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- 17.06.2010
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Find The River
Find The River
Ich stehe auf,ignoriere den Schimmel an der Wand.
Gehe ins Badezimmer. Nach dem Duschen gucke ich in den beschlagenen Spiegel. Zum Glűck sehe ich mich nicht.
Während des Frűhstűcks versuche ich den Nachrichten im Radio zu folgen, was mir nicht gelingt. Irgendwas von einem Busunglűck. Krieg in einem afrikanischen Land, dessen Namen ich noch nie gehőrt habe. Barack Obama will Soldaten aus Afghanistan abziehen. Oder aus dem Irak? Ich weiβ es nicht.
Ich will gerade ins Treppenhaus, da kommt Emily aus meinem Zimmer.
„Hey.“
„Hey.“
„Hast du mich vergessen?“
Nein,das habe ich nicht. Wollte dich nur nicht aufwecken, du hast so ruhig geschlafen.
„Ja.“
Anstelle einer Antwort wirft sie mit den Socken nach mir, die sie in der Hand hält.
„Wie, zum Teufel, hälst du es eigentlich mit mir aus?“, frage ich sie, neugierig.
„Du bist schon ganz in Ordnung.“ Sie guckt mir ernst in die Augen. Ich werde rot, wie immer wenn sie mir in die Augen guckt.
Ich will gerne etwas sagen, irgendwas, tue es aber nicht. Hoffe sie versteht mich auch so.
Ich verbringe den Tag in der Uni, indem ich viel Kaffee trinke, damit ich nicht einschlafen während der Vorlesung. Nicht, dass mich mein Studium langweilen wűrde; im Gegenteil. Ich wűrde gerne mehr mitbekommen, nur bin ich so műde. Ich schlafe zu wenig. Die Studentin neben mir, Isabella (Katharina?) versucht seit Tagen, mich in ein Gespäch zu verwickeln. Ich gehe nicht drauf ein. Ich mag Sie. Mag, wie sie sich manchmal mit dem Professor anlegt. Wie sie manchmal spőttisch die Lippen verzieht, wenn jemand etwas unsinniges sagt.
Ich fűhle mich ihr nicht gewachsen, denke nicht, dass ich ihren Ansprűchen gewachsen bin. Deswegen halte ich die Klappe.
Ich őffne die Bierdose und frage mich, warum ich immer das teure Bier nehmen muss.
Das Wasser kocht. Ich stelle die Musik lauter, Michael Stipe singt von dem schlechtesten Witz űberhaupt, konzentriere mich auf die Zubereitung des Essens.
Ich habe das unbegrűndete Gefűhl, dass mich Emily verlassen wird, wenn das Essen nichts wird. Was schwachsinnig ist. Meine Paranoia ist da anderer Meinung.
Sie kommt herein, ich tue so, als hätte ich alles im Griff. Darin bin ich ziemlich gut.
„Ich liebe es, dir beim Kochen zuzusehen.“
„Ich liebe es, dir beim Essen zuzusehen.“
„Und deshalb sind wir so ein perfektes Paar.“
Es ist Nacht.
Neben mir schläft Emily, ich hőre zu, wie regelmäβig sie atmet. Ich bin nicht műde, ein wenig schläfrig, vielleicht. Ich denke nach. Der Tag, műβte mehr als 24 Stunden haben, wer soll es schon schafen, alles zu verarbeiten, alles zu durchdenken. So bleibt uns nichts anderes űbrig, als mit nicht zu Ende gedachten Gedanken, mit unvollendeten Plänen zur Uni zu gehen. Oder zur Arbeit. Wohin auch immer. Wenn wir nur mehr Zeit hätten, mehr Zeit...ich bin eingeschlafen.
„Was ist mit dir los?“
Ich űberlege. Gute Frage.
„Gute Frage.“
Sie guckt mich lange an. Sie durchschaut mich; sie ist so verdammt gut.
„Wie oft soll ich’s dir noch sagen: Mach es dir nicht so schwer.“
„Was meinst du?“
„Ich mein...alles. Mach dir nicht alles so schwer.“
„Es ist aber alles schwer.“
„Nein, ist es nicht. Ziemlich viel ist sogar ziemlich einfach.“
„Nenn mir eine Sache, die einfach ist.“
„Atmen.“
„Zähllt nicht.“
„Was ich sagen will ist: Wenn man aufhőrt, zu glauben, alles sei schwer, dann hőren die meisten Dinge auch auf, schwer zu sein.“
„Noch’n Kaffee?“
Der Schimmel an der Wand ist weg.
Ich bin aufgestanden und er war weg. Einfach so.
Aus dem Irak. Obama will die Soldaten aus dem Irak abziehen, was ich gut finde. Das habe ich heute beim Frűhstűck gehőrt. Nicht dass ich‘ s gut finde, sondern, dass er die Soldaten abgezogen hat.
Michael Stipe bittet die Sonne, doch noch einmal die Welt zu umkreisen und ich denke, dass irgendwann, vielleicht, unter Umständen,eventuell alles doch noch einigermaβen gut wird.
Oder so.