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Flaschenpost

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09.04.2005
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Flaschenpost

„Äh, was?!“ Ich umdrehe mich und wische mir die Augen aus dem Sand, „hab ich lang geschlafen?“
Du denkst es seien Hüllen, die dich umschleiern wie Nebel? Wabernde Bilder des Vortags, die deine Gedanken zerfetzen? Wie Blasen, die das Licht umspielt, die zerplatzen, zerbersten mit lautem... Nichts. Ha, die Augen! Du schlägst sie auf, „Noch eine?“ Ich nehme das rote Ding und schlucke. Umgucke mich, noch eine. Ich nehme sie und schlucke. Ich spül mir die Flasche runter und stell das Wasser daneben.
„Du siehst scheiße aus.“ Ich weiß. Langsam werden meine Gedanken klarer. Ich zwinkere ein paar Mal mit den Augen und schaue wieder in den Spiegel, „Du siehst wirklich scheiße aus. Hör auf mit dem Zeug.“
Will ich ja, denke ich.
Morgen, denke ich.
Hab doch erst angefangen, denke ich.
Wieder wird alles verschwommener. Ich stecke meine Nase auf den Finger und denke. Ich denke und, „Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaarhhhhhhggg.“ War das laut? Wer war das? Langsam richte ich mich auf und umsehe mich, „Wer war das?“ will ich wissen. Nimm sie weg! „Nimm sie wieder weg!“ schreie ich und falle um. An meinen Beinen spüre ich das kalte Metall der Dosen auf meinem Bett. Mein Kopf liegt nun auf dem Boden und meine Schulter liegt daneben. Mein Brustkorb auch, glaube ich. Kopfartig wende ich meinen Blitz und sehe mir auf die Brust. Nichts. Zum Glück, aber es hatte sich so angefühlt.
Ich trage ein T-Shirt und eine Boxer Shorts. Das T-Shirt um meinen linken Fuß gebunden und die Boxer Shorts auf dem Kopf.
„Ich will immer noch wissen, wer das war!“ schreie ich in den Raum. Wieso habe ich… „FLASCHE!“, fällt mir das Wort ein und brülle es raus, „verdammte scheiß Flasche!“ Mein Finger ist rot und angeschwollen und legt sich von innen an den Flaschenhals, „Aaaaaaaaaaaarhhhg! Flascheeeeeeee!“ Das krieg ich wieder hin. Langsam ziehe ich mein rechtes Bein in Richtung Kopf, ich rutsche, rutsche weiter, und… vom Bett, stürze mit dem Steißglas auf ein Bein, springe auf. Augen rutschen unter die Shorts. Ein, zwei Sprünge, ich stürze wieder, Scheiße. Tür, dann: Ich greife den… verfehlt. Mit dem Kopf auf die Klinke und ich liege nackt im Flur. Bis auf die Shorts auf dem Kopf und das T-Shirt am Fuß.
Ich ziehe meine Hand vor das Gesicht und schiebe die Shorts mit dem Daumen von den Augen. „Warum habe ich eine…“ Tür geht auf. „…Flasche auf dem Finger?“
Er sieht mich an als hätte er mich tausendmal so liegen sehen. „Du liegst nackt im Flur“, sagt er.
Ich sehe hoch, „Ich HABE eine FLASCHE auf dem Finger!“ Die Tür schlägt zu und die Augen schlagen mich auf. War da jemand?
Der Sack piekst meinen Teppich als ich mich ins Zimmer ziehe, „Wie bist du da nur draufgekommen?“ Zack, die Tür zu. Mit dem Fuß. Ich betrachte meinen Finger in der Flasche. Er ist rot und geschwollen. Und steckt fest. Die Flasche ist leer, bis auf meinen Finger und unten drin eine kleine Tüte mit den blauen. Flaschenpost.
Ich sehe nach oben. Die Decke bewegt sich, die Muster kommen wieder. Sehe zurück. Die Tür wandert. Der Teppich wird wieder größer, er stellt sich auf seine vier Ecken und schreit mich an. Er kommt auf mich zu. Seine Fransen berühren mich fast, da springe ich vors Bett und greife eine der roten. Ich schlucke sie, nehme noch eine. Dann Wasser, Whiskey, Wodka, …die Flaschen sind leer. Alle. Ich schlucke trocken und schließe die Augen. Es hört auf. Die roten machen gut. Die blauen sind müde. Ich atme so schwer, ich muss schlafen. Ich brauche eine von den blauen.
Ich zerschlage die Flasche am Bettpfosten und nehme die kleine Tüte. Noch fünf Stück. Ich weiß jetzt nichts mehr von gestern, morgen nichts mehr von heute. Zwei von blau sind zuviel. Ich muss blau kontrollieren, das weiß ich wieder. Muss mich kontrollieren. Ich schlucke eine blaue. Kein Wasser, trocken. Vier in der Tüte. Auf mir neben dem Boden liegt Klebeband. Ich nehme es und klebe mir die Tüte auf den Rücken. Das schützt mich vor morgen. Ich warte, dass mir die Augen zufallen und denke. Ich denke. Rot, denke ich… Macht rot gar nicht gut? Dann schlafe ich ein.

 

Hallo guanem,

ich habe deine Geschichte durchgelesen, grade aber keine Zeit, mich mehr
damit zu beschäftigen (es gäbe noch einiges zu bemerken-später dann).
Mal vorweg: Mir hat die Beschreibung des Deliriums deines Prot sehr gut gefallen :). Man konnte sich seine Orientierungslosigkeit gut vorstellen ;.
Der Schreibstil ist zwar etwas gewöhnungsbedürftig, paßt aber genau zu der Situation.

Eine Sache muß ich als Frau nun aber doch noch schnell wissen, da ich mich da nicht so auskenne ;) :

Der Sack piekst meinen Teppich als ich mich ins Zimmer ziehe,

Hast du das wirklich so gemeint? :D

Lieber Gruß
ber

 

Hallo bernadette,

bernadette schrieb:
Hast du das wirklich so gemeint?

...tja, hab ich das wirklich so gemeint? Wie Dir wahrscheinlich aufgefallen ist, sind in dem Text einige Worte verdreht. So ist das an dieser Stelle auch. So hab ich's dann aber auch gemeint.

Freue mich auf weitere Anmerkungen von Dir.

Gruß,
Gunnar

 

Hey guanem,

eine gelungene Geschichte. Wirkt kafkaesk und die verdrehte Sprache verdeutlicht sehr gut, wie die Drogen die Sinne des Protagonisten benebeln.
Die Details kommen verzweifelt-grotesk daher, was dem ganzen eine tragikomische Note verleiht.

Hat mir sehr gut gefallen.

Gruß,
M.

 

Hallo M.,

vielen Dank für Dein Lob. Es freut mich, dass meine Geschichte so bei Dir ankommt wie ich sie darstellen wollte, besonders das tragisch Komische.

Gruß,
Gunnar

 

Hi Gunnar,

Freue mich auf weitere Anmerkungen von Dir.

Na, nachdem ich mir richtig Zeit genommen habe, muss ich doch schreiben, dass ich textformal nichts mehr anzumerken habe :sealed:.
Man sollte einfach keine Kommentare abgeben, wenn man nicht genug Zeit hat ;).
Ich bleibe einfach dabei: Gefällt mir :thumbsup:.

Lieber Gruß
ber

 

Hallo bernadette,

also kommt doch keine große Kritik mehr von Dir. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass Du mir ne Menge Verbesserungsvorschläge machst, zumindest hatte sich Dein Eintrag danach angehört.

Wenn Du nichts weiter zu kritisieren hast: Umso besser. Freut mich, dass Dir der Text gefällt.

Gruß,
Gunnar

 

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