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- 10.11.2003
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Feuer in der Nacht
„Franz!“, rief Georg, fasste Franz an der Schulter und schüttelte ihn kurz, „Franz! Wach auf! Es wird langsam Zeit!“
„Zeit?“, sagte Franz und machte die Augen auf, „Zeit? Wofür?“
„Um Afra zu holen.“
„Afra?“, Franz schien nichts verstanden zu haben, doch allmählich besann er sich, „Ist schon so spät? Haben sie schon angefangen?“
„Ich glaube ja“, sagte Georg und deutete Richtung Mauer, „seit etwa zehn Minuten höre ich Gesang von da drüben. Bis du nun wach? Kann ich Afra aus dem Wagen holen?“
„Ja, ja, hol' sie.“
Franz stand auf. Es dämmerte bereits, doch die Mauer und der mit hellem Kies bedeckte Weg schienen jetzt weißer zu leuchten als zuvor in der Sonne. Er zog sich die von Georg geliehenen Jägersachen aus und ersetzte sie durch ein schwarzes Hemd mit langen Ärmeln und eine ebenso schwarze Hose. Die nagelneuen Turnschuhe, die er trug, waren schon schwarz, nur sein Gesicht und seine Hände bedürften noch Nachhilfe. Mit ein wenig Schuhkreme erledigte er auch das, so dass Georg, als er mit dem Hund wiederkam, überrascht ausrief:
„Perfekt, Franz, wirklich perfekt!“
„Man sieht dich echt nicht in dieser Camouflage“, lobte er weiter, während er Afra auf Distanz zu Franz hielt: „Alle Achtung, Franz, alle Achtung. Wo hast du das gelernt? Beim Bund?“
„I wo“, sagte Franz und hockte sich hin, um im Rucksack nach etwas zu suchen, „aus dem Fernsehen: Agentenfilme und Ähnliches.“
„Hätte ich nicht gedacht“, sagte Georg, der nach wie vor sein Jägerzeug trug, jetzt noch ergänzt durch ein Jagdgewehr, das er geschultert hatte: „Nach was suchst du, Franz?“
„Die Minox“, murmelte Franz zurück.
„Aber beil' dich. Sonst wittern die Hunde Afra vorzeitig und der ganze Plan ist im Eimer.“
„Keine Panik, Georg!“, sagte Franz beruhigend, obwohl es seiner Stimme anzumerken war, dass er Zweifel hatte: „Die Kamera muss da sein, ich hab' sie selbst reingetan.“
Zum Glück fand er sie im nächsten Augenblick. Er stand auf, hängte sich die kleine, silbrig glänzende Kamera um den Hals und verstecke sie unter seinem Hemd.
„So“, sagte er, „wir können.“
„Hast du alles?“ fragte Georg zur Sicherheit, als er sich auf den Weg machte, „ Schere? Taschenlampe? Messer? Seil?“
„Ich sagte doch: wir können!“
Franz war aufgeregt. Zuerst, als er mit Georg den Plan ausarbeitete, schien alles einfach, aber jetzt, wo es ernst wurde, bekam er ein Flattern in der Magengegend. Vor allem die Sache mit den Hunden schien ihm plötzlich gar nicht mehr so sicher. Sie waren von Anfang an ein Problem. Anders als Videokameras, die ohne Scheinwerfer nachts nicht viel sehen, waren die Hunde immer einsatzbereit. Tag und Nacht. Weil sie hören und vor allem gut riechen können. Erst als er Maria noch einmal aushorchte, sagte sie ihm - natürlich nicht ganz freiwillig und unter vielen Vorbehalten -, dass das Rudel wahrscheinlich aus lauter Rüden bestand. Ganz rot ist sie geworden, seine Maria, als sie das sagte, und betonte immer wieder, sie wisse das nicht ganz genau, denn sie hätte Angst vor großen Hunden und hielte sich immer von ihnen fern. Er glaubte ihr das, denn er wusste von ihrer Angst, aber als Georg später die Vermutung äußerte, diese Emanzen lassen sich statt von Männer wahrscheinlich von ihren Hunden ficken, wurde er doch nachdenklich. Könnte es sein, dass sich seine Maria ab und zu von einer dieser Bestien besteigen ließ? Immerhin wurde sie rot als die Sprache auf die Hunde kam, oder nicht?
Er sah sie im Geist schon vor sich, nackt und auf allen vieren, mit hochgerecktem Hintern eine läufige Hündin mimend. Neben ihr knien zwei Mädchen, vielleicht noch Jungfrauen, die zum ersten Mal bei einer Hundenummer dabei sein dürfen. Jede von ihnen zieht an einem der Ringe, die in Marias Schamlippen stecken, und halten sie offen für den Angriff. Die andere Hand halten sie bereit, um dem vor Gier blinden Hund zu helfen, das richtige Loch zu treffen. Denn noch ist nicht soweit, noch wird der große Hund von den Müttern der Mädchen gereizt und so lange zurückgehalten, bis er steif genug ist.
Aber vielleicht liefe das ganz anders ab. Vielleicht schmierten sie Maria zuvor ein Pulverchen oder sonst etwas in die Möse, so dass der Hund gar keine manuelle Hilfe nötig hätte. Man weiß ja, was passiert, wenn Hunde eine läufige Hündin wittern. Aus nah und fern kommen sie und warten vor dem Haus der Blutenden! Schweigend und unbeweglich sitzend sie da, im Stillen darauf hoffend, dass einmal die Aufmerksamkeit der Bewohner nachlassen und es der Hündin gelingen wird, auszureißen und sich mit ihnen zu paaren.
Das war ja auch der Grundgedanke ihres Plans. Beim nächsten im Freien stattfindenden Fest sollte Franz in das leere Haus eindringen, Mitgliederlisten, Adressen der anderen Häuser und sonst alles Wichtige abfotografieren, während die Hunde von einer läufigen Hündin abgelenkt würden. Georg hatte die Idee dazu und in einem Tierheim fand er sie auch, seit zwölf Tagen läufig. Sie waren heilfroh, dass er sie mitnahm, denn sie beanspruchte einen eigenen Zwinger, ein knappes Gut in der Urlaubszeit, in der die Leute sich ihrer Haustiere unter allen möglichen und unmöglichen Vorwänden entledigen.
Freudestrahlend kam er zurück und erklärte Franz, dass Afra gerade nicht mehr blutend war, was der beste Zeitpunkt wäre, denn nun seien von Seiten der Hündin keine Schwierigkeiten zu erwarten, sie wäre jetzt selbst ganz heiß und ließe jeden ran, der nur entfernt einem Rüden gliche oder bloß so täte.
Franz glaubte Georg, der Jäger war und in diesen Dingen ganz offensichtlich Bescheid wusste. Trotzdem gab es ein paar Unsicherheiten: Was geschähe, wenn nicht alle Hunde Rüden wären? Oder wenn nicht alle Frauen an dem Fest teilnähmen und das Haus nicht leer bliebe? Oder wenn es noch andere, Maria unbekannt gebliebene Sicherheitsmaßnahmen gab? Franz war sich zwar sicher, dass Maria ihm alles gesagt hatte, aber wusste sie auch alles?
Sie machten zuerst einen großen Bogen und näherten sich jetzt schnellen Schrittes von der südlichen Seite dem Grundstück. Hier gab es keine Mauer, nur einen Zaun. Die Musik, der Gesang der Frauen waren jetzt lauter zu hören, und plötzlich gab es auch Hundegebell. Nun musste es schnell gehen. Franz schnitt ein Loch in den Zaun und ließ Georg mit der Hündin passieren. Er wartete bis Georg zurück kam.
„Alles okay“, sagte Georg flüsternd, „ich hab' sie da links, circa dreißig Meter von hier an einen Baum gebunden. Wenn die Meute da ist, gehst du. Sie werden dich zwar nicht beachten, aber halte dich trotzdem mehr rechts. Ich hole den Wagen und warte unten auf der Straße auf dich.“
Georg verschwand und die Meute kam. Sie raste an Franz, der außerhalb des Zauns stand, einfach vorbei. Er atmete erleichtert auf, und als er Afra winseln hörte, ging er.
Der Würfel war gefallen, der Zaun war sein Rubikon.
Maria war wie auf Dornen, sie konnte sich nicht konzentrieren auf das, was sie tat. Sie hatte Angst um Franz. Sie wusste nicht genau, ob und wann er kommen würde. Seine Fragen deuteten es zwar an, doch er ließ sich nicht anmerken, was er im Schilde führte. Wahrscheinlich wollte er sie nicht mit seinen Plänen belasten, vielleicht fürchtete er, eine unbeabsichtigte Geste oder ein leichtsinniges Wort von ihr, könnte das ganze Unternehmen gefährden. Insgeheim war sie froh darüber, doch diese Ungewissheit nagte jetzt an ihr, ließ sie nicht los. So sang sie zwar mit, doch tat sie das nicht inbrünstig wie die anderen, sondern mehr oder weniger automatisch.
Sie sangen alte Hirtenlieder, voll von Natur und Erotik, als Einstimmung auf das, was kommen wird. Sie waren wieder beim Dolmen, bei dem Pilz aus Stein. Feuer loderten auf und in der Mulde auf dem Stein lag, wie damals Maria, eine junge Frau. Doch diesmal stand keine Vermählung bevor, sondern eine Opferung. Eine Opferung zur Ehren der Mondgöttin. Blut sollte fließen. Frauenblut. Jeden Monat versammelten sie sich hier, um der Göttin zu opfern. Doch noch war es nicht soweit, noch mussten sie warten. Sie mussten warten bis der Mond aufging. Und nun sangen sie: Luna wollte mit Gesang begrüßt werden.
Wir werden den Namen der Göttin laut aussprechen,
Wir haben keine Angst, Ihren Namen zu nennen!
Wir werden die Gestalt der Göttin aussprechen,
Wir schämen uns nicht, Ihre Gestalt zu benennen!
Hier sind Ihre Beine, Ihre Muskeln, Ihre Schenkel,
Hier sind Hintern, Bauch und Brüste,
Hier sind Ihre Arme, Ihr Hals, Ihr Gesicht, Ihre Kehle,
Hier ist Haar für Ihre Beine, für Ihre Schamlippen,
Hier sind die Klitoris, die Brustwarzen,
Hier sind Zunge und Zähne,
Hier sind alle Teile der Göttin,
Hier steht die Herrin in erkennbarer Gestalt!
Wir haben keine Angst,
Wir schämen uns nicht!
Wir rufen Ihr Fleisch,
Wir sagen Bauch, Schenkel, Brustwarze, Klitoris, Schoß!
Katharina, als einzige nicht ganz nackt, sondern locker in einen durchsichtigen, grünen Umhang gekleidet, stand auf dem Stein. Während des Gesangs zeigte sie mit einem langen, dünnen Stock auf die betreffenden Körperteile der ihr zu Füßen liegenden Frau. Aber was heißt hier zeigte! Sie schlug darauf, leicht versteht sich, doch immerhin stark genug, um ein Aufstöhnen und ein sich winden der Frau zu provozieren, die mit ausgebreiteten Armen auf dem Rücken lag, und deren halbangezogenen Schenkel von zwei starken Stricken offengehalten wurden. Freilich, die Zuckungen wurden nicht allein durch die Schläge verursacht, auch das heilige Wasser, das sie als einzige zuvor trinken durfte, tat bereits seine Wirkung. Deswegen wurde sie auch auf den Stein gebunden, denn sonst wäre sie im Moment der Opferung nicht ruhig zu halten gewesen.
Für diese Opferung wurde immer die menstruierende Frau ausgewählt, von der erwartet werden konnte, dass sie an dem Tage am stärksten bluten würde. Und diese hier blutete bereits. Bei jedem Erzittern ihres Leibes löste sich ein Tropfen aus ihr und färbte das Wasser in der untergestellten Schale. Es war wie immer von Katharina zubereitetes Wasser, das in ein in den Felsen gehauenes Behälter gefüllt wurde, damit es später, während des Festzugs zum Dolmen, feierlich und wie aus einer Naturquelle sprudelnd in die breite, aus reinem Silber getriebene Schale fließen konnte.
„Es liegt Macht im Blut der Frauen“, rief Katharina laut und getragen. Das Tamburin und die Laute erklangen und der Chor der im Halbkreis stehenden Frauen wiederholte singend:
Es liegt Macht im Blut der Frauen,
Es liegt Macht in dem Blut, das uns verändert,
Es liegt Macht in dem Lied unseres Blutes.
„Vor langer Zeit“, rief Katharina wieder, „vor langer Zeit, als wir alle unsere volle Macht kannten, schieden wir unsere Kriegerin vor der Schlacht, schieden wir unsere Priesterin zu ihrer Aufgabe, schieden wir die Frauen, wenn der Mond ihrer Natur voll war und die Dunkelheit überfloss. Es liegt Macht im Blut, das uns verwandelt.“
Das ist das Lied unseres Blutes,
Das ist das Lied des Blutes in unseren Adern,
Das ist das Lied unseres sich wandelnden Blutes.
Während sie sangen, nahm Katharina eine kleine Dose aus ihrem Umhang, bückte sich und schmierte etwas von der grünen, im fahlen Licht des aufgehenden Mondes schwarz aussehende Salbe auf den Mund, die Brustwarzen und die Klitoris der liegenden Frau. Dann stand sie wieder, breitete die Arme aus und sagte feierlich:
„Nimm, o Luna, ihr Blut, nimm es, o Mutter, und mache daraus Kinder, mache Milch!“
Nimm, o Luna, ihr Blut,
Nimm es, o Mutter,
Und mache Kinder,
Mache Milch.
Alle sangen jetzt. Sie wiederholten die letzten Strophen immer wieder, während sie auf den Mond starrten, der sich langsam von dem scharfen Schatten der Berge löste. Alle sangen, nur die auf dem Stein liegende Frau sang nicht. Sie wand sich in ihren Fesseln und stöhnte. Es war ein lustvolles Stöhnen. Nach jedem tiefen Zug, mit dem sie ihre Lunge mit der frischen Luft der Nacht füllte, hielt sie den Atem an. Sie hielt es an, still, und es war, als ob sie dem Gesang der Freundinnen horchte. Doch sie horchte nur in sich hinein. Dort, tief in ihr, braute sich etwas zusammen, was sie mit ihrem benebelten Verstand nicht identifizieren konnte, aber gleichwohl fürchtete. Sie fürchtete sich vor diesen langsamen, ziehenden Bewegungen, die alles in ihrem Bauch lebendig zu machen schienen. Ihr Bauch verselbständigte sich. Auf einmal gehörte er ihr nicht mehr. Er gehörte jetzt der Mondgöttin. Sie hat Besitz von ihm ergriffen. Luna hat also die Gebete gehört. Sie hat sie erhört. Endlich.
Als ihr Bauch sich öffnete, schrie die Frau auf. Die hohle Birne in ihr zog sich zusammen und warf alles hinaus, was in ihr war. Dunkel und stark duftend spritzte das Blut in die heilige Schale. Das Blut, das sie sonst in drei, vier Tagen verloren hätte, wurde jetzt in einem einzigen Krampf herausgeschleudert. So brachten die folgenden Krämpfe kaum neues Blut mit sich. Sie waren eher wie Stöße, die nach einem Beben der Erde helfen, sich zu beruhigen. Sie wurden schwächer und schwächer, bis der steife Kitzler, der wie die Nadel eines Seismographen zitternd alle Beben begleitete, zur Ruhe kam. Und während dieser sonst kleine und unscheinbare, jetzt aber durch Zauberwasser, Schläge und Salbe zum Blühen gebrachte und keineswegs nur begleitende Instrument der Lust langsam schrumpfte, fingen die wie ergriffen dastehenden Frauen von neuem zu singen an:
Dies ist das Blut, das Erneuerung verspricht,
Dies ist das Blut, das Nahrung verspricht,
Dies ist das Blut, das Leben Verspricht!
Sie lösten sich aus ihrer Starre und näherten sich langsam der Schale. Und als die erste nur noch einen Schritt davor entfernt war, kniete sie sich hin, tauchte ihr Gesicht in das rotgefärbte Wasser und trank. Nacheinander kamen sie und tranken. Auch Maria trank. Und als sie aufstand, wischte sie sich ihr Gesicht nicht sauber. Es wäre nutzlos. Sie werden wieder singen, sie werden tanzen. Und dabei nach und nach die Beherrschung verlieren. Gesang und Tanz, vor allem aber der Trank, werden sie bald wie rasend aufeinander stürzen lassen. Die Orgie wird wie immer die ganze Nacht dauern, mit oder ohne Hunde.
Hunde! Wo sind die Hunde? Maria sah sich um, doch von Hunden keine Spur. Dort, am Rande, wo sie sonst immer auf ihren Einsatz warteten, waren sie nicht.
Franz! Sie haben Franz entdeckt! Im Geiste sah sie Franz vor der Meute fliehen, sah ihn stolpern und auf dem Boden liegen. Ein großer schwarzer Hund, mit langer, blutroter Zunge war als erster bei ihm. Zähnefletschend stand er mit den Vordertatzen auf ihm, schon näherte sich das furchteinflößende Maul dem Hals.
„Nein!“
Ihr Schrei war durchdringend und Einhalt gebietend. Alle Augen schauten sie an, fragten.
„Die Hunde!“, rief Maria und zeigte mit der Hand auf den verlassenen Platz: „Die Hunde sind weg!“
Das Haus war leer. Jedenfalls auf den ersten Blick. Die Tür stand sperrangelweit offen und Franz spazierte einfach hinein. Er fand die Treppe zum ersten Stock sofort, Maria hatte ihm alles genau beschrieben. Wie wertvoll das war, erkannte er, als er vor der verschlossenen Tür zum Büro stand. Doch er wusste, dass es noch eine zweite Tür gab. Als er durch den großen Konferenzraum zurückging, sah er durch das offene Fenster Feuer auf dem Hügel. Für einen Augenblick hörte er dem Gesang zu. Er verstand keine Worte, aber die Melodie kam ihm mittelalterlich, fast archaisch vor. War die Orgie schon im Gange? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht, sicher war nur, dass sie alle auf dem Hügel waren, denn wer würde so dumm sein und sich das entgehen lassen.
Obwohl, in gewisser Weise waren sie doch dumm. Es ist dumm, sich in der Nacht nur auf Hunde als Wächter zu verlassen. Denn Hunde sind wie Menschen: kaum finden sie ein läufiges Weibchen, schon vergessen sie, was ihre Aufgabe ist. Einen Augenblick musste er an Afra denken. Wie wird sie, angebunden wie sie war, fertig werden mit all den geilen Hunden? Und wie würde es einer Frau ergehen, fände man sie so nackt und an einen Baum gefesselt? Bestimmt nicht besser als Afra. Zumindest dann nicht, wenn sie die darauf dressierten Hunden erwischten. Oder die Wachmänner. Sie kennten wahrscheinlich auch keine Gnade. Weil sie sauer wären. Wachmänner sind immer sauer, wenn sie ihre Runden machen müssen. Viel lieber lesen sie Pornoromane und wichsen. So gesehen, wäre das Ficken einer Frau, die nicht davon laufen kann, nur die Fortsetzung der Wichserei mit anderen Mitteln. Denn Pornoromane laufen auch nicht weg. Sie beschreiben das wahre Leben. Sie verstecken sich nicht hinter Pünktchen, wie mancher zeitgenössische Roman.
Möchtegerne, nannte Franz diese kastrierten Geschichten. Da beschreiben sie zum Beispiel detailliert was sie wie kochen oder essen, aber was sie wie hinterher scheißen, sagen sie nicht. Oder wie sie's im Bett treiben. Selbst wenn sie sich Seitenweise darüber ergehen, was sie im Laufe des Tages so gedacht haben, kommt unter Umständen kein Sex vor. Und dabei ist es nachgewiesen worden, dass zumindest Männer alle paar Minuten an Sex denken. Wahrscheinlich trauen sich die meisten Schriftsteller nicht, das zuzugeben. Denn schrieben sie das, was sie leben, würden sie bald keine Schriftsteller mehr sein. Zumindest keine seriösen. Jemand, der schreibt, wie er kocht oder wie er isst, ist nicht gleich ein Koch- oder Gourmetbuchautor, aber jemand, der schreibt, was er mit seinem steifen Schwanz so alles anstellt, ist automatisch ein Pornoschriftsteller. Denn ein steifer Schwanz ist der Inbegriff des Verbotenen. Die Zeitschriften können so viele nackte Männer auf den Titelbildern bringen, wie sie wollen, nur eines dürfen sie nicht: einen steifen Schwanz zeigen! Warum? Wegen der Kinder, sagen die, die selbst keinen hochbringen oder hochbringen dürfen. Wieso? Ist ein erigierter Penis weniger normal als ein schlapper? Wenn das Zeigen oder Beschreiben der Geschlechtsteile in Erregung Pornographie ist, dann ist das Leben selbst auch Pornographie, denn ohne einen steifen Schwanzes gäbe es kein neues Leben und die Menschheit stürbe aus.
Es gibt keinen vernünftigen Grund, es nicht zu zeigen. Oder irgendetwas, was Menschen tun, nicht zu beschreiben. Und trotzdem: nicht mal Pornoschriftsteller dürfen alles. Nicht einmal für Erwachsene darf zum Beispiel beschrieben werden, wie Menschen mit Tieren ficken. Es geschieht zwar im realen Leben, aber das beschreiben, nein, das darf man nicht. Das verstieße gegen die Würde des Menschen. Das Dass kann man schreiben, aber nicht das Wie. Ganz anderes dagegen verhält es sich, wenn man beschreiben will, wie man einen Menschen umbringt. Das kann man. In allen Einzelheiten, Kriminalromane sind voll davon. Das verstößt nicht gegen die Würde des Menschen. Es steht zwar in den Zehn Geboten, du sollst nicht töten, aber das ist nicht so wichtig. Man will schließlich keine unüberwindlichen ethischen Barrieren in Menschen haben, wenn es einmal wirklich zum Töten kommt. Im Namen des Staates zum Töten kommt. Deswegen dürfen Kriminalromane das beschreiben und alle können es lesen. Auch Kinder. Damit sie sich mit dem Töten schon mal vertraut machen.
In den Krimis ist eh alles nur Fiktion. Und Kinder können zwischen Fiktion und Realität unterscheiden, das beweisen schon die grausamen Märchen, die sie vorgelesen bekommen, bevor sie schlafen gehen. Ganz anders verhält es sich aber mit den pornographischen Schriften. Nichts, was in diesen Schriften beschrieben wird, steht den Zehn Geboten entgegen, aber die sind trotzdem jugendgefährdend. Sogar schwer jugendgefährdend. Weil hier das Unterscheidungsvermögen der Kinder ganz plötzlich nicht mehr gegeben ist. Sie könnten zum Beispiel wirklich glauben, dass da statt einer Hündin eine nackte Frau an den Baum gebunden ist. Sicher, möglich wär's. Aber nur, weil Afra der Name einer Heiligen ist. Da sieht man wieder, wohin es führt, wenn Leuten nichts heilig ist und bedenkenlos sogar den Hunden schöne Namen geben. Plötzlich weiß man nicht mehr, ob die Hunde eine Hündin oder eine Frau ficken.
Oder einen Mann. Wenn dieses Grundstück nicht Hunde, sondern Frauen bewachten, müsste man einen nackten Mann als Köder benutzen. Natürlich, sicher wäre das nicht. Zumindest bei diesen Lesben nicht. Die könnten wahrscheinlich nichts mit einem Mann anfangen. Viel eher schon mit einer Frau. Lesben können mit einer Frau immer was anfangen. Vor allem, wenn sie angebunden wäre wie Afra. Wenn man sich recht überlegt, war es total überflüssig, die Tierhandlungen und -heime nach einer läufigen Hündin abzuklappern. Auf eine geile Frau als Köder hätten alle angebissen. Alle hätten sie gefickt: Hunde genauso wie Wächter und Wächterinnen.
Scheiße, man sollte wirklich zuerst denken, dann handeln. Franz riss sich endlich vom Fenster los. Er wusste nicht, wie lange er da stand, und hatte schlechtes Gewissen deswegen. Aber die Feier war noch voll im Gang. Ein Schrei durchdrang die Nacht, dann sangen sie wieder. Was machen sie bloß da draußen? Stechen sie sich gegenseitig ab oder was? Zu gern hätte er bei ihnen Mäuschen gespielt, doch die Pflicht rief ihn. Scheiße, immer die Pflicht! Wäre er doch nicht in Deutschland! Immerzu muss hier was getan werden. Schaffe, schaffe, Häusle baue! Oder laufe, laufe, Zettel klaue! Lauter Papierkram hier. Mann, räumen sie denn nie auf! Von wegen, Frauen wären ordentlicher!
Das Büro Katharinas konnte sich mit seinem Tohuwabohu zu Hause durchaus messen. Wo sollte er hier nach brauchbaren Informationen suchen? Er begann mit dem Schreibtisch, da müssten noch am ehesten aktuelle Informationen zu finden sein. Aber brauchte er die? Wonach gesucht werden sollte, waren die Mitgliederkartei, die Daten über die Führungsriege und sonstiges belastende Material. Tja, Sonstiges war auf dem Schreibtisch, aber die Mitgliederkartei war wahrscheinlich im Computer zu finden, möglicherweise auch Hierarchiestruktur. Also zuerst Computer. Voller Hoffnung starrte er auf den Bildschirm, doch dort erschien nach einer Serie schnell laufenden Nachrichten nur das Wort Password. Blind probierte Franz ein paar Tasten, gab auch mal nichts ein, doch nichts rührte sich. Tja, das war's wohl, murmelte er bei sich.
Er schaltete den Computer aus. Was nun? Er sah sich um, tastete mit dem Lichtkegel der Taschenlampe die Wände ab. Mannshohe Schränke, darüber Bilder. Auch hinter ihm ein Bild: eine sitzende Frau mit drei Gesichtern und sechs Armen, die zwei Schwerte, zwei Geißeln und zwei Fackeln trugen. Ihr zu Füßen lauerten zwei Schlangen erhobenen Hauptes, offensichtlich bereit zuzubeißen.
Eine antike Göttin wahrscheinlich und gut auf Katharina passend. Zwei ihrer Gesichter kannte Franz, was könnte sie noch sein neben der Gynäkologin und der Führerin der Neuen Amazonen? Wenn man wüsste, wen das Bild darstellte, könnte man eventuell Rückschlüsse daraus ziehen. Er richtete das Licht der Tischlampe auf das Bild und fotografierte es ab. Wenigstens etwas. Und wo er schon dabei war, lichtete er noch ein paar Dokumente ab. Wahllos, was eben auf dem Tisch lag. Um sie zu lesen, hatte er keine Zeit mehr. Er musste verschwinden, bevor die Frauen genug voneinander hatten. Oder die Hunde von Afra. Zwei Orgien liefen da draußen ab - die Lust war aufgerufen, ihn zu schützten.
Franz lächelte beim Hinausgehen.
Das Lächeln gefror auf seinen Lippen, als er auf den Gang trat. Stimmen waren von der Treppe zu hören. Und sie kamen näher. Scheiße! Rückwärts ging er ins Büro zurück und machte die Tür wieder zu. Hatten sie ihn etwa gesehen? Er schob den Riegel vor und stürzte zum Fenster. Unten vor dem Haus war niemand und auf dem Hügel brannten die Feuer noch. Er machte das Fenster auf. Keine Stimmen. Allerdings auch kein Gesang. Nichts. Oder doch? War da nicht ein winseln? Nein. Totenstille. Wäre auch ein bisschen zu weit, um die Hunde von hieraus zu hören. Er atmete tief durch. Alles nur Einbildung. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Trotzdem musste er weg. Schleunigst!
In dem Moment knarrte es an der Tür. Er drehte sich um und sah einen Lichtpunkt, der aber sofort verschwand. Doch dann kehrte er wieder und Franz erkannte schlagartig, dass draußen auf dem Gang jemand Licht gemacht hatte und nun vor der Tür stand. Also waren die Stimmen doch keine Einbildung! Selbst wenn er noch Zweifel gehabt hätte, im nächsten Moment war er sie los. Jemand versuchte die Tür zu öffnen, und als das nicht gelang, wurde daran gerüttelt. Erst wurde gemurmelt, dann lauter gesprochen, bis schließlich alles durcheinander schrie. Eine ganze Horde musste vor seiner Tür versammelt sein und begehrte Einlass. Scheiße! Er saß in der Falle. Dieser Weg war abgeschnitten, die andere Tür verschlossen. Doch da war noch das Fenster. Er schaute hinunter. Niemand. Typisch Weiber, alles drängte sich vor der verriegelten Tür, aber dass es da noch eine zweite Tür gab, und dass jemand den Schlüssel dazu haben müsste, daran dachte wohl niemand. Und dass man durch das Fenster verschwinden könnte, auch nicht! Sicher, es war erster Stock, aber was sind schon vier, fünf Meter! Vor allem wenn man ein Seil mit hat. Okay, es war für die Überwindung der Mauer auf dem Rückweg gedacht, aber das spielte jetzt keine Rolle mehr.
Er band das Seil am Heizkörper fest und warf es hinaus. Es reichte reichlich. Er kletterte auf den Fenstersims und ergriff das Seil. Zehn Sekunden, dachte er, als er an der mit Efeu bewachsenen Mauer nach sicherem Tritt suchte, zehn Sekunden muss die Tür noch halten. Dann ist er unten, und dieser Vorsprung dürfte ihm reichen, um unbehelligt das Grundstück zu verlassen. Franz lächelte. Er stellte sich ihre Gesichter vor. Sie werden die Tür aufbrechen und dann feststellen, dass es umsonst war. Außer Spesen nichts gewesen. Tja, da hätten sie sie früher ausstehen müssen, um ihn zu fangen. Aber was soll's. Es sind ja nur Weiber. Was kann man schon von ihnen erwarten?
Als er unten ankam und sich umdrehte, sah er sie. Sie standen dicht an dicht und bildeten einem Halbkreis um ihn. Sie waren nackt. Nackt und furchterregend. Die rot bemalten Gesichter und die wirren Haare der Frauen jagten ihm einen solchen Schrecken ein, dass er für einen Moment wie paralysiert war. Und als ob das nicht genügte, schrien sie plötzlich auf. Alle auf einmal. Und warfen sich auf ihn. So ungefähr müsste man sich eine Attacke der Indianer im wilden Westen vorstellen. Die nackten Leiber und das Geschrei. Markdurchdringend. Ihm gefror das Blut in den Adern - er leistete keine Gegenwehr. Es wäre auch völlig zwecklos gewesen. Aus seinem eigenen Seil machten sie ein Lasso und banden seine Arme zuerst am Körper, dann auf seinem Rücken fest. Dann wurde das Seil von inzwischen in das Büro eingedrungenen hochgezogen. Wahrscheinlich hielt die Tür wirklich nur zehn Sekunden, er hatte also richtig gerechnet. Aber es war eine Milchmädchenrechnung. Die er jetzt gleichwohl bezahlen musste. Indem er sich vorbeugte - irgendwie musste er dem Zug an seinen Armen ja Rechnung tragen, nicht wahr?
Diesem Vorbeugen folgte ein Triumphgeheul. Sie fingen zu tanzen an. Er glaubte sich wirklich im wilden Westen. Doch dem war nicht so. Zum Glück nicht. Oder leider, wie man's nimmt.
„Was macht ihr da?“
Das Geschrei verstummte. Es wird also doch gesprochen hier. Sogar deutsch gesprochen. Endlich. Der Kreis teilte sich und gab den Blick auf die Sprecherin frei. Franz glaubte seinen Augen nicht. Sie war angezogen! Oder besser: sie war nicht ganz nackt.
„Wisst ihr denn nicht, wie ein Mann richtig gefesselt wird?“, sagte die Frau streng.
Ein Gemurmel antwortete ihr.
„Na also!“, der Frau genügte anscheinend das, was sie hörte: „Macht das schnell und dann ab mit ihm auf den Hügel! Und dass ihr mir keine Spielchen mit ihm treibt! Wir müssen erst erfahren, was er hier suchte! Ihr wartet also gefälligst, bis ich komme!“
Und weg war sie. Und binnen wenigen Sekunden war auch Franz‘ Kleidung weg. Sie zogen ihm alles aus. Und was sie ihm nicht ausziehen konnten, schnitten sie ihm einfach vom Leib. Als das Messer aufblitzte, hätte Franz sich beinahe in die Hose gemacht. Aber zu dem Zeitpunkt stand er schon ohne da. Mit auseinander gezogenen Beinen und mit je einem Frauenzimmer auf den Füßen. Sie saßen darauf und rieben sich ihre Mösen an seinem Spann. Wenn die Situation weniger bedrohlich wäre, hätte er einen Ständer bekommen davon. Bestimmt. Er bekam ihn auch bald, aber daran waren nicht die zwei nassen Mösen an seinen Füßen schuld. Von irgendwoher brachten sie einen Stock, vielleicht zwei Meter lang und mit einer Schlaufe aus glänzender Kordel am Ende. Schon wieder ein Lasso, dachte Franz in einem Anflug von Galgenhumor, die Weiber haben als Kinder wohl zu viele Westernfilme gesehen! Aber okay, wenn es ihnen Spaß macht. Er neigte den Kopf, doch die Frauen schenkten seiner Mitarbeit keine Beachtung.
Sie wollten seinen Kopf nicht.
Sie wollten seine Eier. Im Nu waren sie gefangen. Und im Nu war auch sein Schwanz steif. Ganz von alleine, weiß der Teufel, wie sie das gemacht haben. Franz war fassungslos. Die Weiber jedoch nicht, sie kannten das wohl schon. Jedenfalls quittierten sie die Auferstehung des Fleisches mit einem abermaligen Triumphgeheul.
Den Stock gaben sie der Jüngsten. Diese zog ein paar Mal an der Kordel, die durch den hohlen Stock führte, und machte einen Knoten. Mit jedem Zug legte sich die Schlinge enger um seine Eier, und erst als der Knoten am anderen Ende des Stockes endlich festsaß, wurde es besser. Was natürlich nicht im Sinne gut, besser, am besten zu verstehen war. Alles ist relativ, sagte schon Einstein, alles hängt vom Standpunkt des Betrachters ab. Und da Betrachter hier die Frauen waren, war Franz‘ Standpunkt gar nicht gefragt. Er musste schon zufrieden sein, wieder aufrecht stehen zu können. Seine Hände waren zwar noch auf dem Rücken gefesselt, aber das überschüssige Seil wurde abgeschnitten. Es war nicht nur überschüssig, es war überflüssig geworden. Eine Schlinge um seine Eier genügte und er musste gehen, wohin die Frau ihn zog.
Ein Mann hat seinen Eiern zu folgen.
Und er folgte. Weil frau es so wollte. Er war ihr Gefangener. Mit wippendem Schwanz folgte er dem Stock. Und die anderen Frauen tanzten. Gehend. Manche trugen etwas in der Hand. Es gab Fackel-, Geißel- und Messerträgerinnen. Nur die Schlangen fehlten. Die etwas reiferen Jahrgänge gingen hinterher. Singend. Tamburin und Laute begleiteten sie. Aber sie sangen nicht sehr schön. Dafür waren sie alle viel zu aufgeregt. Die Jagd auf den Mann hatte sie erhitzt. Dazu kam die Wirkung des Opferwassers. Wäre die Jagd nicht gewesen, lägen sie sich jetzt alle in den Armen. Aber nun mussten sie vernünftig sein. Schwere Aufgabe für eine Frau, deren Blut lodert. War es dann ein Wunder, wenn da Hände im Schritt verschwanden und zu löschen suchten, was das flammende Blut in Brand setzte. Sie mühten sich redlich, nur es nutzte nicht viel. Nicht dass es an Löschwasser fehlte - es lief ihnen reichlich die Schenkel entlang -, aber die Feuerteufel waren einfach zu viele.
Die Prozession wurde von einer einsamen Frau abgeschlossen, nackt auch sie. Blond und nackt. Aber sie sang nicht. Sie spielte auch nicht. Weder an einem Instrument noch mit sich selbst. Obwohl auch in ihr das Feuer loderte. Doch sie bekämpfte ihn anders. Sie bekämpfte ihn mit Tränen. Und mit der Geißel.
Es war Maria, die sich geißelte. Sie fühlte sich schuldig für das, was Franz zugestoßen war und ihm vielleicht noch zustoßen könnte. Sie erzitterte bei dem Gedanken. Und schlug sich heftiger. Über die Schulter auf den Hintern. Manchmal traf sie nicht richtig. Dann verschwanden die Riemen der Peitsche zwischen ihren Arschbacken. Und trafen ihre Möse. Die darauf wieder Feuer fing. Was die Tränen löschten, setzte die Peitsche wieder in Brand. Und es brannte. Schlimmer als zuvor. Ihre Möse brannte wieder. Lichterloh.
Werden die Tränen je dieses Brand löschen können?
Als Franz den Stein erblickte, erschrak er. Genaugenommen war es nicht der Stein, der ihm Angst einjagte, es war die darauf gebundene Frau. Obszön gespreizt lag sie wie tot da, erst als er näher kam, sah er, dass sie atmete. Schwer atmete. Sie atmete und stöhnte. Und blutete. Oder zumindest geblutet hatte. Eine dunkle Spur zog sich von ihrem Geschlecht über den Stein und von dort in einer imaginären Linie bis zu der Schale auf dem Boden. Die Schale war bis zu einem Drittel mit einer dunklen Flüssigkeit gefüllt, und Franz zweifelte nicht, dass es Blut war. Rot spiegelten sich die Feuer darin, und er dachte sofort an ein Beschneidungsritual, warum hätten sie die Frau sonst fesseln müssen.
Franz‘ Augen folgten seinen Gedanken und er war nicht wenig überrascht, als er zwischen den Beinen der Frau pulsierende Lippen und einen intakten, großen Kitzler entdeckte. Es wäre auch ein wenig abwegig, dachte er erleichtert, wenn man mitten in Europa diese antiken Praktiken wiederfände. Aber Gott sei Dank haben die deutschen Emanzen nichts mit Beschneidungen im Sinn. Eher schon mit dem Gegenteil. Gegenteil? Was ist das Gegenteil von beschneiden und zunähen? Wachsen lassen und öffnen, ist doch klar! Und diese junge Frau haben sie gerade geöffnet. Mit Messern geöffnet. Sie wurde gefesselt und dann wurde ihr das Messer in die Möse gerammt. Um sie zur Frau zu machen. Diesen männerhassenden Weibern ist wahrscheinlich schon der Gedanke, eine der ihren von einem Mann entjungfert zu wissen, unerträglich. So haben sie sich ein Ritual ausgedacht, bei dem sie das selbst besorgen können. Manche lassen sich ohnehin künstlich, das heißt von einem Arzt, öffnen, aber mit diesem Brimborium drum herum ist das natürlich viel wirkungsvoller.
Er spürte einen Zug an seinen Eiern, man schob ihn etwas zur Seite. Er wurde sich wieder seines steifen Schwanzes bewusst und schämte sich ein wenig deswegen. Warum eigentlich? Jeder Mann wäre stolz, über eine derart starke und so lange andauernde Erektion, warum nicht er? War es, weil sie so offensichtlich war? Weil Frauen ihn sahen? Weil er nichts dafür konnte? Der abgebundene Sack brannte, die kleinste Bewegung der Frau übertrug sich auf seinen Schwanz, der nichts anderes konnte als eben diese Bewegung wie ein empfindlicher Zeiger anzuzeigen. Immer wieder suchte Franz sich zu bedecken, doch schon im nächsten Moment wurde er durch die Fesseln daran erinnert, dass dies aussichtslos war.
Seine Hände gehörten ihm genauso wenig wie sein Geschlecht. Indem sie ihm die Eier fesselten, banden sie auch alles Männliche in ihm. Er hatte Angst um seine Eier. Er wurde seiner Kraft beraubt, fühlte sich verletzlich wie niemals zuvor. Ein Mann, der seine Erektion nicht gebrauchen kann, ist kein Mann mehr. Eine Erektion, die nicht zum Ziel führt, ist nicht nur nutzlos, sie ist peinlich. Sie macht einen Mann lächerlich.
Plötzlich erinnerte er sich, wie er oben im ersten Stock des Hauses über das Tabu des steifen Schwanzes in den Medien grübelte. Er dachte immer, es sind Frauen, die sich dagegen wehren, steife Schwänze abgebildet zu sehen, weil sie sich von ihnen bedroht fühlen. Aber vielleicht sind es Männer selbst, die das nicht wollen. Eine Erektion wirkt zwar wie eine Waffe und hat wirklich auch etwas Bedrohliches in sich, doch dies gilt nur solange, wie diese Bedrohung real ist. Aber eine aufs Papier gebannte Erektion ist nicht real, ist wie eine abgebildete Pistole. Niemand fürchtet sich vor abgebildeten Pistolen, also fürchtete sich auch niemand vor abgebildeten Schwänzen. Mehr noch, je öfter eine Erektion zu sehen wäre, desto weniger würde sie gefürchtet werden. Deswegen darf sie nicht gezeigt werden. Sie muss geheim bleiben. Sie muss zu etwas Geheimnisvollen er- oder verklärt werden. Nur solange eine Waffe nicht allzu bekannt ist, ist sie wirkungsvoll. Der Mythos des Schwanzes als Waffe und als Bedrohung des Weibes sichert den Männern Macht. Und ein Mythos aufs Papier gebannt ist kein Mythos mehr.
Aber es gibt viele Arten von Bannen. Die zum Beispiel, mit der diese Weiber seinen Schwanz bannten, hatte nichts mit jener papierenden zu tun. Er dachte jetzt gewiss nicht ans Ficken, aber der Kerl zeigte einfach keine Ermüdungserscheinungen. Das war noch nie da. Das ging nicht mit rechten Dingen zu, das sind Hexen und haben ihn verhext. Bestimmt. Anders war dieses Phänomen nicht zu erklären. Gut, da lag eine Frau, gefesselt und offen wie sich das ein Mann nur wünschen kann, aber er war keiner von denen, die sobald sie ein Loch sehen, sofort ans Ficken denken. Er war kein Unmensch. Er konnte seinen Schwanz doch nicht in eine offene Wunde stoßen! Und all das Blut überall! Abgesehen davon erlaubten ihm diese Weiber ohnehin nicht, eine der ihren zu besteigen. Und dabei hätte er es bitter nötig, dieser Ständer wird ihm langsam zur Plage.
Zwei Frauen kamen und lösten die Fesseln der Frau. Sie halfen ihr aufzustehen, doch sie konnte nicht gehen. Sie kauerte, setzte sich auf die Erde und fiel schließlich um. Die Schenkel hielt sie gespreizt, als ob sie immer noch gefesselt wäre. Nur ihre Arme hielt sie jetzt anders. Eine Hand lag auf ihrer Brust und die andere zwischen ihren Beinen.
Die Arme, dachte Franz, sie hat sicher Schmerzen. Einen Messer hinein gerammt zu bekommen ist sicher kein Kinderspiel, oder? Doch weiter kam er in seinen Überlegungen nicht. Die Jüngste zog wieder an seinen Eiern. Er musste sich mit dem Rücken zum Stein stellen und darauf legen. Als er jedoch seine Arme und Beine ausbreiten sollte, um sich fesseln zu lassen, weigerte er sich. Das Bild der Frau vor Augen, die vor ihm in ihrem Blut auf dem gleichen Stein lag, veranlasste ihn dazu. Wenn sie schon ihre eigene Leute so zurichten, was könnte erst ihm blühen? Sicher werden sie ihn auch mit Messer traktieren!
Seine Eier hätten sich bei dem Gedanken zusammengezogen, wenn sie nicht schon erbarmungslos zusammengezogen wären. Und es wurde noch schlimmer. Das Mädchen zog einfach die Schlaufe um seinen Sack ein bisschen fester und er kapitulierte. Sicher, sein Widerstand war nicht von langer Dauer, aber was sollte er tun? Sie hatten ihn in der Schlinge, im wahrsten Sinne des Wortes. In diesem Zustand war Widerstand lebensgefährlich. Des Mannes Teuerstes hatten sie sich bemächtigt, nur ein Dummkopf oder ein Held gäbe seine Eier für ein bisschen Würde oder Ehre her. Und Franz war kein Dummkopf. Und ein Held wollte er auch nicht sein. Wozu? Nur um später, nach vielen Generationen und dem Sieg des Matriarchats als Widerstandskämpfer heimlich verehrt zu werden? Sicher, es hat etwas für sich, zu wissen, da kommen einmal arme versklavte Männer an sein Grab gepilgert, um seiner zu gedenken und gleichzeitig für sich neuen Mut zu schöpfen. Es sah schon die Grabinschrift:
Er gab sein Bestes her,
Friede seiner Seele.
Mehr würden die Behörden nicht erlauben, jeder Hinweis auf seine Tätigkeit als einer der ersten Kämpfer gegen das Matriarchat würde als Provokation aufgefasst und zum Anlass genommen, sein Grab zu schleifen.