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Flick-Flack von Mythen
Flick-Flack von Mythen aus Tüten
oder
Ev'rybody has a skeleton in his closet
Zum Totentanz spielt auf Lightnin' Hopkins "I forgot to pull my shoes off". Hernach predigt dieser Widergänger gemeinsam mit John Lee Hooker "It's a sin to be rich, it's a low-down shame to be poor". Denn: Dowdy ist tot! Plötzlich, wenn auch nicht unerwartet, gemeuchelt von langer Hand. Im frühen Abendrot eines kurzweiligen, weil bewegten und umstrittenen Lebens, wurde Dowdy liquidiert. Ist darum die Geschichte der Geschichte Dowdies zu Ende - Dowdy also so tot, wie man nur sein kann?
Als die Trauergemeinde sich beruhigt hat und nicht mehr tanzt, lauscht das versammelte Volk einer Frau im schwarzen Talar, die wir aus anderen Geschichten zu kennen meinen. Unterm versammelten Volk erkennen wir Kinder Dowdies - Gretel und turbantragende Holländer, aber auch Caspar mit seiner Bagage - und Mad Hatter, Grinsekatze, Humpty Dumpty und viele andere, dass wir wissen sollten, wer da spricht: "Ich glaube an die Macht Mammons, den allmächtigen Schöpfer von oben und unten, arm und reich und allem, was dazwischen ist."
Wegen eines Überangebots an Fischmehl knicken dieser Tage die Kurse an der New Yorker Börse ein. Der freie Handel mit Emissionen bricht aus unbekannten Gründen gänzlich zusammen. Nach ungeschriebenem Gesetz führt ein schleppender Emissionshandel zu wachsenden Investitionen in Imissionen. Umso mehr wird jedermann im Falle des Zusammenbruchs im eignen Dreck versinken. Die Zusammenhänge sollen Emissäre aufklären unter Leitung des Oberinspektors Derrick.
"Wat soll der bulshit?", ruft das Publikum und spuckt auf den Boden mit einem "fuck your mother!", dass Mama ans Kotzen kommt. Mutter Erde speit ihre Bälge und Motherfucker zurück mit je einem herzlichen "fick dich ins Knie!", was dem Sohn und Gatten, Vater und Halbbruder von Schwellfuß nicht gefallen wird, es sei denn, aus Oidipus würde ein Oidiphallos. Niemals jedoch werden Mama und Mammon ein Paar!
Dowdy sei tot? Besteht denn keine Hoffnung, selbst wenn manche behaupten "Elvis lebt!", und andere hinzufügen "Auch wenn er gleich stürbe"? Einige wollen in diesen nebelichten Tagen gesehen haben, wie Elvis mit John Lennon im Gepäck über den Wassern schwebte und "Imagine" sang. Strittig bleibt bei all den Erzählungen, ob Elvis Johnny B. Goode Huckepack trug, auf den Arm nahm oder an der Hand führte. Dowdy wäre also tot? Wir zweifeln!
Herr Flack gilt gemeinhin als großer Mann. Wers bezweifelt, wird zumindest zugeben, dass Flack stinkreich war und zwo Imperien ohnegleichen schuf. Per se löst großer Reichtum Bewunderung aus und erzeugt den Mythos menschlicher Größe, selbst wenn dieser Mensch ein Giftzwerg wäre. Flack erwarb sich den Titel eines Kroisos. Kroisos war hinterlistig und hinterhältig. Zimperlichkeit war seine Sache nicht. Darum wurde Kroisos vom obsiegenden Kyros wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit Kerker bestraft. Die Lydier aber brauchten ihn, pfiffen aufs Urteil der Siegermächte und begnadigten den diplomierten Rechtbrecher. Brach Kroisos zunächst das Recht, so beugte es sich hernach vor ihm. So kam Kroisos vor seiner Zeit frei, um ein neues Imperium zu schaffen.
Kroisos war kein Held. Er hatte Angst: Angst vorm Leben, Angst vorm Sterben und allem, was dazwischen ist. Vor allem fürchtete er sich vor Menschen, die ihm grundsätzlich als schlecht galten und die ihm den Reichtum neideten. Da er fürchtete, entführt zu werden, ließ er sich eine uneinnehmbare Festung bauen. Gleichwohl blieb Kroisos sterblich und das Kroisoleum wurde schneller geschleift als das uralte Troia. Kroisos - oder besser: das was von ihm übrig geblieben ist, wurde in diesen nebelichten Tagen entführt.
Die Priesterin im schwarzen Talar fährt fort: "Ich glaube an Dowdy Jones,
kein Unikat unter Mammons korrupten Bastarden, geboren am 5. Oktober unter ungeklärten Umständen in nicht geklärten Verhältnissen, am Tage vorm Reformationsfest gleichen Mondes verurteilt durch geblendete Auguren des Marktes, gerichtet von unsichtbarer Hand, geschreddert, preisgegeben der großen Ablage und hinabgestiegen in Geschichtslosgkeit, niedergefahren zur Hölle, tags darauf aufgestanden von den Toten, aufgefahren nach ganz oben, sitzend zur Rechten van der Beurse zu Antwerpen wie der stock exchangin' gang zu London und New York to be traded,
rewarding the rich and to bankrupt the poor."
Einige Friedhofsgänger berichten, sie hätten John Lennon und Betty Smith vorm Kroisoleum gesehen und vor allem mit "Nobody loves you, when you down and out" gehört. Doch ruhte Kroisos gar nicht in Mutter Erde, sondern in festen nekropolitischen Mauern. Verwundert stellt die Polizei fest, dass es wohl für die Wiedergänger Zeugen, nicht aber für die Entführung gäbe. Allein dem Emissär Derrick, dem die Leitung der unverzüglich nach der Tat gegründeten Sonderkommission anvertraut wurde, wundert sich nicht, denn gäbe es "einen bekennenden Zeugen, so müsste er fürchten, dass wir ihn als nekrophil ansähen. Doch selbst wenn ein Nekrophiler die Tat beobachtet hätte -
zum einen können logistische Probleme nur mithilfe größerer Fahrzeuge und Maschinen gelöst worden sein, zum andern kann der Vorgang nicht geräuschlos über die Bühne, 'tschuldigung, auf dem Kirchhof vorgefallen sein, die Entführung kann also gar nicht unbemerkt geblieben sein -
wenn also einer den Vorgang beobachtet hat, so unterliegt er wie alle andern auch der Nekrophobie, wäre er auch gleich Nekrophilister." Der Assistent ergänzt: "Und die Nekrophobie obsiegt allemal übers Nekrophilistertum ... als wär's nicht pervers genug, einen Leichnam zu entführen ..." und hat Fragen über Fragen: Wer könnte so pervers sein? Wie könnten Lösegeldforderungen aussehen? Wie eine Freilassung, in welchem Zustand wäre der Entführte, litte seine Psyche? Gab es ähnliche Vorfälle? Gar einen Präzedenzfall?
Da hakt Derrick ein: "Harry, ich entsinne mich eines ähnlichen Falles. Es war zu der Zeit, als Tiberius Imperator war ..."
"Das muss aber schon lange her sein", meint der Assistent.
"Das ist richtig, Harry. Lange vor deiner Zeit und ich kann mich auch kaum daran erinnern. - Die Tat geschah an einem Ostermorgen, das weiß ich noch ganz genau ..."
Ein "Wegen der Ostereier?", kann Harry sich nicht verkneifen.
" ... zumindest fiel einigen Frauen auf, dass die Grabstätte, die sie besuchen wollten, leer war. Zwölf oder dreizehn Briefe der Entführer gingen ein. Wenn ich es richtig erinnere, dauerte es vierzig Tage, bis der Fall aufgeklärt war."
"Was war denn die Forderung der Erpresser?"
"Ganz kurios, Harry. 's war halt ein merkwürdiger Fall. Die Entführer forderten den Heiligen Vater zu einer radikalen Reform der Gemeinde auf, andernfalls - so ihre Drohung - würde man den Leichnam wiederbeleben ..."
Harry ruft nun: "Typisch, dieser Luther - der war mir immer schon suspekt - betreibt sogar bodynapping für sein Geschäft und droht mit dem Revival!"
Derrick lacht: "Nee, Harry, nicht Luther, noch wesentlich früher. - Und die Entführer setzten sich durch, denn selbst dem Kephas, der damals den Papa gab, erschien am vierzigsten Tag sein ehemaliger und gehenkter Boss leibhaftig. Die Erpresser unter Führung eines Mannes aus dem südlichen Anatolien ..."
"Alle Fundamentalisten, ich versteh", wirft Harry ein.
" ... ich weiß nicht mehr, ob's ein Türke, Kurde oder Syrer war, setzten sich durch."
"Der Entführte wurde aber freigelassen ..."
"Ja, doch, Harry. -
Dann hol doch mal die Akte. Die muss ganz unten im Archiv verstauben ..."
Mrs. Alice Pleasance Liddell schließt: "Ich glaube an die wohltuende Wirkung der unsichtbaren Hand in einer globalisierten Welt, die neoliberale Gemeinde und Vergebung der Sünden, Auferstehung gammelnden Fleisches und ein ewiges Wachstum. -
Friede unserer Asche!"
Die Trauergemeinde jubelt ein "Oh happy day".
Der Fall Kroisos zieht weite Kreise. Bis gerade jetzt jemand - überraschend für die Polizei, da man mit Forderungen gegenüber der Flackfamilie rechnete - im Bundeskanzleramt anruft. Glücklicherweise kann Herr Schäuble das Gespräch bezeugen, obwohl die Zeugenschaft dramatische Folgen für seine Karriere haben wird und die Bänder des ersten Gesprächs wenig Konkretes hergeben.
Der Chef des Kanzleramtes hebt ab: "Määsiejähr!"
Eine kratzige, wahrscheinlich verstellte (Verdacht auf Helium) Stimme antwortet durch sich verstärkende Nebengeräusche, dass man Flack allein unbeschädigt bekäme bei Zahlung einer Milliarde ... ansonsten ... Fischmehl ... Vieles geht unter im Knacken, Rauschen, Brummen und Summen der Nebengeräusche. Nicht nur Schäubles Kragen platzt und er mischt sich ins Gespräch. Bittet, das Gespräch in einer halben Stunde zu wiederholen, "da werden wir die Störsender beseitigt haben und Frau Bundeskanzler wird dann ihr kompetenter Gesprächspartner sein!"
Der Chef des Kanzleramtes gibt sich ob der nicht erwarteten Unterbrechung erstaunt und droht dem Polizeiminister Konsequenzen an. Der höhnt nur, dass gerade Staats- und Parteispitzen zur eigenen Sicherheit seines Schutzes bedürften.
Gleichwohl: eine halbe Stunde später sind die technischen Probleme gelöst und die Kanzlerin geht ans Telefon, nennt ihren Namen.
Die Heliumstimme will sofort loslegen, wird aber abrupt ...
"Mit wem sprech ich denn, bitteschön?", herrscht die Kanzlerin die andere Seite an.
Nun ist sie zunächst verblüfft, wackelt mit dem Kopf, rudert mit den Armen und brüllt dann los: "Woll'n S'e mich verarschen?", legt auf und beruhigt sich mit einem "Verarschen kann ich mich selber!".
Was die andere Seite geantwortet hat?
Es hörte sich an wie "Märklin" ... oder noch genauer "Merkle" ...
In jedem Fall stürzen die Preise und Kurse für Fischmehl. Herr Maizière erhält von der Chefin den Auftrag, Herrn Schäuble auf seiner Gehhilfe festzuschnallen und in der Spree zu versenken. Eigentümer der Pharmaindustrie spielen Reise nach Jerusalem. Emissionäre imissionieren ein ungläubiges Publikum und wir schauen zu.