Freiheit ist den Regen auf dem Kopf spüren zu dürfen
Der Asphalt ist nass.
Es hatte schon den ganzen Abend geregnet.
Und so war auch sie bis auf die Unterwäsche durchnässt.
Wäre Tekin nicht anders geworden und geblieben, vielleicht hätte er ihr einen Regenschirm mitgebracht.
Aber er hatte es nicht getan und jetzt wird ihre Welt von allumfassendem grellen Licht überflutet.
Ihre Hände spüren die nasse Fahrbahn,
ihre Knie und Schienbeine sind zerkratzt, Der brennende Schmerz wird nur von nasser Kälte übertönt.
Sie hat sich an Wunden gewöhnt.
Erfahrungen gemacht.
Und mittlerweile ist aus ihrem Badezimmerschrank,
ein beachtliches Wundversorgungszentrum geworden.
Dann hatte Tekin plötzlich etwas geschrien.
Er hatte so wütend und anklagend gebrüllt. Und ihr wurde klar, dass er nie wieder aufhören würde.
Denn er war, so behauptete er zumindest, jetzt ein Mann.
Ein Schubs und sie befand sich plötzlich auf der Fahrbahn.
Sie will den Kopf nicht heben.
Das Licht tut ihr in den Augen weh.
Und trotzdem kann sich nicht aufhören Tekin zu lieben.
Auch wenn es schrecklich ist.
Wenn ihr Herz doch verbrennt.
Sie kann den Regen und den Wind direkt auf ihrem Kopf spüren.
Sie wird den Kopf nicht heben.
Sie kann den Kopf nicht heben.
Denn auf dem Boden, zwischen ihren Händen, direkt unter ihrem Gesicht.
Da liegt der schwarze Stoff.
Da liegt ihr Kopftuch.
Und bevor ein Hellmann LKW sie mit 74 Kilometer per Stunde frontal erfasst,
kann sie spüren wie es sich angefühlt hätte frei zu sein.
Wäre der LKW Fahrer nicht damit beschäftigt, schreiend auf die Bremsen zu treten,
wäre die Nacht nicht so dunkel,
das Licht nicht so allumfassend,
dann hätte er vielleicht gesehen, dass sie die ganze Zeit schon lächelte.
Freiheit ist den Regen auf dem Kopf spüren dürfen.