Göttlicher Stammtisch
Jesus saß schon an unserem Stammtisch in meiner Lieblingskneipe, "Thors Hammer", und schlürfte den Schaum von seinem Bier, als ich eintrat. Mich durch die wankenden Reihen der Besoffenen hindurch kämpfend schaukelte ich in Richtung Stammtisch. Ganz nüchtern war ich auch nicht mehr.
"Ich liebe dieses Gebräu!" begrüßte mich ein freudetrunkener Jesus. "Verdammt sei der Herr, daß er mir das Saufen nicht früher gestattet hat. Zweitausend Jahre ohne Alkohol, ach gott-verdamm-mich, wie hab' ich das ausgehalten?"
"He!" tat sich der Himmel auf, "mach' mich nicht für Dinge verantwortlich, die die Kirche in meinem Namen verbrochen hat!"
Gott, der Herr, war also auch schon da. So war unser Stammtisch nun komplett, eine lustige Runde wie ich meine, und sehr entspannend, weil weit entfernt von Haus und Herd. Und Frau. Gott im übrigen war gerade stinkesauer. Er hatte öfters solch' cholerische Anfälle.
"Ich hänge gerade vor der Glotze, Mann," tönte es von oben, "und schau' mir diesen bescheuerten "Fliege" an. Da mußt du dich einfach besaufen, um diesen Mist auszuhalten. Also häng' mir nicht diese überflüssigen Alkohol-Verbote an. Was ist das denn für ein Mensch, der nicht säuft?"
Jesus winkte den Kellner an unseren Tisch und orderte zwei Meter Bier - offensichtlich hatte er Großes vor.
"Willst du dich ohnmächtig saufen?" fragte ich.
"Ja!" kam die Antwort gleich inklusive penetrant stinkender Bier-Fahne.
"Was denn? Kopfweh an Weihnachten? Hat doch noch Zeit bis Sylvester, oder?"
Jesus spie angeekelt auf den Tisch. "Pah, Weihnachten! Herr im Himmel, was soll ich mit diesem beschißenen Unfug?"
"Es ist dein Geburtstag, denke ich."
Er starrte mich mit böse funkelnden Augen an. "Glaubst du nicht, daß es nach dem zweitausendsten Geburtstag mal genug ist? Es langweilt mich!"
Und es tat sich ein Tor im Himmel auf. "Was soll ich dann erst sagen, du Ignorant!?" donnerte es himmelabwärts.
Jesus ergriff wieder das besoffen genuschelte Wort. "Ich kann diesen ganzen Klamauk nicht ab haben. Mir hat nie jemand was zum Geburtstag geschenkt! Und dann dieser ekelhafte Plätzchen-und-Räucherstäbchen-Gestank!"
"Es ist aber die einzige Zeit im Jahr, in der die Christen noch Christen sind und sich ihrer Religion besinnen!" warf ich in die Runde.
Laut erschallte das trunkene Lachen des Messiahs und aus dem Himmel war ein sichtlich amüsiertes Rülpsen zu hören. "Christen!?" begann Christus, "Ich hasse diese Idioten!"
"Aber bist du denn nicht selbst..."
"Bin vor hundert Jahren ausgetreten!" unterbrach mich Jesus.
"Hundertzwei Jahre du Trottel!" erschall es aus dem Himmel. "Endlich mal ein freudiges Datum, daß man sich merken sollte und du vergißt es gleich, du Simbel! Du hättest früher austreten sollen, Mann!"
"Aber" verteidigte sich Jesus und hob zur Abwehr den Bierhumpen an den Mund "ich konnte doch nicht wissen, was die Menschen aus mir machen würden. Wer, der bei klarem Verstand ist, denkt sich denn, daß man in meinem Namen tötet?"
"Pah" tönte es voller Empörung von oben "mir kam das schon gleich spanisch vor, als sie dich kreuzigten, um dann ihre Zeitrechnung nach dir zu richten. Da läuteten bei mir schon die Glocken, du Einfaltspinsel!"
"Erinner' mich nicht an diese Scheiß Kreuzigung!" sprudelte es aus dem rotnäsigen Erlöser.
"Du wolltest doch sterben, weil du die Menschen nicht mehr ertrugst, also was beschwerst du dich jetzt, du verdammter Opportunist!?" knüppelte Gott, der Herr, seine Drohung auf die Erde.
"Jajaja, Mann, aber ich habe nichts davon gesagt, daß sie mich ans Kreuz schlagen sollen, diese Spinner."
"Warum denn das?" wollte ich wissen.
"Mutter Maria im Himmel, weißt du denn gar nichts? Ich habe eine gottverdammte Holzallergie. Ja, Kruzifix, was glaubst du, was das gejuckt hat???" schrie mich Jesus an und spülte den Ärger mit mehr Bier herunter. "Ich wollte, wie alle, im Zirkus sterben. Was glaubst du gottloser Esel, wieviel Spaß es macht, Löwen zu foppen? Ich liebe es, diese dummen Viecher am Schwanz zu ziehen, Mann!"
"Aber weil du besonders wichtig warst, hat man dich ans Kreuz geschlagen, ja?" wollte ich mein Wissen einbringen.
"Harrharrharr" kam die himmlische Lache inquisitorisch von droben geschoßen "Wichtig? Glaubst du, die Römer hätten sich für diesen Schwätzer besonders interessiert, oder was? Der war doch damals schon dumm wie Brot. Hat sich zu dem römischen Zöllner gesetzt, weil er bis oben zugekifft war, der Depp. Harrharr...warum soll man die Witzfigur für besonders wichtig halten?"
"Was kann ich dafür, daß du mich süchtig gemacht hast, du Dollbohrer!?"
"Warum wurdest du dann ans Kreuz genagelt?" fragte ich nun vorsichtig.
"Weil irgendein Torfkopp den Römern was von meiner Allergie verklickert hat!"
"Judas?"
"Ah, du hirnloser Ochse, wie kommst du denn auf den Dummfug?" entgeisterte sich der Sohn, Traum aller Schwiegermütter.
"Ähm" setzte ich zu verlegener Antwort an, "er hat dich ja letztenendes auch verraten und..."
"Herr Gott, so ein Quatsch, daß war ich selbst!"
"Bitte?"
Jesus becherte wieder einen viertel Meter weg. "Ich hab' mich selbst verraten, Mann. Weil ich das dreckige Menschenpack satt war."
"Und Judas?" war meine erstaunte Frage.
"Ah, der war nur zufällig bei diesem römischen Spinner, Pontius...Pontius irgendwas, weiß der Teufel wie...weil er sein Portemonaie im Zirkus hatte liegengelassen." rülpste Jesus.
"Einer deiner Jünger war im römischen Zirkus?"
"Einer? Alle! Wir hatten Jahresabos für die Christenverfolgungen, Mann!"
"Oh!" entfuhr es mir.
Jesus fuhr fort. "Jedenfalls hat wohl irgendein Klatschjournalist den armen Judas beobachtet, als der diesen Pontius dingsbums gefragt hat, ob sein Portemonaie aufgetaucht sei. Der arme Kerl, er ruhe in Frieden."
"Und wer hat nun das mit der Holzallergie verraten?" konnte ich meine Neugier kaum im Zaum halten.
Jesus rief den Kellner nochmal herbei und orderte weitere drei Meter Bier. Dann wurde er hochrot im Gesicht und brüllte seine Trunkenheit heraus. "Ich weiß es nicht, bei allen Göttern! Wenn ich das Arschgesicht in die Griffel kriege, dann schlag ich aus, wie selbst mein Ausschlag es damals nicht vermochte. Wenn ich nur wüßte, welcher Flachwichser das war!"
Leicht vernebelt meldete sich Gottes Wort durch die Wolken in unser Ohr. "Ich glaube, mein Sohn, es gibt da etwas, daß ich dir sagen sollte..."
Bevor es zum Streit kommen konnte, schmiß ich eine neue Frage in den, von Alkoholgeruch getränkten Raum. "Und warum bist du Atheist geworden, Herr?"
"Oh, aus organisatorischen Gründen!" kam die göttliche Erleuchtung.
"Organisatorische Gründe?" hakte ich nach.
"Was glaubst du, wie schwer es ist, sich um zwei Religionen kümmern zu müssen? Als ob ich nicht schon auf die Christen kotzen könnte, muß ich mich auch noch um das Judenvolk kümmern. Von den ganzen Konfessionen und unterschiedlichen Auslegungen meiner Worte ganz zu schweigen. Ach, hätt' ich doch bloß meine Klappe gehalten." seufzte Gott bierselig.
Nun sah Jesus eine neue Angriffsfläche auf Gottes Glanz. "Wie kann man auch so bescheuert sein und diesem Dummvolk zehn Gebote an die Hand geben!?"
"Ah verdammt, ich war im Vollsuff und..." verteidigte sich Gott, der Herr.
"Was?" schrie Jesus anklagend dicht. "Du hast damals schon gesoffen? Und mir verboten? Du verlogener Hund, du Rabenvater, du!"
"Ich sagte doch schon, daß war die Kirche! Du hängst in jeder einzelnen an der Wand 'rum und kennst dich doch nicht drin aus, du Esel!" beendete Gott, der Herr das Alkohol-Thema und fuhr unbekümmert fort, während Jesus auf den Tisch kletterte um seinem Vater einen Kinnhaken zu verpaßen. "...und da mir langweilig war, hab' ich mir eben zehn Gebote ausgedacht. Ich war ja so blau, ich wußte nicht mal wo ich war. Oder was glaubst du, warum ich Mose auf diesen verdammten Scheiß Berg befahl? Als ich merkte, daß dieser weißbärtige Blindfisch oben auf dem Gipfel auf mich wartete, mußte ich erstmal mühsam da hoch krakseln. Scheiße, verdammte, Scheiß Alkohol!" Gott, der Herr, das roch ich jetzt, hatte einen wahrhaft göttlichen Mundgeruch.
"Und nun sieh, was du mit diesen schwachsinnigen Geboten angerichtet hast!" brüllte Jesus, der inzwischen kopfüber vom Tisch gefallen war.
Gott erwiderte gnadenlos "Hab' ich diesen Schwachmaten etwa gesagt, sie sollen sich an diesen geistigen Dünnpfiff halten?" Gott trank noch einen. "Ist doch nicht meine Schuld, du geistloser Drecksbangert! Verfluch' von mir aus Moses, aber schieb das nich' mir in die Schuhe!"
"Richtig!" pflichtete ich dem Herrn bei. "Man muß doch nicht jede göttliche Bierlaune gleich wörtlich nehmen!"
"Korrekt, Alder!" tönte da eine verdächtig islamisch klingende Stimme aus Gottes Wolkenreich. Ich und Jesus blickten verdutzt nach oben. War unser Gottvater ein Muslim?
"Ah, schaut nicht so belämmert. Allah ist zu Besuch! Wir schauen grade fern! Der alte Sack hatte mit seinen penetranten Schäfchen mächtig Ärger, und nun besaufen wir uns halt zu zweit." kam die Antwort wie aus tausend Engelskehlen.
"Fußball? Saudi-Arabien gegen Deutschland?" wollte Jesus wissen, der zwischenzeitig Hooligan war.
"Pah, nein, die Krautfresser verlieren doch eh! Wir wollten eigentlich den Exorzisten gucken, aber die bringen grade irgendeine bescheuerte Sondersendung über diesen verfluchten Möchtegern-Terroristen! Zum Kotzen!"
"Bin Laden?" befragte ich die göttliche Weisheit.
"Nein, Bush!" fuhr es wie der Blitz auf die Erde. "Wer sonst, wenn nicht dieser vollbärtige Irre?"
Mehr lallend als lachend entfuhr Jesus ein christlich gut gerülpstes "Beim Barte des Propheten...hick"
"Bistu dumm, Alder!?" antwortete Allah voller Wut. "Dem Hurensohn soll am sei'm Bart erschdicke, Alder! Ich mach dem Arsch platt, weißtu!?" Das also war Allahs gefürchteter Zorn. "Ey, isch sag' dir, wenn dem Dönergesischt noch einma' sagt, er hätt' Auftrag von mir, ey, isch mach' dem so platt, Alder!"
"Und den Bush gleich mit, mein Freund!" begrüßte Gott den Vorstoß seines Bruders im Geiste. "Wir Glaubensbrüder lassen uns nicht von so einem Möchtegern-Macho entzweien, was, Allah?" prostete Gott seinem Suffkumpanen zu.
"Ey, isch trink auf disch, Gott, Alder!" stimmte Allah in das religiöse Friedenssaufen mit ein.
Zur Rettung des Weltfriedens erhoben auch ich und Jesus die Bierhumpen. "Prosit!"
Der Pfarrer, der uns die ganze Zeit stumm und glotzäugig vom Nachbartisch aus beiwohnte, sagte plötzlich mit Tränen in den Augen "Was wird wohl der Papst dazu sagen? Gott trinkt mit den Ungläubigen!"
"Bahaha...Papst!?" lachte Gott, der Herr, daß dem Geistlichen die Kutte wegflog. "Der alte Tattergreis? Was glaubst du wohl, warum den Scheiß-Job immer nur einer machen will?"
Der nunmehr im Adamskostüm dasitzende Pater schämte sich für Adam und setzte zur Verteidigung an "Aber der Papst ist voller Liebe und..."
"...Geld! Voller Geld, du Schafskopp! Das ist doch die einzige Motivation, die diese Säcke haben! Bloß, daß man in dem Alter keine Zeit mehr zum Geldausgeben hat...muahahaha! Der alte Schwanzlutscher kriegt doch keinen mehr hoch, verdammt, da hilft ihm auch die teuerste Nutte nichts...!" Gottes Alkoholpegel war gestiegen.
"Stellt doch die Kirche nicht immer als personifizierten geizkragen dar..." begann Papa Nackedei. "Pah!" unterbrach das Jesuskind. "Dabei sind die selbst zu geizig, ihrem Heiland mal neue Klamotten zu kaufen! Schau mich doch an! Die selben alten Lumpen, wie bei meiner Beerdigung, Mann!"
"Was Religionen anrichten können, hat die Geschichte doch zu oft gezeigt, Herr Pfarrer!" half ich dem geistlosen Geistlichen auf die Sprünge.
"Genau, Mann!" pflichtete Jesus mir bei. "Nur Kriege und Morde und Terror und...Bier! Verdammte Scheiße! Bier her!" schloß er seine Predigt mit einem lauten Rülpser, der erahnen ließ, welcher Geruch sich nach 2000 Jahren im Mund eines Messias ansammeln müßte.
"Sei ein braves Schaf und werde Heide, du Schafskopf!" gab Gott gut gemeinte Ratschläge.
"Fuck religion!" fügte Allah in bestem English hinzu.
"Gott ist tot!!!" schloß Gott den Stammtisch - oder jedenfalls versuchte er es, denn Jesus ließ sich nicht zum Heimgehen bekehren. Er wollte weitersaufen.
[Beitrag editiert von: falk am 20.02.2002 um 19:07]