Flucht in den Tod
Ganz verschwommen sehe ich Palmen, massen von braunem Sand und blaues, klares Meer. Das zerlumpte Poster gegenüber von meinem Bett, der einzige Halt in meinem noch jungen Leben. Ich drehe mich auf den Bauch, doch plötzlich spüre ich stichartig wieder diesen Schmerz an meiner Schulter, die Spuren von Vaters letztem Besuch in meinem Bett. Ich möchte das alles vergessen. Ich möchte vergessen dass er mich überall angefasst und geschlagen hat. Ich möchte vergessen dass er neben mir eine geraucht hat und dann seine Zigarette auf meiner Schulter ausgedrückt hat. Ich möchte vergessen wie sehr ihm mein Leiden Spass bereitet hat. Ich möchte seinen schweissigen Geruch, sein stöhnen an meinem Ohr vergessen. Ich möchte den Gestank von weggeätzter Haut vergessen. Ich möchte alles vergessen. *klack*. Er ist weg. Ich liebe das Geräusch dieser alten, morschen Holztür. Es bedeutet Freiheit für mich. Ich schleppe mich keuchend aus meinem Bett um meine brennende Wunde zu verarzten. Erschöpft gehe ich durch die Küche, wo mein Blick auf ein rosarotes Päckchen mit Schlaftabletten fällt. Wie von einer inneren Hand geleitet nehme ich es mir. Dieser Ausweg hat sich schon tausendmal in meinem Kopf abgespielt, immer und immer wieder. Wieso sollte ich es jetzt also nicht durchziehen? Mich für immer befreien? Ohne zu zögern krieche ich zu Papas "speziellem Schrank" und krame eine Whiskey Flasche hervor. Mit der einen Hand halte ich verkrampft Whiskey und Schlaftabletten fest, mit der anderen Hand stütze ich mich auf dem Tisch ab. Ich brauche diese Pause, um überhaupt noch Kraft für meinen letzten Gang, zurück in mein Zimmer zu haben. Ich setze mich auf mein verdrecktes Bett und beginne fast schon monoton die Schlaftabletten zu schlucken. 2,3 Schlaftabletten und etwas Whiskey, 2,3 Schlaftabletten und etwas Whiskey,...
Jetzt ist mir richtig schlecht und ich kuschle mich in meine Bettdecke, das Poster mit den Palmen immer fest im Blick. Langsam werde ich müde und meine Augen werden immer schwerer. Ich träume von hellblauem, klarem Meer und einer erfrischenden Meeresbriese, die sanft durch mein Haar weht. Plötzlich fallen meine Augen ganz zu. Ich spüre keine Schmerzen mehr und fühle.