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Gegenwind

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10.09.2014
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Gegenwind

Während ich mir die Augen reibe, erinnere ich mich an einen netten Augenblick, den ich nie vergessen werde.
Ich blies sanft in ein offenes Klassenfenster und hörte erstaunt:
„Ronny, Füße vom Tisch! Die Frage war: Wenn du das Wetter bestimmen könntest, wie würdest du das machen?“
„Immer schönes Wetter, das würde ich machen.“
„Na ja. Wird man das nicht mal leid?“
„Nee, ich nicht. Immer blauer Himmel, immer Sonne.“
„Also würde es bei dir nie regnen. Da kannst du lange warten auf etwas Essbares.“
„Ich würde eben bestimmen, dass es jede Woche nur einmal regnet, aber kräftig!“
„Wie soll das gehen?“
„Indem Regenwolken kommen und sich abregnen.“
„Aha. Aber wie kommen die?“
„Na, einfach so. Automatisch.“

Und dann hörte ich, dass ohne mich, den Wind, gar nichts funktionieren würde. (Nur das mit dem Bestäuben hätte nicht erwähnt werden müssen. Ist eine beinahe unmännliche Aufgabe, doch ich füge mich – Erdmutter Ahmah hat es so gewollt.) Gerührt und stolz ging ich mit frischem Elan an meine Aufgaben.

Die sind seit dem Auftauchen der Menschen komplizierter geworden. Auch meine uneingeschränkte Freiheit habe ich eingebüßt; auf raffinierte Weise haben sie mich vereinnahmt. In meiner Arglosigkeit habe ich zugelassen, dass sie mich vor ihre Mühlen und Segel spannten.
Sie haben mich beobachtet, regelrecht studiert. Nun kennen sie meine Eigenarten, sie haben ihr Leben danach ausgerichtet – Bauern, Hoteliers, Winzer, Seefahrer und Millionen andere.
Sie haben mich ungefragt in die Pflicht genommen, erwarten, dass ich wie ein Zauberer imstande bin, es jedem recht zu machen. Nachlässigkeiten kann ich mir schon gar nicht erlauben, da gibt’s gleich irgendwo Überschwemmungen, Temperaturstürze und Lawinen, oder Hitzewellen und Dürre.
Ich tue, was ich kann – trotzdem schauen viele von ihnen mit unzufriedenen Gesichtern in den Himmel, weil sie sich den Tag anders vorgestellt hatten.
Ich muss dieses Joch tragen bis ans Ende der Welt. Wind zu sein, heißt schuften.

Der Fairness wegen muss ich aber auch sagen, dass mir Ahmahs Dienstplan Ruhezeiten zugesteht. Dann nehme ich einen Packen trockene Wolken, die weißen also, zart wie die Daunen von Eidergänsen, lümmle mich in die Kuhlen und gleite im Tagtraum über Kontinente und Meere. Im spiegelnden Wasser kann ich mich selbst betrachten, ziehe Grimassen im Übermut, blähe die Backen auf, nur so zum Spaß. Mehrere Schiffe bekommen allerdings Schlagseite und sinken. Das war sehr unbedacht.
Eigentlich bin ich ein rechtschaffener Kerl, für Scherze ist nur selten Zeit. Und auch für Small Talk mit Frau Sonne bleibt nicht viel Raum.
Das ist schade, ich mag sie sehr. Signora Sole ist Italienerin, mit sonnigem Gemüt – nicht nur von Berufs wegen. Die lacht ständig und könnte den ganzen Tag verquatschen. Schon beim Aufgehen ruft sie unnötig laut: „Buon Giorno, mio caro! Come stai?“
„Oh, Sole mio!“, rufe ich zurück und mache die Geste alter Frauen, wenn sie ein Unglück beweinen: „Molto lavore, molto, molto!“ Es klingt authentischer, wenn man alles doppelt sagt. Ihr Job ist mit meinem nicht zu vergleichen, denn wenn sie einmal scheint, ist die meiste Arbeit getan. Aber neidisch bin ich nicht – was ich tue, das tue ich gern.

Und doch beginnt es in mir zu rumoren, langsam gerate ich in Rage. Schon wieder kriege ich diese ekelhaften Schwaden in die Nase. Die ziehen mittlerweile um die ganze Welt. Mir tränen die Augen. Wie schwarze Himalajas türmen sie sich auf. Sie sind zäh, ich muss mich enorm anstrengen, sie zu zerteilen und auseinanderzutreiben.
Die Leute brauchen Energie, jedes Jahr mehr. Sie verheizen alles, was brennt. Das loht und wabert, die Luft stinkt.
Langsam verflüchtigt sich meine Sympathie für sie. Die machen mich zum Müllmann, der den Himmel aufräumen muss, sonst hätten sie einen dunkelgrauen Teppich über sich. Tag und Nacht umgeben mich Dreck und giftige Gase, damit die Herrschaften mobil sind, fliegen können wie die Vögel und ihre Städte wie Fixsterne im Kosmos strahlen. Was glauben diese kleinen Scheißer, wer sie sind?
Ich will mir die schwarzen Schlieren aus dem Gesicht blasen, doch sie kleben an mir wie Polypen aus Asphalt.
Mir wird übel, ich muss husten. Tief unter mir schreien sie „Taifun, Taifun!“, schaufeln weiter Kohle, stellen die Klimaanlage tiefer und klettern in den beheizten Pool.

Überall steigen künstliche Wolken auf, prall gefüllt mit Gasen und Gift statt mit Regentropfen.
Das hört nicht auf, die sind wie verrückt da unten. Ich werde zunehmend sauer und schicke ihnen eine Warnung.
Vielleicht etwas zu heftig, einiges geht zu Bruch.
Es herrscht großes Entsetzen. Sie reden von Orkan, von Hurrikan. Emissäre sprechen von Emissionen. Die pfiffigsten machen ein Geschäft daraus und verkaufen tatsächlich die ihnen – von wem auch immer – zugestandenen ‚Anrechte’ zur Himmelsverschmutzung an andere, gegen bares Geld! Wie beim Ablasshandel. Da schau’ ich ungläubig zu und meine Zornesader schwillt.

Was für ein unglaublicher Kontrast zu all den Jahrmillionen, in denen ich mein Pensum erfüllte, alle zufrieden waren – die Pantoffeltierchen, große Dinos, kleine Dinos, der Archeopteryx. Erdteile stemmten sich auf oder verschwanden, alles in Ahmahs Takt. Denn auch die Zeit war schon da, nur machte sie kein großes Aufhebens um sich. Nichts musste überstürzt werden.

Und jetzt – Zeit wäre Geld!? Sie, die Zeit, so alt wie ich, endlos und überall in Unmengen verfügbar, kostet plötzlich Geld? Das haben diese Witzfiguren erfunden. Das muss man sich einmal vorstellen – bald werden sie auch Luft und Licht zum Geschäft machen. Und mich. Vielleicht wie einen Tanzbären an der Kette führen, ins Seniorenheim zum Ausblasen von neunundneunzig Kerzen auf der Geburtstagstorte. Da blähen sich meine Backen von ganz allein auf. Ich zeige euch, wie ein zorniger Bär tanzt. Ich habe die Nase voll von euch, gestrichen voll!

Das Meer drücke ich in die Ströme, die Brücken brechen, ich knicke die Wälder. Bin außer mir, peitsche den Ozean, bis er mit dem Himmel verwirbelt. Sollen sie sehen, wo sie bleiben! Springfluten rollen über die Kontinente. Es ist nicht meine Schuld! Häuser treiben davon, Wolkenkratzer wanken und krachen zusammen. Der Christus über Rio hat nasse Füße.
Und Frau Sonne hält die Hände vors Gesicht und flennt: „Che miseria! Wie konnten sie nur so dumm sein!“
Nur die Pyramiden verschone ich. Um ein paar Meter hab ich sie versetzt, das ließ sich nicht vermeiden. Doch die nehmen das nicht krumm. Wir kennen uns schon sehr lange.

 
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Hola greenwitch,

besten Dank für Deinen Post. Gut gelaunte Kommentatoren sind mir die liebsten.
Leider hakelt es gleich am Anfang:

José: schrieb:
Wenn du das Wetter bestimmen könntest, wie würdest du das machen?“
Witch: schrieb:
ich lese hier "Mit welchen Mitteln, Tricks, Technik würdest Du das Wetter machen?"
mag an meiner Ausbildung oder regionalen Ohren liegen
Ist schwierig, am besten halte ich mich an Deinen Vorschlag zur richtigen Antwort:
also einfach grinsen und ignorieren.
Aber nein, hast schon recht.
männliche Pflanzen sind die, welche viel Staub um nichts machen
Ziemlich kontraproduktiv, wenn ich die genderischen Bemühungen in unserem Kulturkreis betrachte. Da fehlt es an Verständnis auf der Gegenseite, denn:
So sind sie halt, die Männer. Und wenn wir unserem Hummer die Sporen geben, wirbeln wir noch ganz andere Brocken auf. In steinigem Gelände besonders eindrucksvoll.
Witch: schrieb:
Ja, ein belehrender, kleiner Schulmeister sitzt in der Wolke
Diesen Schuh muss ich mir anziehen. Kann’s bald selber nicht mehr hören – aber was sonst könnte den Wind so fuchsteufelswild machen?
Der schäkerte anfangs mit Verliebten auf der Zugspitze, ließ für Paraglider und Paragleiterinnen Träume wahr werden usw. aber ich brauchte Gegenwind!
Ich glaube, einem anderen Autor hätte ich die Schulmeisterei auch angekreidet, und wenn ich noch bisschen übe, dann so nett wie Du.

Danke nochmals und einen guten Rutsch!
José

 

Hola mi Estimado!

Einen schönen Komm hast Du mir geschickt, und – ja, diesen Umweltbock habe ich geschossen:

Eisenmann: schrieb:
Ich persönlich gebe allerdings zu, dass mir der Öko-AntiIndustrialisierung-Naturschutz-Green-Peace-Touch stellenweise ein bisschen "too much" ist.
Hast recht. Soll mir für die Zukunft eine Lehre sein. Gibt schon genug Schulmeister.
Eisenmann: schrieb:
Na ja, diese Szene mit der Schulklasse würde ich komplett streichen.
Ich würde die Einstiegsszene gern so lassen, weil sich bislang niemand dran gestört hatte, einige das sogar gut fanden. Der Dialog ist allerdings nicht der intelligenteste:D.
Eisenmann: schrieb:
... klingt das so, als wäre dem Wind das überhaupt nicht bewusst, wie wichtig er ist, bevor er es nicht expressis verbis von nem Schulbengel hört, ...
... aber eigentlich sagt es der Lehrer:shy:. Ein bisschen Selbstvertrauen würde ich dem Wind nicht absprechen. Diese Weichenstellung Richtung Umwelt ist fast von allein beim Schreiben passiert; ich hatte noch die Zunahme von verheerenden Stürmen im Kopf – und schon hatte ich meinen Gegenwind.
Aber unterm Strich bin ich ja bei Deiner Beurteilung ganz gut weggekommen:
Gute Arbeit, Amigo
Danke. Schließlich sagt das der Eisenmann!
Ich will Dir auch was sagen:
Besten Dank, das Ölen der Scharniere nicht vergessen (Vorsicht: Jägermeister verklebt!)
und einen turbulenten Rutsch ins Neue Jahr!

José

 

Hola Carlo Zwei,

danke für die lobenden Worte fürs Schreiben. Dass die Geschichte nicht so Deins ist:

Carlo Zwei schrieb:
... nää. Nicht mein Ding.
finde ich nicht so schlimm. Ich tröste mich mit 'Jedermann recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann'. Die meisten Kommentare haben mir Mut gemacht zum Weiterleben, somit hab ich die Chance, Dich mit der nächsten Geschichte zu kriegen.
Dürfte aber nicht ganz einfach sein.

Ich wünsch Dir eine rauschende Sylvester-Party inklusive Feuerwerk!

Bis nächstes Jahr – José, un hombre cualquiera;).

 

Hallo josefelipe,

zunächst ein frohes neues Jahr!

Keine Sorge, diesmal keine langen Ausführungen zu einzelnen Wörtern. Ich wollte Dir nur kurz sagen, dass mir Dein Märchen gefällt, ich es sprachlich gut geschrieben finde und ich die Idee zur Umsetzung der Challenge wirklich gut finde.

Gruß

Geschichtenwerker

 

Hallo José, auf der reinen Textebene ist das Ganze leicht zu kommentieren, finde ich: eine wunderbare Sprache, die die Grundidee des personalisierten Windelements frisch und humorvoll umsetzt. Du greifst schwerwiegende globale Probleme auf und machst sie anschaulich ohne dabei die Leichtigkeit zu verlieren. Das ist sehr gekonnt und gefällt mir gut.

Aber als Kurzgeschichte lässt sich der Text nicht betrachten oder ich sehe die Sache zu eng? Für die Beurteilung einer Kurzgeschichte ziehen wir hier im Forum ja solche Aspekte wie Plot/ Story, also Handlung, dann Figuren, Glaubwürdigkeit der Ereignisse, Konfliktbrisanz usw. heran. Doch dazu kann man bei diesem Text nichts sagen.

Es gibt keine Stroy bzw. Handlung im engeren Sinne, denn die reflektierenden Gedanken Deines Wind-Erzählers beinhalten die eine oder andere Anekdote, aber eben keine konkrete Geschichte, oder ist mir da was entgangen? Es gibt keine Charaktere, keine Entwicklung, keinen Konflikt. Natürlich beschreibt der Wind seine Probleme mit dem Treiben des Menschen, aber das ist kein Konflikt, sondern die Beschreibung eines Missstandes, so wie er in einer Glosse behandelt werden könnte.

In diesem Sinne ähnelt das Ganze dem Wiesel-Text von iscitm, was mich aber nicht daran hindert, es mit Spaß zu lesen. Vielen Dank dafür, José und alles Gute für das neue Jahr!

Beste Grüße
Achillus

 
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Hola Geschichtenwerker,

Du kommst im neuen Jahr so schelmisch daher:

Keine Sorge, diesmal keine langen Ausführungen zu einzelnen Wörtern.
Prima, das macht mein Leben weniger kompliziert. Aber erst einmal besten Dank für die Neujahrswünsche!
Über Deinen nach oben gereckten Daumen habe ich mich gefreut – selbstverständlich wäre einiges zu bekritteln, aber wer käme denn aus freien Stücken auf die Idee, etwas über Gegenwind zu schreiben?
Und so gesehen haben wir uns alle tapfer geschlagen.

Sicherlich werden wir uns dieses Jahr noch einmal begegnen. Gerne auch öfter.

Beste Grüße!
José

 
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Hola Achillus,

nehmen wir den wichtigsten Punkt zuerst:

Aber als Kurzgeschichte lässt sich der Text nicht betrachten oder ich sehe die Sache zu eng?
Nein, tuste nich. Du begründest, was Du sagst – und daran ist nicht zu tippen. Ich muss mir den Schuh anziehen. Brauche sogar einen Schuhanzieher, denn das habe ich wohl völlig außer Acht gelassen, dass eine KG einigen Anforderungen genügen sollte. Jessas!

Um ehrlich zu sein, ist es mir keine reine Freude, nach einem vorgegebenen Thema zu schreiben (Deswegen nehme ich auch nicht am Copywrite teil). Aber ich will nicht abseits stehen, schließlich sehe ich ja, wie die Post abgeht! Da haben wir alle was davon.

Es gibt keine Stroy bzw. Handlung im engeren Sinne, denn die reflektierenden Gedanken Deines Wind-Erzählers beinhalten die eine oder andere Anekdote, aber eben keine konkrete Geschichte, oder ist mir da was entgangen?
Wohl nicht, zumindest nichts Großartiges:shy:.
Okay, der Wind bläst unvorstellbar lange Zeit vor sich hin, friedfertig, ist auch nett zu Segeln und Mühlen (1) und dann reizt man ihn zur Weißglut (2), er erkennt sich selbst nicht wieder, wie er wütet und tobt (3) – tja, das ist wirklich nicht viel. Obwohl – ohne mein Textchen verteidigen zu wollen, das doch damit bedient würde:
Achillus: schrieb:
Es gibt keine Charaktere (1), keine Entwicklung (2), keinen Konflikt(3).
Nicht, dass Du unrecht hättest – ich habe einfach Spaß an der Widerrede. War schon immer so.
... was mich aber nicht daran hindert, es mit Spaß zu lesen.
Lieber Achillus, wenn es das ist, was dabei herauskommt, dann ist trotz Deiner berechtigten Einwände für mich (fast) alles in Butter. Mit dem Text warst Du auch einigermaßen zufrieden – und dann bin ich’s auch. Ich danke Dir für Deine Meinung.
Muss mich jetzt ans Fortschreiben meines Jahrhundertwerkes machen, sonst fehlt das Ende und der Verlag muss eines erfinden mit der Fußnote: Autor zwischenzeitlich verstorben.

Beste Grüße!
José

 

Hallo josefelipe!

Die Idee, das Thema Gegenwind mal aus der Gegenperspektive zu betrachten, also der Sicht des Windes selbst, gefällt mir sehr. Es gibt viele hübsche witzige Ideen im Text, die mich sehr amüsiert haben. Und wie der Wind im Verlauf der Geschichte immer zorniger wird und zum Sturm anschwillt, das finde ich auch gut.

Kritik habe ich nur an ein paar Kleinigkeiten, das kann ich am besten an Textstellen festmachen.

Während ich mir die Augen reibe, erinnere ich mich an einen netten Augenblick, den ich nie vergessen werde.
Ich blies sanft in ein offenes Klassenfenster und hörte erstaunt:
„Ronny, Füße vom Tisch!
Für mich war es am am Anfang ein bisschen schwierig, in die Geschichte rein zu kommen, weil es mir nicht gleich klar geworden ist, dass der Erzähler der Wind ist. Und dann dachte ich zuerst, "Ronny, Füße vom Tisch" wäre an ihn gerichtet, und habe mich gefragt, warum du deinem Wind ausgerechnet diesen Namen gibst. :lol:

Hängst du daran, dass er sich gleich im ersten Satz die Augen reibt, was ja eine sehr menschliche Aktivität ist? Ich glaube, das war vor allem für meine Verwirrung verantwortlich. Wenn er gleich in das Klassenzimmer blasen würde, dann wäre es ja ziemlich eindeutig, um wen es geht.

(Nur das mit dem Bestäuben hätte nicht erwähnt werden müssen. Ist eine beinahe unmännliche Aufgabe,
Hä? Bestäuben ist doch total männlich, also richtig wortwörtlich. Was denkt er denn, was der Pollen ist? :)

Die sind seit dem Auftauchen der Menschen komplizierter geworden. Auch meine uneingeschränkte Freiheit habe ich eingebüßt; auf raffinierte Weise haben sie mich vereinnahmt. In meiner Arglosigkeit habe ich zugelassen, dass sie mich vor ihre Mühlen und Segel spannten.
Was mich ein bisschen gewundert hat, dass er gar nicht erwähnt, dass er inzwischen auch jede Menge Strom produzieren muss - seine Kollegin die Frau Sonne wird ja auch dafür eingespannt. :) Mühlen und Segel sind ja heute nicht mehr so viel in Gebrauch, und später ist der Energieverbrauch der Menschen ja auch ein wichtiges Thema der Geschichte.

Was glauben diese kleinen Scheißer, wer sie sind?
Ich will mir die schwarzen Schlieren aus dem Gesicht blasen, doch sie kleben an mir wie Polypen aus Asphalt.
Mir wird übel, ich muss husten. Tief unter mir schreien sie „Taifun, Taifun!“, schaufeln weiter Kohle, stellen die Klimaanlage tiefer und klettern in den beheizten Pool.
Kleine Scheißer ist gut, und das Verhalten ist leider auch treffend beschrieben. Da kann man auch leicht wütend werden.

Wobei "stellen die Klimaanlage tiefer" vielleicht missverständlich ist. Du meinst bestimmt, auf eine niedrigere Temperatur, aber man könnte auch denken, eine Stufe runter. Ich glaube, meistens wird gesagt "die Klimaanlage höher stellen", wenn gemeint ist, dass man es kälter macht.

Wirklich eine schöne Geschichte, erinnert mich sehr an eine klassische Fabel, mit der vermenschlichten Darstellung von Wind und Sonne und der eindeutigen Moral. Aber Fabeln sind meist sehr geradlinig erzählt, und hier gibt es so viele hübsche kleine Details wie die italienische Sonne, die Wolkenkissen, die Pantoffeltierchen und die Pyramiden, und der Wind als Erzähler hat so viel Charakter, dass mir deine moderne Variante besser gefällt als die alten Fabeln.

Grüße von Perdita

 

Hallo Jose,

Deine Geschichte hat mir gut gefallen, allerdings nicht ganz so gut wie deine Sardienen vor Sardinien. Ich weiß selber nicht warum, aber von den Sardinen war ich ganz begeistert. Aber das Thema war ja nun mal Gegenwind und nicht das Leerfischen der Meere, obwohl das auch zum Himmel stinkt.
In diesem Sinne ein knapper Kommentar von einem "Zaungast";)

Liebe Grüße Sabine

 

Hola Perdita,

das Wichtigste zuerst:

Perdita: schrieb:
Was mich ein bisschen gewundert hat, dass er gar nicht erwähnt, dass er inzwischen auch jede Menge Strom produzieren muss ... ... ist der Energieverbrauch der Menschen ja auch ein wichtiges Thema der Geschichte.
Wie recht Du hast! Ich habe jetzt versucht, diesen Gedanken mit einzubringen. Leider kam es so heraus, dass nach Fertigstellung des Hauses der Architekt nicht dem Wunsch des Bauherrn nach einem zusätzlichen Zimmer nachkommen konnte – ich hab’s an verschiedenen Stellen versucht, bin aber am ‚Einbauen’ gescheitert. Finde ich schade; ich hätte das gleich auf dem Schirm haben sollen.
Ich danke Dir trotzdem für den Tipp – und natürlich auch für den ganzen Kommentar, denn der fiel ja überaus günstig für mich aus.
Freut mich sehr, dass es Dir gefallen hat.
Nur hier hat es gehakelt:
Hä? Bestäuben ist doch total männlich, also richtig wortwörtlich. Was denkt er denn, was der Pollen ist?
Ach, er wird’s schon wissen; er macht’s ja auch gar nicht soo schlecht. Er hat’s nur lieber etwas kerniger. Für ihn sind die feingliedrigen Arbeiten Weiberkram. Ich sehe das auch so:D.

Perdita: schrieb:
Wobei "stellen die Klimaanlage tiefer" vielleicht missverständlich ist. Du meinst bestimmt, auf eine niedrigere Temperatur, aber man könnte auch denken, eine Stufe runter. Ich glaube, meistens wird gesagt "die Klimaanlage höher stellen", wenn gemeint ist, dass man es kälter macht.
Hierzu, liebe Perdita, gibt es eine klare Aussage: Alle von mir Befragten waren genau geteilter Meinung. Es brate mir einer einen Storch!
Beinahe peinlich: Ich wüsste selbst nicht genau, was ich sagen sollte, wenn ich ‚höher’ meinte, pardon, ‚tiefer’ wollte ich sagen.

Viele Grüße und bedankt nochmals!
José


Hola Sabine P,

Dein freundlicher Nachruf für die Sardinen freut mich, auch wenn die Geschichte schon in den Tiefen des Schwarzen Lochs verschwunden ist. Und mit dem ‚Gegenwind’ hast Du scheinbar auch keine größeren Probleme – somit ist alles in Butter und ich danke Dir fürs Vorbeischauen.

Alles Gute und bis bald!
José

 

Hola José,

ich fand das so hübsch, den Wind als Protagonisten einzusetzen. Jetzt hatte ich meine Wind-Thema-Krone ja schon an den Geschichtenwerker vergeben, aber ich finde, sie gebührt Dir ebenfalls.

„Aha. Aber wie kommen die?“
„Na, einfach so. Automatisch.“

sweet

(Nur das mit dem Bestäuben hätte nicht erwähnt werden müssen. Ist eine beinahe unmännliche Aufgabe, ...)

:lol:

Sie haben mich ungefragt in die Pflicht genommen, erwarten, dass ich wie ein Zauberer imstande bin, es jedem recht zu machen. Nachlässigkeiten kann ich mir schon gar nicht erlauben, da gibt’s gleich irgendwo Überschwemmungen, Temperaturstürze und Lawinen, oder Hitzewellen und Dürre.

Wie wahr! Und ich verstehe, dass er sauer ist. Ist wie ein Tier im Käfig.

Im spiegelnden Wasser kann ich mich selbst betrachten, ziehe Grimassen im Übermut, blähe die Backen auf, nur so zum Spaß. Mehrere Schiffe bekommen allerdings Schlagseite und sinken. Das war sehr unbedacht.

Das ist ja nun wirklich sehr böse, aber auch so wunderbar arglos.

Langsam verflüchtigt sich meine Sympathie für sie. Die machen mich zum Müllmann, der den Himmel aufräumen muss, sonst hätten sie einen dunkelgrauen Teppich über sich. Tag und Nacht umgeben mich Dreck und giftige Gase, damit die Herrschaften mobil sind, fliegen können wie die Vögel und ihre Städte wie Fixsterne im Kosmos strahlen. Was glauben diese kleinen Scheißer, wer sie sind?

Lange sind sie jedenfalls nicht mehr. Die machen das schon prima, sich selbst abzuschaffen.

Ich will mir die schwarzen Schlieren aus dem Gesicht blasen, doch sie kleben an mir wie Polypen aus Asphalt.
Mir wird übel, ich muss husten. Tief unter mir schreien sie „Taifun, Taifun!“, schaufeln weiter Kohle, stellen die Klimaanlage tiefer und klettern in den beheizten Pool.

Sag ich doch.

Was für ein unglaublicher Kontrast zu all den Jahrmillionen, in denen ich mein Pensum erfüllte, alle zufrieden waren – die Pantoffeltierchen, große Dinos, kleine Dinos, der Archeopteryx.

Ich mag den Text!

Das Meer drücke ich in die Ströme, die Brücken brechen, ich knicke die Wälder. Bin außer mir, peitsche den Ozean, bis er mit dem Himmel verwirbelt. Sollen sie sehen, wo sie bleiben! Springfluten rollen über die Kontinente. Es ist nicht meine Schuld! Häuser treiben davon, Wolkenkratzer wanken und krachen zusammen. Der Christus über Rio hat nasse Füße.
Und Frau Sonne hält die Hände vors Gesicht und flennt: „Che miseria! Wie konnten sie nur so dumm sein!“
Nur die Pyramiden verschone ich. Um ein paar Meter hab ich sie versetzt, das ließ sich nicht vermeiden. Doch die nehmen das nicht krumm. Wir kennen uns schon sehr lange.

Wer kann es ihm übel nehmen?

So, und jetzt fahre ich schön mit dem Auto in die Stadt, habe mehr Klamotten, als ich sie je wirklich, wirklich abtrage, oh Schuhe auch. Fliegen tue ich eher seltener, dafür kaufe ich Orangen von weit weg. Meine Wohnung ist auch größer, als was nötig wär, und noch so dies und jenes. Ja, meine Mitschuld am Windfrust kann ich nicht verleugnen. Wir Menschen sind so dämlich, keine Ahnung, warum ausgerechnet wir das Hirn und einen Daumen bekommen haben.

Lieber José, wirklich eine feine Geschichte. Klar, total moralisch und eindimensional, aber trotzdem sehr liebenswert. Muss man erst mal hinbekommen.

Beste Grüße, Fliege

 

Hola Fliege,

jetzt endlich, kurz vor Ladenschluss, lieferst Du noch schnell die Erklärung, warum nicht ich die Challenge gewonnen habe:

Fliege: schrieb:
Jetzt hatte ich meine Wind-Thema-Krone ja schon an den Geschichtenwerker vergeben, aber ich finde, sie gebührt Dir ebenfalls.
Leider zu spät, sehr ärgerlich.
Aber Trost ist nah:
Ich mag den Text!
Besten Dank!
Fliege: schrieb:
So, und jetzt fahre ich schön mit dem Auto in die Stadt, habe mehr Klamotten, als ich sie je wirklich, wirklich abtrage, oh Schuhe auch.
Die Taschen (32!) hast Du vergessen - da sind aber die auf dem Dachboden mitgezählt:shy:..
Fliege: schrieb:
Fliegen tue ich eher seltener, ...
Als Fliege? Unglaubwürdig. Fährst Du mit dem Fahrrad nach Lappland?
Fliege: schrieb:
... keine Ahnung, warum ausgerechnet wir das Hirn und einen Daumen bekommen haben.
Das mit dem Hirn war ein Versehen, wie ein Führerschein für den Orang Utan.
Aber den Daumen brauchen wir zum Geldzählen. Eigentlich sind es ja zwei - und da lob ich mir die Vorsehung: Viele werden so schnell immer reicher, dass sie tatsächlich beidhändig das Geld zählen müssen, um noch ein paar Stunden Schlaf herauszuschinden.

Liebe Fliege, hat mich gefreut, Dich auf meinem Thread begrüßen zu dürfen, danke bestens fürs Kommentieren!
Meine Verehrung!
José

 

Hola SayuriTatze,

über Deinen wohlwollenden Post hab ich mich sehr gefreut, vielen Dank.

Natürlich gefällt es einem Autor, wenn eines seiner Babys noch mal aus der Versenkung auftaucht; das geht ja immer ratzfatz - eben eingestellt, schnell verschwunden, bald vergessen. Aber warum soll es unseren Texten anders ergehen als uns selbst, gnädigerweise geht's bei uns erheblich langsamer:).

Da wir beide noch nicht die Ehre miteinander hatten, begrüße ich Dich in unserem höchst elitären Klub und wünsche Dir, dass Du hier eine gute und gewinnbringende Zeit hast.

Viel Spaß und Erfolg!
José

 

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