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Fräulein Julia und der Schneemann

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28.01.2006
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Fräulein Julia und der Schneemann

Fräulein Julia und ich reiten in die Nacht hinaus, wo ein Mandelbaum uns Schatten spendet, Mondschatten, sodass wir in die Sterne blicken können, gemeinsam und doch jeder für sich allein. Was funkeln die gelben Dinger da oben, als es an der Tür klopft und jemand hereintritt, fragt, was wir denn da machen und wir antworten: „In die Sterne gucken“ und er schließt die Tür, lässt uns allein unterm Mandelbaum, der Früchte trägt, reich wie Schnee, der scheint letzte Nacht wohl gefallen zu sein ins Tal, wo Fräulein Julia und ich ruhen und vor Kälte fast erfrieren. „Schau, ein Schneemann“, ruft sie und ich schaue und sehe einen Schneemann, den die Kinder gerade gebaut haben. Eine blaue Wollmütze hat er auf dem Kopf und er erinnert mich an ein Bild, das ich kenne aus einem Kinderbuch, doch bevor ich mich an den Namen erinnern kann, ist der Schnee geschmolzen und Fräulein Julia sitzt auf dem Pferd und reitet davon, lässt mich zurück in der dunklen Nacht unter dem einsamen Mandelbaum, wo ich schwitze, schreie, eine Eule mich aus dem Schlaf reißt, der dahinfließt wie ein Bach im Glanz der Sonne, sich zwischen den Bäumen hindurch schlängelt und es scheint, als flösse er nie wieder zurück zu mir. Als erstarre er wie Eis und die Kinder tanzen darauf mit ihren Schlittschuhen, den Schneemann an ihrer Hand.

 

Hallo Smilodon!

Eine schöne Geschichte, wortgewaltig, klasse. Hat mir gut gefallen. Der Sinn allerdings ist mir entgangen, aber das stört mich nicht weiter. Für mich stellt sie einen schönen (seltsamen) Traum dar, wenn es etwas anderes sein soll ... mir egal. ;) Du hast ein wunderschönes Bild in meinem Kopf gezeichnet, hat mir sehr gut gefallen.

Liebe Grüße,
apfelstrudel

PS: Öhm ... ein erotischer Traum zufällig? :naughty:

 

Ui Apfelstrudel, vielen lieben Dank für das Lob, freut mich natürlich sehr, dass dir die Geschichte gefallen hat, ich hatte ja schon befürchtet, dass sie zu abstrakt ist, um tatsächlich für schön befunden zu werden, und wollte sie daher erst gar nicht hier reinstellen.

Zu einem Sinn der Geschichte möchte ich mich hier auch gar nicht erst äußern, weil das den Sinn letztendlich kaputt machen würde. Ich schätze, du weißt, was ich meine...
Der Text soll zum Träumen und Phantasieren einladen und du bist meiner Einladung gefolgt... dafür vielen Dank :)

Viele liebe Grüße,
Sebastian

 

PS: Öhm ... ein erotischer Traum zufällig? :naughty:
Da muss ich mich doch wirklich sehr, sehr, sehr wundern!
Die Karottennase des Schneemanns als Phallus-Symbol? Die zu erwartende Schneeschmelze als Ejakulations-Versprechen? Da tun sich ja Abgründe auf!

Hey Smilodon,

durch den "ungewöhnlichen" Satzbau erzeugst du mit diesem simplen Kniff eine ungewöhnliche Sprache, die sofort an ein Märchen oder an einen Traum erinnert. Es klingt nach einem geträumten Märchen. Ich stelle mir einen Jungen vor, dem sein Großvater gerade ein paar Geschichten vorgelesen hat, und der nun im warmen Zimmer, während draußen der Schnee fällt, träumt.
Ich finde es ist eine schöne, behagliche Geschichte (Fräulein Julia ist auch einfach ein toller Name) und dieses Natürliche mit dem da mitten im Schneefall auf einmal eine Tür aufgeht, das hat schon etwas träumerisches.

Schön winterlich alles :)
Quinn

 

Da muss ich mich doch wirklich sehr, sehr, sehr wundern!
Die Karottennase des Schneemanns als Phallus-Symbol? Die zu erwartende Schneeschmelze als Ejakulations-Versprechen? Da tun sich ja Abgründe auf!
Du klingst wie mein ehemaliger Chemielehrer. (Vielleicht bist du es ja? :eek:)
Das war doch nur mein zaghafter Interprtationsansatz. Schwachsinn, kann sein, ich hab doch beim Lesen keine erotischen Phantasien gehabt. :rolleyes: So arm bin ich ja nun auch wieder nicht. Ich fand die Geschichte klasse, bloß weil ich beim erstmaligen Lesen keinen richtigen "Sinn" entdecken konnte, hab ich versucht zu interpretieren, was der Autor gemeint haben könnte. So.
Zu einem Sinn der Geschichte möchte ich mich hier auch gar nicht erst äußern, weil das den Sinn letztendlich kaputt machen würde. Ich schätze, du weißt, was ich meine...
Ja. Um Himmels Willen nicht erklären! *Augen-und-Ohren-zuhalt*

 

Hallo Smilodon,

Nörgerlsim hat wieder was zu meckern. Dabei ist es eine wirklich schöne surreale Traumgeschichte, in deren Verlauf Wahrnehmungen verschwimmen. In der Art verschwimmen sie zum Beispiel, wenn ich mich frisch verliebt habe, das Gesicht dessen noch nicht allgegenwärtig, von der Erinnerung verklärt, im Bangen und Hoffen über die Erwiderung der Gefühle. Einsamkeit und Gemeinsamkeit wechseln sich ab, je nach Stimmungslage, die schnell wechseln kann.

Details:

Fräulein Julia und ich reiten in die Nacht hinaus, wo ein Mandelbaum uns Schatten spendet
Gerade in einer träumerischen Geschichte finde ich das umgangssprachliche und falsche "wo" als störend. "Nacht" als Tageszeitangabe lässt sich nicht mit "wo" für Ortsangaben erfragen.
der Früchte trägt reich wie Schnee,
noch ein Komma nach "trägt"
wo Fräulein Julia und ich uns ruhen und vor Kälte fast erfrieren
"uns ausruhen", alternativ "uns" streichen.
eine Eule mich aus dem Schlaf reißt, der Traum dahinfließt wie ein Bach im Glanz der Sonne
da die Geschichte ja träumerisch ist, finde ich das Wort "Traum" darin störend und schon fast zu erklärend. Du könntest es einfach weglassen, dann würde der Schlaf, aus dem er gerissen wurde, dahinfließen und den Traum könnte ich als Leser darin sehen und erfühlen.
sich durch die Bäume schlängelt
wirklich durch Bäume oder zwischen ihnen hindurch?
und die Kinder tanzen darauf mit ihren Schlittschuhen und den Schneemann an ihrer Hand
hier wird durch die Verbindung mit "und" ein anderer Casus verlangt, nämlich der Dativ: dem Schneemann. Hättest du stattdessen ein Komma gesetzt, wäre der Akkusativ richtig gewesen.

Zum Schluss noch einmal: Hat mir gut gefallen. :)

Lieben Gruß
sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Die Karottennase des Schneemanns als Phallus-Symbol? Die zu erwartende Schneeschmelze als Ejakulations-Versprechen?
Ich habe die Geschichte nach Apfelstrudels Hinweis tatsächlich mal in diese Richtung versucht zu lesen und irgendwie war die sogar einleuchtend, auch wenn es von mir nun wirklich nicht so gedacht war :D
Zuerst die Vereinigung, dann das Klopfen an der Tür, die Frage der Eltern: "Was macht ihr denn da?", dann irgendwann ist man fertig und das Fräulein reitet dahin, lässt den Erzähler einsam in der dunklen Nacht zurück. Interessant, was sich so aus meinen Geschichten alles herauslesen lässt. :D

Ansonsten danke ich euch allen nochmal lieb für eure Kommentare und euer Lob, freut mich, dass diese paar Zeilen träumerische Wintergeschichte eure Phantasie ein bißchen angeregt haben. (Bei Quinn und Apfelstrudel offensichtlich sogar ein bißchen zu sehr :D :D :D)

Ich stelle mir einen Jungen vor, dem sein Großvater gerade ein paar Geschichten vorgelesen hat, und der nun im warmen Zimmer, während draußen der Schnee fällt, träumt.
Das ist auch eine wirklich schöne Vorstellung, vor allem passend zum anstehenden Winter und wenn ich von meinem warmen Zimmer aus meinem Fenster hinaus gucke und den Schneeregen sehe, kann ich mich dieser Vorstellung auch sehr gut anschließen.

Und sim danke ich auch nochmal gesondert fürs Nörgeln, habe die Fehler gleich ausgebessert.

Viele liebe Grüße,
Sebastian

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Hier nochmal ein paar kleine Anmerkungen zu den grammatikalischen Details ;)


Gerade in einer träumerischen Geschichte finde ich das umgangssprachliche und falsche "wo" als störend. "Nacht" als Tageszeitangabe lässt sich nicht mit "wo" für Ortsangaben erfragen.
Ich weiß, dass das "wo" umgangssprachlich und unkorrekt scheint. Bei zeitlichen Angaben ist es allerdings nicht (mehr?) falsch laut Grammatikduden, ich habe extra nochmal nachgesehen, weil ich mir nicht ganz sicher war.
Nur zur Erklärung, warum ich dennoch "wo" und nicht "in der" geschrieben habe: Dadurch verwandelt sich die Nacht für mich zu einem Ort und da es ja eine träumerische Geschichte ist, fande ich diesen Aspekt eigentlich sehr reizvoll. Aber ich kann nachempfinden, dass es vielleicht ein bißchen mit einer Vorstellung eines korrekten Hochdeutschs kollidiert. ;)


wo Fräulein Julia und ich uns ruhen und vor Kälte fast erfrieren
Das war eigentlich auch von mir bewusst "falsch" geschrieben, aber jetzt nach erneutem Durchlesen, ist es mir doch auch etwas seltsam vorgekommen.


da die Geschichte ja träumerisch ist, finde ich das Wort "Traum" darin störend und schon fast zu erklärend.
Danke, eine sehr gute Anmerkung!


Die Bäume waren tatsächlich ein kleines Versehen von mir, danke, und wegen des Kasus am Ende: Ich wollte den Dativ vermeiden, weil sich der Schneemann dann auf die Präposition "mit" bezogen und das für mich unschön geklungen hätte. Ob da ein Komma hingehört hätte, wusste ich nicht sicher, aber so bin ich jetzt auf alle Fälle auf der sicheren Seite.

 

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