Flaschenpost
„Äh, was?!“ Ich umdrehe mich und wische mir die Augen aus dem Sand, „hab ich lang geschlafen?“
Du denkst es seien Hüllen, die dich umschleiern wie Nebel? Wabernde Bilder des Vortags, die deine Gedanken zerfetzen? Wie Blasen, die das Licht umspielt, die zerplatzen, zerbersten mit lautem... Nichts. Ha, die Augen! Du schlägst sie auf, „Noch eine?“ Ich nehme das rote Ding und schlucke. Umgucke mich, noch eine. Ich nehme sie und schlucke. Ich spül mir die Flasche runter und stell das Wasser daneben.
„Du siehst scheiße aus.“ Ich weiß. Langsam werden meine Gedanken klarer. Ich zwinkere ein paar Mal mit den Augen und schaue wieder in den Spiegel, „Du siehst wirklich scheiße aus. Hör auf mit dem Zeug.“
Will ich ja, denke ich.
Morgen, denke ich.
Hab doch erst angefangen, denke ich.
Wieder wird alles verschwommener. Ich stecke meine Nase auf den Finger und denke. Ich denke und, „Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaarhhhhhhggg.“ War das laut? Wer war das? Langsam richte ich mich auf und umsehe mich, „Wer war das?“ will ich wissen. Nimm sie weg! „Nimm sie wieder weg!“ schreie ich und falle um. An meinen Beinen spüre ich das kalte Metall der Dosen auf meinem Bett. Mein Kopf liegt nun auf dem Boden und meine Schulter liegt daneben. Mein Brustkorb auch, glaube ich. Kopfartig wende ich meinen Blitz und sehe mir auf die Brust. Nichts. Zum Glück, aber es hatte sich so angefühlt.
Ich trage ein T-Shirt und eine Boxer Shorts. Das T-Shirt um meinen linken Fuß gebunden und die Boxer Shorts auf dem Kopf.
„Ich will immer noch wissen, wer das war!“ schreie ich in den Raum. Wieso habe ich… „FLASCHE!“, fällt mir das Wort ein und brülle es raus, „verdammte scheiß Flasche!“ Mein Finger ist rot und angeschwollen und legt sich von innen an den Flaschenhals, „Aaaaaaaaaaaarhhhg! Flascheeeeeeee!“ Das krieg ich wieder hin. Langsam ziehe ich mein rechtes Bein in Richtung Kopf, ich rutsche, rutsche weiter, und… vom Bett, stürze mit dem Steißglas auf ein Bein, springe auf. Augen rutschen unter die Shorts. Ein, zwei Sprünge, ich stürze wieder, Scheiße. Tür, dann: Ich greife den… verfehlt. Mit dem Kopf auf die Klinke und ich liege nackt im Flur. Bis auf die Shorts auf dem Kopf und das T-Shirt am Fuß.
Ich ziehe meine Hand vor das Gesicht und schiebe die Shorts mit dem Daumen von den Augen. „Warum habe ich eine…“ Tür geht auf. „…Flasche auf dem Finger?“
Er sieht mich an als hätte er mich tausendmal so liegen sehen. „Du liegst nackt im Flur“, sagt er.
Ich sehe hoch, „Ich HABE eine FLASCHE auf dem Finger!“ Die Tür schlägt zu und die Augen schlagen mich auf. War da jemand?
Der Sack piekst meinen Teppich als ich mich ins Zimmer ziehe, „Wie bist du da nur draufgekommen?“ Zack, die Tür zu. Mit dem Fuß. Ich betrachte meinen Finger in der Flasche. Er ist rot und geschwollen. Und steckt fest. Die Flasche ist leer, bis auf meinen Finger und unten drin eine kleine Tüte mit den blauen. Flaschenpost.
Ich sehe nach oben. Die Decke bewegt sich, die Muster kommen wieder. Sehe zurück. Die Tür wandert. Der Teppich wird wieder größer, er stellt sich auf seine vier Ecken und schreit mich an. Er kommt auf mich zu. Seine Fransen berühren mich fast, da springe ich vors Bett und greife eine der roten. Ich schlucke sie, nehme noch eine. Dann Wasser, Whiskey, Wodka, …die Flaschen sind leer. Alle. Ich schlucke trocken und schließe die Augen. Es hört auf. Die roten machen gut. Die blauen sind müde. Ich atme so schwer, ich muss schlafen. Ich brauche eine von den blauen.
Ich zerschlage die Flasche am Bettpfosten und nehme die kleine Tüte. Noch fünf Stück. Ich weiß jetzt nichts mehr von gestern, morgen nichts mehr von heute. Zwei von blau sind zuviel. Ich muss blau kontrollieren, das weiß ich wieder. Muss mich kontrollieren. Ich schlucke eine blaue. Kein Wasser, trocken. Vier in der Tüte. Auf mir neben dem Boden liegt Klebeband. Ich nehme es und klebe mir die Tüte auf den Rücken. Das schützt mich vor morgen. Ich warte, dass mir die Augen zufallen und denke. Ich denke. Rot, denke ich… Macht rot gar nicht gut? Dann schlafe ich ein.