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Gänseblümchen

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24.08.2007
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Gänseblümchen

Er fehlt mir so. Wenn ich erwache in der Nacht, fühle ich noch das Glück tief in mir, rosig und warm wie der Meeressaum in der Morgensonne. Dann stürzt die Erkenntnis über mich herein und nimmt mir den Boden unter den Füßen fort, so wie der Atlantik, wo ich voller Begeisterung in die tosende Brandung sprang und plötzlich keinen Grund mehr fand. Das kalte Wasser gurgelte über mir, unter mir, schmerzhaft rutschte ich über den Sand, und es brauchte lange, bis ich am warmen Strand wieder auf die Füße kam.

Vergebens warte ich auf ein Zeichen. In meiner Not befrage ich ein uraltes chinesisches Orakel, von dem ich zwei unterschiedliche deutsche Übersetzungen habe, die eine altertümelnd, in einem gelb eingebundenen dicken Taschenbuch, die andere modern formuliert, das Büchlein gebunden und ebenfalls gelb. Gelb sei die Farbe der Mitte, habe ich darin gelesen, und wer stets in der Mitte wandele, sei am rechten Ort, könne niemals fehlgehen. Meine Gefühle wandeln, wo sie wollen. Manchmal surfen sie leicht wie der Schaum auf den Wellen und lachen die Sonne an, ein andermal suchen sie den Grund zu finden, und es gibt Zeiten, da tauchen sie hinab, dahin, wo das Meer am salzigsten ist.

Tief atme ich ein und aus, konzentriere mich so, wie es beschrieben steht, und befrage das Orakel. Die Zeichen, die ich finde, setze ich zusammen, und daraus entsteht die Antwort: „Auflösung“. Gewissenhaft möchte ich in beiden Büchern nachschauen, welche Deutung das Zeichen wohl habe. In dem einen lese ich „Auflösung bedeutet Vereinigung“. Gespannt greife ich nach dem anderen. Das sagt mir: “Auflösung bedeutet Trennung“.

Ich muss lachen.

Wäre Sommer und eine Wiese vor meinem Haus, ich pflückte mir wohl ein Gänseblümchen und zupfte fragend die Blütenblätter ab, so wie es Generationen von Frauen und Mädchen vor mir getan haben. Ihr sagt, das sei töricht?

Wer weiß? Vielleicht wollen wir gar nicht wissen, was kommt. Vielleicht suchen wir in Büchern und Blumen nur nach einem Wesen, mit dem wir lächelnd vom Geliebten sprechen können, und das uns versteht.

 

Hallo Schriftstellerin, (Du bist eine Frau, so viel ist klar!)
ja, Du bist eine. Darfst dich so nennen. Gelungener Text. Nichts fehlt, nichts ist zu viel. Du hast Deine Gefühle gut transportiert, verdichtet eben. Dazu noch ohne Selbstmitleid. Das gefällt mir. Und das verdammte I-Ging. Das verdammte! Auch ich besitze es und befrage es...nicht immer bin ich damit einverstanden.
Schreib, Mädchen, Schreib.

Beste Grüße
Mai-Marie

 

Hallo, ihr Lieben,


ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, außer DANKE.

Nie hätte ich gedacht, dass meine Zeilen eine so positive Resonanz bekämen. Das ermutigt zum Weiterschreiben.


Liebe Grüße

enigma

 

Hallo enigma,

mir gefällt dein "Gänseblümchen" auch sehr gut. Du verwendest eine zärtliche Sprache, die mich im letzten Absatz an Literatur aus der Romantik erinnert hat.
Allerdings stört mich ebenfalls die Frage, die sich an den Leser richtet, ob er es töricht findet. Da würde ich einfach schreiben "Ist das töricht?"

Ansonsten, wie gesagt: Schön.

LG
Katinka

 

Hallo enigma!
Auch ich fand dein Gänseblümchen sehr schön. Deine Sprache und dein Stil lassen mich irgendwie vor mich hinträumen, aber ich würde die Töricht-Frage in eine Töricht-Aussage umwandeln. ;) (Ich hoffe das war verständlich...) Eine Fragestellung stört an der Stelle, ich hab mich da aus meinen Träumen zurückgerissen gefühlt.
Liebe Grüße,
Apfelstrudel

 

Hallo enigma!

Deine Geschichte hab ich schon gleich, nachdem Du sie gepostet hast, zum ersten Mal gelesen, weil Gänseblümchen meine Lieblingsblumen sind, und inzwischen hab ich sie schon mehrmals gelesen; das liegt daran, daß ich mich am Schluß immer so über Deine Protagonistin ärgere: Erst reißt sie der Blume die Blütenblätter aus und dann fragt sie noch, ob ich das töricht finde. Nein, ich finde es nicht »töricht«, ich finde es gefühllos. Und dann wird auch noch durch das »wir« verallgemeinert, als wären alle Frauen und Mädchen so.
Okay, sie reißt sie jetzt nicht wirklich aus, weil zum Glück nicht Sommer ist, so denkt sie nur daran, aber für mich hat so ein sinnloses Umbringen einer Blume nichts mit einer romantischen Vorstellung gemeinsam.

Aber ich hab ja mit meiner Kritik gewartet, damit ich Dir außer meinem Ärger auch noch was zum Rest der Geschichte schreiben kann. ;)

Das Positive: Sie liest sich von den Formulierungen her sehr schön (abgesehen von der bereits genannten störenden Frage).

Er fehlt mir so.
Dieser erste Satz ist die einzige Stelle in der Geschichte, wo der Angebetete erwähnt wird, und das auch nur in Bezug auf die Gefühle der Protagonistin: fehlt mir – nichts über ihn, z. B. warum sie ihn mag, nichts darüber, warum er nicht da ist und sie Orakel darüber befragen muß, ob er sie liebt. Warum spürt sie das nicht? Hat er gesagt »Ich ruf dich an, ruf du mich nicht an«? Haben sie gestritten? Ist er ohne sie auf Urlaub gefahren, ohne ihr zu sagen, warum er nicht mit ihr fahren will?

Wenn ich erwache in der Nacht, fühle ich noch das Glück tief in mir, rosig und warm wie der Meeressaum in der Morgensonne. Dann stürzt die Erkenntnis über mich herein und nimmt mir den Boden unter den Füßen fort, so wie der Atlantik, wo ich voller Begeisterung in die tosende Brandung sprang und plötzlich keinen Grund mehr fand. Das kalte Wasser gurgelte über mir, unter mir, schmerzhaft rutschte ich über den Sand, und es brauchte lange, bis ich am warmen Strand wieder auf die Füße kam.
Alles Beschreibungen, die nichts aussagen, und dann sprichst Du von einer Erkenntnis – aber welche Erkenntnis, erfahren wir nicht in dieser Geschichte, wodurch es zu einer reinen Phrase wird.

Vergebens warte ich auf ein Zeichen. In meiner Not befrage ich ein uraltes chinesisches Orakel,
Da ich nicht weiß, warum sie ihn nicht sehen oder mit ihm telefonieren oder ihm wenigstens schreiben kann, weiß ich auch nicht, warum sie in so großer Not ist, daß sie auf Zeichen von irgendwo her warten muß.

Zeig dem Leser doch mehr von ihm – er existiert in dieser Geschichte nur als erstes Wort! Laß die nichtssagenden Phrasen im ersten Absatz weg und beziehe ihre Gefühle auf ihn, damit man erkennt, von wem sie spricht, warum sie ihn liebt, wieso sie so unsicher ist.

Die beiden Absätze mit dem Orakel finde ich aber ziemlich gelungen, hier sehe ich etwas von der Protagonistin, das bringt sie mir viel näher als der erste Absatz, und die nötigen Erklärungen (Farbe der Mitte etc.) hast Du gut eingebaut. Die Gefühle (»Manchmal surfen sie …«) würde ich jedoch wiederum etwas konkreter beschreiben.

Zusammenfassend kann ich also sagen: Stilistisch sehr schön, inhaltlich recht mager.

Liebe Grüße,
Susi :)

 
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Liebe Susi,

da du als Beruf "Schweinewerfer" angegeben hast, bin ich jetzt doch etwas überrascht. Aber vielleicht kann ich´s wieder gut machen, wenn ich dir sage, dass ich sie beim Rasenmähen immer stehenlasse, denn ich mag sie auch. Ich hätte vielleicht doch eine Margarite nehmen sollen, zum Zupfen. Naja, ist ja nichts passiert.

Ja, warum befragt eine Frau ein Orakel, wo sie doch, modern times, jederzeit so easy via Handy beim Liebling hineinpoltern könnte? ...*grübel*... Das scheint mir eine zentrale Frage zu sein.

Ich freue mich über das wiederholte Lesen und sehr über Dein Lob, meinen Stil betreffend.


Liebe Grüße

enigma

 

Salü enigma,

wieder ein wunderbarer Text!

Gewissenhaft möchte ich in beiden Büchern nachschauen, welche Deutung das Zeichen wohl habe. In dem einen lese ich „Auflösung bedeutet Vereinigung“. Gespannt greife ich nach dem anderen. Das sagt mir: “Auflösung bedeutet Trennung

Und damit stehst Du voll im Leben drin. Und wie Mai-Marie schon schrieb:
Schreib, Mädchen, Schreib
dem kann ich mich nur anschliessen.

So, jetzt hab' ich alle Deine Geschichten gelesen. Schön, dass Du sie geschrieben hast und schön, wenn Du weiter schreibst!
Gisanne

 

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