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Farblos

fff

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26.07.2004
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Farblos

FARBLOS

Auch wenn das gemächliche Schwingen der gelben Lampions vor dem nächtlichen Himmel so berauschend aussehen mag, schenkt es mir doch nicht genug Lebenssinn, um meinen Kummer darin zu ersäufen. Der Trost wäre selbst zu klein, wenn ich ihn zulassen würde. Seit zwei und einer halben Stunde hänge ich nun hier. Die Luft um mich wurde zusehends kühler. Zwischendurch stellte sich die Haut auf ein Frösteln ein, wurde aber dennoch nie vollends dazu bewogen. Anfangs war der Stoff der Hängematte noch grob, gestrafft, wie neu. Aber nun war ihm das Gewicht und die Form meines Körpers zu viel. Unter meinem ungewollten Druck gab sie nach, hängt nun durch.

Aber es ist nicht die schwankende Liege, die mich bedrückt. Auch sind es nicht die angebrannten Kerzen, deren Wachs den gitterförmigen Eisentisch umschlingen. Nicht die Äste des Baumes sind’s, die ohne Eigenmächtigkeit ihre schatten- und intimsphärespendenden Blätter verlieren. Ebenso wenig peinigen mich die Kinderschreie aus der Nachbarsstrasse, die allesamt bald von anderen Kindern geschrieen werden. Aber das sie durchziehende Gefühl der Vergänglichkeit belästigt meine Zufriedenheit. Es plagt sie stichelnd. Der Folterer und der Hoffnungslose.
Ich kann es nicht vergessen. In allem kann es einem unters Auge treten, sofern das Auge es zu sehen gewillt ist.

In meinen alten Jahren sollte ich erkannt haben, warum es mir noch immer nicht egal ist.
Stört es mich, dass ich jeden Morgen ein einziges Ei zu braten habe? Dass die ungenutzte Hälfte meines Bettes kühl bleibt? Dass ich auf dem Stuhl, im Sessel, auf dem Bett, im Garten um mich schauen kann und nichts als entseelte Ecken erblicke? Ist es das was mich betrübt? Dass ich einmal sterbe ohne jemanden zurückzulassen der mich vermisst? Oder dass mein Tod vielleicht das Hindernis war, jemanden kennen zu lernen, der das gerümpfte Leinentuch auf meinem Bett erwärmt hätte. Der mit mir die Treppe zur Wohnung hinauf gemeinsam erklommen hätte. Jagend, kindlich, blinzelnd. Oder manchmal schlendern, versunken, philosophierend.

Ich weiss es nicht. Ich möchte es eigentlich auch nicht wissen. Aber kann nicht damit aufhören, mich darüber zu wundern.

ENDE​

 

Hallo fff,

Trauer, die zu Hoffnungslosigkeit in ihrer ausgeprägtesten Form geführt hat, nämlich zu fast völliger Gefühllosigkeit - so jedenfalls habe ich deinen Text verstanden. Du hast es stellenweise gut rübergebracht, auch die Atmosphäre dieses antriebslosen, traurigen Abends wird deutlich.

Allerdings wirst du manchmal ungewollt komisch, weil deine Formulierungen nicht immer fehlerfrei sind. An deiner Stelle würde ich versuchen, schlichtere, weniger geschraubte Wendungen zu finden. Das macht die Aussage nicht banal, im Gegenteil, man findet sich dann besser darin wieder - so geht es mir zumindest.

Auch wenn das gemächliche Schwingen der gelben Lampions vor dem nächtlichen Himmel noch so berauschend aussehen mag, kann es mich doch nicht genug erfreuen, um meinen Kummer darin zu ersäufen.

Die Metapher stimmt nicht ganz. Im Licht kann man nichts ersäufen.

Zwischendurch stellte sich die Haut auf ein Frösteln ein, wurde aber dennoch nie vollends dazu bewogen.

Ungeschickt formuliert. Die Haut kann nicht denken, wird also zu nichts bewogen.

... die ohne Eigenmächtigkeit ihre schatten- und intimsphärespendenden Blätter von sich lassen.

Das "ohne Eigenmächtigkeit" gefällt mir. Das "von sich lassen" finde ich als zweite sehr ungewöhnliche Formulierung im selben Satz zu überladen. Die eigentliche Aussage geht in zu geschraubten Formulierungen verloren, weil die irgendwann ein Eigenleben entwickeln. "... die ohne Eigenmächtigkeit Blatt für Blatt verlieren" würde mich als Leser zum Beispiel mehr berühren.

In allem kann es einem unters Auge treten, sofern das Auge es zu sehen gewillt ist.

Auch die Metapher stimmt nicht ganz: Unter's Auge kann einem immer etwas treten, egal, ob man es sehen will oder nicht.

Mit "einem" ist wohl der Prot gemeint. Ich würde hier ruhig bei der Ich-Form bleiben; das andere ist zu unpersönlich. Und wenn er innerlich bereit - fähig? - ist, erkennt er seine Trauer in fast allem, das ihn umgibt. Ich würde es mehr in diese Richtung formulieren.

In meinen alten Jahren sollte ich erkannt haben, warum es mir noch immer nicht egal ist.
Stört es mich, dass ich jeden Morgen ein einziges Ei zu braten habe? Dass die ungenutzte Hälfte meines Bettes kühl bleibt? Dass ich auf dem Stuhl, im Sessel, auf dem Bett, im Garten um mich schauen kann und nichts als entseelte Ecken erblicke?

Schöne Stelle, sehr lebendig.

... der das gerümpfte Leinentuch auf meinem Bett

Was ist ein gerümpftes Leinentuch? Ich kenne nur gerümpfte Nasen.

Aber komme nicht umhin, mich dessen zu wundern.

"Komme nicht umhin" ist umständlich formuliert. Sowas benutzt man in lustigen Geschichten, um Komik zu erzeugen. "Kann nicht aufhören" wäre z.B. besser.
"dessen zu wundern" ist ein Grammatikfehler. "Darüber zu wundern."

Von der Aussage her gefällt mir dieser Satz sehr.
Nochmal geschliffen wird das nmM ein guter Text!

Viele Grüße
Pischa

 

Danke! Ich habe einiges geändert, aber anderes auch so belassen, da es mir halt so gefallen hat. Ich wollte dem Leser weder ein Rätsel auftischen, noch möglichst tolle Formulierungen benutzen. Ich habe einfach nur geschrieben :D

 

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