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Fort

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06.08.2005
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Fort

Du bist fort. Ich streife durch die Wohnung, suche nach Spuren unseres gemeinsamen Lebens, nach kleinen Dingen, die du vergessen hast mitzunehmen.

Leer ist das Fach im Spiegelschrank, in dem du dein Rasierzeug untergebracht hattest. Alleingelassen steht meine Zahnbürste im Becher, und „Nostalgie“ muss ohne „Panama Jack“ auskommen. Die Waschlappen hast du nie benutzt. „Bazillenschleuder“ hast du sie genannt, obwohl ich sie jeden Tag gewechselt habe. So wie jetzt auch.

Hätte ich mich noch mehr bemühen sollen? Die Lappen auskochen, anstatt sie nur bei sechzig Grad zu waschen oder Einmaltücher kaufen, um Diskussionen zu vermeiden? Hättest du dich dann mehr zu Hause gefühlt in meiner Wohnung, besser willkommen geheißen?

Im Flur hängt noch ein Geierposter, das ich zu unserem Jahrestag aufgehängt habe. Du, vom Finanzamt, fandest es witzig, sie zu sammeln, giertest nach den Vögeln in allen Formen. Kleine Geier aus Keramik und Porzellan, ein schwarzer aus Ebenholz, selbst ein Jadegeier waren dein ganzer Stolz, und erst deine, dann auch meine Wohnung füllte sich mit kleinen Tierfiguren. Ich mochte deinen skurrilen Humor, und immer wieder suchte ich die Läden ab, erstaunt über die Vielfalt des Angebotes.
Wie konnte ein so hässlicher Vogel dich mir näher bringen, ein Band werden zwischen dir und mir? Wie soll ich an den Käfigen im Tierpark vorbeigehen, ohne an dich zu denken?

Du bist fort, und ich räume meine Billig-Maschine an den leeren Fleck auf die Arbeitsfläche. „Senseo“ – ich fühle; dass ich nicht lache! Egal, vorbei! Ich krame hinten aus dem Schrank noch ein Paket vom Discounter hervor und schnuppere an dem duftenden braunen Pulver, während ich den Kaffee vorbereite. Altvertrautes Gurgeln begleitet mich bei meinem Gang durch die Wohnung.

Jedes Möbelstück, jeder Gegenstand erzählt unsere Geschichte, an allem haften Erinnerungen, die sich nicht abwischen lassen.
„Was willst du denn mit dem Teewagen?“
„Ich fand ihn schön ... und praktisch.“
„Der passt doch gar nicht zum Rest, und hier steht er im Weg.“
„Aber ... es ist doch meine Wohnung.“
Schweigen.

Hätte ich noch mehr tun können? Wenn ich mich noch mehr angestrengt hätte, wären wir dann glücklich geworden?

„Wie kannst du nur dieses Buch lesen? Auch wenn es alle tun, musst du dabei sein?“
„Ich bin durch Zufall drauf gestoßen, und beim Anlesen war es spannend.“
Ich greife das Buch aus dem Regal, blase den Staub weg und suche die letzte Seite, die ich damals gelesen habe. Dann lege ich es auf dem Sessel ab, stelle eine Duftschale auf den Teewagen, gefüllt mit warmem Wasser und Öl und zünde das Teelicht an. Ich hab sie zu meinem Geburtstag von einer Freundin bekommen und nie benutzt.
„Das ist doch reine Chemie, so ein Öl, und von Kerzen muss ich immer husten.“

Inzwischen ist auch der Kaffee durchgelaufen, und ich gieße mir eine Tasse ein und stelle sie neben der Duftlampe ab. Der herbe Kaffeeduft vermischt sich mit Orange und Weihrauch, kleine Schwaden steigen aus beiden Gefäßen empor.

„Meinst du das ernst?“ Deine Augen erstaunt, deine Stimme ein wenig verärgert.
„Ja, wir haben es lange genug versucht.“
„Das beschließt du jetzt so einfach?“
„Das beschließe ich jetzt so.“ Einfach ist gar nichts dabei.

Du bist fort und hast deine Sachen mitgenommen. Ich kuschele mich in meinen Lieblingssessel, die Beine hochgezogen, wie ich es früher immer gern gemacht habe, das Buch auf meinen Schenkeln, schlürfe den Kaffee und blinzele in das Kerzenlicht. Der altbekannte Raum scheint verändert, und zum ersten Mal seit langer Zeit spüre ich die Enge nicht mehr um meinen Brustkorb. Endlich kann ich wieder atmen. Du bist fort.

 

hallo Elisah

wieder aktiv?

eer ist das Fach im Spiegelschrank, in dem du dein Rasierzeug untergebracht hast.
hattest glaube ich

bis auf das Ende könnte ich das schon fast ein copywrite meines "vermissen" nennen. :D

wenn ich dich unterbewußt inspiriert haben sollte, dann freut mich das.

die geschichte ist etwas nüchterner als meine Version. sie gefällt mir aber sehr gut. du hast ja immerhin alles beachtet, was bei mir bemängelt wurde. hast keine gewagte sprache und schaffst es trotzdem, gute bilder und die erwägte stimmung zu schaffen, hast hintergründe gebracht, indem du die konflickte um die wohnung hineingenommen hast.

nur wird mit hier nicht deutlich genug gemacht, ob deine Prot ihren typen denn nun vermisst, oder nicht. aber vielleicht weiß sie es ja selber noch nicht so genau.

hat gefallen.

dein Aris

 

Hallo Elisha.

Die Stimmung ist ganz schön. Macht spaß zu lesen. Aber für mich wirkt die Stimmung eher, als wenn der Typ mit der Protagonistin Schluss gemacht hätte und nicht umgekehrt. Dementsprechend war ich überrascht als der Absatz kam, in dem klar wird wer mit wem schlussmacht.

Lieben Gruß, Yam

 

@Aris

bis auf das Ende könnte ich das schon fast ein copywrite meines "vermissen" nennen. - wenn ich dich unterbewußt inspiriert haben sollte, dann freut mich das.
Zunächst habe ich kaum einen Zusammenhang gesehen, weil ich eine ganz andere Aussage mit der Geschichte machen wollte. Irritiert hat mich aber:
Deine Zahnbürste schmiegt sich noch an meine, dein Eigentum, dein Leben ist noch hier, langsam schon und verstummt.
Ich konnte mich an dieses Bild nicht erinnern (war das schon immer da in deiner Geschichte?), aber einen unbewussten Einfluss kann ich nicht ausschließen. Schön, dass die Möglichkeit dich freut.

du hast ja immerhin alles beachtet, was bei mir bemängelt wurde. hast keine gewagte sprache und schaffst es trotzdem, gute bilder und die erwägte stimmung zu schaffen, hast hintergründe gebracht, indem du die konflickte um die wohnung hineingenommen hast.
Witzig, wie du das formulierst! Nicht nur um die Wohnung, sondern um Anpassung und sich (um die Beziehung) bemühen.

nur wird mit hier nicht deutlich genug gemacht, ob deine Prot ihren typen denn nun vermisst, oder nicht.
Vermissen war dein Thema, nicht meins. ;) Oder sagen wir mal so: sie wünscht ihn sich nicht zurück, aber Bindung lässt sich nicht von einem Tag zum anderen zerschneiden.


@Yam

Aber für mich wirkt die Stimmung eher, als wenn der Typ mit der Protagonistin Schluss gemacht hätte und nicht umgekehrt. Dementsprechend war ich überrascht als der Absatz kam, in dem klar wird wer mit wem schlussmacht.
Danke, dass du das sagst, denn das war beabsichtigt. Oberflächlich gibt es ja das Bild: der Verlassene leidet, der Verlassende hat es gut, aber das stimmt ja höchstens bei sehr oberflächlichen Beziehungen. Ich wollte schildern, dass Schuldgefühle der Preis des Verlassens sein können, und dass Trennung beiden weh tut.


Vielen Dank euch beiden fürs Lesen und Kommentieren.

Gruß, Elisha

 

Ich erkenne einen genauen Zusammenhang zwischen unseren Geschichten. ist ja auch gar nicht schlimm. ob du das nun so wolltest oder nicht.

du beschreibst hier genau wie ich in meiner KG das vorhandensein des fehlens und dies anhang von materillen dingen, wie z.B. die Zahnbürste, die nicht mehr da ist und bei mir auch schon drin ist.

auch wenn es hier wohl nicht ums vermissen geht.

ich werfe dir ja auch gar kein kopieren oder so etwas vor. selbst wenn wäre ich ja auch nicht sauer. ich erkenne nur gewisse parallelen. und das freut mich immer noch.

und die geschichte als solche ist dir gut gelungen, dabei bleibt es so oder so.

besten Gruß

 

Schöne kleine Geschichte über ein ewig aktuelles Thema.
Interessant wie du die ambivalente Stimmung aufbaust. Der Schlussatz ist brilliant eingesetzt. Ohne Überkommentierung, vorangekündigt und doch leicht überraschend.

gerne gelesen
weltenläufer

 

Hallo Elisha,

schließe mich ganz dem Kommentar von Weltenläufer an. Genau genommen bin ich zwei Mal auf die falsche Fährte gelockt worden, zuerst die Verlassene, die trauert, dann die Verlassene, die zum Ergebnis kommt, war ja nicht so doll der Typ und dann die Auflösung, sie hat verlassen, trauert, aber will ihn nicht zurück. Super hat mir richtig gut gefallen.

Liebe Grüße
Katinka

 

@Aris,
ja, ich habe ja auch Parallelen entdeckt, zum Beispiel die Ansprache des Ex.Vllt ist die Zahnbürste ja auch ein Klischee; ich bin im Geist halt durchgegangen, wo Spuren sein könnten und habe im Badezimmer angefangen: und wenn zwei zusammen übernachten ... aber ich hatte auch erst das Bild von "aneinandergeschmiegten Bürsten" ... :D

@Weltenläufer
Ach ... so schön ausgedrückt:

Interessant wie du die ambivalente Stimmung aufbaust. Der Schlussatz ist brilliant eingesetzt.
*schwelg* :D


@Katinka

Genau genommen bin ich zwei Mal auf die falsche Fährte gelockt worden, zuerst die Verlassene, die trauert, dann die Verlassene, die zum Ergebnis kommt, war ja nicht so doll der Typ und dann die Auflösung, sie hat verlassen, trauert, aber will ihn nicht zurück.
Nachdem meine letzte Geschichte so unverstanden blieb, tut es jetzt besonders gut, wenn genau das ankommt, wie es gemeint wurde. Ja, es sollte etwas überraschen.


Danke für eure Kommentare, Elisha

 

Schick ^^
Hübsch zu lesen, auch die Erkentniss der Prot ist sehr hübsch formuliert.

Liebe Grüße
Jaimy

 

Hi Elisha,

Gefühle sind nicht immer logisch, vielleicht müssen sie deshalb auch nicht immer nachvollziehbar sein, in deiner Geschichte ist das vorherrschende Gefühl allerdings so ambivalent, dass es mich verwirrt.
Im Grunde hat die Geschichte etwas von Blütenzupfen: Sie liebt ihn, sie liebt ihn nicht, sie liebt ihn, sie liebt ihn nicht.
So zählt die Protagonistin abrechnend auf, was ihr einfällt, was sie geliebt hat und in Episoden, was nicht gestimmt hat.
Die Selbstzweifel betreffen die Anstrengung, als ob Liebe Leistungssport wäre und darin offenbart sich das Scheitern. Nicht in den Fragen, sondern in der verinnerlichten äußeren Betrachtungsweise.
Eine Frau gewährt ihrem Partner keinen Raum, lieber stellt sie ihm den Teewagen in den Weg. Zwar schafft sie Platz für die Geier, die aber sind ja auch nur Ausdruck für seinen Humor.
Die Waschlappen werden zum Synonym nicht akzeptierter Arbeit, letztlich ein gutes Symbol, denn wer braucht in Zeiten von Duschgel, das man mit der Hand verteilen kann, noch Waschlappen?
So steckt sie also die Energie in die Leistung und steuert über Äußerlichkeiten zielgerecht an der Liebe vorbei.
Die Geschichte soll vielleicht gefühlvoll sein, offenbart aber nur die tiefe Unfähigkeit zu fühlen.
Details:

Alleingelassen steht meine Zahnbürste im Becher, und "Nostalgie" muss ohne "Panama Jack" auskommen.
Allein gelassen
oder Einmal -Tücher kaufen, um Diskussionen zu vermeiden
Einmaltücher
Im Flur hängt noch ein Geier-Poster, das ich zu unserem Jahrestag aufgehängt habe
Du meinst ein Poster auf dem Geier zu sehen sind oder das Poster eines Künstlers namens Geier?
Kurz: Solche Formulierung ist meist das Produkt von Faulheit in der Umgangssprache. Im Übrigen würde Geierposter dabei auch zusammengeschrieben, genauso wie später der Jadegeier oder Billigmaschine.
"Aber ... es ist doch meine Wohnung."
ein Leerzeichen zu viel nach Aber
Kerzenlicht. Der altbekannte Raum scheint verändert
Ein Leerzeichen zu viel nach dem Punkt.

Lieben Gruß, sim

 

@Jaimy

Schick ^^
:lol:


@Sim
Danke für deinen Kommentar. :) Allerdings finde ich eine Reaktion etwas schwierig. Ich weiß, du willst keine Diskussion, und deshalb versuche ich nur, mal zu schildern, wie es auf mich wirkt.

Schon öfter hatte ich bei Geschichten über Beziehungen das Gefühl, dass es auf dich wie ein Rorschach-Fleck wirkt und in dir den "Rächer der Enterbten, den Beschützer der Männer" aktiviert, unabhängig davon, was in dem Text steht. So auch hier.

Im Grunde hat die Geschichte etwas von Blütenzupfen: Sie liebt ihn, sie liebt ihn nicht, sie liebt ihn, sie liebt ihn nicht. - So zählt die Protagonistin abrechnend (?) auf, was ihr einfällt, was sie geliebt hat und in Episoden, was nicht gestimmt hat. - Die Geschichte soll vielleicht gefühlvoll sein, offenbart aber nur die tiefe Unfähigkeit zu fühlen.
Liebe ist nicht das Thema. Die Prot fragt eben nicht: "liebe ich ihn?" oder "liebt er mich?" Es geht um die Frage: "die Beziehung hat nicht funktioniert - ist es richtig, sie zu beenden?"

Die Selbstzweifel betreffen die Anstrengung, als ob Liebe Leistungssport wäre und darin offenbart sich das Scheitern. Nicht in den Fragen, sondern in der verinnerlichten äußeren Betrachtungsweise.
So oft ich das auch lese; ich verstehe einfach nicht, was du damit sagen willst.

Eine Frau gewährt ihrem Partner keinen Raum (?), lieber stellt sie ihm den Teewagen in den Weg. Zwar schafft sie Platz für die Geier, die aber sind ja auch nur Ausdruck für seinen Humor.
Mir unverständlich, wo du das hernimmst! Der Text ist doch voll von gegenteiligen Aussagen. Außer den Geiern, die er sammelt :das Fach im Badezimmer, der Kaffeeautomat (der ihre Maschine ersetzt hat), der Verzicht auf das Buch und die Duftlampe sind die herausgegriffenen Zeichen dafür, dass sie ihm durchaus Raum in der Beziehung (auch in ihrem Territorium) gegeben hat.

Der Teewagen ist ein Beispiel für die unterschiedliche Betrachtungsweise: hässlich und störend für den einen, hübsch und nützlich für die andere. Worum es dabei geht, wird nicht geklärt: Gefühl der Vernachlässigung (zu wenig Raum und damit Liebe)? Kontrolle (wer trifft Entscheidungen über Anschaffungen?), ...? Alles möglich.

Natürlich geht es nicht nur um Dinge, wie du ja am Beispiel der Waschlappen zutreffend beschrieben hast:

Die Waschlappen werden zum Synonym nicht akzeptierter Arbeit, letztlich ein gutes Symbol, denn wer braucht in Zeiten von Duschgel, das man mit der Hand verteilen kann, noch Waschlappen?

Zum Textkram:
ich habe mir in meiner journalistischen Vergangenheit Bindestriche zur Lesefreundlichkeit angewöhnt; vllt übertreib ich´s da und werde sie nochmal überdenken.


Gruß, Elisha

 

Hallo Elisha,

Schon öfter hatte ich bei Geschichten über Beziehungen das Gefühl, dass es auf dich wie ein Rorschach-Fleck wirkt und in dir den "Rächer der Enterbten, den Beschützer der Männer" aktiviert, unabhängig davon, was in dem Text steht.
Dass es hier die Männer sein mögen, mag daran liegen, dass die Geschichte aus der Perspektive einer Frau geschrieben ist. Wäre es eine ähnliche Betrachtung von einem Mann über eine Frau, hätte ich bei dieser Geschichte ganz ähnlich reagiert.
Liebe ist nicht das Thema. Die Prot fragt eben nicht: "liebe ich ihn?" oder "liebt er mich?" Es geht um die Frage: "die Beziehung hat nicht funktioniert - ist es richtig, sie zu beenden?"
Damit bestätigst du ja meinen Eindruck von der Geschichte. Worauf schließlich soll eine Beziehung basieren, wenn nicht auf Liebe? Welche andere Frage kann ausschaggebend sein für Trennung oder nicht Trennung?
"Abrechnend" mag ein hartes Wort sein, weil es ja nicht um eine Art Arechnung geht, in der Vorwürfe um die Ohren geknallt werden. Trotzdem zieht die Protagonistin ihr Resumee anhand von banalen Äußerlichkeiten. Wer, egal ob männlich oder weiblich, denn Sinn über den Fortbestand einer Beziehung daran ausrechnet, ob der Teewagen stört, Senseo ein entbehrlicher Luxus ist oder über ein Buch die Nase gerümpft wird, der solle die Beziehung beenden. Es ist kein Gefühl im Spiel. Das, was als solches empfunden wird, ist letztlich das Ergebnis von Denkmodellen. Deine Protagonistin denkt sich ihre Gefühle zurecht anstatt sie ganz einfach zu empfinden.
So oft ich das auch lese; ich verstehe einfach nicht, was du damit sagen willst.
Genau das. Die Protagonistin merkt nicht, dass sie sich die Gefühle, die sie haben müsste, zurecht denkt. Sie hält sie für echt.
Mir unverständlich, wo du das hernimmst! Der Text ist doch voll von gegenteiligen Aussagen. Außer den Geiern, die er sammelt :das Fach im Badezimmer, der Kaffeeautomat (der ihre Maschine ersetzt hat), der Verzicht auf das Buch und die Duftlampe sind die herausgegriffenen Zeichen dafür, dass sie ihm durchaus Raum in der Beziehung (auch in ihrem Territorium) gegeben hat
Hier müssten wir die Frage nach Raum oder Grenzsetzung stellen.
Ein Fach im Badezimmer ist abgegrenzt. Die Zahnbürste durfte sich einen Becher teilen, der andere Raum ist aufgeteilt. Aber gut, sie hat dabei von ihrem Raum etwas abgegeben.
Der Kaffeeautomat steht für eine Spur Luxus, die er in die Wohnung bringt, die er auch wieder mitnimmt. In ihm habe ich weniger teilen gelesen als Abwägung.
Bei dem Buch hat sie in der Tat zu viel abgegeben. Steht sie so wenig zu sich selbst, dass sie sich nur für einen Mann nicht treu bleibt? Und wenn dem so ist, ist das dann Liebe? Das Buch steht für mich eher für Selbstaufgabe, nicht für Raum gewähren. Die Beziehung wird dadurch ungleich. Für Duftlampen gilt ähnliches. Es gibt rein biologisch hergestellte ökologische Duftöle. Hier wurde ein Interessenskonflikt nicht ausgetragen und gelöst. Damit hat sie ihm Raum gegeben, aber eher zugelassen, dass er ihre Grenzen verletzt.
Worauf ich hinaus wollte, und auch das ist unabhängig von Mann und Frau, ist, dass sich die Frau in ihrem Resumee die falschen Fragen stellt, wenn sie sich überlegt, woran es gescheitert ist. Sie lenkt sich vom Kern ab, wenn sie die Dinge hinter dem Waschlappen nicht sieht. Und wenn sie sich fragt "Habe ich mich nicht genug angestrengt" und darin die Antwort sucht, dann geht sie den falschen Weg. Anstrengung bedeutet doch in diesem Falle eher "Habe ich mich nicht genug aufgegeben?"
Es ist viel zu häufig in Partnerschaften so, dass wir etwas zulassen und dies dem Partner hinterher zum Vorwurf machen. Auch das handhaben Männer und Frauen so. Diesen Eindruck hatte ich von deiner Protagonistin. Sie überlegt, welche Erwartungen erfüllt wurden, welche nicht und kommt dabei nicht einmal auf ein Gefühl oder die Frage, was sie dazu beigetragen hat, dass die Erwartungen nicht erfüllt wurden.
Darin sehe ich das Grundproblem, wenn sich deine Protagonistin so an den Äußerlichkeiten festhält.
Bei den Waschlappen fragt sie sich ja auch nicht, ob das nicht die Konzentration an einem falschen Punkt ist. Sie haben für sie eine Bedeutung, deren Kenntnis im Partner vorrausgesetzt wird.
Ich muss zugeben, schon seit Jahren keine Waschlappen mehr zu nutzen. Wenn jemand darin meine Liebe zu ihm oder die Wertschätzung seiner Mühe messen würde, müsste er auch verzweifeln. Das aber genau passiert, wenn wir uns die Gefühle, die jemand für uns hat, aus Handlungen und Tätigkeiten denkend zusammeninterpretieren, anstatt sie einfach zu fühlen. Daher mein Fazit:
Die Geschichte soll vielleicht gefühlvoll sein, offenbart aber nur die tiefe Unfähigkeit zu fühlen.

Lieben Gruß, sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Sim,

Liebe ist nicht das Thema. Die Prot fragt eben nicht: "liebe ich ihn?" oder "liebt er mich?" Es geht um die Frage: "die Beziehung hat nicht funktioniert - ist es richtig, sie zu beenden?"
Damit bestätigst du ja meinen Eindruck von der Geschichte. Worauf schließlich soll eine Beziehung basieren, wenn nicht auf Liebe? Welche andere Frage kann ausschaggebend sein für Trennung oder nicht Trennung?
Ja, anscheinend haben wir sehr unterschiedliche Modelle von Beziehung im Kopf. *seufz* Liebe und Leidenschaft können destruktiv sein. Hier geht es darum: Funktioniert die Beziehung, macht sie beide glücklich? Und das tut sie ja nicht.

Denn was du für das Duftöl sagst, trifft auf andere Aspekte auch zu:

Hier wurde ein Interessenskonflikt nicht ausgetragen und gelöst.
Selbstbehauptung (Teewagen), Selbstaufgabe (Buch, Duftöl), Teilen (Fach) haben anscheinend nicht wirklich funktioniert.

So oft ich das auch lese; ich verstehe einfach nicht, was du damit sagen willst.
Genau das. Die Protagonistin merkt nicht, dass sie sich die Gefühle, die sie haben müsste, zurecht denkt. Sie hält sie für echt.
Hallo? Verwechselst du mich mit der Prot? :eek: Ich als Autorin verstehe deinen Satz nicht.
EDIT: Dazu habe ich gerade eine Erklärung per PM gekriegt.

Konsequent hältst du an Konzepten wie "Abrechnung" und "Vorwurf" fest. Die Prot geht durch die Wohnung und sieht nach, ob ihr Ex was vergessen hat. Dabei hat sie Erinnerungen. Sie macht es sich gemütlich und bemerkt eine (körperlich manifestierte) Erleichterung. Wo liest du Vorwürfe?


Insofern geht diese Interpretation an meiner Geschichte vorbei:

Sie überlegt, welche Erwartungen erfüllt wurden, welche nicht und kommt dabei nicht einmal auf ein Gefühl oder die Frage, was sie dazu beigetragen hat, dass die Erwartungen nicht erfüllt wurden.
Daraus könnte man auch eine Geschichte machen, aber diese ist es nicht. ;)

Noch Kleinigkeiten:

Der Kaffeeautomat steht für eine Spur Luxus, die er in die Wohnung bringt, die er auch wieder mitnimmt. In ihm habe ich weniger teilen gelesen als Abwägung.
Danke für das Feedback. Gedacht habe ich mir dabei, dass sie erleichtert ist, wieder ihre vertraute Kaffeemaschine zu haben und den Automat nur ihm zuliebe aufgenommen hat.

Ich muss zugeben, schon seit Jahren keine Waschlappen mehr zu nutzen.
Ich auch nicht, diese Bazillenschleudern.:naughty:

Danke für deine Mühe. ;)

Gruß, Elisha

 

Ja, so kann es einem gehen, wenn man wieder alleine ist. Keine Rücksicht mehr nehmen müssen auf den anderen, sich nicht mehr verantworten und nicht mehr der Kritik stellen müssen, das kann als wohltuend empfunden werden. Vor allem, wenn der andere seine Besserwisserei gern bei Kleinigkeiten und anderen Banalitäten geäußert hat.

Aber das Leben ist banal, es besteht aus vielen kleinen Episoden. Warum soll ich auf Waschlappen* verzichten? Ich habe sie mein Leben lang benutzt und lebe immer noch, ist oft die trotzige Antwort. Gemeint ist: Warum mischt du dich ein, warum läßt du mich nicht so sein, wie ich immer war?

Kein Mensch denkt an Verzicht, wenn er mit jemand zusammen eine Wohnung bezieht oder gar heiratet, viel lieber sieht er die positiven Seiten, die so ein Zusammenleben zweifellos auch haben wird. Aber erwachsene Menschen sind nicht deswegen erwachsen, weil sie ein gewisses Alter erreicht haben, sondern weil ihnen nicht mehr – wie Kindern - gesagt werden muß, was sie zu tun und zu lassen haben. Und dann kommt da Einer oder Eine und sagt einem: Du, das mußt du so machen! Oder: Das Ding ist total unpraktisch, schmeißt es weg!

Akzeptiert man den Einspruch des anderen, dann besteht die Gefahr, wieder zum Kind zu werden. Natürlich nicht gleich beim ersten Mal, aber solche Dinge häufen sich meistens, und wenn der eine oft Recht erhält, dann wird der andere langsam in diese Rolle gedrängt, und eher man sich versieht, wird er dominiert und findet womöglich sogar Gefallen daran, nichts mehr entscheiden zu müssen - diese Gemeinschaften sind die dauerhaftesten.

Aber man kann sich auch arrangieren, daß heißt einmal gewinnt einer, ein anderer Mal der andere. Man kann dazu auch sagen, einmal verzichte ich und einmal verzichtest du, der Liebe wegen. Dieses Verzichten heißt auch sich zusammenreißen. Gewiß, das kann man eine Zeitlang machen, aber wenn die Liebe schwindet – und die schwindet im banalen Alltag jeden Tag ein Bißchen -, fällt der Verzicht immer schwerer.

Du, Elisha, hast in dieser Geschichte ein Bild einer Frau gezeichnet, die sich zwar noch fragt, ob sie sich nicht mehr hätte zusammenreißen sollen, aber gleichzeitig zufrieden ist, wieder allein zu sein. Sie tut das, was sie auch gern getan hätte, als der Mann noch da war, aber darauf verzichten mußte - um Streit oder Schlimmeres zu vermeiden.

Die Geschichte ist stimmig, auch weil subjektiv gefärbt – die Prot muß so denken, sonst würde sie sich vor Selbstvorwürfen nicht retten können. Aber das Bild ist auch trügerisch, denn das Buch wird sie einmal ausgelesen haben und die Kerze wird ausgebrannt sein – und was dann? Sie wird entdecken, daß sie Lebendiges um sich herum braucht, sie ist – wie wir alle – ein soziales Wesen. Vielleicht wird sie sich einen Hund anschaffen oder eine Katze, aber möglicherweise lernt sie wieder jemanden kennen, der etwas Interessantes sammelt oder ihr sonstwie gefällt – und das Spiel beginnt von neuem.

Bin gespannt auf die Fortsetzung.

Dion

* Ich habe nie Waschlappen benutzt, aber alle Frauen, die ich bisher näher kennengelernt habe, benutz(t)en sie, und ich vermute, daß das mit der anerzogenen Abneigung zusammenhängt(e), ihren Körper direkt zu berühren. :D

 

Hallo Elisha,

ich muß mich auch nochmal zu Wort melden. Ich sehe überhaupt keine Veranlassung durch deine Geschichte über Liebe zu philosophieren. Was die Prot beschreibt, sind die typischen Gedanken nachdem ein Mensch aus der Beziehung weg ist. Jeden Tag in einer Beziehung geht es um Teewagen, Duftlampen und sich abgrenzen, das ist menschlich. Menschlich ist ebenfalls das man Dinge zuläßt bzw. sich verkneift, damit zwei Individuen überhaupt den Alltag packen. Wenn sich dann zuviel davon in eine Beziehung schleicht, wird sie beendet und ich finde es legitim, sich dann damit zu trösten, dass störende, einengende Äusserlichkeiten zuende sind. Das hast du in der Geschichte sehr gut rüber gebracht. Ich hatte das Gefühl von Resumee, aber nicht von Abrechnung. Was kann man grds. in einer Beziehung besser oder anders machen ist eine andere Geschichte, mit der du uns vllt noch beglückst.

Lg
Katinka

P.S. ich benutze keine Waschlappen :-)

 

Hi Elisha,

ich fürchte, wir verstehen uns nicht. Ich habe ja gar nicht geschrieben, dass es das nicht gibt, was du hier beschrieben hast. Ich weiß doch viel zu gut, wie viele Beziehungen am Deckel der Zahnpastatube scheitern.
Insofern hast du doch ein Stück Wirklichkeit eingefangen. Was mich persönlich störte, ist, dass du kommunikativ eben keinen Weg daraus zeigst, an solchen "Banalitäten" eine Beziehung scheitern zu lassen, sondern die Geschichte für mich den Eindruck vermittelt: Ja, wenn sie sich schon nicht über den Teewagen, das Duftöl und die Bücher einigen können, ist es richtig, eine Beziehung zu beenden. Die Erleichterung habe ich also durchaus wahrgenommen. Und genau in der Erleichterung habe ich einen Vorwurf gesehen.
Ich kann es mal an einem persönlichen Beispiel nennen. Als ein guter Freund von mir, der ein halbes Jahr bei mir wohnte, in die USA zog, habe ich auch erleichtert festgestellt, dass ich, seit er nicht mehr da war, wieder geschrieben habe, wieder Arte gesehen habe, statt Viva und Wrestling, wieder ins Theater gegangen bin und natürlich habe ich es genossen. Aber dieses Genießen bringt doch nichts, wenn ich nicht weiter frage: Warum habe ich mich überhaupt davon abhalten lassen?
Deine Prot fragt sich, ob sie sich nicht genügend angestrengt hat. An keiner Stelle kommt die Frage auf, ob die Beziehung vielleicht geklappt hätte, wenn sie sich nicht so sehr angepasst und aufgegeben hätte.

Daraus könnte man auch eine Geschichte machen, aber diese ist es nicht.
ja, und genau das werfe ich ihr vor. Denn das wäre das Thema gewesen, das mich angesichts solcher Trennung interessiert hätte. So bleibt es nämlich bei den Äuerlichkeiten, die zwar symbolisch für etwas stehen, die aber letztlich nicht ausschlaggebend für das Scheitern einer Beziehung sein können, solange diese Symbolik nicht in einen Zusammenhang mit dem Selbst der Protagonisten gebracht wird.
Ich weiß, dass es in der Psycholgie ganz häufig so ist, dass man seine Defizite an Teilerfolgen misst (Ah, bei dem Teewagen habe ich mich behauptet). Die Gefahr darin ist, dass man sich über den Hang zur Selbstaufgabe damit wunderbar hinwegtäusschen kann. So empfand ich es bei deiner Geschichte und bei deiner Protagonistin. Die Symbole standen nebeneinander, traten nicht in Beziehung zueinander und nicht in Beziehung zu deiner Protagonistin. Es wirkte für mich so isoliert.
Was für die Trennung spricht, ist die körperliche Erleichterung, denn oft ist es bei Trennungen so, dass man selbst die hochgeklappte Toilettenbrille, die einen immer geärgert hat, auf einmal schmerzlich vermisst. Vielleicht war auch das eine Tendenz, die ich vermisst habe.

Beim Schreiben ist es oft gut, Gefühle nicht einfach zu benennen, sondern sie in Gesten und Beispielen deutlich zu machen. Hier hatte ich das Gefühl, dass vor lauter Erinnerung an Gesten und Beispielen die Gefühle auf der Strecke blieben.
So oft ich diese Geschichte auch lese, mein Eindruck bleibt. Die Protagonistin ist nicht in der Lage zu fühlen. Sie rechnet sich das, was sie fühlen müsste an den Symbolen im Kopf aus wie jemand, der die Liebe eines anderen zu sich davon abhängig macht, ob er ihn jeden Mittag aus dem Büro anruft, um zu hören wie es ihm geht und der gleich an der Liebe zweifelt, wenn der Anruf mal ausbleibt.
Das ist für mich in der Tat ein recht rotes Tuch (egal, ob Männchen oder Weibchen sich so verhalten). Es ist eine Haltung, die sogar im Loslassen und in der Trennung noch klammert. Und so habe ich trotz körperlicher Erleichterung und dem Versuch, es sich gemütlich zu machen, deine Prot empfunden, für mich körperlich unangenehm spürbar, als ob unsichtbare Sricke aus ihm wachsen.

Um es noch einmal zu betonen, ich greife damit gar nicht die Geschichte an, wie gesagt, es gibt genügend Menschen, die so agieren und die hast du auch gut getroffen.
Was ich angreife, mag sogar ziemlich moralisch sein. Hier wird eine Trennung zur Selbstbehauptung propagiert, ohne die Frage nach dem Gefühl zu den Menschen zu stellen.
Überspitzt: Tut mir Leid Schatz, ich liebe dich, aber wenn du meine Bücher und meinen Teewagen nicht akzeptierst, musst du leider ausziehen.
Aus der Geschichte zumindest geht nicht der Versuch hervor, wenigstens mal abzukären, ob Waschlappen, Teewagen und Bücher für die beiden die gleiche symbolische Bedeutung haben. Gut, es ist von der Bazillenschleuder die Rede. Aber hey, wenn es da um die Mühe geht, die nicht gewürdigt wird, was wäre so schlimm daran schon da erleichter aufzuatmen und sich zu sagen, Hey cool, eine Mühe, die ich mir nicht machen muss. Doch nur die innere Haltung, Mühe und Ich zu verknüpfen und zu sagen, wenn er die Arbeit, die ich in die Waschlappen stecke, nicht akzeptiert, dann akzeptiert er mich nicht. Eine Verknüpfung, die immer wieder stattfindet, die aber mehr als unsinnig ist, ähnlich wie die Verknüpfung von persönlichem Geschmack, politischer Richtung und den Gefühlen für einander.

Okay, das war jetzt sehr viel. Ich fürchte, ich werde in meinen Gedanken immer noch nicht verstanden.

wie dem auch sein, einen lieben Gruß, sim

 

sim schrieb:
Aus der Geschichte zumindest geht nicht der Versuch hervor, wenigstens mal abzukären, ob Waschlappen, Teewagen und Bücher für die beiden die gleiche symbolische Bedeutung haben.
Wenn ich mich einmischen und meinen Senf dazu geben darf: Die Dinge werden nicht positiv oder negativ gesehen, weil sie so sind, sondern weil wir ihnen diese Zuordnung geben. Und diese Zuordnung hängt nicht nur von der Person ab, die bewertet, sonder auch von der Person, die das „Ding“ gemacht hat. Will sagen, mache können sich alles erlauben, einem anderen wird nicht einmal die Hälfte erlaubt, obwohl er absolut das Gleiche tut, und manchmal werden jemandem Dinge nicht mehr zugestanden, die er früher ohne Beanstandung machen durfte.

Ich habe in dieser Sache schon in der Pubertät ein Schlüsselerlebnis gehabt: Im Freibad machten wir uns Jungs einen Spaß daraus, Mädchen ins Wasser zu schubsen. Und nun machte ich die Entdeckung, daß Mädchen unterschiedlich reagierten, je nachdem von wem sie ins Wasser befördert wurden: War es jemand, auf den sie selbst ein Auge geworfen hatten, dann schimpften sie zwar, aber in Wahrheit fühlten sie sich geehrt, während sie einem anderen, der sich das Gleiche herausnahm, sofort mit dem großen Bruder oder Papa drohten.

Dies zeigt, daß die Sympathie für einen Menschen das Entscheidende für die Beurteilung von Taten ist - schwindet die Sympathie, schwindet auch die Bereitschaft, eine Tat oder ein Verhalten positiv zu bewerten, ja das kann sogar so weit gehen, daß alles, was der andere tut, nur noch negativ bewertet wird, und oft sind es dann Freunde, die einem weiter helfen, in dem sie sagen: Warum reagierst du so, das war doch nichts!

In dieser Geschichte, hat Elisha nur das Ende einer Beziehung geschildert, und zwar aus der Sicht einer Protagonistin, die sich zwar fragt, ob sie richtig gehandelt hat, den Mann rauszuschmeißen, gleichzeitig sich aber auch Antworten gibt, die ihre Entscheidung ins richtige Licht rücken – klar, niemand will gern Fehler zugeben, nicht einmal vor sich selbst.

Deswegen haben Differenzen über Bücher, Teewagen und Waschlappen in dieser Geschichte gar keine Bedeutung – sie sind nur Ersatz für Wahrheit, die auszusprechen den beiden Beteiligten der Mut fehlte: Ich liebe dich nicht (mehr).

Dion

 
Zuletzt bearbeitet:

Konsequente Fortsetzung

Hallo Dion,

natürlich kenne ich diesen Effekt, habe ihn aber eben in der Geschichte nicht gelesen. Mir erschienen die dialogisierten Rückblenden eben wie die gesuchten Gründe für die Trennung.
Deshalb kommen sie bei mir eben auch als Vorwürfe an. "endlich kann ich das Buch wieder lesen, über das du nu nur die Nase gerümpft hast."
Vielleicht erhalten die Dinge durch den Dialog zu viel Gewicht, das kann ja gut sein.
"Ich bin wieder frei" heißt im Umkehrschluss immer "Du hast mich eingeengt", es sei denn, es schließt sich die Frage an, ob man sich nicht vielleicht selbst viel zu bereitwillig beschnitten hat. Und dabei kann es sein, dass einem erst im Nachhinein auffällt, was man alles vermisst hat, auf was man alles nur um der Liebe willen verzichtet hat. Die Freiheiten, die sie jetzt geníeßt, müssen ihr während der Beziehung nicht als Unfreiheiten aufgefallen sein.
Aber genau davon steht nichts in der Geschichte. An dem Punkt fehlt mir eben die Reflexion, die nicht an den anderen, sondern an sich selbst gerichtet ist. Das meine ich mit "Halten im Loslassen".
Natürlich hilft es im Trennungsschmerz auch, solche Instrumente zu benutzen, um den ehemaligen Partner abzulehnen zu lernen. Sich erstmal einreden, wie mies er ist. Nur hilft es eben für die nächste Beziehung nicht weiter.

Ich habe mal einfach eine konsequente Fortsetzung geschrieben. Vielleicht verdeutlicht die, was ich meine und vor allem, dass es mir hier nicht um die Rettung irgend einer Männerehre geht, sondern um die Protagonistin.

Konsequente Fortsetzung.

Sie lernt einen neuen Mann kennen. Die Geier als schwarzer Humor sind längst zu ihrem Eigentum geworden. Noch immer zieren sie die Wohnung.
Auf dem Teewagen stehen ein silbernes Sahnekännchen und ein Service immer bereit. Natürlich ist es umständlich, die Sahne immer erst umzufüllen, aber für sie bedeutet es Gemütlichkeit.
»Die Sahne wird doch viel zu schnell sauer, die Tassen stauben ein«, erklärt er ihr. »Man schmeckt den Geruch der Wohnung im Kaffee und die Sahne gerinnt.«
»Aber ich nehme doch so viel Sahne in den Kaffee. Die kann gar nicht sauer werden.«
Das Kännchen bleibt, aber sie stellt es in den Kühlschrank, das Service bleibt in der Anrichte, obwohl es doch praktisch war, sich immer bedienen zu können, wenn ihr danach war.

Er mag Elefanten, denn er selbst ist nur einen Meter siebzig groß. Das ist seine Art von Humor, sich mit Größe zu umgeben, die er nicht hat. Sie liebt diesen Humor. Nach und nach verschwinden die Geier. Jeden Tag schenkt sie ihm einen neuen Elefanten und es bringt ihr Spaß, nach ihnen zu suchen, egal wo sie gerade ist.

Im Badezimmer wischt sie jeden Morgen die Spuren des Rasierschaums vom Spiegel, räumt den Pinsel und den Seifentigel in sein Fach im Schrank.
Außer der Zahnbürste in ihrem Becher weist nichts im Bad auf seine Gegenwart hin. Die Waschlappen, die sie immer extra kocht, stärkt und bügelt, lässt er ungenutzt liegen.

»Du musst mir nicht jeden Tag einen Elefanten schenken«, erklärt sagt er ihr. »Dadurch verlieren sie doch das Besondere.«
»Er weiß meine Mühe nicht zu schätzen«, denkt sie. »Die Waschlappen benutzt er nicht und er gönnt mir den Spaß nicht, nach ihnen zu suchen, sie auszuwählen und ihn damit zu überraschen.«

Keine Elefanten, keine Beziehung. Es schmerzt, als sie ihn hinauswirft. Die Elefanten erinnern sie an ihn. Er hat sie ohnehin nicht gemocht. Also räumt sie die Geier wieder ein und die Rüsseltiere in einen Bananenkarton, den sie auf den Dachboden stellt.

Sie genießt die viertel Stunde, die sie am Morgen nicht mehr den Spiegel putzen muss, räumt das Service wieder auf den Teewagen und macht es sich gemütlich.

Ihr nächster Mann mag keine Geier. Sie erinnern ihn zu sehr an die Firmeninsolvenz, die er gerade hinter sich hat. Und es stört ihn, in ihnen die Seele eines Vorgängers zu sehen.
Sie liebt seinen melancholischen Ernst und freut sich. »Er ist eifersüchtig. Dann muss er mich ja lieben.«

Ihn stören weder der Teewagen, noch das Service und das Sahnekännchen darauf. Er finde das stylisch.
»Kaffee schmeckt ohnehin am besten, wenn man ihn mit der Hand mahlt und aufbrüht. Kaffeemaschinen verderben nur den Geschmack.«
Das hat er mal von seiner Oma gehört und wollte etwas Kluges sagen. Aber sie kauft auf dem Flohmarkt eine alte Kaffeemühle aus Holz mit einer Kurbel, einen Handfilter und eine Porzellankanne.
Jeden Morgen steht sie um halb sechs auf, füllt die frischen Bohnen ein, kurbelt zehn Minuten lang, gähnt dabei, setzt den Kessel auf und wenn der Mann geduscht hat, serviert sie ihm frischen Kaffee. Er schmeckt wirklich besser.
»Können wir nicht die Kaffeemaschine schon abends füllen? Dann brauche ich sie morgens nur noch einschalten, bevor ich unter die Dusche gehe und du kannst im Bett liegen bleiben.«
»Da mache ich mir all die Mühe und er weiß es nicht zu schätzen. Ich habe extra für ihn die Kaffeemühle gekauft«, denkt sie, dabei möchte er nur morgens viel lieber mit ihr kuscheln, bevor er ins Büro geht. »Ich mache das doch gern für ihn.«
Die Waschlappen benutzt er auch nicht. Und seit die Geier nicht mehr in den Regalen stehen, ist er auch nicht mehr eifersüchtig.

Als er auszieht, genießt sie das Gluckern der Kaffeemaschine. Die Handmühle bekommt einen Ehrenplatz in einem der Regale. Sie zu benutzen ist nur etwas für Menschen, die zu viel Zeit haben. Endlich kann sie wieder lange schlafen.
Die Geier finden keinen Platz mehr in der Wohnung. Es ist schön, wie leer es ist. Das erleichtert das Staubwischen.

Bis der nächste Mann kommt, von dem sie sich trennen wird.

Lieben Gruß, sim

 
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Weitere konsequente Spin-Offs

@all

Ich habe mir mit Absicht Zeit gelassen, bevor ich reagiere, und seltsamerweise kommt ja immer Neues hinzu. ;) Ich brauchte sie, um mich nicht von der Kritik eines Global Forum-Vaters abschrecken zu lassen (dem ich doch so gern gefallen möchte), sondern mit Distanz anzugucken, was denn eigentlich passiert. Vielen Dank an Sternensegler, Dion,Katinka und natürlich Sim, die mir ihre Sicht der Geschichte mitgeteilt haben.

Absichtlich habe ich die Geschichte sehr offen gelassen, niemanden verdammt und Spielräume für Interpretationen gelassen.
Das scheint ja auch so weit gelungen und zu einer Auseinandersetzung mit unseren Beziehungskonzepten anregend gewesen zu sein.

Sim, du vermisst ein Hinterfragen der symbolischen Bedeutung der Gegenstände und Handlungen. Das wird weder erwähnt noch ausgeschlossen. Und aus langjähriger Erfahrung (mein Partner und ich sind beide Psychologen) kann ich dir nur sagen: zu erkennen ist nicht immer zu beseitigen. Oft nutzt natürlich ein „gut, dass wir drüber gesprochen haben“, andererseits macht es es auch unmöglich, sich naiv zu begegnen und „Zufälle“ und Körpersprache unanalysiert zu lassen. Kann sehr anstrengend sein. Und manche Konflikte sind zwar klar, aber nicht gelöst. ;)

Durch die bewusste Offenheit der Geschichte kann man natürlich seine eigene Interpretation gut reinlesen: „Mann, ist das ein Egoist!“, „Ach, die Armen – bestimmt sind sie schon lange unglücklich“ bis zu „Die Frau hat sich selbst verleugnet“ oder „Ist sie überhaupt bindungsfähig?“ ist alles möglich, wie wir gesehen haben. Dementsprechend kann man das weiterdenken, sich vorstellen, wie die Frau sich in anderen Situationen (z.B. bei Anrufen) verhält oder wie ihr Leben weitergehen kann. Und je nach Interpretation wird es ein anderes Spin-off geben (vllt sollte Felsenkatze das doch mal als neues Kreativitäts-Spiel einführen ;) ). Sims hat seine Sicht ja verdeutlicht.

Als neuen Aspekt bei dem alten Thema wollte ich die ethische Frage nach der Trennung stellen. Die katholische Kirche und konservative Moralisten sind gegen die Scheidung, auch wenn einer oder beide Menschen leiden. Die Prot fragt sich nach dem Kriterium: Wann ist das Leiden genug, um sich trennen zu dürfen? In dem Zusammenhang ist es auch folgerichtig, dass sie hinterfragt, ob sie genug für die Beziehung gekämpft hat. Deshalb geht auch Sims Vorwurf in die falsche Richtung, als wenn ich eine Ex-&-Hopp-Beziehung propagiert hätte.

Zitat von Sim
Hier wird eine Trennung zur Selbstbehauptung propagiert, ohne die Frage nach dem Gefühl zu den Menschen zu stellen.

Weitere konsequente Spin-offs je nach Interpretation:
Der altbekannte Raum scheint verändert, und zum ersten Mal seit langer Zeit spüre ich die Enge nicht mehr um meinen Brustkorb. Endlich kann ich wieder atmen. Du bist fort.

Ein ohrenbetäubender Lärm reißt mich aus dem Wohlgefühl. Jemand hat an mein Fenster geklopft. Und ich bin allein, dem jetzt ausgeliefert. Es ist Jahre her, dass ein Spanner da war, und ich dachte, meine Angst durch die Gespräche mit dir überwunden zu haben. Ich überwinde mich und laufe auf den Balkon, sehe gerade noch, wie eine Gestalt mit fliegendem Mantel hinter der Hausecke verschwindet.

Bist du das etwa? Hast du das gemeint, als du auf mein : "Das beschließe ich jetzt so." erwidert hast: „Das wird sich zeigen.“ Könntest du mir so was wirklich antun?

Der altbekannte Raum scheint verändert, und zum ersten Mal seit langer Zeit spüre ich die Enge nicht mehr um meinen Brustkorb. Endlich kann ich wieder atmen. Du bist fort.

Jetzt müsstest du in deiner Wohnung angekommen sein. Meine Sachen dort zusammen zu suchen, wird nicht viel Zeit beanspruchen, denn die Tüte neben deinem Kleiderschrank ist ja das Einzige, das du mir da zugestanden hast. Aber vermutlich wirst du sie noch dabehalten wollen als Zeichen dafür, dass nicht alles vorbei ist.

Das Telefon klingelt. Deine Nummer. Mal sehen, was es diesmal ist: Fieber oder Hexenschuss? Wo du ja keinen anderen kennst, den du um Hilfe bitten könntest ...

Der altbekannte Raum scheint verändert, und zum ersten Mal seit langer Zeit spüre ich die Enge nicht mehr um meinen Brustkorb. Endlich kann ich wieder atmen. Du bist fort.

Ich greife in die untere Lage des Teewagens und fische den Ausdruck der Email hervor. Natürlich ist es zu früh für etwas Neues, aber seine Worte haben mir das Herz erwärmt. Einen Satz lese ich immer und immer wieder, und mir wird bewusst, dass ich ihn noch nie von dir gehört habe: „Was meinst du denn dazu?“


Danke für die Energie, die ihr in die Geschichte steckt.

Gruß, Elisha

 

Und ich dachte, dies sei so eine Geschichte über eine Frau, die sich dem Mann total anpasst und er sie dann am Ende auch noch sitzen lässt.
Hätte mich aufgeregt und ich hätte dazu eine Menge zu schreiben.
Nix… Eine Frau die Konsequenzen zieht, die sich befreit.
finde ich gut und hat mir gefallen.
Aber… warum stirbt er nicht?

 

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