Was ist neu

Fast wie Liebe

Seniors
Beitritt
07.05.2004
Beiträge
1.807
Zuletzt bearbeitet:

Fast wie Liebe

Vertrauliche Anonymität

Manchmal fühlt es sich fast an wie Liebe. So wie jetzt, wenn ich mich enger an ihn schmiege, um die Kälte zu vertreiben und mich am Duft seines Körpers berausche. Er lächelt, küsst meine Schläfe und leitet mich zielsicher durch die Menschenmenge der Londoner Innenstadt.
Nur noch wenige Meter bis zur U-Bahnstation, an der wir uns traditionell trennen. Unsere Schritte werden langsamer, als könnten wir dadurch den Abschied verhindern.
„Ich hasse diese U-Bahnstation“, sage ich.
Er lacht, bleibt stehen und sieht mich eindringlich an.
„Du weißt ja: Wir sehen uns wieder, Jasmina.“
Er hebt die Hand zum Gruß, dreht sich um und läuft davon. Ich bleibe stehen, sehe ihn auf der Rolltreppe immer kleiner werden und schließlich unter der Erde verschwinden. Es tut ein bisschen weh.
„Ich liebe dich“, flüstere ich. Ein Windhauch trägt meine Worte davon und das Gefühl verschwindet.

Ich laufe zurück zum Hotel, ziehe mich aus und lasse mich in die Laken fallen. Sanft, wie Hendriks Hände, streichelt der Satin meine Haut. Ich fühle nur Leere in mir. Würde ich ihn lieben, hätte ich jetzt wenigstens den Schmerz.

Zuerst waren da Hendriks blaue Augen, ein paar belanglose Gespräche und schließlich sein quietschendes Bett im Studentenwohnheim.
Hendrik und ich, das waren lange Nächte am Baggersee. In einen Schlafsack gekuschelt betrachteten wir gemeinsam die Sterne, jagten flüchtigen Gedanken hinterher und scheuten uns nicht, diese auszusprechen. Wir vertrauten uns Dinge an, die man nur im Dunkeln sagen kann und den Menschen, die man nicht so gut kennt.
Ich kam mir selbst nie näher als in Hendriks Gegenwart.

„Ich gehe zurück nach Schweden“, sagte er eines Abends. Mein Kopf ruhte auf seiner Brust und eine wohlige Schläfrigkeit lag in meinen Gliedern.
Es dauerte einen Augenblick, bis ich den Sinn der Worte erfasst hatte.
„Was?“
„Es tut mir Leid“, sagte er, setzte sich auf und starrte ins Nichts.
Stolz schluckte ich ein paar Tränen herunter und lächelte:
„Was hat Schweden, das ich nicht habe?“
„Ana“, antwortete er. „Wir wollen heiraten. Wir sind seit zwei Jahren verlobt.“
Gemeine Worte wollten aus mir herausdrängen, doch ich schwieg.
„Lass uns die letzten Stunden genießen.“
„So kenne ich dich“, lächelte er.
„Ich mag dich nicht verlieren“, flüsterte ich und zeigte ihm für einen Moment meinen Schmerz.
„Menschen wie wir verlieren sich nicht.“

Trotz aller Ahnungen habe ich nach seiner Abreise gelitten. In meiner Phantasie wurde Ana zu einer Traumfrau mit Topfigur, Engelsgesicht und wallender blonder Mähne. Sie wurde zu Allem, was ich nicht war. Ich quälte mich selbst mit den Vorstellungen ihrer Zweisamkeit und fragte mich, warum er von mir nur Sex und von ihr ein gemeinsames Leben wollte.

Manchmal fand ich eine E-Mail von Hendrik in meinem Postfach. So nichtssagend, dass mir unsere Vertrautheit schon bald wie ein Traum erschien.

Bald tauschte ich meine eingebildete Liebe zu Hendrik gegen eine echte zu Mark ein.
Ich schrieb Hendrik von der anstehenden Hochzeit, er gratulierte mir und wünschte mir Glück.

Es war ein nebliger Morgen, als ich in meinem Postfach wieder eine E-Mail von Hendrik fand. Er würde mich in London gerne wieder sehen. Schlechtes Gewissen und Glück fochten einen Kampf mit mir. Das Glück gewann, ich wollte Hendrik sehen und sei es nur, um einen Schlussstrich zu ziehen.
Es war so leicht, Mark davon zu überzeugen, dass ich geschäftliche Dinge in London zu erledigen hatte. Er stellte keine Fragen.

Wir trafen uns in einer Bar. Hendrik fiel mir sofort auf, er hatte sich kaum verändert: Noch immer strahlten seine Augen, noch immer lag in seinem Gesicht dieser jungenhafte Charme. Die unpersönlichen E-Mails rückten in den Hintergrund und wir fanden sofort wieder zu unserer Vertrautheit und ins Bett zurück.

Ich frage mich, ob Hendrik andere Frauen hat. Ich lächle, weil es mir egal sein sollte. Neben Ana, neben Mark, wünsche ich mir doch, dass wir etwas Besonderes haben.

Es war einer der seltenen Tage, in denen London im Schneefall versank. Gespielt regten wir uns über das schlechte Wetter auf, obwohl wir froh waren, das Hotelzimmer nicht verlassen zu müssen.
„Was ist es, das uns verbindet?“, fragte ich Hendrik. Ich stützte meinen Kopf auf den Arm und sah ihn an. Er wartete einen Augenblick, legte das Buch in dem er gelesen hatte, beiseite und sah mich ernst an.
„Sex“, antwortete er.

Es gibt schönere Männer als Hendrik, Männer mit einem knackigeren Hintern, mit einem muskulöseren Körper und einem attraktiveren Gesicht. Sicher auch welche, die besser im Bett sind und vor allem: Männer, die ich öfters sehen könnte als ihn. Andere haben mich nie interessiert.

Noch immer weiß ich nicht, was uns verbindet. Plötzlich muss ich Hendrik hören, ihn noch einmal fragen.
Schnell wähle ich seine Handynummer und hoffe, dass er noch nicht im Flugzeug sitzt.
„Hendrik?“
„Alles in Ordnung?“ Er klingt irritiert, ich rufe ihn sonst nie an.
„Weißt du noch, als ich von dir wissen wollte, was uns verbindet?“
„Ja.“
„Erinnerst du dich noch an deine Antwort?“
„Ja.“
„Wenn ich dir die gleiche Frage jetzt stelle, was antwortest du?“
„Sehnsucht“, sagt er und legt auf.

 

Hi Dante,

ich glaub nicht, dass sie ihre Liebe durch diese flüchtigen Begegnungen definieren. Sie wissen ja, dass sie sich nicht lieben, aber das sie eine besondere Art von Beziehung haben, die sie in einer Ehe so nicht finden würden.
So wie Lukas sagte: Sehnsucht darf sich nie erfüllen.

War ja klar, dass es dir nicht gefällt. :D

LG
Bella

 

hallo bella,
mal wieder eine schön geschriebene geschichte, die ich gerne gelesen haben. es gibt autoren auf dieser seite, da kann man unbedacht zugreifen und zu denen zählst auch du.
deine prot scheint an die liebe und alles was damit in verbindung steht zu glauben und doch macht sie trotz ihres neuen mannes wieder einen schritt in die vergangenheit. das ist es doch schließlich, was uns männer so argwöhnig macht ;)

einen lieben gruß...
morti

 

Hallo Morti,

hoppla, auf die andere Kritik habe ich noch gar nichts geschrieben. Dann fang ich halt mit der an.

Es freut mich, dass dir meine Geschichte gefallen hat und das du mich zu den Autoren zählst, auf die man unbedacht zugreifen kann. :bounce:
Allerdings sind meine älteren Geschichten wirklicht teilweise schlecht. Ich hoffe immer, dass sie nur ja niemand ausgräbt.
Leid tut mir, das ich dir in meiner Geschichte eine Bestätigung für das Argwöhnisch sein der Männer gegeben habe. ;)

Danke für´s Lesen und deine Kritik!

LG
Bella

 

Hi Bella!

Schwer, mir eine Meinung zu der Geschichte zu bilden. Aber ich weiß wenigstens, woran das liegt. Sie ist zu kurz und geht mir zu schnell (und leicht) vorbei. Ich sehe den Konflikt nicht richtig zu Anfang, und gegen Ende sehe ich ihn nicht deutlich und tief genug ausgeleuchtet.
Ja, Sex kann es kaum sein, was die beiden verbindet. Das ist Jasmina klar und auch dem Leser. Aber die Sehnsucht, die Sehnsucht nach einem anderen Leben (vielleicht nicht einmal besserem, aber anderem) wird mir nicht deutlich genug herausgestellt.
Ich glaube, ich verstehe, was du sagen willst, aber du sagst es nicht... vielleicht liege ich aber auch falsch.

Wie also verändern? Dialoge, Dialoge, Dialoge. Nicht viele Dialoge, wie dieser Satz jetzt vielleicht suggeriert, aber an den richtigen Stellen.

Details:

um und läuft davon.
Warum läuft der Gute? Ist das Absicht?
Die Einleitung ist aber stark, weil sie eigentlich nicht zum Ende passt und das ist mutig.

Ein Windhauch trägt meine Worte davon und das Gefühl verschwindet.
Mein Kitschalarm macht grade ein paar ganz merkwürdige Geräusche.

Zuerst waren da Hendriks blaue Augen, ein paar belanglose Gespräche und schließlich sein quietschendes Bett im Studentenwohnheim.
Sehr gut!

Die unpersönlichen E-Mails rückten in den Hintergrund und wir fanden sofort wieder zu unserer Vertrautheit und ins Bett zurück.
Mhm, bis hierher hat mich dieses schnelle Erzählen nicht gestört, aber hier tut es das. Ein kleiner Dialog vielleicht, der das Ganze auflockert, bremst und sinnvoll verknüpft?

In diesem Sinne
c

 

Hi Chazar,

dass du dich hier reingetraut hast. :)

Vielen Dank für deine Kritik.

Sicher, die Geschichte ist nicht jedermanns Sache. Ich wollte einfach versuchen etwas Kürzeres zu schreiben.
Was den Mittelteil angeht hast du recht, da würden ein paar Dialoge mehr sicherlich nicht schaden. Die werde ich in den nächsten Tagen noch einarbeiten.
Großartig verlängern möchte ich die Geschichte allerdings nicht mehr.

Aber die Sehnsucht, die Sehnsucht nach einem anderen Leben (vielleicht nicht einmal besserem, aber anderem) wird mir nicht deutlich genug herausgestellt.

Hm.. Ich dachte eigentlich, dass hätte ich gut hinbekommen. Nachdem du es jetzt anmerkst, muss ich nochmal drüber nachdenken, wie ich das noch besser herausarbeiten kann.

Warum läuft der Gute? Ist das Absicht?

:D Nee, eigentlich nicht. Hier in der Gegend geht das als "gehen" durch. Wäre mir von alleine NIE aufgefallen, aber ich werd´s ändern.

Mein Kitschalarm macht grade ein paar ganz merkwürdige Geräusche.

:Pfeif: Wieso? Oh Mann und das ist jetzt schon die zensierte Version...

Danke nochmals.

LG
Bella

 

Hallo Bella,
ich finde diese Geschichte fast so schön wie dich ;)
Ich bin ja nicht so der R/E-Leser, aber ich hab mich mal dazu durchgerungen, und muss sagen, dass ich es nicht bereue.
Die Gründe dafür wurden eigentlich alle schon von meinen Vorkritikern genannt ...
Als Ausgleich dafür noch eine kleine Verbesserung:

„Es tut mir leid“, sagte er, setzte sich auf und starrte ins Nichts.
Leid wird großgeschrieben
Ich glaub, ich hab noch einen Fehler entdeckt, find ihn aber nicht mehr :Pfeif:
Euer Romantikerotiktserk

 

Hi Tserk,

schön, dass du dich hier rein getraut hast. Es freut mich, dass dir die Geschichte gefällt.
Danke für die Verbesserung - ich hab "Leid" jetzt mal groß geschrieben, obwohl ich nicht genau weiß warum. :confused:

LG
Bella

 

Ähm ... neue Rechtschreibung?
Aber okay, die checkt sowieso niemand :lol:
Euer Neuerechtschreibungtserk

 

Hey Golio,

na, zum Glück hast du diesmal ne bessere Geschichte von mir erwischt.

Es freut mich, dass dir die Geschichte gefällt. Den zu romantischen Anfang haben ja schon ein paar Leute angemeckert. Mal sehen, ob ich ihn noch abschwäche.

Ich denke schon, dass Hendrik das mit der Sehnsucht ernst meint. :)

Danke für´s Lesen, Golio.

LG
Bella

 

Hi Bella

ja, jetzt hab ich wohl eine gute erwischt. Gefällt mir echt gut. Gerade das Ende. So natürlich Gefühle zu beschreiben und sie trotzdem mit einem Fragezeichen zu versehen, ist schon grandios. kann vielleicht auch nur eine Frau. Wenn ich Gefühle beschreibe, endet die Geschichte in Massenmord und Psychoszenerien, Alpträumen.
Was heißt denn du denkst schon, dass Hendrik es mit der Sehnsucht ernst meint? Du solltest es als Autorin schon wissen. Aber nein. Die Prot weiß es ja auch nich! schon gut so.

Gruß

 

*puh*

hey aris,

zum glück fandest du diese geschichte besser. war schon ganz nervös, als ich gesehen hab, dass du diese geschichte liest. :)
ich denke schon, dass hendrik das mit sehnsucht ernst meint - aber ich weiß es nicht wirklich. hast du beim schreiben nie das gefühl, dass deine protagonisten ein eigenenleben entwickeln - dass man ihre geschichte quasi nur aufschreibt, sie aber nicht mehr lenkt?
wie dem auch sei - danke für´s lesen und deine kritik!!

lg
bella

 

Hi

Klar hab ich das! Gute Geschichten schreiben sich von alleine. Außerdem sind meine Prots immer alte, frustrierte Egos von mir. Außerdem kann man es gar nicht vermeiden, dass man seine eigene Psyche mit reinhaut. Gerade, wenn es um Liebe geht.
Und auch wenn man Geschichten über Psychen weit entfernter Natur dichtet, bringt man immer seine eigene subjektive Wertung ins Spiel. Wirklich objektiv zu schreiben ist quasi unmöglich, weil dann eine Geschichte keine Perspektive mehr besitzt. Da werden mir viele widersprechen!

 

Da stimme ich dir voll zu - wirkliche Objektivität ist nicht möglich. Ich glaube mit purer Objektivität könnte man gar nichts schreiben. Eine Geschichte, Idee etc. muss einem schon mal subjektiv wichtig sein, damit man überhaupt den Stift in die Hand nimmt. Wirklich objektiv sind eigentlich nur Fachbücher, finde ich.

 

NIcht mal die! Nicht mal meine ehemaligen Schulbücher oder der uni Dreck ist objektiv. Im Kontext ist immer die Meinung verankert.
Daher gefällt mir diese Geschichte ja so: Sie ist ehrlich.
Wenn du mir die Frage erlaubst: Bist du es? Bist du die Prot oder hast du so was erlebt, und deswegen geschrieben? Ich war nämlich schon mal hendrik.

 

Die Prot. bin ich nicht, aber ich habe schon mal etwas ähnliches erlebt. Daran gedacht hab ich beim Schreiben aber speziell nicht.

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom