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Franziska
Nervös betrat Franziska das Gebäude. Es war ihr erster Tag an der neuen Schule und sie hatte große Angst, dass wieder alles von vorne beginnen würde. Aus der alten Lehranstalt wurde sie vertrieben. Alles nur, weil sie nicht der Norm entsprach. "Norm … was für ein blödes Wort", murmelte sie leise. Doch Franziska hatte Hoffnung. Die Hoffnung, dass es hier an der Privatschule besser werden würde.
Sie atmete tief durch, stupste ihre Brille zurecht und machte sich auf den Weg zum Sekretariat. Sie spürte genau die neugierigen Blicke in ihrem Rücken und hörte das Geflüster ihrer neuen Mitschülerinnen. "Guckt mal, die hat ja einen Buckel!", lachte ein Mädchen boshaft. Franziska brach in sich zusammen, doch sie ignorierte sie und versuchte so aufrecht weiter zu gehen, wie es ihr nur irgendwie möglich war. Sie war nicht böse auf das Mädchen nur traurig. Sie hasste sich selbst für ihr Aussehen und konnte es niemanden verübeln wenn er über sie lachte. Trotzdem war ihr schlecht. Sie fühlte diesen Knoten im Hals, diesen Knoten der entsteht, wenn man seine Tränen unterdrückt.
Ihre Eltern hatten verzweifelt versucht ihr beizubringen, dass sie sich wehren musste. Doch Franziska war egal was sie ihr sagten. Sie ging sowieso nur noch zur Schule, weil es das Gesetz so vorschrieb. Es war nur noch ein halbes Jahr. Ein halbes Jahr in dem sie noch diesen spöttischen Bemerkungen ausgesetzt war. Dann hatte sie es geschafft. Dann konnte sie sich für immer in ihrem dunklen Zimmer verziehen.
"Das ist Franziska Weber. Sie ist neu hier und wird das letzte Semester mit euch verbringen. Mathilda, du bist für sie in der ersten Woche verantwortlich. Zeig ihr die Schule und hilf ihr ein bisschen im Unterricht", stellte der Lehrer sie ihrer neuen Klasse vor. Als Franziska sich nach einem leeren Platz umsah stellte sie mit Grauen fest, dass nur noch in der ersten Reihe etwas frei war. Das war für sie das Schlimmste. Wenn sie dort saß, konnte jeder auf ihren Buckel starren. Ihre Gesicht wurden heiß, sie hatte fast unerträgliche Angst. Ihr Herz pochte wie verrückt und sie traute sich nicht, sich umzudrehen und den anderen in die Augen zu blicken.
Schon in der ersten Pause gingen die Hänseleien los. Zuerst tuschelte man nur über sie, doch bald kamen richtig fiese Bemerkungen. Am liebsten hätte Franziska sich im Klo verkrochen. Doch sie blieb tapfer auf ihrem Platz sitzen und versuchte ihre Mitschüler zu ignorieren. Aus Erfahrung wusste sie, dass es nicht besser wurde, wenn sie gehen oder einem Erwachsenen davon erzählen würde. Noch schlimmer eher. Denn dann war sie nicht nur ein Krüppel, sonder auch ein Feigling und eine Petze.
Von Tag zu Tag wurde es schlimmer. Die anderen fingen sogar an sie zu verprügeln. Sie schlugen mit den Fäusten auf ihren Buckel "Um dich grade zu biegen", schrieen sie dabei, während Franziska ihren Atem anhielt und verzweifelt versuchte durchzuhalten. Es tat weh. So schrecklich weh. Ihr Rücken war bereits überseht mit blauen und grünen Flecken. Sie wünschte sich nichts mehr, als irgendjemanden, der ihr half. Doch es geschah nicht. Es würde nie geschehen.
Franziska quälte sich durch die Pausen. Wenn sie nach Hause kam verzog sie sich in ihr Zimmer und weinte stundenlang. Sie aß kaum noch und schlief schlecht. Schreckliche Träume verfolgten sie den ganzen Tag. In ihr machte sich eine Leere breit. Jede Hoffnung war gestorben.
Gegen Ende des Schuljahres hielt sie es kaum noch aus. Eines Tages flüchtete Franziska vor ihren Mitschülern auf den Dachboden. Mathilda verfolgte sie. Sie war die schlimmste von allen. Sozusagen die Anführerin der Klasse.
"Glaubst du, dass wir dich hier nicht finden würden, Quasimodo?", schrie sie Franziska an. "Es gibt nur einen Weg mir zu entkommen. Da, das Fenster steht schon offen. Spring doch. Spring doch, dann bist du uns los, du Missgeburt." Franziska blickte hinunter zur Erde. Es war schrecklich weit. Sie wusste das Mathilda recht hatte. Es gab nur diesen einen Ausweg. Nie würde sie akzeptiert werden. Sie musste dem ganzen ein Ende bereiten.
Sie atmete ein letztes Mal tief durch und stieg dann mit Tränen in den Augen auf das Fensterbrett. Mathilda sah sie erschrocken an. "Das traust du dich nie", flüsterte sie nervös. Doch Franziska traute sich. Sie sprang …