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Ich hatte diesen Text ,,Blowjob'' genannt, offensichtlich wegen des Bezugs zum Inhalt. Er erscheint mir nicht passend, mir will aber auch nichts anderes einfallen. Deshalb wird es vorerst dabei bleiben. Ich hoffe, das findet hier niemand anstößig.
Fellatio
Als ich mich auf den kratzigen Teppich kniete, zumindest ist es in meinen Erinnerungen ein Teppich, vielleicht hat er eigentlich Holzboden in seinem Schlafzimmer oder kalte, graue Fliesen, eigentlich auch egal, ich kniete mich auf den kratzigen Teppich und öffnete den Mund. Die Zunge ließ ich leicht raushängen, aber ich habe mich nicht getraut nach oben zu sehen, oder besser, ich tat so als würde ich mich nicht trauen, weil ich wusste, dass er es so wollte, er, der vor mir stand, nackt, seinen Penis in der Hand. Als ich da so kniete und die Zunge raushängen ließ, fragte ich mich, wie ich dorthin gekommen bin, also wie der Moment, in dem ich mich befand, sich aufgebaut hat, wo er anfing, wo wurde Moment Moment, also Realität? Fing er schon mit unserem Telefonat an, als ich die Frage stellte, auf die du die Antwort gabst, die dann dazu führte, auf direkte indirekte Weise, dass ich zu ihm fuhr, nicht ausstieg, sondern eine Station weiterfuhr und dann noch in einen Bus stieg und dann zu seiner Haustür lief und klingelte, alles wie im Traum, so als wäre das nicht ich, vielleicht fing es damit an.
Aber das Telefonat war doch erst später, würdest du jetzt einwenden, wenn du davon wüsstest und wenn ich mich mit dir darüber unterhalten würde. Ja, stimmt. Stimmt, das Telefonat war ja erst später, also was war es? War es die Vorahnung des Ganzen? Die Vorahnung, dass du mich nicht mehr liebst? Hat damit alles angefangen und hat der Moment dann nicht damit begonnen, dass du die Gefühle für mich verloren hast, unabhängig davon, wann es durch deine Worte Realität wurde?
Ich verstehe dich nicht, würdest du jetzt sagen, weil warum stelle ich diese ganzen Fragen, es war ja nur ein Moment, etwas, wofür ich mich bewusst entschieden habe und etwas, dass dann passiert ist und Moment wurde, weil es passiert ist, nicht wegen mir. Nicht weil ich etwas getan habe oder nicht getan habe. Und ich würde dann fortfahren, so als hätte ich dich nicht gehört, ich würde fortfahren und erzählen, wie ich auf diesen kratzigen Teppich kniete, der vielleicht nur in meinen Erinnerungen ein Teppich ist. Ich schaute dann doch zu ihm hoch, weil er mit seiner Hand, die nicht seinen Schwanz hielt, unter mein Kinn packte, und ich wusste, dass ich zu ihm hochschauen sollte. Seine Eichel war Millimeter von meinem Gesicht entfernt und ich dachte über die Unterschiede zwischen euren Penissen nach. Und dann dachte ich an meine Mutter und dachte darüber nach, was sie wohl denken würde, wenn sie wüsste, dass ich gerade nicht mit meinem Gepäck bei mir Zuhause angekommen bin und mir noch was zu Abend koche. Kurz hörte ich deine Stimme, ich schwöre, dass ich kurz deine Stimme hörte, die mich fragte, warum ich denn wieder bei meiner Mutter war. Und dann dachte ich darüber nach, warum mir das egal war und warum es mir egal war, dass ich kniete und nach etwas lechzte, scheinbar, was ich gar nicht wollte. Jedenfalls machte ich weiter, von mir aus, dachte ich, warum denn auch nicht, und ich nahm seinen Schwanz in den Mund und es schmeckte nach Nichts und ich fand das passte. Ein Haufen von Nichts in meinem Mund, quasi.
Ich erinnere mich noch daran, wie ich mich öfters davon abhalten musste, einfach loszulachen. Es klappte, indem ich daran dachte, dass ich mich mit dir nicht davon hätte abhalten müssen. Mit dir hätte ich lachen dürfen. Das klappte, weil mir das Lachen dann im Hals stecken blieb.
Als ich wieder aus der Wohnungstür trat und die Treppen nach unten ging und dann raus auf die Straße, mitten in der Nacht, weil er neben mir eingeschlafen ist, mit seinen Armen um mich, und ich die ganze Nacht nicht schlafen konnte und am nächsten Tag arbeiten musste, eigentlich war es fast morgens, es war schon hell, denn du hast im Sommer Schluss gemacht, erinnerst du dich? Als ich wieder aus der Wohnungstür trat und dann draußen war, als ich bemerkte, dass es hell war oder wurde und die Leute schon wach waren, jedenfalls die auf den Straßen, und alles so war wie immer, jedenfalls fast, fragte ich mich wieder, wie bin ich hierhin gekommen? Und erst dachte ich, durch dich. Du hast mir das angetan. Und dann dachte ich, durch ihn, er war es.
Und in dem Moment, als ich dort aufrecht stand, noch vor der Türschwelle, schloss ich kurz die Augen, ich fühlte, dass ich ich war, ich hob meine Hand und dachte ,,ich hebe jetzt meine Hand'' und hob meine Hand. Und dann dachte ich ,,Durch mich''.