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Ganz im Vertrauen
Vor unserem Haus liegt ein Spielplatz. An sonnigen Tagen sitze ich oft am Fenster und sehe den Kindern zu. Vieles kommt mir dabei in den Sinn. Manchmal wäre ich gerne wie sie. Manchmal denke ich, dass es zu irgendetwas gut ist, dass ich anders bin. Und manchmal denke ich an Jonas.
Wir lernten uns im Chat kennen. Ganze Nächte sprachen wir über Gott und die Welt und vertrauten uns all unsere Geheimnisse an. Fast alle.
»Sie haben eine neue Nachricht« wurde zu meinem Lieblingssatz. Täglich kamen E-Mails von Jonas, zum Geburtstag eine Grußkarte. Ein Teddybär mit einem Herz im Arm. Mein eigenes klopfte bis zum Hals.
»Wenn du nur halb so süß bist, wie du schreibst ...« Der Satz ging nicht weiter. Brauchte er auch nicht. Ich las ihn immer wieder.
»Ich möchte dich gerne kennenlernen ...« Ich dich auch, Jonas. Ich wollte es wirklich.
Jonas wohnte nicht weit weg. Er schlug ein Treffen im Stadtpark vor. » ... wo die Pärchen über die Wiese schlendern.« Eine schöne Vorstellung.
Kurz vorher sagte ich ab. Kein Treffen, kein Jonas. Und keine Begründung. »Ich kann nicht.« Das war alles. »Es tut mir so Leid.«
Ein paar Mal meldete er sich noch. Kurze, unverbindliche Mails. Dann lange Zeit nichts mehr. Fünf Wochen später kam eine E-Mail. Ich öffnete sie mit zitternder Hand. Jonas ging es gut. Viel Stress hatte es gegeben. Schule, Führerschein, Familie. Und seine neue Freundin natürlich. Sophie. Seit drei Wochen waren sie zusammen. In einem Chat kennengelernt. Mir gehe es hoffentlich ebenfalls gut. »Vielleicht sehen wir uns trotz allem irgendwann mal ...«
Ja, vielleicht, dachte ich. Dann rollte ich wieder ans Fenster.