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Fanny
An diesem Morgen wachte Fanny in einer anderen Welt auf. So kam es ihr jedenfalls immer vor am ersten Ferientag. Sie wachte auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Helles warmes Sonnenlicht durchflutete das große gemütliche Zimmer. Auf dem breiten Fensterbrett ihres großen geöffneten Fensters, direkt an ihrem Bett wartete bereits Nabustra auf seine Freundin. Seine pechschwarzen Federn glänzten im hellen Sonnenlicht als ob sie flüssig währen. Alle, die dieses Tier zum ersten Mal sahen, brauchten erst eine Weile, bis sie begriffen dass Nabustra tatsächlich nur ein Rabe war und kein Adler oder so etwas Ähnliches. Die gewaltigen Klauen und der Imposante Schnabel flößten sogar Hunden Furcht ein. „Nabustra!“, rief Fanny voller Freude. Sie kroch an das Fenster und streichelte dem Vogel über seinen breiten Kopf. Dann lief sie zum Waschbecken, wusch sich und zog sich schnell an.
Als sie die breiten Treppen herunter lief, begegnete ihr Granny auf den Stufen. Fanny umarmte Ihre Großmutter feste und wünschte ihr einen schönen Tag. Dann lief sie in die Küche wo Mrs. Gwendal und Tante Betty gerade das Frühstück machten. Fanny begrüßte beide und half ihnen bei dem Frühstück. Nachdem Fanny mit dem Frühstück fertig war. schnappte sie sich noch ein warmes Croissant und lief aus dem Haus. Wohin hat Fanny es denn heute so eilig?“, fragte Tante Betty verwundert. „Sie will bestimmt wieder mit Tarab in den Wald“, antwortete Mrs. Gwendal. Fanny war schon draußen und lief auf die Pferdeställe hinter ihrem Haus zu. „Hi Onkel Benjamin! Wie geht’s dir?“, fragte sie ihren Onkel. „Na die kleine Fanny hat’s mal wieder eilig nicht war?“, lachte der große Mann, der gerade zwei braune Stuten zur Wassertränke führte. Fanny umarmte Ihren Onkel und rannte auf die große Koppel zu die ganz in der nähe des großen Waldes lag.
Als sie an dem großen aus Baumstämmen gebauten Zaun angekommen war blieb sie stehen und schaute auf die weite Wiese vor ihr. Etwa zwanzig Pferde grasten dort gemütlich auf der Koppel. Es waren Hengste und Stuten mit ihren Fohlen. Einige Hengste waren sehr groß und ihr Fell schimmerte wie Seide. Ein Paar hatten nun Fanny bemerkt und kamen auf sie zu. Fanny legte ihre Hand auf ihre Blessen und streichelte sie. Plötzlich wurden die Tiere aufgeregt und trampelten nervös auf dem Boden hin und her. Fanny kletterte unter dem Zaun hindurch und richtete ihren Blick auf den nahen Wald. Dort; ganz langsam, aber stetig, kam etwas sehr großes aus dem Wald.
„Tarab!“, rief Fanny leise. Sie ging nun auch langsam auf die immer mehr aus dem dichten Wald heraustretende Gestalt zu. Jetzt konnte man erkennen, dass die Gestalt auf vier Beinen ging und Schwarz war. Fanny lächelte und ging etwas schneller. Von dem Wald aus waren es etwa 50 Meter bis zu dem Koppelzaun. Tarab hatte bereits die Hälfte des Weges hinter sich. Seine Schwarze Mähne bewegte sich ständig wie schwerer Rauch. Nun hörte man auch seine Schweren Schritte die jedes Mal die Erde etwas erbeben ließen. Fanny war nun am anderen Ende der Koppel angekommen und kletterte unter den Zaun durch. Der Schwarze Kaltblüter blieb einige Meter vor ihr stehen. Das Pferd war so groß, dass die anderen Hengste die in einigem Abstand Fanny gefolgt waren wie Fohlen aussahen. Alleine der mächtige Kopf des Hengstes war länger als Fanny. Und seine Beine waren dicker als ihr Brustkorb.
Der riesige Hengst senkte seinen Kopf tief und legte sein rechtes Vorderknie auf den Boden. Fanny lachte und machte einen Knicks. Dann umarmte sie aber den großen Kopf des Pferdes und küsste Tarab auf die Stirn. Sie zog sich an der Mähne des Pferdes geschickt bis auf seinen Rücken, wobei Tarab sich langsam wieder aufrichtete. Nun saß sie auf dem Schwarzen Hengst, aber nicht wie man es normalerweise tut, sondern sie saß im Schneidersitz auf seinem Rücken, wie auf einem Elefanten. Fanny sah nach oben und Nabustra landete direkt vor ihr auf dem Pferd, zwischen den Schulterblättern. Tarab und Nabustra, die beide allein gesehen riesig wirkten, sahen zusammen nun von ihrer Größe her völlig normal aus. Wenn man von dem winzigen Mädchen absah.
Tarab drehte sich nun langsam um, und begann in den Wald zu traben. Schon beim langsamen Trab fingen die Haare von Fanny an im Wind zu wehen. Als sie etwas tiefer in den Wald geritten waren, sah Fanny schon die Wölfe. Nabrusta flog auf, und folgte ihnen aus der Luft. Erst sah Fanny nur zwei Tiere, etwas weiter entfernt. Sie liefen jeweils rechts und links neben ihnen her, doch nach und nach versammelte sich das gesamte Rudel, das aus über 15 großen Schwarzen Wölfen bestand. Nun liefen sie schon viel dichter neben dem Hengst her, der vom Trab in den langsamen Galopp übergegangen war. „Asgar!“, rief Fanny strahlend, als sie einen Wolf von der Größe eines Maultieres kurz vor ihnen von der rechten Böschung herauspreschen sah. Todesmutig sprang sie vom Galoppierenden Hengst auf das Rudeloberhaupt. Wie ein Eichhörnchen segelte Fanny durch die Luft und landete sicher auf dem Rücken des riesigen Raubtieres, das nun noch schneller zu rennen beginn. Sie hielt sich fest an dem langen und weichen Fell des Wolfes fest, Schloss die Augen und rieb ihr Gesicht an Asgar.
„Herrin!", begann der Wolf zu sprechen. „Ja mein guter Asgar?", antwortete Fanny verträumt. „Herrin! Die Felsenhauer haben sich bereits mit den Sandläufern zur Schlacht am großen See versammelt“. „Herrin?", wiederholte Asgar, während hinter ihnen Fannys Schlachtross und ihre Leibgarde her jagten. „Ich höre dir zu mein lieber, ich bin nur so glücklich, euch alle wieder zu sehen“, hauchte Fanny ihrem Freund, verträumt ins Ohr. „Ihre Tapferkeit in allen Ehren Herrin, aber ich spreche gerade von einer Schlacht gegen die Felsenhauer UND die Sandläufer, sollten wir dieses mal die Sache nicht etwas ernster nehmen als sonst?“, antwortete Asgar besorgt. „Hab keine Angst mein Guter, ich bin jetzt bei euch“, beruhigte Fanny den Wolf. „Ja, sie sind jetzt bei uns!“, sagte Asgar und lächelte, wie es Wölfe tun, die lächeln…
Sie hetzten nun immer weiter durch den Wald. Die Bäume waren hier schon sehr alt. Durch das dichte Kronendach glitzerte das Sonnenlicht, und tauchte die Welt in ein verzaubertes Gold. Plötzlich schoss die Gruppe auf eine große hügelige Ebene, an dessen fernem Ende eine riesige Festung in den Himmel ragte.
„Die „Weiße Festung““, raunte Fanny. Die Wölfe hinter ihnen begrüßten die Festung mit einem lauten Geheule. Sogleich sah man bewaffnete Reiter mit Lanzen. Ihre dunkelblauen Rüstungen schimmerten in der hellen Sonne, als sie von der Festung heraneilten. Es waren sehr viele, an die hundert, einem kleinen Heer gleich. Die Krieger waren in bunter Schlachtentracht gekleidet. Prächtige Fahnen wehten hier und da, und zeigten, dass sich hier Männer aus weit entfernten Teilen des Landes versammelt hatten.
Die meisten ritten auf Pferden, mit Speeren und Breitschwertern bewaffnet, doch nicht wenige ritten auf kräftigen Antilopen, mit langen nach hinten gebogenen Hörnern. Ihre Reiter waren von graziler Form, mit hellblauen Rüstungen, die sich den Bewegungen des Körpers, überraschend gut anpassten. Um ihre Schultern hingen lange Bögen, und gefüllte Köcher. Andere wiederum ritten auf schwarzen Widdern mit imposanten Stoßhörnern. Ihre Reiter waren von kleiner, gedrungener Gestalt, und hielten gewaltige Streitäxte in ihren Fäusten. Nun sah man auch ein paar röhrende Kamele. Hochgewachsene Beduinen ritten auf ihnen, mit blauen und gelben Turbanen, deren Enden ihre Gesichter verhüllten. Sie führten schwere Lanzen und Säbel bei sich. Die heran reitende Heerschar ließ den Boden erbeben, Gras und Erde stoben unter den vielen Hufen auf, gleich dunkelgrüner Gicht vor einem Segelschiff.
Als sie bis auf gut 300 Meter herangekommen waren, schien ihre Zahl auf weit mehr als 100 angestiegen zu sein. Das Rudel hatte sein Tempo bereits verlangsamt. Die Flanken des Heeres preschten nun schneller voran, während der Kern seine Reittiere abbremste. Nach und nach war das Rudel von Kriegern umgeben. Die Reiter zügelten ihre Tiere und hielten etwa im Umkreis von gut 100 Metern um das Rudel an. Es war plötzlich still…
Fanny hob ihren rechten Arm, und das Rudel stoppte nun. Tarab wieherte, und trampelte mit seinen Forderläufen nervös auf dem Boden herum. Die Wölfe knurrten grimmig und fletschten ihre Zähne. Sie hatten sich Kreisförmig um Asgar und Tarab gestellt. „Ruhig Blut Männer!“, sagte Fanny ruhig zu ihren Gefährten und sprang vom Leitwolf ab, ging ein paar Schritte und sagte: „Mal abwarten was die wollen“.
Drei Schlachtrösser vor ihnen verließen nun den Verband des Heeres und kamen langsam näher. Auf den Pferden saßen gewaltige Krieger, mit langen, zu Zöpfen geflochtenen Bärten. Sie trugen Stahlhelme mit langen Hörnern.
Fanny lächelte. Sie hatte General Walohan erkannt, der nun etwa 10 Meter vor Fanny anhielt. Die beiden anderen Reiter blieben etwas Abseits hinter ihm stehen.
General Walohan sah zu Asgar. „Wer ist das Mädchen?“, dröhnte seine Gewaltige Stimme.
„SIE IST es!“, versicherte Asgar, dessen Schwanz hin und her peitschte.
„SIE ist tot!“, brüllte Walohan, fast mit einem traurigen Unterton.
„Das behaupten Sie doch jedes Mal, General!“, mischte sich nun Fanny ein.
„Selbst DIE FÜRSTIN hätte den Felsenhagel, am Fuße des Vulkans nicht überleben können…“, argumentierte Walohan.
„Hören sie schon auf, und beginnen sie mit dem Test, General!“, unterbrach ihn Fanny gelangweilt.
„Ja! Die Zeit ist knapp, wie sie wissen, General Walohan, also testen sie sie, wie üblich“, stimmte Asgar dem Mädchen zu.
Ein breites Grinsen erschien nun auf dem so ernsten Gesicht des Generals.
„Ich an eurer Stelle wäre nicht so begierig auf den Test…, doch ihr sollt ihn haben“.
Die drei machten kehrt, und ritten zurück zum Heer.
„Nette Begrüßung!“, sagte Fanny zu Asgar.
„Ihr wisst, wie gründlich General Walohan ist!“, antwortete Asgar.
Plötzlich öffnete sich vor ihnen das Heer und ein großer, von vier weißen Büffeln gezogener Wagen kam auf die Gruppe zu, der von einem dünnen Mann mit weitem Umhang gelenkt wurde. Auf dem Wagen war eine große Kiste mit schweren Ketten befestigt, die trotzdem heftig hin und her wackelte. Nicht etwa wegen dem holprigen Untergrund, sondern wegen dem was IN der Kiste war. Fannys geübter Blick bemerkte sofort, dass dünnen Blitze hier und da von der Kiste und den Ketten aufblitzen. Was auch immer da drin war, wurde nicht durch das Holz oder die Ketten vom Ausbrechen gehindert, sondern von einem Eindämmungszauber.
Etwa 20 Meter vor ihnen hielt der Wagen an. Der dünne Mann mit weitem Umhang zog einen Stab aus seinem Ärmel und Wirbelte damit in der Luft herum bevor es ihn auf eine der Ketten richtete. Sogleich sprang sie auseinander, und kurz danach die anderen. Die Kiste rumpelte heftig hin und her und viel schließlich vom Wagen. Der Zauberer nahm die Zügel in die Hand und machte sich eilends aus dem Staub.
„Asgar! Geht! Alle!“, kommandierte Fanny.
Asgar wollte etwas sagen, doch Fanny unterbrach ihn schon im Ansatz.
„Das ist ein BEFEHL, Hauptmann!“ Asgar blickte zu Tarab und dem Rudel.
„Ihr habt die Fürstin gehört!, das soll wieder mal eine Einmann-Show werden!“, rief er beleidigt und rannte an den Rand des Heeres, wobei ihm Tarab und die Wölfe folgten.
Fanny genoss jeden Augenblick dieses Moments. Sie konnte es kaum aushalten wieder im KAMPF zu sein, auch wenn das bei ihr immer nur sehr kurz dauerte. Sie hoffte auf den Einfallsreichtum Walohans und starrte gespannt auf die rappelnde Kiste, in freudiger Erwartung, wie ein kleines Kind vor einem großen Geschenkpaket.
Plötzlich zerprang die Kiste, mit einem ohrenbetäubenden Knall. Dichte, grüne und rote Dampfwolken stiegen zum Himmel empor. Ein Markerschütterndes Brüllen brachte die umherstehenden Reittiere in große Aufregung. Die Krieger versuchten die Tiere zu beruhigen. Einige, sichtlich erstaunt, zogen sogar ihre Waffen.
Der smaragdrote Drache entfaltete seine Flügel. Es schüttelte sein mächtiges, knochenfarbenes Geweih und stieß drei hohe Schreie aus, denen ein tiefes Grollen folgte. Seine funkelnden Schuppen bebten als es sich duckte, wie zum Sprung bereit. Es Stand nur etwa 10 Meter vor Fanny, und schritt nun langsam gegen den Uhrzeigersinn um das kleine Mädchen herum, dass wie gelähmt zu sein schien. Das Tier war zwar nur so groß wie ein Nashorn, aber es war dennoch ein Drache. Und es war nicht irgendein 0.8.15 Bergdrache, von denen es im Hochland wimmelte. Nein, es war ein Porzellandrache. Der Name rührt daher, dass sich zwischen seinen Kiefern, Stahlrüstungen ähnlich verhalten, wie Porzellan unter einer Dampfwalze.
Fanny war sprachlos. Doch ehe sie noch etwas denken konnte, richtete sich der Porzelandrache zu seiner ganzen Größe auf und … wurde von einem gewaltigen blauen Blitz, mit einem Drachenschwanz, erschlagen. Ein weiter, rauchender Krater war nun dort wo noch eben der Drache gestanden hatte. Fanny stampfte erbost mit einem Fuß auf den Boden.
„Wer wagt es sich zwischen mir und meiner Beute zu stellen!“, schrie sie, zornig.
„Verzeihen sie Fürstin!“, kam eine klägliche Stimme aus dem Krater.
Ein dunkelblauer Drachenkopf Kam zum Vorschein. Ähnlich wie der, des gerade verstorbenen, aber etwas größer und mit einem langen, dünnen weißen Bart.
„Gestatten, Rohrick, mein Name!“, begann der blaue Porzelandrache.
„Wieso haben sie mir den Kampf vermasselt?“, fragte Fanny noch immer böse.
„Na ja!“, begann Rohrick.
„Er hätte sie verletzen können!“.
Fanny verdrehte die Augen.
„Ach, Sorgen macht ihr euch über mich?“, fragte Fanny weiter.
„Nein!“, ganz und gar nicht Fürstin. Wir machen uns um UNS SELBST sorgen.“
„Erklärt euch!“, kommandierte das Mädchen, den Drachen barsch.
„Nun ja! Wir Porzelandrachen hatten noch nie Streit mit ihnen, und wir haben befürchtet, dass wenn einer von uns sie verletzen würde, na ja, sie dann böse werden, und uns vielleicht den Krieg erklären. Wir sind nur einfache Drachen und wollen keinen Ärger mit Kriegern von ihrem Rang!“, beendete der Drache seine Entschuldigung.
Fanny seufzte. Dann drehte sie sich, zu den umherstehenden Kriegern.
„Ist denn hier niemand, der mit mir kämpfen will!“, schrie sie, so laut dass es von der Festung her zurück echote.
Erschrocken wichen alle Krieger einen Schritt zurück, und blickten dann versohlen zu Boden.
Hoch oben in der Luft zog Nabustra seine Kreise, und kicherte leise.
„Die Kleine Fanny,
armer Krieger, armer Krieger,
hat keinen Feind, hat keinen Feind,
ist allein, ist allein.“