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Flick-Flack von Mythen

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12.04.2007
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Flick-Flack von Mythen

Flick-Flack von Mythen aus Tüten
oder
Ev'rybody has a skeleton in his closet

Zum Totentanz spielt auf Lightnin' Hopkins "I forgot to pull my shoes off". Hernach predigt dieser Widergänger gemeinsam mit John Lee Hooker "It's a sin to be rich, it's a low-down shame to be poor". Denn: Dowdy ist tot! Plötzlich, wenn auch nicht unerwartet, gemeuchelt von langer Hand. Im frühen Abendrot eines kurzweiligen, weil bewegten und umstrittenen Lebens, wurde Dowdy liquidiert. Ist darum die Geschichte der Geschichte Dowdies zu Ende - Dowdy also so tot, wie man nur sein kann?
Als die Trauergemeinde sich beruhigt hat und nicht mehr tanzt, lauscht das versammelte Volk einer Frau im schwarzen Talar, die wir aus anderen Geschichten zu kennen meinen. Unterm versammelten Volk erkennen wir Kinder Dowdies - Gretel und turbantragende Holländer, aber auch Caspar mit seiner Bagage - und Mad Hatter, Grinsekatze, Humpty Dumpty und viele andere, dass wir wissen sollten, wer da spricht: "Ich glaube an die Macht Mammons, den allmächtigen Schöpfer von oben und unten, arm und reich und allem, was dazwischen ist."

Wegen eines Überangebots an Fischmehl knicken dieser Tage die Kurse an der New Yorker Börse ein. Der freie Handel mit Emissionen bricht aus unbekannten Gründen gänzlich zusammen. Nach ungeschriebenem Gesetz führt ein schleppender Emissionshandel zu wachsenden Investitionen in Imissionen. Umso mehr wird jedermann im Falle des Zusammenbruchs im eignen Dreck versinken. Die Zusammenhänge sollen Emissäre aufklären unter Leitung des Oberinspektors Derrick.

"Wat soll der bulshit?", ruft das Publikum und spuckt auf den Boden mit einem "fuck your mother!", dass Mama ans Kotzen kommt. Mutter Erde speit ihre Bälge und Motherfucker zurück mit je einem herzlichen "fick dich ins Knie!", was dem Sohn und Gatten, Vater und Halbbruder von Schwellfuß nicht gefallen wird, es sei denn, aus Oidipus würde ein Oidiphallos. Niemals jedoch werden Mama und Mammon ein Paar!

Dowdy sei tot? Besteht denn keine Hoffnung, selbst wenn manche behaupten "Elvis lebt!", und andere hinzufügen "Auch wenn er gleich stürbe"? Einige wollen in diesen nebelichten Tagen gesehen haben, wie Elvis mit John Lennon im Gepäck über den Wassern schwebte und "Imagine" sang. Strittig bleibt bei all den Erzählungen, ob Elvis Johnny B. Goode Huckepack trug, auf den Arm nahm oder an der Hand führte. Dowdy wäre also tot? Wir zweifeln!

Herr Flack gilt gemeinhin als großer Mann. Wers bezweifelt, wird zumindest zugeben, dass Flack stinkreich war und zwo Imperien ohnegleichen schuf. Per se löst großer Reichtum Bewunderung aus und erzeugt den Mythos menschlicher Größe, selbst wenn dieser Mensch ein Giftzwerg wäre. Flack erwarb sich den Titel eines Kroisos. Kroisos war hinterlistig und hinterhältig. Zimperlichkeit war seine Sache nicht. Darum wurde Kroisos vom obsiegenden Kyros wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit Kerker bestraft. Die Lydier aber brauchten ihn, pfiffen aufs Urteil der Siegermächte und begnadigten den diplomierten Rechtbrecher. Brach Kroisos zunächst das Recht, so beugte es sich hernach vor ihm. So kam Kroisos vor seiner Zeit frei, um ein neues Imperium zu schaffen.
Kroisos war kein Held. Er hatte Angst: Angst vorm Leben, Angst vorm Sterben und allem, was dazwischen ist. Vor allem fürchtete er sich vor Menschen, die ihm grundsätzlich als schlecht galten und die ihm den Reichtum neideten. Da er fürchtete, entführt zu werden, ließ er sich eine uneinnehmbare Festung bauen. Gleichwohl blieb Kroisos sterblich und das Kroisoleum wurde schneller geschleift als das uralte Troia. Kroisos - oder besser: das was von ihm übrig geblieben ist, wurde in diesen nebelichten Tagen entführt.

Die Priesterin im schwarzen Talar fährt fort: "Ich glaube an Dowdy Jones,
kein Unikat unter Mammons korrupten Bastarden, geboren am 5. Oktober unter ungeklärten Umständen in nicht geklärten Verhältnissen, am Tage vorm Reformationsfest gleichen Mondes verurteilt durch geblendete Auguren des Marktes, gerichtet von unsichtbarer Hand, geschreddert, preisgegeben der großen Ablage und hinabgestiegen in Geschichtslosgkeit, niedergefahren zur Hölle, tags darauf aufgestanden von den Toten, aufgefahren nach ganz oben, sitzend zur Rechten van der Beurse zu Antwerpen wie der stock exchangin' gang zu London und New York to be traded,
rewarding the rich and to bankrupt the poor."

Einige Friedhofsgänger berichten, sie hätten John Lennon und Betty Smith vorm Kroisoleum gesehen und vor allem mit "Nobody loves you, when you down and out" gehört. Doch ruhte Kroisos gar nicht in Mutter Erde, sondern in festen nekropolitischen Mauern. Verwundert stellt die Polizei fest, dass es wohl für die Wiedergänger Zeugen, nicht aber für die Entführung gäbe. Allein dem Emissär Derrick, dem die Leitung der unverzüglich nach der Tat gegründeten Sonderkommission anvertraut wurde, wundert sich nicht, denn gäbe es "einen bekennenden Zeugen, so müsste er fürchten, dass wir ihn als nekrophil ansähen. Doch selbst wenn ein Nekrophiler die Tat beobachtet hätte -
zum einen können logistische Probleme nur mithilfe größerer Fahrzeuge und Maschinen gelöst worden sein, zum andern kann der Vorgang nicht geräuschlos über die Bühne, 'tschuldigung, auf dem Kirchhof vorgefallen sein, die Entführung kann also gar nicht unbemerkt geblieben sein -
wenn also einer den Vorgang beobachtet hat, so unterliegt er wie alle andern auch der Nekrophobie, wäre er auch gleich Nekrophilister." Der Assistent ergänzt: "Und die Nekrophobie obsiegt allemal übers Nekrophilistertum ... als wär's nicht pervers genug, einen Leichnam zu entführen ..." und hat Fragen über Fragen: Wer könnte so pervers sein? Wie könnten Lösegeldforderungen aussehen? Wie eine Freilassung, in welchem Zustand wäre der Entführte, litte seine Psyche? Gab es ähnliche Vorfälle? Gar einen Präzedenzfall?
Da hakt Derrick ein: "Harry, ich entsinne mich eines ähnlichen Falles. Es war zu der Zeit, als Tiberius Imperator war ..."
"Das muss aber schon lange her sein", meint der Assistent.
"Das ist richtig, Harry. Lange vor deiner Zeit und ich kann mich auch kaum daran erinnern. - Die Tat geschah an einem Ostermorgen, das weiß ich noch ganz genau ..."
Ein "Wegen der Ostereier?", kann Harry sich nicht verkneifen.
" ... zumindest fiel einigen Frauen auf, dass die Grabstätte, die sie besuchen wollten, leer war. Zwölf oder dreizehn Briefe der Entführer gingen ein. Wenn ich es richtig erinnere, dauerte es vierzig Tage, bis der Fall aufgeklärt war."
"Was war denn die Forderung der Erpresser?"
"Ganz kurios, Harry. 's war halt ein merkwürdiger Fall. Die Entführer forderten den Heiligen Vater zu einer radikalen Reform der Gemeinde auf, andernfalls - so ihre Drohung - würde man den Leichnam wiederbeleben ..."
Harry ruft nun: "Typisch, dieser Luther - der war mir immer schon suspekt - betreibt sogar bodynapping für sein Geschäft und droht mit dem Revival!"
Derrick lacht: "Nee, Harry, nicht Luther, noch wesentlich früher. - Und die Entführer setzten sich durch, denn selbst dem Kephas, der damals den Papa gab, erschien am vierzigsten Tag sein ehemaliger und gehenkter Boss leibhaftig. Die Erpresser unter Führung eines Mannes aus dem südlichen Anatolien ..."
"Alle Fundamentalisten, ich versteh", wirft Harry ein.
" ... ich weiß nicht mehr, ob's ein Türke, Kurde oder Syrer war, setzten sich durch."
"Der Entführte wurde aber freigelassen ..."
"Ja, doch, Harry. -
Dann hol doch mal die Akte. Die muss ganz unten im Archiv verstauben ..."

Mrs. Alice Pleasance Liddell schließt: "Ich glaube an die wohltuende Wirkung der unsichtbaren Hand in einer globalisierten Welt, die neoliberale Gemeinde und Vergebung der Sünden, Auferstehung gammelnden Fleisches und ein ewiges Wachstum. -
Friede unserer Asche!"
Die Trauergemeinde jubelt ein "Oh happy day".

Der Fall Kroisos zieht weite Kreise. Bis gerade jetzt jemand - überraschend für die Polizei, da man mit Forderungen gegenüber der Flackfamilie rechnete - im Bundeskanzleramt anruft. Glücklicherweise kann Herr Schäuble das Gespräch bezeugen, obwohl die Zeugenschaft dramatische Folgen für seine Karriere haben wird und die Bänder des ersten Gesprächs wenig Konkretes hergeben.
Der Chef des Kanzleramtes hebt ab: "Määsiejähr!"
Eine kratzige, wahrscheinlich verstellte (Verdacht auf Helium) Stimme antwortet durch sich verstärkende Nebengeräusche, dass man Flack allein unbeschädigt bekäme bei Zahlung einer Milliarde ... ansonsten ... Fischmehl ... Vieles geht unter im Knacken, Rauschen, Brummen und Summen der Nebengeräusche. Nicht nur Schäubles Kragen platzt und er mischt sich ins Gespräch. Bittet, das Gespräch in einer halben Stunde zu wiederholen, "da werden wir die Störsender beseitigt haben und Frau Bundeskanzler wird dann ihr kompetenter Gesprächspartner sein!"
Der Chef des Kanzleramtes gibt sich ob der nicht erwarteten Unterbrechung erstaunt und droht dem Polizeiminister Konsequenzen an. Der höhnt nur, dass gerade Staats- und Parteispitzen zur eigenen Sicherheit seines Schutzes bedürften.
Gleichwohl: eine halbe Stunde später sind die technischen Probleme gelöst und die Kanzlerin geht ans Telefon, nennt ihren Namen.
Die Heliumstimme will sofort loslegen, wird aber abrupt ...
"Mit wem sprech ich denn, bitteschön?", herrscht die Kanzlerin die andere Seite an.
Nun ist sie zunächst verblüfft, wackelt mit dem Kopf, rudert mit den Armen und brüllt dann los: "Woll'n S'e mich verarschen?", legt auf und beruhigt sich mit einem "Verarschen kann ich mich selber!".
Was die andere Seite geantwortet hat?
Es hörte sich an wie "Märklin" ... oder noch genauer "Merkle" ...

In jedem Fall stürzen die Preise und Kurse für Fischmehl. Herr Maizière erhält von der Chefin den Auftrag, Herrn Schäuble auf seiner Gehhilfe festzuschnallen und in der Spree zu versenken. Eigentümer der Pharmaindustrie spielen Reise nach Jerusalem. Emissionäre imissionieren ein ungläubiges Publikum und wir schauen zu.

 

"has (?)" ist - natürlich - korrekt,

lieber Sam.

Du sprichst das Problem der Verdichtung an, das bei mir immer gegeben ist, denn ich pendel zwischen dem Ausufernden "Jean Paul" Friedrich Richter (Hundebiografie z. B.) und der Lyrik, die ja durch Verdichtung auf den Punkt kommen will (Ansatzweise in "Bin ich hier richtig", z. B.) hin und her und - es kann nicht schaden, unterschiedlichste Mittel zur Problemlösung anzuwenden. Sperrig aber geben sich alle meine Texte. Darum eck ich auch so gerne an ...

"Mehr Redundanz" hätte für "Flick-Flack" wenigstens eine Verdoppelung der Manuskriptseiten bedeutet und klar auszusprechen, was Sache ist, könnte Ärgernis erregen, wovon der "Dowdy Jones ..." zeugt. Und im Ernst: Wollen Leser überhaupt bei Händen genommen werden ...

Die "Musikhelden" muss man nicht kennen (bis auf Elvis alles Blueslegenden, wozu ich auch Lennon rechne, der sich ja in der Nachfolge Chuck Berrys sah), man darf aber nicht vergessen, dass der Blues Vater des Jazz und der heutigen Popmusik ist. Gleichwohl geben die Titel Auskunft über die Haltung dieser "Helden" (darum auch "Wider-" und nicht "Wiedergänger", was mal erst die einzige Erklärung bleiben mag). Ob man übers Börsengeschehen Bescheid haben muss, bezweifel ich: die Folgen der Zockerei bemerkt jedermann, ob Fachmann oder Laie, ob Zocker oder kleiner Sparer und auch derjenige, der mit all dem nix m Hut hat.

Soviel (oder so wenig) an Stellungnahme zunächst.

Ich dank Dir für den Beitrag! 's ist schön, dass der Text Dich trotz aller Bedenken anspricht, 's tut auch gut, dass wir gelegentlich in anderen Texten uns widerspiegeln.

"Mal schauen, was die Anderen zu melden haben ..."

Gruß, schönes Wochenende & einen schönen Advent wünscht

Friedel

 

Hallo Friedel,

habe eben Deine Geschichte gelesen, gelesen. Einmal reicht nämlich nicht.

Da sonst keiner eine Meldung melden will, melde ich hier, und zwar mich. Zum Einen zu Worte, zum Anderen zu dieser ... Wirtschaftsanalysengeschichte.
Der Dau ist tot, es lebe der Dau, wird mancher gedacht haben nach der Lektüre;
denn wie im Schweinezyklus niedergelegt, erhebt sich der Kleingott der winkenden Hektiker im Heiligtum des Großgottes Mammon immer wieder im fernen New York.
Widergänger im Wortsinn, denn wider alle Vernunft ist ist der Tote höchst lebendig, am Leben gehalten von Wahnsinnigen, deren "Lebenswasser" aus grüner Tinte und Papier ist.

(...) wenn also einer den Vorgang beobachtet hat, so unterliegt er wie alle andern auch der Nekrophobie, (...)

Leichenschänder also alle Mal, wer jetzt auf aufzackelnde Kurse setzt.

Eine schöne, wie immer sperrige, Geschichte, die mit ihren Ecken die Gedanken zum Abprallen bringt. Man muss sich ihr vorsichtig nähern, von unten gewissermaßen, und darf sie nicht erschrecken. Langsam, gaaannz laangsam, heißt die Devise.

Mehr davon.

Lieben Gruß
Dave

 

Bingo!,

Dave,

mir gefällt die vorsichtige Vorgehensweise zum Requiem auf die "Dowdy Jones, Dachs, Punch & Judy Show".

Herrchen ist gerade ganz fusselig, muss was trinken & essen - aber nicht hier im Internetcafé, hat mir aber gesagt, ich solle was sagen. Also:

Bingo!

Gesagt hat er noch, dass er den Schluss ein wenig bedauer. Aber die Namensähnlichkeit mache den Gag aus und "Märklin" gehts ja auch nicht so gut, obwohl es doch von seinem Boss Mehldorn oder so bespitzelt wird - oder so ähnlich. Aber wir armen Hunde sollen sowas ja nicht durchschauen, noch dazu wenn wir aus dem Jenseits rufen

"Eine schöne, wie immer sperrige, Geschichte, die mit ihren Ecken die Gedanken zum Abprallen bringt" gefällt selbst einem totem Hund!

Danke, lieber Dave!

I. A.

Bingo-Bongo, itzt Hund des alten Dänenkönigs

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Dave,

nun muss "Herrchen" (hier ist kein Herr!, ruft's in mir wie Kottan immer herausbrüllte, dass hier kein Inspektor wär') sich auch noch mal bedanken und ganz kurz auf die "Dowdy Jones, Dachs, Punch & Judy Show" eingehen. Die wurde am 5. Oktober 08 eingestellt und bestand aus drei Teilen:

Caspar (Kasper(le)) kommt mit Grete(l/chen) auf den freien Markt und beobachtet das bunte Treiben. Da singt dann einer "Jetzt hab ich ein Haus, ein Pferd und ein Weib, die ich jeden Tag reite. Sa sagte mein Freund, mach nur weiter so, bald biste pleite ..." und genau da platzt der Ballon!

Der zwote Teil befasst sich mit der Not der Banker, die Bankbesitzer im Stadtpark werden könnten und sich mit der ZEIT (d. i. das richtige Format) zudecken könnten, wäre da nicht die tüchtige Regierung ...

Der dritte Teil liefert die Quintessenz neo- (ohne -n) liberaler und "volkswirtschaftlich" untermauerter Theorien (ideologien) in Interviews der Chicagoer Schule (natürlich übersetzt).

So, wer Interesse hat, zeige es.

Gruß

Friedel

Nachtrag: Und siehe, es besteht Interesse. Auch weil der "Dowdy" zum Verständnis der hiesigen Geschichte beiträgt, sei er hier mühselig im Zwofingersuchsystem wiedererweckt, denn, denn am 15. September 08 brach Lehman Brothers zusammen und Dowdy wurde gezeugt und erblickte am 5. Oktober das Licht der Öffentlichkeit umd am darauffolgenden Reformationsfest der Inquisition zum Opfer zu fallen. Here it come's again:

Dowdy Jones, Dachs & die Punch and Judy Show -

allerletzter Hand

"Sie hören nicht - sie fühlen nicht", ruft einer auf dem Markt der Eitelkeiten und schreit die Seele sich aus dem Leib, dass alle Welt es höre: "Banken sind von Natur aus blind!"
Caspar aber, der von der unsichtbaren Hand aus Papiermaschee geformte und geführte,
eben der Caspar, der Canis major folgend, mit Gretchen einfach nur Spaß haben will,
hält auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten den Atem an bei den Artisten auf dem Hochseil,
amüsiert sich an den Gauklern mit ihren Taschenspielchen,
bestaunt, mit welcher Eleganz Jongleure mit Geldern ihr Spiel treiben,
wie kustvoll auf Bankette mit Tricks und Effekten gehandelt wird und
jemand mit kindlichem Vergnügen und dicken roten Backen einen Ballon aufbläst, bis der platzt.
Ein blinder Hasardeur singt säuerlich:
"Jetzt hab ich ein Haus, ein Pferd und ein Weib, die ich jeden Tag reite,
da sagte mein Freund, mach nur weiter so, bald bistu Pleite ..."
"Aber die sind doch so was von betriebsblind!", übertönt Caspar den einen wie alle andern auf dem Markt, dass selbst der große Hund in weiter Ferne es noch hören kann und winselt.
Also bedürften sie der Fürsorge, meint die gute Seele von Gretchen.
Hör ich da wen rufen, Caspar wär' ein Hanswurst? Wer zum Hexensabbat glaubt denn da, Gretchen wäre Karitas oder gar Diakonie, unterläge dem Helfersyndrom? Nicht einmal die Dynamischen und Kreativen mit der reinen Weste und dem geweißten und gestärkten Kragen des selbst gewählten Elends, die Wohltätigkeit zum Event verkommen lassen! Die fürchten viel mehr, Hanswurst und Gretchen entdeckten die Karitas als Solidaritäterätätä und gingen als Diakanoniere über zu mehr denn bloßem social-engineering, fürchten, Caspar holte seine Klatsche raus und alle Michels und Michelinen entdeckten wieder einmal, dass sie nicht ein, sondern das Volk sind, das selbst Punch, Petruschka, Polichenelle und Guignol, ja selbst Vidusaka im fernen Indien ans Wundern kämen.
Von Judy bekäm' Hanswurst ein Bützchen.

Aber was wäre, so denkt Gretchen, fände sich der Banker nach dem Verlust der Unschuld als Bankbesetzer im Stadtpark wieder? Auf einer Bank, die der Banker vielleicht selbst einmal gespendet hätt', auf die er weiter aber keinen Anspruch hat, da fänd' er sich wieder. Der Bankrotteur wüsste nicht mehr, wer denn nun ein Kasper wär'. Denn vor allem ihn formte die unsichtbare Hand aus Papiermaschee, Papiermaschee aus dem Buchgeld, das unter der Regie des Bankhalters geschreddert wurde. Dass es dem Banker leidlich erginge, überzöge die unsichtbare Hand ihr Geschöpf mit Leinölfirnis und deckte es nächtens mit der ZEIT wegen des angemessen erscheinenden Formats zu. So könnte der Bankbesitzer im Stadtpark wöchentlich wenigstens die Bettwäsche wechseln.
Statt aber dem Banker nach dem Verlust der Unschuld eine gelbe Binde mit drei schwarzen Punkten und einen Schlafsack zu überlassen, auf dass dieser ihn während der kälterwerdenden Jahreszeit wärme, bietet man ihm aus dem Staatssäckel eine größere Summe Geldes, die eigentlich für andere nützliche Dinge vorgesehen wäre, gäb' es denn solche.
"Und das ist gut so!", finden die Weisen aus dem Abendland und Experten, die den Markt beobachten - sollen. Die Hüter der wahren und einzig gültigen Ordnung sind aus anderem Holz geschnitzt als Caspar und Gretchen. Sie hängen an Schnüren und Drähten unterm Kreuz ihrer Theorien, werden aber auch von der unsichtbaren Hand geleitet.
Bis gerade erfreuten sie sich am Marktgeschehen und sind begeistert - als die Luftblase platzt.
Einem Gerücht zufolge hätten Banker gelernt, mit dem Geld vor allem der andern umzugehen und es zu mehren - obwohl es doch nicht kalben kann. Folgerichtig wäre das Geld in den Händen der Banker gut, vor allem sicher aufgehoben. Zu wünschen wäre demnach, dass jedermann, der mit dem Geld der andern umgehen muss, zumindest den Sachverstand von Bankern haben sollte. Solang' das aber nicht der Fall ist, dürfte man sich nicht damit begnügen, den Bankern allein eine größere Summe Geldes - Peanuts halt - aus dem Staatssäckel anzubieten, sondern die Führung des Staates und seines Haushaltes Bankern gänzlich zu ihren treuen Händen überlassen. World on a string! Die Banker gäben dann auf dem freien Markt zum Wohle aller ein Bankett, versöffen ihrer "Oma sein kleinm' Häuschen" und die Weisen und Experten unterhielten das Publikum mit einem Kasperleauftritt, gilt doch nach der Bank von England als Gesetz, wenn jemand versuche, eine ökonometrische Relation zum Zwecke politischer Einwirkung anzuwenden und einzusetzen, so verändere sich diese ...- was nicht jeder verstehen muss, schon gar nicht Jupp und Jan, Hanswurst und Gretchen verstehen sollen.
Und sie bilanzieren wie Alice im Wunderland.
Da findet der Staat sich in der Rolle des Krokodils, das es zu bändigen oder totzuschlagen gilt. Aber statt Sorgfalt ernten wir Sorgenfalten. Es brennt, aber dem Feuer wird freiwillig so recht nicht gewehrt.

Caspar gibt Gretchen einen Kuss, lüpft sein Mützchen und traut sich, den weisen Herrn Professor zu fragen, wie die Wirtschaft sich im nächsten Jahr entwickeln wird.
"Eine gute Frage", antwortet der Weise. "Ich sage Ihnen, dass es wegen des geringen Zuwachses der Geldmenge im vergangenen Jahr zu einer rezessiven gesamtwirtschaftlichen Entwicklung kommen kann, bei der die natürliche Arbeitslosigkeit überschritten wird, wenn der Staat nicht hilfreich einspringt ..." und schnäuzt sich verlegen, als der Interviewer ihn unterbricht und einwirft: "Aber sind Sie nicht gemeinsam mit der alles beherrschenden Meinung gegen staatliche Eingriffe?"
"Eine gute Frage, wenn auch nicht richtig gestellt. - Ich rede doch nicht von wirtschaftspolitischen Eingriffen, mein Herr. Nein, nein, mein lieber Caspar", schüttelt den weisen Kopf und fährt fort, "ich spreche von sozialpoltischen Eingriffen zur Stützung der Leistungsträger. - Denn brechen die uns weg, hat niemand etwas davon."
"Aber wie soll das finanziert werden?"
"Eine gute und folgerichtige Frage. - Ich sehe, Sie denken mit!", und der Herr Professor schnäuzt sich schon wieder. "Entschuldigen Sie - die Wetterlage ... Die Polen fliegen tief... - Sie stellten die Frage nach der Finanzierung, nicht wahr? Nichts einfacher als das: in einem Gutachten haben wir nachweisen lassen, dass der durchschnittliche Bürger - und natürlich auch die Bürgerin, da müssen wir politisch korrekt bleiben - bei entsprechender sparsamer Lebensführung mit einem Euro dreißig pro Tag auskommen kann. Da müssen wir hin zu einer sparsamen Lebensführung. Gegebenenfalls müssen wir die Leute darauf hin schulen, nach den Lehren des großen Hartz zu leben oder gar zu Peterchens Mondfahrt zwingen. Wir werden also die Kürzung von Sozialleistungen durchsetzen müssen, so oder so, so bitter es klingt." ... "um die Eliten mit sozialen Leistungen zu unterstützen", fährt der Interviewer dazwischen. "Richtig! - Dann wird es bald wieder aufwärts gehen."
"Wie werden sich nach Ihrer Meinung Angebot und Nachfrage, vor allem aber die Preise entwickeln?"
"Eine gute und schwierige Frage. - Nun, einerseits wird die Nachfrage sinken, andererseits steigen, folglich das Angebot sich anpassen. Aber allein schon wegen der schrecklichen Zunahme der Geldmenge in den letzten Jahren wird es inflationäre Tendenzen geben."
"Herr Professor, wird es der durchschnittlichen Familie im nächsten Jahr besser oder schlechter gehen als heute?"
"Aber, aber, lieber Caspar! - Die durchschnittliche Familie gibt es nicht. Dennoch kann ich sagen, einigen Haushalten wird es besser gehen, anderen wird es schlechter gehen als anderen. - Lassen Sie mich abschließend sagen, dass die Regeln für die Geldmengenentwicklung, die der von uns allen verehrte Kollege Friedman aufgestellt hat, eine stabilde Beschäftigungslage ohne Inflation versprechen. Das eröffnet uns eher glücklichere, statt bitterer Aussichten, ohne dass ich Ihnen etwas von der natürlichen Arbeitslosigkeit erzählen muss."
"Ich danke Ihnen für das sehr aufschlussreiche Interview!", sagt Caspar, setzt sich die Jakobinermütze auf und klatscht dem Weisen eins - für den Durchschnitt, den's gibt oder auch nicht - und noch eins - für zu viel und zu wenig Zuwachs, wie's halt ins Konzept passt - oder auch ein drittes Mal für den Hinweis, dass es eine natürliche Arbeitslosigkeit gebe -
natürlich nur in der Theorie.
Bei frühlinghaften Temperaturen hat derweil ein Inuk den letzten Wal gefangen. Allein, er traut sich nicht, den Eskimo hervorzukehren. Fürchtet er, Fangquoten gälten auch für ihn?
Punch aber sagt: "Trouble, you can't fool me!"

Möge es zum Verständnis beitragen!

 

>wie kustvoll auf Bankette mit Tricks und Effekten gehandelt wird<
>World on a string!<

Hallo Friedel,

wortgewaltig, jedoch auch ein wenig sehr verstiegen, beleuchtest Du in diesem Kommentar, warum der Finanzzirkus seine letzte große Vorstellung ausverkaufte und nun neue Direktoren und Dompteure in der Manage auftreten.

Für den wirtschaftlich Interessierten (sei es Stammtisch oder Frühstückstisch) wiederum ein Lehrstück über das "Warum". Für den Durchschnittsleser eher ein
"mhmm ... ganz, äh, nett".
Doch wer ist schon gerne Durchschnittsleser?

Mir gefällt es sehr gut.

Allerdings fiel mir auf, dass Du den Gedankenstrich (ich hoffe nicht, gedankenlos) manches Mal nicht im Griffe zu haben scheinst:

"Und das ist gut so!", finden die Weisen aus dem Abendland und Experten, die den Markt beobachten - sollen.
Auch rätsele ich noch über "World on a string!".
Ist es Sinatras Song? Weil Banker ach so verliebt in "ihr" Geld sind?
Ist es eine Anspielung auf "Welt am Draht" (Simulacron-3), weil mancher Banker den Eindruck erweckte, die Welt des Geldes sei eine Simulation; scheitere sie, so drücke man Reset?

Egal, der Eindruck ist ein guter, ich las es gern.

Lieben Gruß
Dave

 

Hallo Dave,

danke für die Mühe, denn dass der Text Mühe macht, steht wohl außer Zweifel.

Der Gedankenstrich wird i. d. R. nicht gedankenlos verwendet. Beim >"Und das ist gut so!", finden die Weisen aus dem Abendland und Experten, die den Markt beobachten - sollen< drückt er aus, dass die Experten den Markt beobchten sollen, aber von Euphorie (Renditen, Wohlstand "für alle?") besoffen waren und es eben nicht taten. Sonst hätten sie - wie z. B. Krugman - vorher was merken müssen. Wofür hat man den Rat der Wirtschaftsweisen, z. B. Nur zur Lobhudelei?

>"World on a string!"< spielt an auf die Passage, in der die Experten an den Drähten ihrer Ideologie hängen oder - gewaltiger - auf den Faßbinder Film oder auf den Titel Neil Youngs etc., die alle von der Fremdbestimmtheit der sog. Akteure ausgehen.
Sinatras Song kenn ich gar nicht. Aber >"Welt am Draht" (Simulacron-3), weil mancher Banker den Eindruck erweckte, die Welt des Geldes sei eine Simulation; scheitere sie, so drücke man Reset?< ist doch okay.

Gleichwohl: 's freut mich, dass der Text gefällt.

Gruß

Friedel

 

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