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Gekämpft, gesiegt und doch verloren

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26.06.2006
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Gekämpft, gesiegt und doch verloren

Gekämpft, gesiegt und doch verloren

Ich bin auf dem Weg zur Schule. Dieselben Menschen zu sehen, wie jeden Tag beruhigt mich. Es verleiht diesem Tag etwas Normales. Es nimmt mir die Aufregung. Heute wird es sich entscheiden. Wenn ich den Mathetest bestehe, werde ich versetzt. Die letzten Tage habe ich damit verbracht mit meiner Mutter die Aufgaben zu üben. Aber wird es reichen?
Für sie muss ich es einfach schaffen. Ich kann an nichts anderes denken. Sie hat sich so viel Mühe gegeben und ich darf sie nicht enttäuschen. Müsste ich die Klasse wiederholen, würde das nichts an ihrer Liebe zu mir ändern, aber ich weiß, sie wäre stolz auf mich. Das würde sie aufmuntern. Durch die Chemotherapie hatte sie sehr viel Kraft verloren. Sie hat sehr viel geschlafen und hatte kaum Kraft aufzustehen. Da mein Vater sich zu der Zeit noch mehr in seine Arbeit stürzte, um sich von dem Leid abzulenken, war sie auf mich angewiesen. Ich machte ihr das Essen und kümmerte mich ums Haus. Ohne sie konnte ich mir mein Leben nicht vorstellen. Ich hatte Angst sie zu verlieren und mir wurde erst in dieser Zeit richtig bewusst, wie sehr ich sie brauche und wie schnell das Leben zu Ende sein kann.
Vor einigen Monaten dann, als sie von dem Arztbesuch nach Hause kam, war alles anders. Sie hatte den Brustkrebs besiegt.
Ich werde mich nie wieder schämen, wenn sie mich von der Schule abholt und mir über die Straße zuruft, damit ich sie sehe. Heute bin ich glücklich, wenn sie dies tut, und ich winke ihr zu. Sie ist zu meiner besten Freundin geworden.

Endlich geschafft. Ich habe alle Aufgaben gewusst. Obwohl ich ein sehr gutes Gefühl habe, gehe ich die Aufgaben noch einmal durch. Ich habe noch etwas Zeit. Ich bin aufgeregt und kann es nicht erwarten meiner Mutter davon zu erzählen.
Endlich läutet es. Ich packe meine Schulsachen zusammen, während die Lehrerin die Arbeiten einsammelt. Dann renne ich aus dem Flur hinaus auf den Schulhof. Gerade durch die Tür nach draußen gerannt kann ich sie schon sehen. Auf der anderen Straßenseite steht sie. Ihr kurzes Haar mit einer Spange nach hinten gesteckt. Sie winkt mir zu und lächelt, als sie meinen nach oben gestreckten Daumen sieht. Ihre Beine sind von dem Auto verdeckt, aber ihren Oberkörper kann ich sehen, als sie beide Arme in die Luft streckt, als würde sie jubeln. Sie hat den ganzen Morgen die Daumen gedrückt und mit mir gelitten. Ich kann es in ihrem Gesicht sehen.
Auch wenn sie nicht da gewesen ist, habe ich die ganze Zeit ihre Anwesenheit gespürt. Sie hat mir Mut und Kraft gegeben.

Ich renne die Treppe hinunter und der Rucksack in meiner Hand fliegt mir nach. Jetzt kann ich die Freude in ihrem Gesicht erkennen.
Die vielen Autos lassen mich nicht sofort über die Straße kommen. Also sehen wir uns zwischen den Fahrzeugen hindurch an.
Doch dann höre ich einenlauten Knall und sie ist plötzlich verschwunden. Sekunden später sehe ich ihr Auto vor einem Straßenschild. Da hat es gerade noch nicht gestanden. Aber das Heck ist völlig zerdrückt.
Aus dem LKW der vor meinem Gesicht hielt, steigt ein Mann. Er ist weiß im Gesicht und sieht verängstigt aus. Was war gerade passiert?
Ich stehe wie angewurzelt da. Kann nicht glauben was ich sehe. Auf der Straße vor dem LKW erkenne ich den Schuh meiner Mutter. Ein Fetzen ihres Kleides am Kühlergrill. Die Haarspange, die jetzt von der Motorhaube rutscht, als würde sie von meinem Blick erschüttert.
Langsam gehe ich über die Straße auf die Menschenmenge zu, die sich um irgendetwas angesammelt hatte. Mit Mühe komme ich durch die Masse in die Mitte des Kreises. Und dort liegt sie.
Ihr blondes Haar verwühlt und an einer Seite rot verfärbt. Unter ihren Nasenlöchern sind, wie aufgemalt, zwei rote Striche, die über ihre Wangen hinunter laufen. Der blutrote Teppich unter ihrem Kopf wird größer. Ich sehe sie ungläubig an. Ihre Augen sind offen, doch es ist kein Blick darin. Die Freude aus ihren Augen war in derselben Sekunde weggewischt worden, wie aus meinen. Das Lächeln wurde aus ihrem Gesicht gerissen, genauso wie das Leben aus ihrem Körper.
Als ich aufsehe bemerke ich, dass die Welt plötzlich ganz still ist. Keine Motorgeräusche, keine Kinderstimmen vom Schulhof sind zu hören. Niemand von all den Menschen, die wie versteinert da stehen, gibt ein Wort von sich. Es ist, als würden selbst die Vögel sich weigern zu singen.
Doch dann, als hätte mich jemand geweckt, höre ich die Sirenen der Krankenwagen näher kommen. Aber es war zu spät, auf einen Arzt brauche ich nicht warten. Nur auf einen Engel.
Für mich ist klar, mit meiner Mutter starb heute auch ein großer Teil von mir.
Sie hatte gegen den Krebs gesiegt und doch gegen den Tod verloren.

 

Hi Bonsai,

und herzlich willkommen.
Ja ja, solche kleinen zynischen Schicksale sind als Einstieg beliebt. So beliebt, dass sie mich leider schon langweilen.
Immerhin hast du eine glaubwürdige Rahmenhandlung (Versetzung) in die Schicksalsüberladende Variante gesetzt.
Aber auch Sätze, die mir schon aufgefallen sind, bevor ich den Text gelesen habe.

Ich renne die Treppe hinunter und der Rucksack in meiner Hand fliegt mir nach als wäre er eine Brötchentüte
Brötchentüten fliegen?
Aus der Ferne höre ich Blaulichtsirenen näher kommen
Was sind denn Blaulichtsirenen? Und kommen die ohne Kranken- oder Polizeiwagen?

Lieben Gruß, sim

 

Hi Bonsai,

juhuu ich bin der erste (Sim zählt nicht. Der ist blöde... immer meckert er an allem herum... und ausserdem liesst er jede Geschichte :p )

Ich fand deine Geschichte schön
naja das schlimmste an Sim ist (wirste noch feststellen) das er immer recht hat! Auch wenn ich das mit der fliegendene Brötchentüte jetzt nicht für unangebracht halte...

Die Geschichte hat mich sehr bewegt; anscheinend ist ein Protagonist noch relativ jung (obwohl ein erwachsener mann auch um seine mutter trauern kann ;) )

Mir war der Höhepunkt etwas zu wenig ausgebaut. Also jetzt nicht das du total übertrieben von stehenden oder wild schlagenden Herzen und entsetzensschreien erzählen müsstest aber:

Als ich aufsehe bemerke ich die Stille auf dieser Welt.
da hast du Geräusche hineingebracht. Vorher war davon kein Wort zu hören. Ein lautes Krachen oder auch nur der Motor hätte ja schon gereicht... Aber so ist es mir ein wenig zu sehr auf das Optische fixiert.
Und was genau da passiert ist hab ich beim ersten mal auch nciht ganz mitbekommen...

Ab:

Langsam gehe ich über die Straße auf die Menschenmenge zu...
wird die beschreibung wunderbar. Wie in einem Hollywoodfilm (und die sind ja nicht ohne grund so
erfolgreich ;) )

also alles in allem (ohne ein Fazit auszukommenwerde ich wohl auch nie lernen :rolleyes: ) gute geschichte nur am höhepunkt etwas arbeiten

gruß
gara

ach ps: herzlichst willkommen bei kg.de

 

Hallo!

Danke für die Hinweise.
Ich werde mir bei Gelegenheit überlegen, wie ich es ändern kann. Zur Zeit lässt es meine Zeit leider nicht zu, aber ich kümmere mich darum.

 

Hi Bonsai,

mir hat deine Kg im groben gefallen. Ja, sicherlich, nihcts neues, aber dennoch "angenehm" zu lesen. Du entwirfst ein glaubhaftes Szenario und verlierst dich in keinen unpassenden Details. Soweit alles in Ordnung.
Das mit den geräuschen hat gara ja schon erwähnt.
Was irgendwie etwie etwas fehl am Platz wirkt, ist der letzte Absatz deiner geschichte.

Als ich aufsehe bemerke ich die Stille auf dieser Welt. Es ist als würden selbst die Vögel sich weigern zu singen. Für mich ist klar. Mit meiner Mutter starb auch ein großer Teil von mir. Ich kann den Tod in mir mehr spüren als das Leben.

der erste Satz passt noch, alles weitere macht nur einen aufgesetzten Eindruck. Außerdem stimmen die Sätze nicht.

Für mich ist klar. Mit meiner Mutter starb auch ein großer Teil von mir.
Das sollte mit Komma gelöst werden, nicht mit einem Punkt. Am besten jedoch ganz weglassen oder umformulieren. So wirkt es zum einen holprig und zum anderen abgedroschen.
Ich kann den Tod in mir mehr spüren als das Leben
Auch dieser Satz muss dringend umgestellt werden, so hat er nichts dramatisches. Aber ich würde den auch einfach weglassen.

Hoffe dir damit weitergeholfen zu haben... :)

am Ball bleiben!

grüßlichst
weltenläufer

 

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