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Gefahr aus der Südsee

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25.05.2014
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Anmerkungen zum Text

Ich habe die Geschichte noch einmal gründlich überarbeitet und die Hinweise und Kritiken mit einfließen lassen, sowie kleine Fehler beseitigt (hoffentlich hab ich sie alle erwischt). Ich habe auch den Rat von @Fliege umgesetzt, der Insel einen neuen Namen zu geben.

Gefahr aus der Südsee

Airport Crakrauna im Inselstaat Sussqua. Die Maschine aus Berlin landet pünktlich. Der Fluggast vom Platz 77c hat es nicht eilig, er ist Journalist, unterschreibt stets mit Thomas R. und ist gebürtiger Sussquaer. Er geht als Letzter von Bord.

»Ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt«, sagt die Stewardess an der Tür. Thomas nickt freundlich und geht die Gangway hinunter. Er atmet tief ein; die Luft ist seidig warm an diesem Morgen und riecht nach Meer. Nach wenigen Minuten steht er am Gepäckband und wartet auf seinen Koffer.
»Thomas Rittborn?« Thomas dreht sich erstaunt um und schaut in das verschlossene Gesicht eines etwa eins neunzig großen Mannes, den er Mitte dreißig schätzt und der einen dunkelgrauen Trenchcoat trägt. Etwas versetzt hinter ihm wartet ein zweiter, nur wenig kleinerer Mann, im gleichen Stil gekleidet.
»Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragt Thomas. Die Männer behagen ihm nicht.
Der Lange zeigt Thomas für den Bruchteil einer Sekunde seine Dienstmarke. »Mitkommen«, sagt er schroff und noch ehe Thomas reagieren kann, umfasst er seinen linken Oberarm mit eisernem Griff und zieht ihn mit.

Thomas bekommt seinen Koffer nicht zu fassen und will zurück. »Halt! Mein Koffer! Was haben Sie mit mir vor? Wohin bringen Sie mich?«
»Schnauze«, bellt der Lange. Dann geht alles sehr schnell, Thomas bekommt einen Schlagstock am Kopf zu spüren, wird in ein Auto verfrachtet und nach kurzer Fahrt findet er sich in einem Raum wieder, in dem er unsanft auf einen Stuhl gesetzt wird. Die zwei Typen setzen sich an einen Tisch ihm gegenüber. Dann werden zwei große Lampen, die auf Stativen stehen, eingeschaltet. Sie blenden ihn und lassen alles dahinter im Nichts versinken.
»Warum haben Sie Sussqua verlassen?«, fragt die schneidend scharfe Stimme des Mannes, der Thomas seine Dienstmarke gezeigt hatte.
»Ich habe im Ausland studiert«, antwortet Thomas wahrheitsgemäß.
»In Deutschland, ich weiß. Ihr Studium haben Sie vor vier Jahren abgeschlossen. Wieso sind Sie nicht zurückgekommen?«
»Ich wüsste nicht, dass Sie das etwas angehen sollte. Das ist meine Privatsache.« Thomas senkt den Blick. Er muss an Maria denken; wenn er auf sie gehört hätte, wäre er jetzt nicht in dieser Situation. Sein Kopf schmerzt von den Schlägen bei seiner Festnahme. Das grelle Licht verstärkt seine Kopfschmerzen. Die Beule auf seiner Stirn ist aufgeplatzt, Blutspritzer auf seinem Hemd gelandet. Er fühlt sich hundeelend, als wäre er siebzig und nicht Ende zwanzig.
»Sehen Sie mich an!«, brüllt die Stimme jetzt.
»Du kannst mich mal am Arsch lecken«, sagt Thomas auf Deutsch.
»Den Gefallen werden wir Ihnen nicht tun«, sagt der Lange auf Deutsch, dass Thomas unwillkürlich zusammenfährt. »Also nochmal: warum sind Sie nicht zurückgekommen?«
Thomas schweigt. Er will Maria außen vor lassen.
»Ich formuliere die Frage anders. Vielleicht wissen Sie dann eine Antwort.« Der Mann spricht wieder Sussquaisch. »Warum sind Sie jetzt hier, und in wessen Auftrag? Sie leben als Sussquaischer Journalist im Ausland, ohne für Ihr Land zu arbeiten. Also, wer ist Ihr Auftraggeber?«
»Da ich Journalist bin, meine Leser.«
»Ach!«
»Wieso ›Ach‹? Meine Leser haben ein Recht auf aktuelle und informative Berichterstattung.«
»Kann schon sein, dass das so ist. Aber Ihre Leser sind hier und nicht in Europa. Sie sind Sussquaer und hätten hier studieren und arbeiten sollen!« Der Lange schlägt mit der Faust auf den Tisch.
Thomas zwingt sich äußerlich zur Ruhe und hofft, dass seine Stimme nicht zu zittern beginnt. »Als ich von hier fortging, war Sussqua ein freies Land. Das habe ich zumindest bis dahin so empfunden. Also konnte ich gehen, wohin ich wollte und studieren, wo ich wollte.«
»Wer ist Maria?«
»Lassen Sie Maria aus dem Spiel! Maria ist ein deutsches Mädchen, in das ich mich verliebt habe. Das ist kein Verbrechen.«
»Was ein Verbrechen ist, das lassen Sie uns beurteilen. Also, wer ist Maria?«
»Verdammt noch mal, Sie kennen ihren Namen, da wissen Sie doch schon alles.« Er macht eine kleine Pause und versucht, sich etwas zu beruhigen. »Okay. Ich sage Ihnen, warum ich hier bin, und Sie lassen Maria aus dem Spiel. Sie hat nichts damit zu tun. Maria ist meine Freundin und wir leben zusammen.«
»Sie haben zusammen gelebt«, präzisiert der Mann die Aussage.
Thomas bekommt augenblicklich eine Gänsehaut. Er atmet tief durch und schließt die Augen zum Schutz gegen das blendende Licht das dennoch grellrot durch die geschlossenen Lider dringt. »Ich habe einen Sussquaischen Pass, eine Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland und arbeite als freier Journalist für eine deutsche Zeitung. Aber da verrate ich Ihnen nichts Neues, nehme ich an. Seit einigen Wochen geht das Gerücht in einschlägigen Kanälen im Darknet, dass von Sussqua eine weltweite Kriegsgefahr ausgehe. Da ich aber keine Quelle finden konnte, von der diese Nachricht ausging, bin ich nach hier zurückgekehrt, um mir selbst ein Bild darüber zu machen.«
»Eine Kriegsgefahr. Interessant. Und? Fühlen Sie sich von Ihrem Land bedroht?«, fragt der Mann.
»Hallo? Ich bin am Flughafen geschlagen und hierher geschleppt worden. Sagen Sie mir, ob ich mir Sorgen um meine Sicherheit machen muss.«
»In welcher Weise geht denn eine Gefahr von unserem Land aus?«, fragt die Stimme.

Thomas hört auf seine Alarmglocken, die unüberhörbar läuten und ihm raten, den Mund zu halten. »Ich bin nicht verhaftet. Ist das richtig?«, fragt er.
»Noch sind Sie es nicht«, antwortet der Mann.
»Dann möchte ich mich mit meinem Anwalt beraten. Ich möchte ihn anrufen.«
»Warum denn so viel Aufwand?«, fragt der Mann. »Beantworten Sie einfach unsere Fragen, umso eher sind Sie wieder frei und können vielleicht auch zu Maria zurückkehren. Apropos ...« Der Lange taucht zwischen den Lampen auf und hält ihm die offene Hand hin. »Ihr Handy.« Er macht eine winkende Bewegung mit den Fingern. »Wird’s bald?«
Thomas holt sein Telefon hervor, macht aber keine Anstalten, es dem Mann zu geben. »Ich rufe jetzt meinen Anwalt an und der sagt Ihnen, ob Sie es kriegen oder nicht.«
Irgendwer schaltet die Lampen aus, es wird schlagartig dunkel im Raum und Thomas sieht nun den anderen Mann am Tisch sitzen. Er braucht eine Weile, bis seine Augen sich daran gewöhnen. Der Kleinere steht von seinem Platz auf und kommt ebenfalls hinzu. »Also gut, wir wollen keine Unmenschen sein. Sie bekommen von uns einen Anwalt gestellt. Bis er hier ist, kommen Sie in eine Zelle.«
Thomas weiß nicht, ob das gut oder schlecht ist. Ein fremder Anwalt, noch dazu einer, der von ihnen bezahlt wird. Was kann oder will der für ihn tun? Für ihn bedeutet diese kleine Pause Zeit. Zeit zum Überlegen, Zeit, zu überleben.
Unwillkürlich denkt er an Maria, an ihre Tränen beim Abschied, ihre Ängste, ihre Zweifel. Er schmeckt wieder den salzigen Kuss am Flughafen. In seiner Kehle platziert sich ein gewaltiger Kloß.

Die Zelle, in die Thomas geführt wird, ist äußerst spärlich eingerichtet. Er schaut sich um und ihn befällt ein beklemmendes Gefühl, als die Tür geschlossen wird und er allein ist. Seine Knie beginnen zu zittern bei dem Gedanken, dass er längere Zeit in so einem Loch zubringen müsste.
Thomas setzt sich auf die Liege, stützt die Ellenbogen auf die Knie und das Kinn auf die zu Fäusten geballten Hände. Erst, als eine Träne von seiner Nasenspitze tropft, merkt er, dass er weint.
Als er ein Geräusch hört, schaut er auf. Ein Schlüssel dreht sich im Schloss. Wenig später schwingt die Tür nach außen auf und ein Wärter führt einen untersetzten Mann in einem dunkelgrauen Anzug aus dünnem Stoff sowie einem weißen Hemd, das bis zum Bauchnabel aufgeknöpft ist, herein. Er hat die weiße Haut eines Mitteleuropäers, welliges Haar, das mehr grau als blond ist. Der Wärter schließt die Tür wieder von außen. Der Mann kommt mit langen Schritten zu Thomas und reicht ihm die Hand, Thomas drückt sie verhalten und nennt seinen Namen.
»Ich bin Patrick Starke, Rechtsanwalt.« Der Anwalt spricht akzentfreies Deutsch. Thomas ist deswegen kein Bisschen erleichtert.
»Was passiert jetzt?« Thomas spricht nun ebenfalls deutsch.
Patrick holt einen batteriebetriebenen Ventilator aus seinem Koffer und schaltet ihn ein. Das Gerät macht einen mordsmäßigen Krach.
»Die Zelle ist verwanzt, so können wir uns leise unterhalten. Die müssen nicht alles verstehen können.«
Thomas vermutet einen fiesen Trick, der ihn in falscher Sicherheit wiegen soll. Seine Körperspannung steigt deutlich an.
»Bleiben Sie locker. Ich gehöre zu den Guten.« Er zieht sich den einzigen Stuhl heran und setzt sich. »Was werfen sie Ihnen vor?«
»Noch haben sie nichts in der Hand.«
»Und Sie haben keine Ahnung, weshalb die Sie festgesetzt haben könnten?« Patrick wirkt skeptisch.
Thomas schaut auf seine Knie und grinst breit, obwohl im nicht zum Lachen ist. »Die ahnen vielleicht etwas von dem, was ich als Journalist wissen könnte, aber ich hab ihnen den Gefallen nicht getan, es aufs Brot zu schmieren.«
»Und was wissen Sie?«, fragt der Anwalt.
Thomas schürzt die Lippen. »Ich brauche Sicherheit, dass ich Ihnen trauen kann.«
»Die kann ich Ihnen leider nicht geben«, antwortet Patrick. »Wenn Sie mir nicht trauen, was ich vollkommen verstehen kann, dann ist hier schon alles gesagt. Ich kann Ihnen nur einen gut gemeinten Rat geben.«
»Und der wäre?«
»Haben Sie Ihr Handy noch?«
Thomas schüttelt den Kopf.
Das Gesicht des Anwalts bekommt einen besorgten Ausdruck. »Hören wir auf, um den heißen Brei zu reden. Sussqua steht kurz davor, von einer Militärjunta übernommen zu werden.«
»Was heißt hier übernommen zu werden? Das sind doch schon diktatorische Verhältnisse!« Thomas schnaubt.
»Reden Sie nicht so laut, mein Ventilator kann nicht alles überdecken. Sagt Ihnen Crakrotol etwas?«
»Allerdings.« Thomas entschließt sich nun doch, die Schranken fallen zu lassen. »Ein biologischer Kampfstoff, mit dem sie aus der Ferne gezielt töten können. Deshalb bin ich hier, um herauszufinden, ob die Gefahr real ist. Ich kenne nur die Meldungen aus dem Darknet und habe nur eine vage Vorstellung über den Wirkmechanismus.«
»Dann wissen Sie ja Bescheid. Der Wirkmechanismus ist eine ausgeklügelte Schweinerei, die sie übers Internet steuern können. Ein Test mit einer infizierten Speicherkarte ist erfolgreich gelaufen. Der arme Kerl wollte vielleicht nur seine Fotos speichern. Minuten später war er tot. Der Stick oder die Karte werden auf der Insel präpariert, kriegen eine Softwareergänzung, die die Mac-Adresse des Rechners an den Absender, also das Lobor überträgt. Einen Mausklick später wird der Wirkstoff freigesetzt.«
»Das ist ungeheuerlich. Die führen ihren Krieg vom Labor aus. Keine Massenvernichtung, sondern Ausschalten der Elite. Ich muss Maria warnen.« Thomas fühlt sich ohnmächtig in diesem Augenblick.
Patrick öffnet seinen Koffer und nimmt ein Smartphone heraus und hält es Thomas hin. »Ich hab hier was für Sie. Damit können Sie entweder einmal telefonieren oder eine SMS absetzen. Danach vernichtet sich die SIM-Karte von selbst.«

Thomas nimmt es und schaltet es ein. Als er beginnt, Marias Nummer einzutippen, wird sie automatisch vervollständigt. Er hält inne. Seine Gedanken überschlagen sich. Er hat sich offenbart und ist sehenden Auges in die Falle getappt. »Was läuft hier gerade?«, fragt er den Anwalt angeekelt. »Welches Wort von ›ich bin von den Guten‹ habe ich da nicht verstanden? Ich hätte es wissen müssen. Maria wollte nicht, dass ich die Reise antrete, ich habe all ihre Warnungen in den Wind geschlagen.« Er hält dem Anwalt das Handy hin, ohne seinen Anruf getätigt zu haben. »Wieso ist der Kontakt meiner Freundin auf diesem Gerät?«

Patrick schiebt Thomas’ Hand weg. »Seien Sie realistisch. Das Einzige, was ich für Sie tun kann, ist, dass Sie ihre Freundin kontaktieren können. Glauben Sie, die lassen einen Anwalt zu Ihnen, der von denen nicht zertifiziert ist? Jetzt rufen Sie sie an oder schreiben ihr eine Nachricht. Eine zweite Chance bekommen Sie nicht, weil Sie hier nicht oder nicht so bald wieder rauskommen.«
Thomas entscheidet sich für eine SMS. Er beginnt zu tippen: »Maria, Liebling, ich habe unsere Liebe verraten, wider besseres Wissen. Wenn es ein Wunder geben sollte, dann siehst du mich irgendwann wieder. Bitte sei vorsichtig. Ich habe eine Speicherkarte bestellt. Wenn sie kommt ...« Weiter kann er nicht schreiben. Was soll er ihr sagen, das sie damit tun soll? Vernichten, und dabei den Kampfstoff sofort freisetzen? Er schreibt weiter: »Wenn sie kommt, lege sie bitte in meinen Schreibtisch und lasse sie dort liegen, bis ich wieder da bin. Ich liebe dich und küsse dich tausendmal. In Liebe Thomas.« Dann drückt er auf Senden und wartet, bis die Nachricht übermittelt wurde. Er legt das Handy neben sich auf die Liege und sieht Patrick an. »Warum machen Sie mit denen gemeinsame Sache?«
»Weil ich der Einzige bin, der Ihnen überhaupt helfen kann. Im Moment müssen wir warten, was sie Ihnen zur Last legen und ob Sie sofort dem Haftrichter vorgeführt werden. Wenn es zum Prozess kommt, drücke ich Ihnen die Daumen, dass ich Ihr Pflichtverteidiger werde. Da habe ich wenig Einfluss.«
Das Handy piept dreimal lang. »Das war’s. Die SIM-Karte hat sich zerstört. Ihre Freundin kann jetzt mit Ihnen nicht mehr in Kontakt treten.«
Ein Schauer läuft Thomas über den Rücken.

Als der Anwalt sich verabschiedet, sagt er: »Lassen Sie den Kopf nicht hängen, ich tue mein Bestes, Sie hier rauszuholen.« Dann wählt er eine Nummer auf seinem Telefon und der Wärter öffnet die Tür.

 

Hallo Isegrims,

vielen Dank fürs Lesen und deine wertvollen Anmerkungen zu meinem Text.

Erwartet habe ich eine Kindergeschichte. Du warst ja eine zeitlang weg und scheinst das Genre gewechselt zu haben.
Die Kindergeschichten waren eigentlich eher ein Genrewechsel gewesen. Ich bin aber froh, dass ich es gemacht habe.

würde ich nicht ausschreiben
Ich mag das nun überhaupt nicht als Ziffern, weil das wie ein technischer Bericht aussieht.

wozu diese Info?
Recht hast du, fliegt raus.

na ja, wie wichtig ist der Kerl denn?
Diese Frage verstehe ich nicht ganz. Es geht um meinen Prot. Und der ist schon wichtig.

hört sich angesichts des Tech-Speeches korrekt an, aber ist es das auch?
Es gibt heute Speichersticks, die dir als Erstes einen Trojaner verpassen, wenn du ihn ansteckst. Und ich bin mir sicher, der ist auch in der Firmware versteckt. Die Sache mit dem Kampfstoff in der Speicherkarte ist natürlich rein fiktiv.

Schöne Woche!
khnebel

 

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