nur noch diejenigen "Typen" an, denen es wirklich "dreckig" ging. Die schon "länger an der Nadel hingen" etwa; und dabei längst die "Kontrolle über ihr verdammtes Gift" verloren hatten. Die schon gar nicht mehr richtig wussten, ob es nun "Tag oder Nacht" sei. Manchmal kam es vor, dass er sie dabei auch noch kaum oder gar nicht verstehen konnte, mit ihren "bis zur Unkenntlichkeit" in die Länge verzerrten Stimmen und diesem "immer wiederkehrenden, irritierenden Abdriften in endlose, langweilige und abstruse Monologe", über deren Sinn Paul oft nur raten konnte. Meist machte er sich aber diese Mühe erst gar nicht. "Es mache sowieso einfach keinen Unterschied", meinte er neulich zu einem Kollegen, "ob du das Blabla von diesen Fixern nun verstehst oder nicht. Die leben doch eh längst in einer ganz anderen Welt! Die stehen ja völlig neben sich! Die haben sich von der Realität verabschiedet und das war's dann eben!" Klar: Die Adressen und Telefonnummern der Drogenberatungsstellen versucht er ihnen schon irgendwie zu "verklickern". Dafür wird er ja schließlich auch bezahlt, meinte er neulich. Und das ist schließlich sein Job. Aber viel mehr mache er jetzt nicht mehr. Davon habe er längst die Schnauze voll. "Bringt ja sowieso nichts! Außerdem arbeitet man sich dabei nur auf. Das hält ja kein Schwein aus. Man darf das ganze schließlich nicht an sich herankommen lassen! So, wie's bei'n paar ander'n war, die vor mir hier Dienst schoben. Die haben's nicht lange ausgehalten", meinte er öfter zu seinen Kollegen.
"Besonders in der langen Nachtschicht. Kein Wunder! Aber die waren auch selber schuld. Waren einfach so verdammt mitfühlend!", dachte er dabei noch für sich.


Das Telefon klingelte leise. Paul bewegte sich nicht von der Stelle.
Erst nach dem fünften Ton legte Paul ruhig seine rauchende Kippe beiseite und hob langsam den Hörer ab.
"Licht der Hoffnung! Meine Name ist Paul. Guten Abend!"
Er bemerkte, dass er diesmal doch eine Spur zu sehr ins Leiern kam und schob das auf seine Müdigkeit.
"- - -"
"Sie brauchen keine Angst zu haben."
"Hal...lo?"
"Es ist schön, ihre Stimme zu hören. Sagen Sie mir ihren Vornamen, damit ich Sie irgendwie ansprechen kann?"
Außer einem leichten Rauschen kam kein Laut aus dem Hörer.
"Sie können mir auch einen... Fantasienamen nennen, wenn Sie wollen. Damit Sie auch wirklich völlig anonym bleiben."
"Einen... Fantasienamen?"
"Ja, genau!"
Paul ließ einige Sekunden verstreichen, bis er sich entschloss, wieder etwas zu sagen. Die Stimme am anderen Ende hörte sich sehr jung an; und sie war männlich. Paul schätzte ihn auf so Anfang zwanzig, soweit er das beurteilen konnte. Sie war sehr leise, gerade noch verständlich, und hatte so etwas Abwesendes an sich. Im nächsten Moment vernahm er ein Aufatmen durch den Hörer und die Stimme flüsterte ihm ins Ohr:
"Schneewittchen..."
Paul war etwas überrascht. Er dachte daran, dass sich dieser Fall wohl etwas länger in die restliche Nacht hineinziehen könnte. Er erhoffte sich aber dennoch einen noch vor Schichtwechsel einigermaßen akzeptablen Ausgang.
"Sind Sie sich sicher, dass ich Sie so nennen soll?", entgegnete er.
Es kam keine Antwort. Aber er glaubte, ein stilles, sehr langsames Atmen vernehmen zu können.
"Also gut, Schneewittchen. Kann ich Du zu dir... ähm, ich meine Ihnen sagen?"
Eigentlich war diese Frage bei jemandem, der sich Schneewittchen nennt, wohl überflüssig, fand Paul gleich darauf. Aber er hatte sich diese Routinefrage schon so angewöhnt, dass er gar nicht mehr groß darüber nachdachte.
Erneut kündigte ein schwaches Aufatmen eine gegen irgendetwas sich aufzubäumen scheinende, leise Stimme an: "Wie ist das..., wenn man... stirbt?"

Paul setzte seine noch immer auf dem Schreibtisch ruhenden Füße jetzt langsam auf den Teppichboden des Büros und nahm eine etwas aufrechtere Position ein. Er dachte schnell nach, wie man eine solche Situation am geschicktesten handhaben sollte. Entgegen seinen Erwartungen wurde er nun etwas nervös. Er wusste aber nicht so recht, ob er das seiner Unsicherheit zuschreiben sollte oder der Angst, dass ihm der Junge jetzt direkt am Hörer ins Jenseits entgleiten würde.
"Wie fühlst du dich?", sagte er mit einer Stimme, so ruhig, wie es ihm nur möglich schien.
Nach einer ganzen, atemlosen Weile flüsterte die Stimme: "Sehr... schwach."
"Was hast du getan?", fragte ihn Paul ohne Hast.
Währenddessen kramte er in einem dicken, schwarzen Ordner mit der Aufschrift "Angewandte Psychologie" nach irgendwelchen, hier angebrachten Kniffen, die er vielleicht im Laufe der Zeit vergessen haben könnte. Er hoffte dabei, dass "Schneewittchen" das Rascheln des Papiers nicht hören würde und ging deshalb äußerst behutsam vor.
"Es waar... ganz einfaach..."
Die Stimme schien sich nun immer weiter in die Länge zu ziehen. Wie Kaugummi.
"Sprich mit mir! Hör nicht auf, zu reden!"
Paul war sich nicht ganz sicher, ob seine Vorgehensweise ganz korrekt war. Er erinnerte sich daran, einmal eine bestimmte Notiz auf gelb gefärbtem Papier mit einigen per Schreibmaschine geschriebenen, allgemeinen Ratschlägen bei Selbstmordkandidaten durchgelesen zu haben, konnte es jetzt aber beim besten Willen nicht wieder finden. Ausgerechnet jetzt! Er wusste es eigentlich schon länger, dass er endlich mal ordentlich aufräumen sollte, aber er schob die Arbeit immer auf die anderen im Büro. Aber die taten natürlich auch nichts! Wie soll man da denn anständig arbeiten können?, dachte Paul sich oft.
"Kannst du mich hören?", fragte er etwas gestresst. "Schneewittchen?"

Nach einer Weile flüsterte es verhalten: "Ja?"
"Okay. Du kannst mich hören.", entgegnete Paul bestimmt. "Sag mir, was du getan hast! Hast du Rauschgift genommen?"
Ein Ordner fiel plötzlich herunter und knallte zuerst auf den Schreibtisch und purzelte dann auf den Teppich. Paul stand inzwischen mit beiden Beinen auf dem Tisch um einige psychologische Anleitungen, an die er sich in den vergangenen Minuten wieder erinnerte, zu finden. Der Terminkalender unter seinen Schuhen zerknitterte, als er versuchte, den fliegenden Ordner im Fall noch aufzufangen und dabei mit dem linken Fuß eine leichte Drehung machte.
"Das Bluut...", flüsterte es aus dem Hörer.
"Was?" Paul war durch sein Mißgeschick gerade so abgelenkt, dass er das eben Gesagte nicht verstanden hatte.
"Was sagtest du gerade? Ich hab's nicht verstanden!"
Pauls Nervosität schlug nun in Ärger um. Was musste das gerade heute noch passieren? In zwei Stunden wär meine Schicht aus gewesen. Kann man denn nicht mal um diese Zeit seine Ruhe haben?, dachte Paul bei sich.
"Okay, Junge! Du sagst mir jetzt einfach, wo du wohnst und ich schick' dir einen Krankenwagen vorbei! Verstanden?"
"- - -"
Paul dachte, dass er vielleicht zu schnell gesprochen hatte und passte beim nächsten Anlauf seine Stimme der Trägheit des Jungen an: "Wooo wooohnst duuu?" fragte er daraufhin betont langsam.
Statt einer Antwort hörte er jetzt den Hörer des Jungen auf den Boden knallen.
"Scheiße! Scheiße!" murmelte Paul verkrampft zu sich selbst. Er hielt den Hörer jetzt so fest, dass seine Hand zu schwitzen anfing und das Plastik der Sprechmuschel unter diesem Druck fast nachzugeben schien.
"Hallo! Hallo!" brüllte er jetzt lauthals in den Hörer, in der Hoffnung, den Jungen noch irgendwie zurück holen zu können.
"Heee! Haaallooo! Komm zurüühüück!!"

Keine Antwort.

Paul stieg von seinem Schreibtisch herunter und setzte sich wieder langsam in seinen Drehstuhl. Er wartete noch eine Weile, während sein Herz noch raste. Mit höchster Konzentration lauschte er am Hörer jedem noch so leisen Ton, der ihm vielleicht irgendwie Aufschluss über den Aufenthaltsort des Jungen geben könnte. Sicher: Er wusste, dass diese Chance äußerst gering war. Aber Paul erhoffte sich dennoch einen wie auch immer gearteten, kleinen Hinweis.

Aber es kam nichts mehr.

Stille.

Er wartete noch einige Minuten. Dann gab er schließlich auf um die Leitung freizugeben.


© 2001 _ Die philosophische Ratte

[ 15.07.2002, 23:56: Beitrag editiert von: Die philosophische Ratte ]

 

Hallo,

eine beängstigende Szene, sehr spannend geschrieben! Hat mir gut gefallen!

Viele Grüße,
philipp

 

Ich schließe mich voll Philipps Meinung an.
Nur am Schluß habe ich gedacht, daß er doch mal die Polizei verständigen muß, damit die den Anruf zurückverfolgen Eine gute Geschichte.
.
Gruß Manfred

 

Hallo Thomas,


schade eigentlich, dass du auf diese sehr gute Geschichte damals so wenig Resonanz erhalten hast, denn sie hätte es verdient mehr beachtet zu werden.

Nun denn, so grab ich sie halt aus und schieb sie damit in die vorderste Linie.
Dir ist gut gelungen, den Spannungsbogen während des Telefonats zu halten. Ich hab mit zunehmendem Interesse bis zum Ende lesen wollen und gelesen, obgleich sich ziemlich bald das vermeintliche Ende andeutet.
Das tut der Spannung aber keinen Abbruch.
Was mir gefällt ist, dass du deinen Protagonisten plastisch darstellst, ohne ihn mit Attributen zu überfrachten. Man kann ihn sich vorstellen und glaubt als Leser zu ahnen, was für ein Typ Mensch er wohl ist, wobei ich denke, dass jeder da seine eigenen vorurteilsgeprägten Vorstellungen hat. Aber genau dafür läßt du auch dem Leser genug Raum.

Irritiert hat mich der Abschnitt, in welchem dein Protagonist plötzlich auf dem Schreibtisch steht.
Ich habe diesen Absatz nochmals gelesen, weil ich dachte, ich hätte da was übersehen, aber es kommt doch etwas plötzlich.
Du schreibst:
"Paul stand inzwischen mit beiden Beinen auf dem Tisch um einige psychologische Anleitungen, an die er sich in den vergangenen Minuten wieder erinnerte, zu finden."
Was er dann nachfolgend auf dem Schreibtisch so macht, ist gut nachvollziehbar, aber eben nicht, wieso er sich auf dem Tisch befindet. Da fehlt der Übergang.

Was mich auch gestört hat, ist dein letzter Satz:
"Er wartete noch einige Minuten. Dann gab er schließlich auf um die Leitung freizugeben."

Hier hätte ich mir gewünscht, dass dein Protagonist vielleicht verzweifelt ist oder verstört, er vor lauter Ungeduld mit den Fingern auf der Schreibtischplatte trommelt oder er sich laufend mit einer Hand den Telefonhörer haltend mit der anderen durch die Haare fährt. Er dringend eine neue Zigarette anzündet, weil er seine Nervosität beherrschen möchte.
Was auch immer.
Er hat doch sicher nicht einfach so dagesessen und abgewartet bis die Minuten verstrichen sind. Von mir aus auch das, aber dann vielleicht war er wie gelähmt vor Schreck, weil er ja schon ahnt, was da passiert ist.
Vielleicht ruft er auch noch ein zwei Male in den Hörer hinein und lauscht gepreßt am Hörer, ob er nicht doch etwas erfahren kann.

Diese beiden Punkte sollen jetzt nicht die Qualität deiner wirklich sehr einprägsam geschilderten Geschichte mindern, sondern sollen Anregungen sein, sie eventuell noch zu vervollkommnen.

Ganz liebe Grüße

elvira

 

Hallo Thomas!

Auch ich war sehr gespannt, wie sich das Telefongespräch entwickeln würde und so kam mir am Schluss der Abbruch sehr plötzlich vor. Gerne hätte ich genauer gewusst, was eigentlich geschehen ist, aber so lässt du durch das abrupte Ende dem Leser einen gewissen Spielraum, sodass er selbst darüber sinnieren kann, was geschehen sein mag.
Jedenfalls fand ich den Dialog wirklich sehr spannend.

Vereinzelt sind mir noch einige Fehler aufgefallen; die stören aber nicht wesentlich.

Viele Grüße,
Michael :)

 

hi Thomas,

eigentlich alles schon gesagt, sehr spannende geschichte - nur bei dem schluß bin ich anderer meinung: gerade der gefällt mir gut..weil ich gerade alle verzweiflung, alle resignation in der stille wiederfinde, die entsteht, weil eben nichts besonderes mehr passiert, sondern dein protagonist einfach auflegt.

wirklich stark.

grüße, streicher

 

Vielen Dank für Eure Meinungen! Es freut mich natürlich, dass meine Geschichte so gut bei Euch ankommt.

Zum öfters angesprochenen Schluss: Es war meine Intention, den Leser angesichts der ausweglosen Situation am Ende ganz genauso hilflos und ohnmächtig zurückzulassen wie es bei Paul der Fall ist. Streicher hat eigentlich schon genau vorweggenommen, was ich damit auszudrücken versuchte.

Übrigens: (Ähem...) Wenn alles wie geplant läuft, wird es in einigen Monaten eine kurze Verfilmung, produziert von einem Filmstudenten, mit dem ich derzeit in Verhandlung bin, geben! Es wird zwar voraussichtlich ein paar Änderungen bezüglich des Drehbuchs geben, im Kern bleibt die Story aber natürlich diesselbe.
Was ebenfalls noch anderweitig geplant ist: Die Videoaufnahme einer Vorlesung dieser Kurzgeschichte von mir anlässlich der Dokumentation eines alljährlichen BOS-Schulen-Literaturwettbewerbs, an dem eben diese Geschichte letztes Schuljahr einen von drei Preisen verliehen bekam (bzw. natürlich deren Urheber, also ich!! :D ).
Darauf weise ich jetzt neben diversen Prestigegründen :cool: auch noch deshalb darauf hin, weil ich es recht schön fände, kg.de nach Möglichkeit in Zukunft etwas multimedialer zu sehen. Sprich: Dass evtl. Verfilmungen bzw. auf Video gebannte Vorlesungen mancher Kurzgeschichte von den jeweiligen Autoren bei Verfügbarkeit auch hier auf kg.de vorzufinden sind! Das wäre dann sozusagen eine kleine kg.de-Filmecke. Das stelle ich mir jedenfalls sehr attraktiv vor! Oder was meint ihr?


@lakita

Wegen deinem Einwand mit dem Schreibtisch, auf dem Paul plötzlich steht: Du hast recht. Da passt es mit der Reihenfolge nicht. Werd ich noch ändern. Danke Dir für den Hinweis!


Gruß
Philo-Ratte

 

Hallo Ratte!

Ich hab Deine Geschichte vielleicht etwas zu kritisch gelesen... Jedenfalls kann ich mich dem bisherigen Lob nicht ganz anschließen. Ich finde Deine Geschichte einfach zu unlogisch.

Es fängt schon damit an, daß ich mir denke, ein Mensch, der so denkt, befaßt sich auch nicht mit Psychologie und arbeitet nicht in so einem Beruf. Der Job ist ja nicht grad so ein Honiglecken, daß sich jemand drum reißen würde, dem nicht zumindest irgendwas dran liegt, den Menschen zu helfen.
Auch hätte sein Kollege, dem er seine Meinung über die Fixer gesagt hat, doch bestimmt was drauf gesagt und das nicht einfach so im Raum stehen gelassen...

Nachdem der Anrufer eigentlich ja nur gefragt hat, wie das ist, wenn man stirbt - und mit keinem Wort sagt, daß er selbst am Sterben ist -, erscheint es mir ganz besonders unglaubwürdig, daß Paul derart aus dem Häuschen gerät, daß er sogar auf den Tisch steigt, um etwas zu suchen.
- Warum sollte er sich so aufregen, ohne überhaupt irgendetwas erfahren zu haben??? Erst so ein Klotz und dann plötzlich ein Sensiberl? Das kommt zu schnell, und vor allem unbegründet.

Wenn ihn der Anrufer durch eine herzerweichende Geschichte weich kriegen würde, könnte ich es glauben - aber dafür ist zu wenig da, was auf ihn wirken und ihn dadurch umstimmen könnte. Meiner Meinung nach müßtest Du auf alle Fälle den Anrufer reden lassen, um eine derartige Wandlung hervorzurufen.
Der Schluß - das Auflegen, um die Leitung freizugeben - paßt dann wieder zu Deiner ersten Beschreibung von ihm und wirkt wie ein kalter Schauer.

Ich weiß, es schaut jetzt aus, als wollte ich Deine Geschichte ganz zerlegen, aber das ist wirklich einfach das, was ich mir denke. Und leider muß ich dem noch eins hinzufügen, was für mich eigentlich das Schwerwiegendste ist:
Jemand, der psychologisch ausgebildet ist und jahrelang in diesem Job arbeitet, fragt nicht derart unprofessioniell: "Sag mir, was du getan hast! Hast du Rauschgift genommen?" - Das ist eine Laienfrage, die ihm seine Großmutter hätte stellen können, aber nicht jemand, in der Stellung des Protagonisten.

Stilistisch finde ich die Geschichte in Ordung, abgesehen von den für-mich-Unglaubwürdigkeiten läßt sie sich gut lesen.


Ein paar Anmerkungen noch:

"Nachts - oder Morgens."
- nachts - oder morgens

"Nach Drei riefen nur noch diejenigen ..."
- Nach drei

"Manchmal kam es vor, dass er sie dabei auch noch kaum oder gar nicht verstehen konnte"
- "auch noch" würde ich rausnehmen

""... nicht lange ausgehalten." meinte er öfters zu seinen Kollegen."
- ausgehalten", meinte er öfter (ohne s)

"so verdammt mitfühlend !" dachte er dabei noch für sich."
- mitfühlend!", dachte

"Paul lies einige Sekunden verstreichen, bis er sich entschloss wieder etwas zu sagen."
- ließ
- würde nach "entschloss" einen Beistrich machen

"Die Stimme am anderen Ende war die eines Jungen, vielleicht Mitte Zwanzig,"
- Mitte zwanzig ist er aber kein "Junge" mehr... Vorschlag: ... am anderen Ende klang sehr jung, vielleicht Mitte zwanzig, und männlich.

Ich führ jetzt nicht alle an, aber bei den direkten Reden, die mit Frage- oder Rufzeichen enden, fehlt meist der Beistrich nach dem Anführungszeichen, wenn der Satz noch weitergeht.

"Währenddessen kramte er in einem dicken, schwarzen Ordner über Angewandte Psychologie ..."
- angewandte - schöner wäre aber vielleicht auch "Ordner mit der Aufschrift "Angewandte Psychologie" ...", dann kannst Du es groß schreiben. ;)

"er schob die Arbeit immer auf die Anderen im Büro."
- die anderen im Büro

""Wie soll man da denn anständig arbeiten können?" dachte sich Paul oft."
- Gedanken würde ich kursiv schreiben, zur Unterscheidung von Gesprochenem

"Der Terminkalender unter seinen Schuhen zerknitterte als er mit dem linken Fuß eine leichte Drehung machte - im Versuch, den fliegenden Ordner im Fall noch aufzufangen."
- besser fände ich "beim Versuch"
- noch besser fände ich es, wenn Du den Satz überhaupt auch umdrehst: "... zerknitterte, als er beim Versuch, den fliegenden Ordner im Fall noch aufzufangen, mit dem linken Fuß eine leichte Drehung machte

"Was musste das gerade heute noch passieren?"
- was hältst Du von einem "Warum" statt "Was"? (den Gedanken würde ich übrigens auch wieder kursiv schreiben)

Ein paar Beistriche fehlen meiner Meinung nach auch noch (außer denen bei den direkten Reden), aber da ich mir bei denen auch nicht ganz sicher bin, laß ich sie mal... ;)

Alle liebe,
Susi

 

Ach komm, Häferl. Was soll das? Ich weiß, du hast dir Mühe gegeben, aber hier ist keiner verpflichtet, nicht wahr? ;) (Und schau dir mal das letzte Posting (Datum) von PhiloRatte unter dieser Geschichte an...)

PS: :rolleyes: ?ollahillaH

 
Zuletzt bearbeitet:

so, hab mich lang genug nicht mehr um diese Geschichte gekümmert. Das will ich jetzt nachholen.

Susi: Danke für Deine orthografischen bzw. stilistischen Hinweise. Hab ich schon vor 'ner Woche alle im Text entsprechend berücksichtigt.

Zu Deinen Einwänden: Es ist seltsam, aber "Fall" ist vermutlich meine von Anderen meist gelesene Geschichte (Leute außerhalb von kg inbegriffen - darunter während des oben erwähnten Wettbewerbs sogar einige Deutschlehrer, bzw. solche, die hier keinen Beitrag hinterlassen haben), aber bis jetzt hielt noch niemand Pauls Verhalten für (mehr oder weniger) unglaubwürdig. Und ich selbst hätt's nicht so geschrieben, wenn ich mir's nicht eben so hätte vorstellen können.

Es fängt schon damit an, dass ich mir denke, ein Mensch, der so denkt, befaßt sich auch nicht mit Psychologie und arbeitet nicht in so einem Beruf.
Wenn mich nicht alles täuscht, habe ich nirgends erwähnt, dass sich der Prota Paul "mit Psychologie befasst". Und selbst wenn: Das könnte schon Jahrzehnte her sein.
Und vielleicht wählte er diesen "Beruf" (ich würde eher "Job" sagen, denn seine "Berufung" ist es ja nicht gerade! ;) ) weil er sonst arbeitslos wäre?
Auch hätte sein Kollege, dem er seine Meinung über die Fixer gesagt hat, doch bestimmt was drauf gesagt und das nicht einfach so im Raum stehen gelassen...
Das hat er sicher auch. Aber was hätte es der Geschichte gebracht, die Einwände des Kollegen einzubringen?

Mein Gedanke war eher den Leser der Geschichte in die Rolle von Pauls Kollegen zu erheben. Und das funktioniert gerade deshalb so gut, weil ich davon ausgehe, dass diese Pauls Defätismus im Allgemeinen nicht teilen werden (so, wie Du z.B. ;) )

erscheint es mir ganz besonders unglaubwürdig, daß Paul derart aus dem Häuschen gerät, daß er sogar auf den Tisch steigt...
Nun, vielleicht hat Paul ganz einfach Angst vor seinen Kollegen? Er würde nicht gut dastehen, sobald herauskäme, dass er nicht alles versucht hätte, einen potenziell Suizid gefährdeten Anrufer vor seiner Selbsttötung zu bewahren.
Oder ihn treibt einfach sein unterschwelliges, stets ermahnendes Gewissen, dass ihn unvermittelt zu seiner jähen Aufregung treibt.
Vielleicht ist es auch eine subtile Mischung aus beiden Motiven? Menschen sind nun mal nicht eindimensional...
Mit "sensibel" hat das nichts zu tun. Es ist eben mehr die erwähnte Angst, die ihn antreibt. Ich wollte ihm auch vorsätzlich kein sonderliches Einfühlungsvermögen andichten (daher auch seine von Dir kritisierte, harsche Nachfrage: "Hast du Rauschgift genommen?" - diese auf den Punkt zielende Frage entsteht außerdem unter erheblichem Zeitdruck! Da ist es wohl nicht angesagt, noch weiter um den heißen Brei herumzureden).


BTW: Bemerkt hier eigentlich niemand die wahrhaft geniale Doppelbödigkeit des tonangebenden Titels der Geschichte?!? :confused:

 

Hallo DpR,

leider kann ich mich den Meinungen der Anderen nur bedingt anschließen, die Idee ist gut aber auch nichts neues. Die Geschichte ist meiner Meinung ist nicht sehr motiviert geschrieben. Ich finde der Schreibstil ist an vielen Stellen schwerfällig – du benutzt oft unnötige Füllwörter. Hier ein Beispiel:


„... dass er endlich mal ordentlich aufräumen sollte ...“

Ich bin der Meinung, dass Aufräumen automatisch das Ordentliche beinhaltet?


Dann noch ein paar 'holprige' Stellen:

„... irritierenden Abdriften in endlose, langweilige und abstruse Monologe", über deren Sinn Paul oft nur raten konnte.“

'...über deren Sinn Paul oft nur raten konnte...' Hört sich komisch an. Besser: deren Sinn Paul oft nur erraten konnte. Was zugegeben auch nicht die beste Lösung ist...


„Sagen Sie mir ihren Vornamen, damit ich Sie irgendwie ansprechen kann?"

'Irgendwie' ist hier unpassend. Ein psychologisch geschulter Angestellter solch einer Institution würde nicht so plump rangehen. Anstelle von 'irgendwie' wäre 'persönlich' glaubwürdiger.


"Heee! Haaallooo! Komm zurüühüück!!"

Auch das ist nicht unbedingt das Verhalten eines erwachsenen, erfahrenen und professionellen Beraters. Hört sich eher nach einem Kind an

. . .


Ich hoffe, du bist mir jetzt nicht böse.. ;-)

Gruß

Andi

 

Hallo ganje,

es kommt vor, dass ich Antworten zu meinen Geschichten erst Monate später bemerke. Besonders, wenn ich mit solchen nicht mehr rechne. So habe ich auch deine Antwort erst heute gelesen.

Deine Kritik an meiner Geschichte finde ich recht verschwommen und daher kann ich leider nicht sehr viel damit anfangen. Mir wäre es lieber gewesen, wenn du mir näher hättest sagen können, was genau du mit "nicht motiviert" meinst. Das kann ich nicht ganz einordnen. Und meinst du mit "schwerfällig" nur das Vorhandensein von "Füllwörtern" hier und da oder auch noch andere Dinge?

Ein wenig überrascht mich auch, dass du den Plot für "nichts neues" hälst. Wieviele Geschichten mit einem ähnlichen Plot hast du bisher (möglicherweise hier?) gelesen? Das würde mich durchaus interessieren.


philo

 

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