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Gelber Papierdrachen

Monster-WG
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07.01.2018
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Gelber Papierdrachen

I. Lange Naht
Die Mine ist wieder abgebrochen, und ich lasse den Bleistift fallen. Die Seite meiner Hand schimmert silbern vom Grafit, Spuren von Buchstaben, die ich mit dem Handrücken verwische, seit ich das letzte Fitzelchen des Radiergummis aufgebraucht habe. Als ich sie strecke, schmerzen meine Finger. Ich blicke auf die Uhr – kurz vor neun.
Barfuß laufe ich zur Tür, klopfe gegen das Holz.
»Mo? Bist du da?«
Stille.
Ich schließe die Augen. Weiße Blitze zucken in der Dunkelheit. Ich kehre zum Schreibtisch zurück und mustere das Papier, die winzigen schwarzen Buchstaben.
Langsam kann ich sie kaum noch lesen. Die Reste von Tageslicht, die durch die Fensterritzen fallen, reichen nicht aus, um weiterzuschreiben. Wieder blicke ich auf die Uhr. Der Sekundenzeiger kriecht im Kreis. Immer, wenn er auf der Zwölf landet, hält er kurz inne. Wie eine Bahnhofsuhr – sagt Mo. Um sieben wird die Zeitschaltung klicken, die Lampe einschalten. Noch mehr als zehn Stunden.
Ich lasse mich auf den Stuhl sinken. An der Tischplatte ist der Anspitzer festgeschraubt, eine Maschine mit Kurbel, mein treuster Freund. Ich stecke den abgebrochenen Bleistift in den Spitzer. Nach ein paar Umdrehungen ist die Mine wieder pieksig. Vor einigen Jahren habe ich einen frisch angespitzten Bleistift an meiner Handfläche getestet: Man sieht immer noch Spuren von Grafit unter der Haut.
Das Klicken des Schlüssels im Türschloss lässt mich zusammenfahren.
Mo erscheint in der Tür, lächelt. Er trägt ein Tablett.
»Hallo, meine Blume«, sagt er. »Tut mir leid, dass es so spät geworden ist.«
Ich erhebe mich, stelle mich zwischen ihn und den Schreibtisch. »Hallo, Mo.«
Er blickt an mir vorbei auf die Zettel, auf den dicken Bleistiftstrich. Ich lecke die Mine beim Schreiben immer an. Mo sagt, das bringe nichts; ich finde, der Strich wird dadurch dunkler, grimmiger. An einer Stelle habe ich so fest aufgedrückt, dass ich ein Loch ins Papier gerissen habe.
»Was schreibst du?«, fragt er.
»Ich schreibe über eine Frau«, sage ich. »Lena.«
»Kein besonders einfallsreicher Name.«
Zittrig hole ich Luft. »Lena wünscht sich, beim Aufwachen jemandem zuzulächeln. Sie steht aber nur auf, geht zur Arbeit, sitzt rum. Neben ihrer Tür wartet eine gepackte Reisetasche.«
Er seufzt. »Du kannst dir den Namen doch aussuchen.«
»Ich schreibe nur, was wahr ist.«
Er lacht, stützt das Tablett auf der Hüfte ab, streicht mit der freigewordenen Hand über mein Haar, zieht daran. »Das ist süß«, sagt er. »Aber nerv mich nicht damit.«
Wir setzen uns an den kleinen Esstisch vor dem Fenster. Licht fällt durch die Ritzen zwischen den Brettern, die Mo davor genagelt hat, zeichnet Streifen auf den kalten Boden. Ich stelle mir oft vor, was dahinter sein mag: ein blühender Garten, eine Asphaltwüste, das Paradies, die Sahara. Eine von Trockenheit braungefleckte Wiese und am Himmel ein gelber Punkt, ein Drachen, zart und frei.
»Hast du ein Gedicht für mich?«, fragt Mo.
»Was willst du hören?«
»Such du aus.«
»Okay«, sage ich.

»Sehnsucht gab mir ihr weites Kleid,
Seine Naht ist lang wie die Ewigkeit.
Streicht die Sehnsucht um das Haus,
Trocknen die plaudernden Brunnen aus;
Die Tage kommen wie Tiere daher,
Du rufst ihren Namen, sie atmen nur schwer;
Du suchst dich im Spiegel, der Spiegel ist leer,
Hörst nur der Sehnsucht Schritt,
Du selbst bist nicht mehr.

Dauthendey«, sage ich.
»Schön«, sagt Mo.
Wir essen. Spagetti in Öl und Knoblauch.
»Du bist so still in letzter Zeit«, sagt er.
Ich fahre mit dem Finger über meinen Teller, lecke das Öl auf. »Bringst du wieder Kerzen mit?«
»Kann ich machen.« Er wischt sich über den Mund. »Ich muss in einer halben Stunde gehen. Komm ins Bett.«
Wir legen uns hin. Ich schließe die Augen, drücke die Finger in Mos Schultern, in die weichen Stellen zwischen den Knochen.

II. Seide
Als Lena zu schwitzen beginnt, entfaltet sich der Geruch ihres Parfüms. Süß, widerlich. Vorhin fand sie das Fläschchen in einer Schublade, eingeklemmt zwischen vielgetragenen Schweißbändern und gerissenen Schnürsenkeln. Sie ertastete das filigrane Glas und zog es heraus, zögerte, bevor sie einen Tropfen aufs Handgelenk spritzte.
Nun hält sie die Handtasche auf ihrem Schoß umklammert und schwitzt, atmet flach, um das Parfüm nicht riechen zu müssen. Sie studiert die Speisekarte. Zumindest schlägt sie sie auf und blickt hinein. Doch die Zeichen auf dem blassgelben Papier ergeben keinen Sinn.
Als er an ihren Tisch tritt, reißt sie den Kopf hoch, Elektroschocks jagen von ihren Fingerspitzen hinauf in die Ellenbogen.
»Möchten Sie schon etwas trinken?«, fragt er.
Ihre Blicke begegnen sich. Sein Lächeln entblößt weiße Zähne – Raubtierzähne.
»Hi«, sagt sie.
»Hi.« Er blinzelt. »Ach, so ein Zufall.«
»Na ja.«
»Wie geht es dir?«, fragt er.
»Ich nehme ein Wasser. Und ein Eis.« Um ihr Gemüt zu kühlen, die wirbelnden Gedanken unter Kontrolle zu bekommen. Im Restaurant ist es viel zu heiß, die Luft schwer vom Geruch nach Kerzenwachs.
»Was für ein Eis?«, fragt er.
»Egal«, sagt sie, stellt die Speisekarte zurück in den Kartenhalter.
»Okay.« Er macht sich eine Notiz. Dann lässt er sie allein mit dem Kribbeln in den Fingerspitzen.
Sie sitzt auf der Kante des Stuhls, ihr Blick fährt durch den Raum. Das goldene Kerzenlicht erhellt die Gesichter der anderen Restaurantgäste, Menschen beim Abendessen: Pärchen, Familien. Sie ist die einzige, die allein an einem Tisch sitzt. Nebenan lacht eine Frau, beugt sich vor, während ihr Begleiter mit leiser Stimme spricht und die Hände mit Nachdruck im Rhythmus der Wörter bewegt.
An jenem Abend vor acht Monaten gestikulierte Lenas Begleiter auf die gleiche Weise, Raubtierlächeln hinter hochgezogenen Lippen. Ob ihre Augen ebenso leuchteten, bevor er über den Tisch griff, an dem roten Seidenschal zupfte?
Nach einer Weile kehrt er zurück, stellt ein Glas Wasser mit einer Zitronenscheibe auf den Tisch.
»Danke«, sagt sie, hält ihn mit ihren Blicken fest. »Mo.« Sie rollt die Silbe auf der Zunge wie damals. Mit dem Geschmack von Rotwein im Mund fühlte er sich magischer an.
»Bitte, Lena.« Er stößt ein kurzes Lachen aus. »Noch so ein Zufall.«
»Was?«, fragt sie.
»Sorry, aber ich muss noch …« Er deutete vage hinter sich.
»Schade.«
Er verschwindet hinter der Bar, durchquert eine Schwingtür und ist nicht mehr zu sehen.
Ihre Kehle ist so trocken, dass sie das Glas in einem Zug halb austrinkt. Das Wasser schmeckt fantastisch, aufregend.
Am Nachbartisch lacht die Frau. Ihr Begleiter beugt sich über den Tisch, legt eine Hand auf die ihre. Den Seidenschal warf sie einen Tag später in den Altkleidercontainer. Ein Erbstück, rot und leicht. Für immer beschwert.
Als er zurückkehrt und einen Eisbecher mit Früchten serviert, sagt er: »Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns wiedersehen.«
»Man sieht sich immer zweimal im Leben.« Sie greift nach dem Löffel, sticht ins Eis. Das Metall ist kalt.
»Das sagt man so.« Er beugt sich zu ihr, lehnt sich an den Tisch. Sie spürt immer noch die Hitze seiner Haut. »Ich habe um eins Feierabend«, sagt er.
»Cool.« Ihre Stimme ist zu leise. Wenn sie sich nicht konzentrierte, würde sie hyperventilieren.
Er hört sie trotzdem. »Guten Appetit!«, sagt er, richtet sich auf.
»Danke.« Sie sticht den Löffel ins Eis, blickt ihm nach. Er lächelt, während er den Nebentisch abräumt, von dem die Frau mit den leuchtenden Augen aufgestanden und mit ihrem Begleiter in der Nacht verschwunden ist.

III. Kerzenlicht
Meine Augen tränen. Die einzige Lichtquelle im Zimmer ist die Kerze auf dem Schreibtisch, möglichst dicht ans Papier gerückt. Die Hitze brennt auf meinem Gesicht.
Ich nehme mir einen Augenblick, erlaube mir, den Bleistift abzusetzen, den Rücken durchzustrecken. Ich stehe auf, wandere ins Badezimmer, klatsche mir kaltes Wasser ins Gesicht.
Mo hat Sandwiches dagelassen. Sie stehen unangerührt an der Kante des Schreibtisches. Ich ziehe die Folie ab, esse eines. Es schmeckt nach nichts, trocknet meinen Mund aus, trotzdem verschlinge ich es.
Ich räume die vollgeschriebenen Blätter vom Tisch in Mos Reisetasche. Zu den anderen Zetteln, Jahren von Notizen. Zu den Kleidungsstücken, sorgfältig aufgerollt. Zu meiner Zahnbürste und Haarbürste.
Ich stehe auf, stelle die Tasche neben die Tür, ehe ich mich wieder an den Schreibtisch setze, mich über das Blatt beuge und den Bleistift zur Hand nehme. Ich lecke die Mine an.

IV. Gelb
Lena steht auf dem Bürgersteig, Nachtwind in den Haaren. In ihrem Magen rumort das Eis. Sie reibt sich mit kreisenden Bewegungen über den Bauch, kann das Gefühl nicht vertreiben. Die Straße ist leergefegt, dunkel und einsam.
Mo erscheint aus einer Seitengasse. Er schiebt ein Fahrrad. »Hey«, sagt er. »Schön, dass du gewartet hast. Gehen wir zu dir?«
»Nein.« Sie beißt die Zähne aufeinander, bevor sie einen Schritt in seine Richtung macht. »Dieses Mal gehen wir zu dir.«
Seine Lippen kräuseln sich. »Das geht nicht.«
Sie macht einen weiteren Schritt, steht so nah vor ihm, dass sie die Wärme seines Körpers spürt. Er ist einer der wenigen Menschen, die größer sind als sie. »Das geht.«
Er lacht, weicht nicht zurück. »Was soll das? War doch gut letztes Mal. Bei dir.«
Sie greift in die Handtasche und schließt die Finger um den glatten Griff der Waffe, presst ihm den Lauf gegen die Rippen. Seine Augen weiten sich.
»Zu dir«, sagt sie.
»Was …?«
»Sei still! Ich will deine Stimme nicht hören. Geh los! Und mach keinen Scheiß!« Sie atmet ein, die Nachtluft brennt in ihren Lungen. »Sonst töte ich dich sofort.«
Er setzt sich in Bewegung. Sie bleibt so dicht hinter ihm, dass sie mit dem Körper die Waffe abschirmen kann.
Schmerz wallt durch ihren Körper. Die Knochen ächzen bei jeder Bewegung, die Muskeln protestieren gegen jeden Schritt. Die Oberschenkel sind wund, auf der Zunge schmeckt sie Blut. Wie an dem Morgen, an dem sie ohne ihn aufgewachte. Ohne die Naivität, die Unschuld, die Jugend. Die Seide um den Bettpfosten geknotet.
Sie muss kämpfen, um nicht zu weinen, sich auf den Bürgersteig zu legen und die Augen zu schließen. Das wäre einfach. Sie muss kämpfen, um den Kopf oben zu behalten, die Waffe festzuhalten. Immer den nächsten Schritt tun.
Der Weg ist endlos. Das Haus, zu dem Mo endlich das Fahrrad hinaufschiebt, steht einsam in einem verwilderten Garten, die Fenster dunkel, einige vernagelt. Die Dachziegel von Moos bewachsen, der Gartenweg rissig.
Mo lehnt sein Fahrrad neben die Haustür, kramt die Schlüssel hervor. Sie zittert, beobachtet jede seiner Bewegungen. Inzwischen schwitzt sie aus allen Poren und hofft, dass er den Glanz auf ihrem Gesicht nicht sähe.
Im Haus ist es kühl. Hinter dem engen, vollgestellten Flur ist die Küche, schmutziges Geschirr stapelt sich in der Spüle. Mo steht mit hängenden Schultern auf den ockerfarbenen Fliesen, blickt in den Lauf der Pistole.
»Was willst du? «, fragt er.
Sie stellt sich breitbeinig hin und spannt den Finger am Abzug, die Waffe auf seinen Schädel gerichtet. Ruhig atmen. Ruhig atmen, zielen, atmen. »Es dir heimzahlen«, sagt sie. »Hast du auch Angst?«
»Warte.« Er hebt die Hände. »Das kannst du nicht machen. Es gibt jemanden, um den ich mich kümmern muss.«
»Sei still.« Sogar ihre Finger sind nass vom Schweiß, glitschig am Abzug.
Er macht einen Schritt zur Seite, wendet sich dann ab. Dreht den Kopf weg und stürmt durch eine Tür zu seiner Linken.
»Hey!« Hitze schlägt über ihr zusammen wie eine Welle. Sie drückt ab, das Krachen erschüttert ihr Trommelfell, der Türrahmen splittert. »Hey!« Sie rennt durch die Tür in die Dunkelheit, schlägt in dem engen Flur mit dem Ellenbogen gegen eine Wand und stürzt beinahe. Am Ende des Flurs dringt goldenes Licht unter einer Tür hindurch.
»Huang!« Sie hört Mos Schluchzen, hört das Geräusch eines Schlüssels in einem Türschloss. »Huang, pass auf!«
Sie drückt noch einmal ab, der Schuss hallt durch den Flur, und Mo schreit auf, angenehm schrill in ihren Ohren. Sie stürmt ihm nach, die Tür wird geöffnet. Sie sieht eine Silhouette vor dem Kerzenlicht, die Waffe bebt in ihrer Hand, doch sie verfehlt ihn wieder.
Sie taumelt durch die Tür in das Zimmer, spärlich eingerichtet – Bett, Schrank, Schreibtisch, Regal, Mikrowelle – das Fenster vernagelt, eine Frau, die von einem Schreibtisch aufgesprungen ist. Ihr Haar gelb wie eine Butterblume, ihre Haut dünn wie Papier.
Mo klammert sich an sie wie ein Kind an die Mutter, Blut läuft seinen Arm hinab.
Lena starrt die Frau an, ein Kreiseln in der Magengrube. Der Boden scheint näherzukommen, dabei steht sie immer noch aufrecht. Sie kennt diese Gestalt, alles an ihr ist vertraut, obwohl sie sie noch nie gesehen hat. Ein Wiedersehen mit jemandem, der ein Teil ihres eigenen Selbst ist, der Blick in ein Gesicht, das sie besser kennt als ihr eigenes.
»Du kannst mich nicht töten«, sagt Mo, hält die Hände der Frau umklammert.
Sie blickt Lena an, dabei blinzelt sie nicht einmal.
»Ohne mich wird Huang sterben.«
»Lena?«, sagt die Frau, ihre Stimme flüchtig wie eine Brise.
Lena lässt die Waffe sinken, blickt in die hellen Augen. Der Finger am Abzug lockert sich.
Mo springt auf. Lautlos stürzt er sich auf sie. Sie reißt die Pistole hoch, doch er schlägt gegen sie, rammt sie zu Boden. Die Waffe entgleitet ihren schwitzigen Fingern. Mos Faust trifft sie im Gesicht – sie sieht das Universum, eine sternengesprenkelte Schwärze. Knurrend krallt sie sich in seine Schultern, drückt die Finger in die weichen Stellen zwischen seinen Knochen.
Sie wuchtet ihren Oberkörper hoch, schlägt mit der Stirn gegen seinen Kiefer. Ihr Blut verwandelt sich in Lava, verbrennt ihren Körper von innen heraus. Er legt die Hände um ihre Kehle und drückt zu, sein Lächeln purpurrot.
Sie hält den Atem an, schlingt die Beine um seine Hüften und wirft sich herum. Sein Daumen drückt gegen ihren Kehlkopf, doch sie ist jetzt über ihm. Sie krallt die Finger um seine Hand, kämpft gegen den Druck.
»Lena.« Ein Flüstern, eine Brise. Die Waffe wird in ihre Hand gedrückt.
Mos rotes Lächeln erlischt.

V. Abreise
»Ich bin wieder da.«
Die Arme legen sich von hinten um meine Schultern, ein Kuss auf den Hals.
Ich blicke vom Papier hoch, die Buchstaben voller Grimm, sehe Mos Gesicht im Kerzenlicht.
»Du sollst doch nicht schreiben bei dem Licht«, sagt er.
»Ich bin jetzt fertig. Wir können ins Bett gehen.«
»Die Geschichte über Lena?«, fragt er.
Mein Blick wandert zu der Tasche neben der Tür. »Ja.«
»Darf ich sie lesen?«
Das Lächeln wärmt mein Gesicht wie lang vermisste Sonnenstrahlen. »Es ist eine wahre Geschichte.«
»Das klingt langweilig«, sagt er.
Ich hole tief Luft.

»Was du erschaffst und was du bist,
Bewahre ich als der Chronist:
Buchstabe, tot, unwandelbar,
Wird alles, was einst Leben war.
Willst du zu mir nun streben,
Es wird ein Unheil geben!
Hier endet, was durch dich beginnt.
Du wirst nie alt sein, Kaiserkind.
Ich Alter war nie jung wie du.
Was du erregst, bring ich zur Ruh.
Dem Leben ist verboten
Sich selbst zu sehen im Toten.«


»Was soll das?«, fragt er.
»Noch ein Gedicht. Michael Ende.«
Bald, Liebste, bald.

 
Quellenangaben
"Sehnsucht gab mir ihr weites Kleid" von Max Dauthendey
"Die unendliche Geschichte" von Michael Ende (1979)

Hallo TeddyMaria,

klar habe ich deine Geschichte gelesen. ;-)
Wollte mir dafür aber richtig Zeit nehmen, da du dir hier ja wirklich immer viel Mühe machst.

Ich hatte schon mal angefangen deine Geschichte zu lesen, als sie noch in dieser Maskenball-Geschichte war. Ich las bis zu dem ersten Gedicht und habe dann aufgehört. Aus zwei Gründen, die ich dir jetzt natürlich erklären werde.

Du machst es dir auch wirklich nicht leicht, aber das möchtest du auch nicht, denke ich. Deine Geschichte enthält gleich einige Komponenten, bei denen manche sagen, mag ich nicht. Aber all diese haben mit der tatsächlichen Qualität der Geschichte nichts zu tun. Ich finde viele Dinge hängen vom Geschmack des jeweiligen Lesers ab.

Deine Geschichte ist ziemlich kompliziert, da muss man viel denken beim Lesen. Da hast du schon die erste Gruppe, die sagt, ist nicht meins. Hat mit der Geschichte nichts zu tun.
Dann kommen die Gedichte, manche mögen das andere nicht. Diese waren der erste Grund warum ich nicht weiter las. Ich mag einfach nicht. Ich überspringe sowas auch in Büchern. Es holt mich aus der Handlung raus. Ich weiß, versteckte Hinweise und so, kam bislang immer auch ohne klar. Hat aber auch nichts mit der Geschichte als solches zu tun.

Dann erzählst du eine zweite Geschichte innerhalb der Ersten, was dieses Wechseln bedeutet. Auch da gibt es viele die das nicht mögen.Auch wieder eine Geschmackssache. Ich selbst, mag es nur dann, wenn der Autor es schafft zügig Emotion in der ersten und zweiten Geschichte aufzubauen. Damit ich davon getragen werde.Ich muss mich ja in zwei Geschichten einfühlen und ständig wechseln.

In deiner Geschichte fehlte mir das. Vor allem Huang kommt zu kurz. Es konzentriert sich in der Geschichte sehr viel auf Lena. Ich muss den Bezug aber zu Huang finden, gleich am Anfang der Geschichte, ihre Situation ist ja das Grundgerüst.
Ihre Verzweiflung, überhaupt die Tragik ihrer Situation erreicht mich beim Lesen nicht. Und dieses Mitgefühl für sie, würde für mich die Grundemotion bilden, die mich durch die Geschichte trägt. Sie wirkt so, als ob sie Dinge tut, die Leute in so einer Situation halt tun.

Wie man nun Emotion in eine Geschichte überträgt ist schwer zu erklären. Ich weiß nicht ob man das lernen kann, zumindest eher nicht im klassischen Sinne. Die Sache ist, ich bin mir nahezu sicher, dass du es kannst. Warum?
Ganz einfach, weil du es hier ständig machst. In deinen Kommentaren. Die sind so lebendig, man hat echt ein Bild im Kopf, wie du jetzt gerade da sitzt und Augenzwinkernd etwas sagst, amüsiert bist oder dich in Rage schreibst. Da kommt richtig was rüber. Ich glaube, weil du dann weniger nachdenkst. Wenn du so richtig drin bist, in dem Kommentar, geht's schon Mal bissel mit dir durch, wie du selbst sagst. Genau das muss beim Schreiben passieren. Das wenn jemand dich anspricht, du dich dann kurz fühlst, als hättest du geschlafen.
Mach deinen Kopf frei beim Schreiben, stell dir vor du bist diese Frau, nicht, wenn ich diese Frau wäre dann würde ich ...
Das ist dann zu logisch. Du bist die Frau, in genau dieser Situation, du bist total verzweifelt, würdest du durchdrehen in der Situation? Nicht das du es so schreiben musst oder sollst, nur empfinden sollst du es und dich beim Schreiben dann von dieser Emotion, die Stimmung in die du dich versetzt, tragen lassen.

Ich schreibe zum Beispiel viel mit der Hand, weil ich mich dann auch schon mal in Rage und dann schreibe ich so schnell, dass tippen mich im Schreibfluss behindern würde. Klar, ich hau da eine Menge Fehler rein, aber die kann ich hinterher korrigieren.

So gezielte Kommentare wie du sie schreibst, mit Tipps gezielt zu Sätzen kann ich dir leider nicht geben. Ich bin einfach nur jemand, der sehr, sehr viel gelesen hat. Diese ganzen Infinitiv, Präpositionen u.s.w. habe ich glaube nicht mal mehr im Studium gehört und muss da immer ganz schön kramen.
Mir fällt sowas beim Lesen selten auf, weil ich wie gesagt über Emotion lese und mein Komme dann sich auf andere Perspektiven bezieht.

Mir sind dahingehend nur zwei Sachen aufgefallen:

Michael Ende und die unendliche Geschichte. Klappt gut, vorausgesetzt der Leser kennt das.
Habe gerade gesehen, die zweite Sache hast du schon geändert.

Ich hoffe du kannst mit meinem Kommentar irgendwie was anfangen.

Liebe Grüße
Charly

P.S.: Ich nehme dir deine Kommentare nie übel. Die größten Kritiker können auch die größte Hilfe sein.

 

Hallo, Charly1406

Ich arbeite ja immer ein bisschen gegenläufig: Am Wochenende, wenn alle Zeit haben und es unter Wortkriegern tobt, bin ich auf Achse, und unter der Woche fülle ich jede Minute mit Wortkrieger. Also komme ich erst jetzt dazu, wo die Woche langsam anklingt, Dir zu antworten.

Du sagst ja viel, ich gehe einfach mal chronologisch durch.

Dann kommen die Gedichte, manche mögen das andere nicht. Diese waren der erste Grund warum ich nicht weiter las. Ich mag einfach nicht. Ich überspringe sowas auch in Büchern. Es holt mich aus der Handlung raus. Ich weiß, versteckte Hinweise und so, kam bislang immer auch ohne klar. Hat aber auch nichts mit der Geschichte als solches zu tun.

Das finde ich total überraschend. Ich LIEBE Gedichte in Geschichten. Manchmal habe ich schon versucht, eigene Gedichte zu schreiben, und mir dafür ein paar Tipps angeeignet (so wie immer). Der wichtigste davon: Gedichte müssen laut gelesen werden. Das leuchtet mir total ein, denn auch ohne das zu wissen, halte ich bei Gedichten in Geschichten immer inne, lese sie einmal, lese sie einmal laut, lese dann die ganze Seite laut. Ich bin ja eigentlich kein poetischer Mensch, aber innerhalb von Gedichten entfaltet Sprache eine unermessliche Kraft. Deshalb möchte ich irgendwann eigene Gedichte in Geschichten schreiben. So bediene ich mich erstmal bei anderen, deren Wörter schon die nötige Kraft haben – und hoffe, dass (zumindest bei mir als Leserin funktioniert das immer) ein wenig von ihrer Kraft auf mich entfällt.

Also, dass Du das so sagst … Krass. Dass beim Lesen zu denken nicht jedermanns Sache ist, das war mir klar. Dass Gedichte nicht jeden vom Hocker hauen, das ist mir neu. Aber ich sehe es ein. Da kann man wohl nichts machen.

Ich selbst, mag es nur dann, wenn der Autor es schafft zügig Emotion in der ersten und zweiten Geschichte aufzubauen. Damit ich davon getragen werde.Ich muss mich ja in zwei Geschichten einfühlen und ständig wechseln.

Jetzt kommen wir aber zum entscheidenden Punkt, denn hier kann ich ja was machen.

Vor allem Huang kommt zu kurz. Es konzentriert sich in der Geschichte sehr viel auf Lena. Ich muss den Bezug aber zu Huang finden, gleich am Anfang der Geschichte, ihre Situation ist ja das Grundgerüst.
Ihre Verzweiflung, überhaupt die Tragik ihrer Situation erreicht mich beim Lesen nicht. Und dieses Mitgefühl für sie, würde für mich die Grundemotion bilden, die mich durch die Geschichte trägt. Sie wirkt so, als ob sie Dinge tut, die Leute in so einer Situation halt tun.

Hm … Ich mag es ja ein wenig, an einem Punkt zu sein, an dem die Leser/innen sich nicht einigen können, wo zu viel ist und wo zu wenig. Du bist nicht die Erste, die sagt, dass Huang zu blass ist, aber Du widersprichst jenen, die sagen, dass Lena zu blass ist, wo doch Huang schon so gut gezeigt wird. Da sich aber alle einig sind, dass irgendwo irgendwas fehlt … An beiden Ecken eine Schippe drauf?

Ganz einfach, weil du es hier ständig machst. In deinen Kommentaren. Die sind so lebendig, man hat echt ein Bild im Kopf, wie du jetzt gerade da sitzt und Augenzwinkernd etwas sagst, amüsiert bist oder dich in Rage schreibst. Da kommt richtig was rüber. Ich glaube, weil du dann weniger nachdenkst. Wenn du so richtig drin bist, in dem Kommentar, geht's schon Mal bissel mit dir durch, wie du selbst sagst. Genau das muss beim Schreiben passieren. Das wenn jemand dich anspricht, du dich dann kurz fühlst, als hättest du geschlafen.

Das hier ist sehr nützlich für mich. Zwar habe ich diese Effekte beim Schreiben schon, aber offenbar überarbeite ich die alle raus. Du bist nicht die Erste, die das sagt, aber Du sagst es sehr deutlich. Mir wurde schon gesagt, dass man manchmal viel lieber hören will, wie mein Vater in den 70ern zum Hockeyspielen kam und heute in der Ü40-Nationalmannschaft spielt, als was ich eigentlich erzählen wollte. Ich glaube, es nicht nur zu erzählen, sondern zu wissen, ich sei diese Person, so wie ich mir denke, die Person zu sein, von der ich erzähle, obwohl natürlich nicht alles Private, was ich so ausbreite, vorne und hinten wahr ist … Schreiben ist lügen, das sagte jemand zu mir, und ich dachte immer, das sei Blödsinn. Aber ich glaube, das ist das: Man erzählt den Leser/inne/n, man sei jemand, der man in Wahrheit natürlich nicht ist – aber das weiß niemand, in manchen Augenblicken nicht einmal ich selbst. Und plötzlich habe ich Lust, eine falsche Autobiografie zu schreiben.

In diesem Sinne ist Dein Kommentar sehr inspirierend für mich. Auf der Zugfahrt habe ich ganz viele Narrative meines eigenen Lebens genommen, neue Ereignisse eingesetzt, Feinheiten geändert. Vielleicht kann ich etwas daraus machen.

Was ich jetzt konkret für diese Geschichte tun kann, weiß ich leider nicht. Spontaneität und Überarbeitung, das sind zwei Dinge, die ja nicht unbedingt zusammenpassen. Außerdem widersprechen sich auch hier die Kommentare: „Mach doch mal was Spontanes“, wechselt sich ab mit: „Jetzt aber nicht zu schnell werden beim Überarbeiten.“ Tja. Da stehe ich momentan ein bisschen achselzuckend in der Gegend herum.

Aber ich werde mir für beide, für Lena und Huang, für Huanglong, noch etwas einfallen lassen.

Eine Sache verstehe ich nicht:

Mir sind dahingehend nur zwei Sachen aufgefallen:

Michael Ende und die unendliche Geschichte. Klappt gut, vorausgesetzt der Leser kennt das.
Habe gerade gesehen, die zweite Sache hast du schon geändert.


Worum geht es hier? Das kann ich mir irgendwie nicht so ganz erklären.

Ansonsten ein wunderbarer Kommentar, durchdacht, inspirierend, zartfühlend. Dinge, die mir häufig abgehen. Danke für Deinen Besuch.

Inspirierte Grüße,
Maria

 
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Da bin ich wieder.
Hi, TeddyMaria.

Ja, so wie du den Bahnhofssatz meinst, ist er schon gut. Ich habe da nur beim Lesen nicht diesen Sinn erkannt. Aber von daher: Passt.

Zu den Häkeltieren: Dass mit dem Drachen wäre mir persönlich zu direkt. Ich konnte das schon vorher gut rauslesen, fand, es hatte genau die richtige Dosierung. Mehr wäre aber mE gar nicht gut. Ich mag es überhaupt nicht, wenn man mir meine Interpretationen schon vorher vor den Kopf hämmern will. Ich mache mir lieber hinterher eigene Gedanken, auch wenn ich dann sicher nicht mal ansatzweise auf alle deine Hintergedanken komme.
Ich fände es eigentlich besser, wenn Huangs Hauptbeschäftigung tatsächlich das Schreiben wäre, nicht das Basteln von irgendwas. Das würde für mich besser passen.
Wie gesagt, bei den Personifizierten Vögeln hatte ich einfach das Gefühl, ihre Einsamkeit zu sehr aufgedrängt zu bekommen, die anderen Dinge sind dabei leider in den Hintergrund gerutscht. Aber ich denke, du solltest selbst entscheiden, in welche Richtung du gehen willst, in welche Richtung du die Empfindungen der Leser steuern willst. Mir persönlich hat die anfängliche Vielschichtigkeit ... die eben dadurch da war, dass es weniger gab, eigentlich besser gefallen. Mhm, ich weiß nicht. Irgendwie widerspreche ich mir da jetzt selbst ... aber wie sagt man so schön: Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann.

Ich bin jetzt auch nicht mehr so in Fledderlaune, und das ist vielleicht gut, ich habe nämlich ein bisschen das Gefühl, dass ich deinen ersten Absatz an ein paar Stellen dadurch ziemlich vermurkst habe.:( Jetzt gefällt er mir irgendwie teilweise noch schlechter. Tut mir leid. Aber ich versuche jetzt mal nicht mehr, daran weiter rumzuschrauben, sondern gehe weiter durch den Text.

Um sieben Uhr wird die Zeitschaltung klicken
Da du im Satz davor auch schon Uhr hast, würde ich empfehlen, hier auf die Uhr zu verzichten.

Die Häkeltiere, die auf dem Regal aufgereiht sind
Ich habe gerade irgendwie ein Problem mit Relativsätzen. Aber Die Häkeltiere auf dem Regal würd‘s Doch wirklich auch tun, oder? Sähe schöner aus.
Grundsätzlich zu den anderen Relativsätzen im Text: Viele sind eigentlich bloß hintrgrunderklärend, aber überhaupt nicht wichtig für die Handlung. Schau da nochmal drüber und überleg dir, welche du streichen kannst.

liest trotz des Zwielichts im Zimmer
Och nee, schon wieder Zwielicht? (Na gut, das erste hast du schon gestrichen, aber da ist immernoch ein Zwielicht kurz vorher. Eins würde reichen, es gibt doch bestimmt noch andere Wörter)

und gerissenen Schnürsenkeln
Das finde ich eigentlich schön charakterisierend, aber ich zweifle trotzdem daran. Also ich meine - ich bin ein Mensch, der eigentlich so ziemlich alles kaputtkriegt: Ein Regal, meine erste Hängematte, vier Butterdosen, eine Lichterkette, einen Spiegel, eine Zimmertür, einen Kissenbezug, einen Bleistift, alle meine Jeans, unzählige Bilderrahmen ... (Ich bin echt der Tollpatsch vom Dienst) Aber ich habe es noch nie geschafft, auch nur einen Schnürsenkel zu zerreißen. Außerdem, warum sollte man zerrissene Schnürsenkel aufheben? Als Erinnnerung? Als Glücksbringer? Zum Basteln(aus dem Grund hebe ich tatsächlich manchmal Zeugs auf)? Einfach so aus Spaß? Seltsam.

Vorhin fand sie das Fläschchen ... aufs Handgelenk spritzte
Bevor sie die Wohnung verließ, prüfte sie noch einmal die Reisetasche
Ich nehme es da eigentlich nicht mehr so genau, und es ist auch nicht wirklich schlimm, wenn es so bleibt, aber eigentlich sollten diese Teile doch im Plusquamperfekt stehen.

Sie wurde an einen kleinen Tisch neben der Bar geführt. Sie behielt die Handtasche auf dem Schoß
Zwei Sätze hintereinander, die mit sie beginnen. Nicht schön.

Sie war die einzige, die alleine an einem Tisch saß
alleine ist umgangssprachlich. Lieber allein.

während ihr Begleiter mit leiser Stimme sprach, seine Hände bewegten sich mit Nachdruck im Rhythmus der Wörter.
Mich stört hier der Wechsel des Substantives. Ich fände es so schöner: während ihr Begleiter mit leiser Stimme sprach,(/und) seine Hände mit Nachdruck im Rhythmus der Wörter bewegte.

folgte ihm mit den Blicken
Das klingt seltsam.

zu den beiden liebsten Häkeltieren
Warte, warte, warte ... eben saßen die beiden noch auf dem Regal, jetzt sind sie plötzlich in der Tasche?


„Sonst töte ich dich sofort.“
„Hast du auch Angst?“
Mag sein, dass man sowas in solchen Situationen tatsächlich sagt, auf mich wirkt das aber immer ziemlich unecht.

Sogar ihre Finger waren nass vor Schweiß
So besonders ist das jetzt aber auch nicht.

Sie knurrte ... Sie wuchtete ihren Oberkörper hoch
Noch zwei aufeinanderfolgende Sätze, die beide mit sie beginnen.

Sein Drücken gegen ihren Kehlkopf, ließ sie würgen
Ich kann meinen Augen nicht trauen. Ist da wirklich ein überflüssiges Komma in einem Text von Maria? Oder träume ich das jetzt gerade?

Lena setzte die Pistole auf seine Stirn und drückte ab.
Ich finde, diesen Satz braucht es gar nicht mehr. Das kann man sich schon dazudenken. Außerdem finde ich den vorherigen Satz viel stärker als letzten Satz.

„Mach doch mal was Spontanes“ wechselt sich ab mit: „Jetzt aber nicht zu schnell werden beim Überarbeiten.“
Tja, ich denke, das ist in etwa so gemeint: Du könntest spontaner beim Schreiben und v.a. beim selbst schon vorher Überarbeiten sein, aber nicht zu schnell beim Überarbeiten aufgrund von Kritik hinterher, denn da willst du es dann, glaube ich, immer möglichst allen recht machen, und überschlägst dich dabei gelegentlich, oder gerätst zumindest schnell mal ins Stolpern ... also so meine ich das, wenn ich mal von einer der beiden Seite Partei ergreife.

Liebe, nicht mehr so zerfleddernde Grüße,
Anna

 
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"Oh honey
Picture you upon my knee,
With tea for two and two for tea,
Just me for you and you for me, alone!
..."Vincent Youmans "Tea for Two"​

Vom legendären Kaiser Huang Di heißt es auf einer Fantasy-Seite, dass er am Ende seiner Regierungszeit Unsterblichkeit erlangte und in Form eines gelben Drachens gen Himmel stiege.

Seither galten die chinesischen Kaiser als irdische Vertreter des „Huànglóngs“, und wenn ich den Diktator Roms nehme, dessen Name Caesar im ahd/mhd kaisar weiterlebt, so wird der Chinese so wenig ein Wohltäter der Menschheit gewesen sein, wie alle Caesaren jenseits der Fantasy, das ich als literarische Gattung wie Horror zumeist weiträumig umgehe,

liebe TeddyMaria -
gleichwohl, ab und zu überwind ich den sturen Kopf auf meinem Hals.

»Hast du ein Gedicht für mich?«, ...
lässtu durch Mo fragen,
»Was willst du hören?«
»Such du aus.«
»Okay«, sage ich.

"...

Es ist ein weisses Pergament
Die Zeit, und jeder schreibt
Mit seinem roten Blut darauf,
Bis ihn der Strom vertreibt.
..."​


heißt es - passend für hierselbst - bei Gottfried Keller (vollständiger Text zu Kellers "Die Zeit geht nicht ..." hierorts https://www.wortkrieger.de/showthread.php?63221-Zeitr%E4uber, "Zeiträuber" von Kanji und natürlich im WeltWeitengeWerbe ...)
heißt es - wie für diese Geschichte geschaffen, - aber Max Dauthendey ist auch ganz hübsch.
»Sehnsucht gab mir ihr weites Kleid,
Seine Naht ist lang wie die Ewigkeit.
..."​

Wenn nun ein schriftkundiger Mensch aus dem Hochmittelalter - nennen wir ihn getrost nach einer Figur Walthers "friedel" (auch schon mal mit "v" und ohne Dehnungs-e) den ersten Abschnitt laut vorläse, so klänge es zu Anfang dem Duden-Lautschrift-geschulten-Ohr nicht wie erwartet "lange ['na:t]", sondern eher "lange ['naxt]", schriftbildlich "lange Nacht", diente das [h] noch nicht wie die stille Magd des vorhergehenden Vokals als Dehnungs-h, sondern schlicht als der Reibelaut, den wir heute als "ch" kennen.

Diese erste Zwischentitel fasst dann auch wunderbar zusammen, um was es (m. E.) in der Geschichte geht, um "Zeit", ahd./mhd.. zît (der accent ist von Späteren gesetzt, quasi eine lautschriftliche Korrektur für spätere Generationen - Duden.de nimmt z. B. "zīt" -) eigentlich das "Abgeteilte", der "Abschnitt".

Aber weil die Rhythmusmaschine und der Zeitgeber Uhr heute das Leben kleinteiliger bestimmt, als die großen Zyklen Tag und Nacht der Alten (selbst mit ihren Randgebieten Morgen und Abend und deren Dämmerungen) nebst den Jahreszeiten gewährt der Dämmer den Dingen (auch Getier ist nach bürgerlichem Recht "Sache", mit dem Tode befördert sich selbst ein Mensch vom Personen- ins Sachenrecht) wie der Gattung Häkeltier ein zwielichtiges Eigenleben - zugegeben, an sich nicht notwendig, aber Literatur besteht auch aus Übertreibung - aber steht da nicht mit Annette, die Eule, Yolande, das Huhn, und ihren Freunden nicht wenigstens auch ein Teddy Harry-the-Poo oder der schuppige März(!)hase mit taubem Ohr?

Mit Schlüsselgeräuschen wird die Fantasy gestört, ein Fehlurteil gefällt

»Lena?«, sagt er. »Kein besonders einfallsreicher Name.«
da der Stab der Phantasie an die fiktive Lena weitergegeben wird, wobei ich gespannt bin, ob

a) die griechische, die schöne Helena mit dem namenspendenden Helios die "Leuchtende", deren vermeintlicher Raub - ich denke, sie war das "spartanische" Leben mit ihrem anvertrauten Gatten satt und ihr fehlte halt eine Schusswaffe (aber ist Paris nicht immer noch schön?) - den ersten schriftlich niedergelegten Kriegsbericht auslöst,

b) eine aramäische, neutestamentarische Magdalena (= Turm, Maria aus Magdala), die zumindest (vorsicht: pc) "Jüngerin" (an der "Apostelin "merkt man erst wie bei der "Menschin" die Beschränktheit des pc) des Nazareners war ("Freund" ist leicht werden zu einem, der i. d. R. freundlich ist, selbst wenn seine Lehre Familien zerreißt und auch schon mal das Schwert an Nahtstellen drohen lässt) - oder schlicht

c) die romanische (Kupplerin). Wobei jenseits des grammatischen Geschlechts versachlicht und neutralisiert die Kuppel/Kupplung zwischen unterschiedlichen Teilen draus werden kann.)

Auf jeden Fall scheint sich die Icherzählerin mit ihrer Figur zu verschwistern (vom Ende her gesehen könnte es auch eine Identifikation mit dem Aggressor sein).

Aber wer zum Teufel ist "Mo", der Fehlurteilende?

Zunächst schlicht und einfach eine eher Zufalls- wie Caféhaus -Bekanntschaft und wie ich schon mit dem Namen "Momo" der Sesam-, pardon, Lindentraße nix anfangen kann (Namen sind eben nicht nur Schall und Rauch), deutet der gelernte Chemielaborant den einsilbigen Namen als Zeichen für Molybdän (den alten Griechen molybdos = Blei), ein hartes, silbriges "Übergangmetall", das z. B. im Panzerbau gebraucht wird.

Eine von Trockenheit braungefleckte Wiese und am Himmel ein gelber Punkt, ein Drachen, zart und frei.
Waren Fafnir & Co. freier als gemeinhin dem Vogel zugesprochen? Ich für meinen Teil wollte nie "vogelfrei", geschweige so frei wie der Drache sein, bedeutet doch Vogelfreiheit, dass jeder den Vorgelfreien rören dürfe nach altem Recht.

Erster Gedanke an den Drachen, macht sich also einer, der Fafnir u. a. und den Drachenfels schon hierorts verarbeitet hat und zudem weiß, was Hausdrachen sind und somit die Sicht der "abendländischen", eine eigentlich in der Levante geboren Sicht (incl. der Frau Mahlzahn des "Jim Knopf und Lukas ...", die für die "alte" Erziehung und Schule bis zu ihrer Bekehrung und Umwandlung in den Drachen der Weisheit steht - was gar nicht anders sein kann, denn niemand wird in oder mit Weisheit gepudert und geboren).

Gleichwohl wird der Drachen auch als Schlange dargestellt, die ihre Beute verschlingt (wobei mir die Zeichnung im "kleinen Prinz'" einfällt) - und selbst zum Symbol der Zeit wird, indem diese jene verschlingt und deren Endlichkeit darstellt. Wie der Alterungsprozess, wenn die Vergangenheit wächst und die Zukunft schrumpft und die Geschichte (als Biografie oder großer Historie) Geschehenes zur Aufzeichnung gerinnen lässt. (Vielleicht passt parallel zum abnehmenden Zeitstrahl der sich im Alter verlangsamende Heilungsprozess, der einen die Lebensspanne scheinbar beschleunigt vorkommen lässt, obwohl der Tag nach wie vor 24 Stunden zäht).

Lena, die aufgezeichnete Figur, gewinnt mit dem Cha-Cha (daher "Tea for Two") - einem Lokal (Stichwort: Mo) -ein Eigenleben - und es ist schweißtreibend, die Reisetasche - immerhin kein Flugkoffer, man stelle sich vor, die Maschine stürzt ab und nur der Koffer überlebt, wird von Archäologen der Zukunft aufgefunden! - wird wohl die Funktion Zeit = Bewegung/Veränderung (nicht zu verachten die Weisheit, wenn einer eine Reise tut ...)

Lena auf der Flucht?
Rückblick,

»Einen Tisch für eine Person?«, fragte die Frau. »Oder warten Sie noch auf jemanden?«
»Ja.« Lena biss sich auf die Zungenspitze. »Ich bin allein.«
Schreiben - ausgenommen hierorts - ist ein einsames Tun ...

Hier muss ich abbrechen, weil selbst die westliche Farbsymbolik von der fernöstlichen abweicht und es mich hier

Ihre Kehle war so trocken, dass sie das Glas in einem Zug halb austrank. Das Wasser schmeckte fantastisch, aufregend.
schüttelt und der Magen knurrt ...

der nachher erst mal mit mir schauen muss, was der Friedel da eigentlich zusamme genzimmer hat.

Bis bald,

Friedel

 

Liebe TeddyMaria ,

eigentlich gibt es an Deiner Geschichte nicht viel auszusetzen, außer eine Sache, die dann für mich auch entscheidend ist.

Erst einmal, hat mich Deine Geschichte von Anfang an gepackt. Ich fand auch den ersten Satz gut gelungen. Auch die Idee, der Geschichte in der Geschichte, war für mich überzeugend.

Nur am Ende, hast Du mich dann verloren. Das konnte ich dann gar nicht einordnen. Irgendwie hätte ich mir dann doch eine Auflösung gewünscht,t was es nun mit Mo, Lena und Huang auf sich hat. So kann ich mich nicht entscheiden, ob es Huangs Wunschwelt ist (aber warum? Hofft sie durch Mos Tod auf Befreiung?) oder etwas, was bereits geschehen ist? Geschehen wird? Da hänge ich nun und wer ist am Ende "Liebste"?

Insoweit bin ich dann doch etwas unzufrieden, obwohl es so toll angefangen hat.

Stilistisch habe ich kaum etwas auszusetzen:

Mo hat Sandwiches dagelassen, sie stehen unangerührt an der Kante des Schreibtisches.

Ein Auto rauschte die Straße hinunter, Elektro-Musik wummerte aus heruntergelassenen Fenstern.

Wahrscheinlich hast Du Dir etwas dabei gedacht, aber hieraus würde ich jeweils zwei Sätze machen.

»Ich schreibe nur, was wahr ist.« Ich blicke zu den Tieren im Regal.
Er lacht, stützt das Tablett auf seiner Hüfte ab, streicht mit der freigewordenen Hand über mein Haar, zieht daran. »Ich mag deine Marotten«, sagt er. »Aber nerv mich nicht.«

Das fand ich etwas komisch. Welche Marotte meint er? Dass die Protagonistin Lena heißt? Warum aber umkreativ? Erst dachte ich, dass Lena sie selbst ist, eigentlich bis kurz vor Schluss. Eben wegen dieser Stelle.
Das "Aber nerv mich nicht." stört mich hier. Warum nervt sie? Er hat doch gefragt?


Aber das war es dann auch schon.
Ich wünsche Dir einen guten Wochenstart!

Viele Grüße
Mädy

 

Liebe annami

Schön, Dich wieder zu sehen. Wie sollte ich hier auch ohne Dich auskommen? ;) Deine Sachen habe ich eingearbeitet, aber Du wirst davon erstmal nichts zu sehen bekommen, denn ich sitze momentan an einer ganz langsamen Überarbeitung, lasse mir schön Zeit, warte einfach auf die spontane Eingebung, erzwinge das nicht. Das kenne ich von der Arbeit: Man beschäftigt sich einfach so lange mit einem Thema, bis plötzlich ein Geistesblitz kommt. Also werde ich mir weiter chinesische Mythen und durchgeknallte Autobiografien geben und der Dinge harren, die da kommen. Habe aber schon ein paar Sachen geändert, da kommt also was, versprochen. Wir wollen ja nicht, dass Dir mit mir die Arbeit ausgeht.

Ich fände es eigentlich besser, wenn Huangs Hauptbeschäftigung tatsächlich das Schreiben wäre, nicht das Basteln von irgendwas. Das würde für mich besser passen.

Die Häkeltiere sind in meiner Arbeitsversion wieder gestrichen, und ich weiß jetzt auch, womit sie sich beschäftigt, wenn es mal zu dunkel zum Schreiben ist: Natürlich mit dem Anspitzen von Bleistiften. Aber wie gesagt, da musst Du ein bisschen auf mich warten. Hatte nur die Idee, habe sie noch nicht aufgeschrieben.

Jetzt gefällt er mir irgendwie teilweise noch schlechter. Tut mir leid.

Noch schlechter? Ja, geht denn das? ;) Alles gut, Du bist dafür nicht verantwortlich. Da wird noch ein bisschen geschraubt, aber da sich auch hier die Geister scheiden, nicht zu viel. Langsam wird mir klar, dass wir fast nur noch über Geschmackssachen sprechen, und da muss ich natürlich aufpassen, um meinen eigenen Geschmack nicht zu verderben.

Aber ich habe es noch nie geschafft, auch nur einen Schnürsenkel zu zerreißen. Außerdem, warum sollte man zerrissene Schnürsenkel aufheben? Als Erinnnerung? Als Glücksbringer? Zum Basteln(aus dem Grund hebe ich tatsächlich manchmal Zeugs auf)? Einfach so aus Spaß? Seltsam.

Da hast Du doch endlich Dein Persönlichkeitsdetail, nachdem Du gesucht hast. Für mich ist das völlig selbstverständlich. Zwar ist es mir auch noch nie gelungen, aber mein Freund hat zwei sehr signifikante Eigenschaften: Er kriegt wirklich jede Klamotte kaputt, und er schmeißt nie etwas weg. Deshalb haben wir ganze Schubladen voller gerissener Schnürsenkel. Und ja, er kann alles irgendwie gebrauchen. Denn einige von diesen Schnürsenkelresten halten unsere Gardinenstangen. Aha. Ich habe diese Schnürsenkel genau aus diesen Gründen eingeführt, und jetzt sehe ich, dass wir damit fast bei den Details sind, die Du Dir noch gewünscht hast.

Ich nehme es da eigentlich nicht mehr so genau, und es ist auch nicht wirklich schlimm, wenn es so bleibt, aber eigentlich sollten diese Teile doch im Plusquamperfekt stehen.

Nein. Das hat Friedel jetzt aber oft genug korrigiert. Das schreibe ich nicht zurück ins Plusquamperfekt.

Ich kann meinen Augen nicht trauen. Ist da wirklich ein überflüssiges Komma in einem Text von Maria? Oder träume ich das jetzt gerade?

Hier war ich auch erst völlig überrumpelt, guckte in meine Arbeitsversion. Nein. Guckte in den Text hier, da steht:

Sein Daumen drückte gegen ihren Kehlkopf, ließ sie würgen, doch sie war jetzt über ihm.

Natürlich nicht, Anna. Da hast Du Dich mit Deinem unnötig komplizierten Kram selbst ausgetrickst.

Du könntest spontaner beim Schreiben und v.a. beim selbst schon vorher Überarbeiten sein, aber nicht zu schnell beim Überarbeiten aufgrund von Kritik hinterher, denn da willst du es dann, glaube ich, immer möglichst allen recht machen, und überschlägst dich dabei gelegentlich, oder gerätst zumindest schnell mal ins Stolpern ...

Danke für Dein Statement diesbezüglich. Ich mache das momentan so, dass ich einfach auf die Einfälle warte, sie nicht erzwinge. Ich setze mich nur dann dran, wenn mir gerade was einfällt. Schauen wir mal, was dabei herauskommt.

Danke, dass Du wieder hier warst. Ich gebe Dir Bescheid, wenn es soweit ist.

Einfallsreiche Grüße,
Maria

Hallo, Friedrichard

So, auf Dich habe ich gewartet. Und jetzt tust Du mir fast ein bisschen leid.

Hier muss ich abbrechen, weil selbst die westliche Farbsymbolik von der fernöstlichen abweicht und es mich hier

schüttelt und der Magen knurrt ...

der nachher erst mal mit mir schauen muss, was der Friedel da eigentlich zusamme genzimmer hat.


Hoffentlich habe ich Dich nicht wahnsinnig gemacht mit all den Bezügen, die ich da zusammengezimmert habe. Da ich aber wusste, dass Du praktisch jeden Brotkrumen aufheben wirst, habe ich mich schon im Vorhinein auf Deinen Kommentar gefreut – und wurde nicht enttäuscht.

Es ist ein weisses Pergament
Die Zeit, und jeder schreibt
Mit seinem roten Blut darauf,
Bis ihn der Strom vertreibt.

Erstmal bin ich natürlich Deinem Link gefolgt, zurück zu „Zeiträuber“, eine andere Ende-bezügige Geschichte hierorts. Und was für ein schönes Gedicht. Ich, die ich die Poesie als vollkommen unpoetischer Mensch bewundere, drücke da doch mal ein Tränchen raus.

Wenn nun ein schriftkundiger Mensch aus dem Hochmittelalter - nennen wir ihn getrost nach einer Figur Walthers "friedel" (auch schon mal mit "v" und ohne Dehnungs-e) den ersten Abschnitt laut vorläse, so klänge es zu Anfang dem Duden-Lautschrift-geschulten-Ohr nicht wie erwartet "lange ['na:t]", sondern eher "lange ['naxt]", lange Nacht, diente das [h] noch nicht wie die stille Magd des vorhergehenden Vokals als Dehnungs-h, sondern schlicht als der Reibelaut, den wir heute als "ch" kennen.

Dass man diese Verwirrung nicht nur im Mittelalter sondern auch heute noch, sollte man nur schnell über Überschriften drüberfliegen, wie ich es zu tun pflege (zwar weiß ich aus Schreiberinnensicht, dass Überschriften wichtig sind, als Leserin nehme ich sie stets schattenhaft war), ist durchaus feierbar, um das mal so jugendlich auszudrücken. Eine wunderbare Verirrung hier und dort, dafür lohnt sich doch das Lesen.

Aber weil die Rhythmusmaschine und der Zeitgeber Uhr heute das Leben kleinteiliger bestimmt, als die großen Zyklen Tag und Nacht der Alten

Tja, in diesem Rhythmus ist doch jeder gefangen, nicht nur die Protagonistin, und die Fantasy-Welt, die der eskapistische Mensch sucht, wird doch allzu oft gestört von der Realität.

da der Stab der Phantasie an die fiktive Lena weitergegeben wird, wobei ich gespannt bin, ob

Denn an dieser Stelle kann ich ja erwähnen, dass diese Geschichte aus einer Fantasy-Geschichte geboren wurde, nämlich aus „Halbes Herz“ (https://www.wortkrieger.de/showthread.php?62942-Halbes-Herz) von Nichtgeburtstagskind. Wo die Protagonistin Fantasy-mäßig „Alena“ heißt, und ich, die Unpoetische, mir dachte, ein „A“, das ist zu leicht, zu fantastisch. Die Realität stiehlt Alena das A, lässt Lena zurück. Die Namensbedeutungen bleiben wohl aber, so wie ich das lese, gleich, Abkömmling entweder von „Helena“ oder „Magdalena“. Tja.

Auf jeden Fall scheint sich die Icherzählerin mit ihrer Figur zu verschwistern (vom Ende her gesehen könnte es auch eine Identifikation mit dem Aggressor sein).

Und nun kommt auch die Psychodynamik ins Spiel, wobei eine Freundin diesbezüglich …

Aber wer zum Teufel ist "Mo", der Fehlurteilende?

… annahm, dass Mo (in der ersten Version noch „Nick“) als der Beschützer, der Konservierende, eine Art personifiziertes Trauma ist, die Amnesie (Mneme (Gedächtnis)), die die Traumatisierte davor schützt, die Realität zu erleben. Auch „Mneme“ ist ein fantastischer Name, und deshalb zog ich ihn in die einsilbige Gewöhnlichkeit zurück. Natürlich nicht wiederzuerkennen und deshalb eher eine Anekdote der Autorin als vielmehr ein Hinweis für den Leser – aber versuchen kann man’s ja.

Gleichwohl wird der Drachen auch als Schlange dargestellt, die ihre Beute verschlingt (wobei mir die Zeichnung im "kleinen Prinz'" einfällt) - und selbst zum Symbol der Zeit wird, indem diese jene verschlingt und deren Endlichkeit darstellt. Wie der Alterungsprozess, wenn die Vergangenheit wächst und die Zukunft schrumpft und die Geschichte (als Biografie oder großer Historie) Geschehenes zur Aufzeichnung gerinnen lässt.

Wie ich es auf dem Buchrücken meiner Ausgabe von „Die unendliche Geschichte“ finde, zwei Schlangen, die sich gegenseitig in den Schwanz beißen, und so schließt sich der Kreis.

Und dann kommen wir am Schluss zu den Farben, gelb und rot. In einer Vorversion war Lena eindeutig das Rot zugeordnet (Leben und Kraft) und Huang natürlich das Gelb (Macht und Weisheit). Das werde ich in den nächsten Tagen noch stärker herausarbeiten, dann werden wir ja mal sehen.

Und bis dahin hoffe ich, dass Du Dich nicht zu sehr verausgabt hast. Dein Besuch war mir wie immer eine große Freude. Mit dem Fluss von Zeit und Ewigkeit weist Du noch in einige Richtungen, in die ich zumindest nicht bewusst gedacht habe. Da für mich aber das zentrale Thema der Geschichte Sehnsucht war, kann ich hier wieder die Verbindung sehen, wieder in der Gestalt der langen Naht, die ja gerade deshalb so lang ist, weil man ihr Ende so sehr herbeisehnt. Aber wenn ich so darüber nachdenke, so ist „Seine Naht ist lang wie die Ewigkeit“, wohl insofern wahr, als dass ich mir gar nicht sicher bin, ob eine Naht überhaupt ein sichtbares Ende hat.

Vielen Dank für Deinen Besuch. Ich wünsche Dir einen wunderbaren Start in die Woche.

Lange Grüße,
Maria

Liebe Maedy

Willkommen im Wunderland der eiskalten Gefängnisse. Ich freue mich sehr, dass Du hier bist. Dass ich mich so freue, liegt natürlich auch am Lob, deshalb fange ich damit an.

Erst einmal, hat mich Deine Geschichte von Anfang an gepackt. Ich fand auch den ersten Satz gut gelungen. Auch die Idee, der Geschichte in der Geschichte, war für mich überzeugend.

Damit widersprichst Du vielen Kritiker/inne/n, und das macht es für mich schön einfach, kann ich mir doch endlich sagen, dass das eben alles Geschmackssache ist. Und vielleicht sollte ich diese Geschichte doch mit „Fantasy“ taggen, denn die Fantasy-Schreiberinnen (ich wage nach einem Blick in Deine Themen mal, Dich als solche zu bezeichnen) unter meinen Kritikerinnen waren doch bisher generell recht angetan, was ja wieder zeigt, dass diese Geschichte natürlich der Seele einer Fantasy-Begeisterten entsprungen ist.

Ich könnte mir jetzt also sagen, dass schon alles super ist, nichts mehr getan werden muss. Aber das tue ich nicht, denn ich fahre ja den Maria-Zug, und der ist nie am Ziel. Gut, dass Du auch direkt was daran auszusetzen hast.

Nur am Ende, hast Du mich dann verloren. Das konnte ich dann gar nicht einordnen. Irgendwie hätte ich mir dann doch eine Auflösung gewünscht,t was es nun mit Mo, Lena und Huang auf sich hat. So kann ich mich nicht entscheiden, ob es Huangs Wunschwelt ist (aber warum? Hofft sie durch Mos Tod auf Befreiung?) oder etwas, was bereits geschehen ist? Geschehen wird? Da hänge ich nun und wer ist am Ende "Liebste"?

Hier kann ich auch direkt den Grund einwerfen, aus dem diese Geschichte nicht mit „Fantasy“ getaggt wurde. Eine Freundin fragte ich, ob dies Fantasy sei, und sie meinte: „Äh …?“ Und sie fragte ihren Freund, einen Germanistik-Studenten, und der sagte, es könnte Fantasy sein. Aber sobald ich sage, dies sei Fantasy, nähme ich den Leser/inne/n die Deutung über das Ende vorweg. Sobald ich sage, dass dies Fantasy ist, ist klar, dass Huang eine Superkraft hat, dass nämlich ihr Schreiben wahr wird oder wahr gewesen ist. Dass sie dies ständig behauptet, ist ja …

Welche Marotte meint er?

… ihre Marotte.

Nun ist aber Mo ganz klar, dass dies nicht stimmt, und uns Beobachter/inne/n ist dies wiederum gänzlich unklar, denn natürlich wünschen wir uns, Huang könnte eines Tages mit Lena auf einer Wiese stehen und einen Drachen steigen lassen, Wind in gelbem Papier und gelbem Haar. Oder wünschst Du Dir das etwa nicht, Maedy? Ich wünsche es mir sehr, habe aber wie Mo meine Zweifel daran. Und deshalb möchte ich natürlich nicht auflösen, denn dann würde ich den Leser/inne/n und mir diese Sehnsucht nehmen, die Sehnsucht nach etwas, das nur vielleicht möglich ist.

Ursprünglich hatte ich geplant, dass am Ende Lena und Huang ihre Taschen schultern und das Haus mit den vernagelten Fenstern verlassen. Meine Finger wollten etwas anderes. Am Ende habe ich mir dieses Ende nicht geglaubt, genauso wie Mo es nicht glauben würde, würde er es tatsächlich lesen. Huang glaubt sicherlich daran, deshalb ja auch …

Was du erschaffst und was du bist,
Bewahre ich als der Chronist:

… aber ob man ihrem Urteilsvermögen glauben mag? Das würde ich am liebsten Dir überlassen. Sobald es eine „Auflösung“ gibt, enden wir alle desillusioniert. Eben dass wir uns einreden können, dass Huang eine Superkraft hat, das ist doch das Schöne an der Hoffnung. Die möchte ich niemandem (auch mir selbst nicht) nehmen. Und dieses Gefühl von Sehnen und Hoffen ist genau das, was ich mir wünsche. Mit einem geschlossenen Ende haben beide Gefühle nichts zu tun, egal wie es ausgehen mag. Selbst wenn Lena und Huang fliehen, so hätte sich das Sehnen und Zweifeln und Hoffen doch trotzdem erledigt.

Das "Aber nerv mich nicht." stört mich hier. Warum nervt sie? Er hat doch gefragt?

Mos Figur habe ich immer wieder gebrochen. Er darf gerne verwischen zwischen „netter Typ“ und „ekliger Typ“. Er fragt immer nach, wirkt aufmerksam, aber Antworten interessieren ihn nicht. Genau wie hier:

»Schön«, sagt Mo.

Tja. Das ist doch mal eine Reaktion auf einen sehnsuchtsvollen, leise vorgetragenen Schrei. Zu Anfang hatte ich ihn supersubtil, da war dann die Reaktion der Leser/innen: Warum muss Mo sterben? Ist doch ein netter Typ. Dann habe ich nur die Stelle etwas übertrieben, die Du kritisierst, und schon änderte sich der Eindruck der Leserschaft. Deshalb bin ich mir gerade unsicher, ob ich daran wirklich etwas ändern sollte. Ich werde aber versuchen, das mit den Marotten stärker auf Huangs Glaube, dass ihr Schreiben Wahrheit ist, zu beziehen. Da kann und sollte ich auf jeden Fall nachjustieren. Danke also für den Einwand.

Den restlichen Textkram habe ich ohne Firlefanz eingearbeitet, da habe ich mal keine Widersprüche. Sehen wirst Du das erst in einiger Zeit, denn ich arbeite gerade an ein paar feingeschliffeneren Überarbeitungen, weshalb ich auch keine Kleinänderungen hochlade. Das kommt dann demnächst alles in einem Schwung.

Ich habe ein bisschen ein schlechtes Gewissen, weil ich das Gefühl habe, wirklich alles wegzuwischen, was Du sagst. Diesen Eindruck möchte ich nicht erwecken. An der Marotten-Stelle werde ich weiter arbeiten. Aber ich hoffe, Du kannst nachvollziehen, dass es für diese Geschichte keine Auflösung geben kann und darf, dass dann ihre absolute Essenz, das Sehnen und das Hoffen, zerstört würde. Wenn Du Dich aber auf etwas anderes beziehst, da nochmal einhaken möchtest, lasse ich natürlich gerne mit mir reden. Wie annami oben so schön schrieb: Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann.

Über Deinen Besuch habe ich mich sehr gefreut und vor allem darüber, dass Du im Großen und Ganzen dabei warst, Dir die Lektüre Spaß gemacht hat. Das kann ich nicht von allen Leser/inne/n behaupten, also: Danke!

Auch Dir einen wundervollen Wochenstart.

Sehnende Grüße,
Maria

 

Deine Geschichte habe ich mehrmals gelesen, fand dass Du die Situationen und die Figuren plastisch geschildert und mit Emotionen hinterlegt hast. Mir ist aufgefallen, dass der gelbe Papierdrachen, außer in der Überschrift, im Text nicht weiter auftaucht.
Vielleicht stehe ich auch gerade auf dem Schlauch?

Gruß ulf1

 

Hallo, ulf1

Weil's so schön knackig ist, Blitzantwort. :D

Danke für Deinen Kommentar. V.a. freue ich mich, dass Du die Geschichte mehrmals gelesen hast. Mittlerweile bin ich irgendwie auf dem Trichter, Geschichten zu schreiben, von denen ich sagen würde, dass sich das auf jeden Fall lohnt. Auch dass Du Plastizität und Emotionen lobst, ehrt mich sehr. Damit bist Du nicht völlig allein, aber schon eher in der Unterzahl. Umso mehr freue ich mich über jedes Lob.

Der gelbe Drache(n) taucht tatsächlich im Text recht häufig auf, wenn auch nur einmal in offensichtlicher Gestalt:

Ich stelle mir oft vor, was dahinter sein mag: ein blühender Garten, eine Asphaltwüste, das Paradies, die Sahara. Eine von Trockenheit braungefleckte Wiese und am Himmel ein gelber Punkt, ein Drachen, zart und frei.

Zurück kehrt er dann in Gestalt der Protagonistin:

eine Frau, die von einem Schreibtisch aufgesprungen war. Ihr Haar gelb wie eine Butterblume, ihre Haut dünn wie Papier.

Und tatsächlich ist er die ganze Zeit die Protagonistin, denn ihr Name, wenn wir aufpassen, ist Huang/Lena: Huanglong, der Gelbe Drache, zart und frei.

Vielleicht konnte ich Dich ein bisschen erhellen. Ich weiß, es ist nicht superoffensichtlich, und deshalb ist es okay, wenn einem das durch die Lappen geht. Aber inzwischen stehe ich hier auf dem subtilen Ende der Subtilität-Holzhammer-Skala und fühle mich ganz wohl dabei. ;) Wenn es daran was auszusetzen gibt, sag mir gerne Bescheid, denn ich lasse natürlich mit mir reden.

Gelbe Drachen-Grüße,
Maria

 

Hallo, TeddyMaria

So, auf Dich habe ich gewartet. Und jetzt tust Du mir fast ein bisschen leid.
Warum -ah, weil der Magen knurrte - da relativiert sich das "biss-chen".

Nur ganz kurz zur Farbsymbolik: Gelb hat da auch eine negative Seite, nicht nur wenn einer gelb wird oder gar Galle spuckt (wie ja auch der Drache nicht unbedingt nur einer der Weisheit ist, sondern - siehe Schlangenbeispiele - als Gefahr angesehen wird. Und wer wird schon freiwillig älter? Als KInd willstu älter werden und als Willi Schneider wieder zwanzig sein ... Da kommt dann sogar der olle Hegel mit seiner Dialektik von Herrschaft und Knechtschaft im ganz kleinen durch: Das Mündel will Vormund werden.

Hoffentlich habe ich Dich nicht wahnsinnig gemacht mit all den Bezügen, die ich da zusammengezimmert habe.
Nee, macht ja auch Spaß. Mehr, als die Spielzeugeisenbahn auseinandernehmen und dann nicht mehr zusammenkriegen ...

Da ich aber wusste, dass Du praktisch jeden Brotkrumen aufheben wirst, habe ich mich schon im Vorhinein auf Deinen Kommentar gefreut – und wurde nicht enttäuscht.

So soll es auch sein!

„Alena“
uff - "a" als Vorsilbe, setz ich blind itzo "Magd..." vor.

… annahm, dass Mo (in der ersten Version noch „Nick“) als der Beschützer, der Konservierende, eine Art personifiziertes Trauma ist, die Amnesie (Mneme (Gedächtnis)), die die Traumatisierte davor schützt, die Realität zu erleben. Auch „Mneme“ ist ein fantastischer Name, und deshalb zog ich ihn in die einsilbige Gewöhnlichkeit zurück. Natürlich nicht wiederzuerkennen und deshalb eher eine Anekdote der Autorin als vielmehr ein Hinweis für den Leser – aber versuchen kann man’s ja.
"Mneme" kommt übrigens auch in meinem letzten Text vor, wenn's in "Wallensteins Schlafzimmer" heißt "Und keine Kapelle spielt dazu, denn wer hätt’ den Anstiftern das hohe Lied des Mord und Totschlags singen und spielen sollen, gilt es doch immer wieder durch höheren Willen, eine Mörderbande aus dem Vermögen Ermordeter zu entlohnen und somit still zu stellen und die Tat zu legalisieren und zu legitimieren - da niemand im nahen Alsheim Mnemosyne vermisst. Derweil rechtfertigt vor seinem Ordensgeneral." Und verausgabt hab ich mich schon lange nicht mehr.
Aber wenn ich so darüber nachdenke, so ist „Seine Naht ist lang wie die Ewigkeit“, wohl insofern wahr, als dass ich mir gar nicht sicher bin, ob eine Naht überhaupt ein sichtbares Ende hat.
Wie der Kreis, wie die Kugel, aber nix ist endlos. Selbst die Zahl "Unendlich" gibt es eigentlich nicht, denn eins davon subtrahiert ist (und wenn's tausend wäre -immer noch unendlich, wenn's das auch nicht mehr so ganz sein kann.

Wat binnich heut widda kluch ...

Dein Besuch war mir wie immer eine große Freude
So soll's auch sein,

meint der Friedel!

 

Hallo, Friedrichard

Ah, gut, bin froh, dass sich das biss-chen Leid in der Zwischenzeit mit einem Happen klären konnte.

Gelb hat da auch eine negative Seite, nicht nur wenn einer gelb wird oder gar Galle spuckt (wie ja auch der Drache nicht unbedingt nur einer der Weisheit ist, sondern - siehe Schlangenbeispiele - als Gefahr angesehen wird.

Joa, da hast Du natürlich recht. Diesbezüglich habe ich es ein bisschen anders gemacht, schaue mir immer erst das Gute an meinen Figuren an, und danach drehe ich die Münze um. Deshalb natürlich immer erst die positive Variante.

Nee, macht ja auch Spaß. Mehr, als die Spielzeugeisenbahn auseinandernehmen und dann nicht mehr zusammenkriegen ...

Wie schön, dass ich Dich damit auch erfreuen konnte.

"Mneme" kommt übrigens auch in meinem letzten Text vor, wenn's in "Wallensteins Schlafzimmer" heißt "Und keine Kapelle spielt dazu, denn wer hätt’ den Anstiftern das hohe Lied des Mord und Totschlags singen und spielen sollen, gilt es doch immer wieder durch höheren Willen, eine Mörderbande aus dem Vermögen Ermordeter zu entlohnen und somit still zu stellen und die Tat zu legalisieren und zu legitimieren - da niemand im nahen Alsheim Mnemosyne vermisst. Derweil rechtfertigt vor seinem Ordensgeneral."

Ob ich mich mal mit „Wallensteins Schlafzimmer“ erfreuen sollte? Ich Banausin muss zugeben, bisher nicht über den Anfang hinausgekommen zu sein, obwohl ich es doch mehrmals probiert habe. Tja, eines Tages werde ich mir sicherlich die Zeit dafür nehmen. ;)

Wunderbar, dass Du wieder da warst und hab einen schönen Abend, vielleicht mit Fußball, vielleicht ohne. Ich werde mir schon noch ein anderes Drama geben: Nächste Woche steigt eine letzte Kurzaufführung vom „Besuch der alten Dame“, und da will noch einiges vorbereitet werden.

Tüdeldü,
Deine Maria

Hallo, AWM

Hallo @TeddyMaria, deine Geschichte fand ich sehr, sehr spannend. Auch dein Schreibstil, der mir bei manch anderer Geschichte ein wenig zu reduziert war, ist super. Du hältst das Interesse des Lesers zu jedem Zeitpunkt aufrecht - einmal durch die Spannung und einmal durch die vielen kleinen und großen Rätsel, die dein Text enthält.

Wahnsinn, das freut mich wirklich sehr. Sehr, sehr, könnte man sagen, um sich Deinem Kommentar anzuschließen, denn ich will ja den Kommentaren der Kommentator/inn/en mindestens gleichkommen, vielleicht noch einen obendrauf setzen mit meiner Antwort.

Es freut mich auch, dass sich hier immer mehr Leute zeigen, die sagen: Es erschließt sich nicht alles, aber das ist okay, das ist ein Rätsel, das macht Spaß. Das zeigt mir, dass ich auf dem richtigen Weg bin, denn einfach nur unterhalten wollte ich ja nicht mit diesem Text. Umso besser, wenn gerade dadurch Unterhaltung gelingt.

Was ich mich nur frage, ist, ob der Schreibstil auch hier „reduziert“ ist und das diesmal aber passt oder ob der Schreibstil eben nicht „reduziert“ ist. Ich frage mich auch, was das konkret bedeutet, schlage ich mich doch hier momentan ein bisschen mit den Formulierungen rum. Ich weiß, dass diese häufig nicht über SPO hinausgehen, ist das also „reduziert“? Oder war es so bei „Bindung“, wo der ganze Text sich um nichts anderes drehte als um Dialog und Gestik?

Denn hier ist ja auch die Action im Text, und da hast Du direkt was dran auszusetzen:

Für mich die einzige Schwachstelle des Textes. Die Szene ist ultraspannend und du könntest noch so viel mehr daraus machen. Das geht mir hier zu schnell, da bin ich gerade am bibbern und hoffe er macht das nicht und will eigentlich noch einen Moment länger auf die Folter gespannt werden.

Hm. Erst dachte ich: Na ja, Kampfszenen kann ich nicht. Aber es geht hier ja auch gar nicht darum, dass die Kampfszene länger soll, sondern dass das, was vor der Kampfszene geschieht, länger sein soll, nicht wahr? Hm. Das länger zu schreiben, erscheint mir sehr gewagt, obwohl ich denke zu wissen, worauf Du hinauswillst: Wenn Du als Leser dich noch einen Moment länger in Ungewissheit wiegen könntest, ob die Situation jetzt einfach geklärt ist (ja, bitte!) oder ob noch was Schlimmes passiert (noin!), dann wäre das natürlich spannend. So, ja, ob ich das richtig hinbekomme, ohne langweilig zu werden … Wie viel länger hätten Monsieur es denn gerne? ;) Einen Satz könnte ich wohl noch guten Gewissens hinzufügen, eine längere Pause, vielleicht ein Zögern, ein Hinweis darauf, dass jetzt aber wirklich alle die Waffen sinken lassen und sich gleich freudestrahlend in die Arme fallen.

Oh. Das da oben ist ein echter Stream of Consciousness, und am Ende steht sogar ein Ergebnis. Das klingt machbar. Danke für die Anregung. Hoffe, ich habe das nicht falsch interpretiert.

Falls Du nochmal wiederkommen wollen solltest, habe ich aber noch das hier für Dich, da Du der Erste bist, der das explizit anspricht, obwohl ich diesbezüglich schon länger mit mir hadere:

Das Bild fand ich aus irgendeinem Grund lächerlich. Auch ist es mir irgendwie zu positiv aufgeladen in dieser Situation.

Tatsächlich habe ich den Drop irgendwann spontan eingefügt und frage mich bei jedem Lesen, ob das da überhaupt hinpasst oder nur … halt spontan eingefügt klingt. Ich fand es aber relativ stark, die Verbindung Drop-Herzinfarkt. Meine Frage ist daher: Passt das in den Text oder merkt man, so wie ich das merke, dass ich das im Nachhinein reingebastelt habe, dass das erst nicht da war? Weil ich jedes Mal ein schlechtes Gewissen habe, wenn ich das lese. Da Du es holprig fandst, nehme ich an, ich kenne die Antwort und Du musst nicht extra vorbeikommt.

Mist. Habe das immer dringelassen, weil ich das Bild super fand und sich niemand darüber beschwert hat.

Na ja. Das muss ich wohl mit mir selbst ausmachen. #killyourdarlings

Den restlichen Firlefanz habe ich in meine Arbeitsversion eingearbeitet. Du wirst Dich allerdings noch einen Moment gedulden müssen, bis das hier sichtbar wird, denn ich mache hinter den Kulissen gerade noch ein paar weitere Polierarbeiten und lasse mir Zeit damit.

Danke, dass Du hier warst, und ich habe mich über das Lob extrem gefreut, auch darüber, dass der Text Dir auch etwas geben konnte. Deine Anmerkungen sind wirklich sehr nützlich für mich, vielleicht füge ich da vor dem Ende noch ein bisschen Schaudern ein, sage Dir dann Bescheid.

Spontan eingefügte Grüße,
Maria

 

Hey, AWM

ich hatte jetzt nicht das gefühl dass du das hinterher eingefügt hast.

Das finde ich zwar super, aber ich habe den Darling tatsächlich bereits an die Wand gestellt und kräftig draufgehalten. Wie gesagt, Arbeitsversion, bla, bla, siehst Du demnächst, bla, bla.

Es hat mich aber aus der drückenden spannenden stimmung gerissen weil ich bei dem bild an eine party denken muss mit leuten die abdancen und auf den bassdrop warten.

Hier kommt mir direkt die Arousal-Theorie in den Sinn, von wegen, wie introvertierte und extravertierte Personen solche Reize manchmal (#kontext) völlig unterschiedlich wahrnehmen. Aber ich spare Dir und mir den Aufkack, denn es ist ja sowieso zu spät, die Leiche wird gerade rausgetragen. :cry: Nein, ernsthaft, es tut schon gar nicht mehr weh.

Mörderische Grüße,
Maria

 

Liebe Helferlein,

Vielen Dank, dass ihr mir wieder so viel Input zu meiner Geschichte gegeben habt. Und wieder so viel Nützliches dabei. Nachdem ich sonst immer mit großer Freude extreme Überarbeitungen gemacht habe, habe ich mich diesmal voll und ganz hinter meine Ursprungsidee gestellt und nur noch feingeschliffen. So wie ich das überblicke, werden die meisten Kommentator/inn/en damit konform gehen.

Ich hatte bei meiner ersten Antwort auf Kommentare viele Dinge abgelehnt, sie aber dann doch plötzlich, wenn es gerade passte, eingearbeitet. Eine große Sache habe ich eben spontan gemacht. Das erkläre ich gleich. Weil annami mich dabei ermuntert hat, spontaner mit Dingen umzugehen, wird das Produkt dieser spontanen Eingebung jetzt auch sofort, ohne weiteres Korrekturlesen, hochgeladen.

So. Ich nehme mir jetzt einfach mal die Freiheit, zu erklären, was ich getan habe, und dabei die Leute zu verlinken, die das aufgrund ihres Feedbacks vielleicht interessiert.

Zunächst habe ich versucht, mehr Umgebung einzubeziehen, um meine Charaktere zu charakterisieren, so wie Chai es mir geraten hat. Dabei habe ich mich auch auf annami bezogen. Eure Ratschläge (von Anna: Kleinigkeiten zu finden, die meine Figuren weiter beschreiben, sie ausmachen) haben mir, so wie ich das gerade empfinde, weitergeholfen, die Figuren noch ein Stückchen weiter zu entwickeln.

Auf Mo bin ich nicht weiter eingegangen. Der hat im Vorfeld von mir die meiste Aufmerksamkeit bekommen. Lani und Charly1406 wünschten sich mehr Huang (und Lani sowieso mehr von allen Figuren). Ich habe das mit dem Vorschlag von Anna gekoppelt und ihr noch ein bisschen Grimm verpasst: einen Bleistift wie eine Waffe. Vielleicht bringt das ja was. War eine spontane Eingebung wie alles, was hier passiert ist. Spontan eingefallen, reingeschrieben, tagelang liegenlassen, nochmal gelesen. Okay. RinaWu hat sich mehr Lena gewünscht: Sie hat etwas Weicheres bekommen, einige richtige Flashbacks, die ihre Beziehung zu Mo zeigen sollen, gepaart mit Seide (@Friedrichard, das „Cha-Cha“ ist weg, dafür eben jetzt „Seide“). :D
RinaWu, jetzt komme ich zu dem, wozu ich mich gerade spontan entschieden habe. Nachdem ich Seide eingebaut habe, damit man mehr über Lenas Vergangenheit erfährt, habe ich die Geschichte ein paar Tage liegen lassen, wollte sie dann vor dem Hochladen noch einmal laut lesen, um letzte Fehlerchen auszumerzen. Dabei begann ich ganz automatisch, auch das zweite Kapitel im Präsens zu lesen. Zuerst habe ich diesen Vorschlag von Dir abgelehnt, aber wenn man die Geschichte laut liest, fließt das richtig. Außerdem erleichtert mir das die Flashbacks. ;) Ich habe mich also doch dazu entschieden und eben einfach alles ins Präsens versetzt.

Auch habe ich den Anfang des zweiten Kapitels gestrichen, steige schneller in die Handlung ein, auch dies auf Deinen Ratschlag hin, Rina. Nichtgeburtstagskind, im Zuge der Flashbacks ist dann noch ein Kritikpunkt von Dir weggefallen: Lena und Mo haben nun schon in der Vergangenheit Namen ausgetauscht.
maria.meerhaba, annami und einige andere (oder nur ihr zwei?), euch hat der Anfang nicht gefallen. Es passiert jetzt zwar immer noch das gleiche, aber ich habe die ersten Absätze fast vollständig umgeschrieben. Vielleicht ist es ja besser (da bin ich mir noch unsicher).
Maedy und AWM, zwei Kleinigkeiten noch für euch: Die Marotte ist raus, die Stelle habe ich ein wenig umgeschrieben (das ist für Maedy), und das ganze Ding mit dem Auto und der Musik habe ich komplett gestrichen (das ist für AWM). Außerdem habe ich versucht, den Moment bis zur Kampfszene ein Sekündchen länger zu verzögern. Aber viel habe ich mich da nicht getraut. Bin nicht so experimentierfreudig momentan. Dieses Spontansein kommt mir schon wie ein riesiges Experiment vor. :D

Alle Miteinander: Wahnsinn. Ich habe echt gemerkt, was es bringt, über Kritik einfach nur viele Tage lang nachzudenken. Vieles, obwohl ich es im ersten Moment abgelehnt habe, kam nochmal wieder zu mir zurück in einem Moment, in dem ich eigentlich gerade was anderes getan habe. Das war dann reine Inspiration, und das liegt auch an der Leidenschaft, mit der ihr alle hier kommentiert. Hut ab!

Ich hoffe, es sind positive Veränderungen dabei. Ihr wisst, nichts fürchte ich mehr als Verschlimmbesserungen. Das Präsens habe ich eben spontan reingehauen, also, wer Präteritum findet: Schnell her damit.

Ich freue mich immer so sehr über eure Hilfe und das Feedback. Und ich glaube, nun muss ich endlich lernen, nicht nur technisch zu reifen, sondern auch persönlich. Und dafür stürze ich mich wieder ins Lesen (was nicht heißt, dass die Arbeit hier abgeschlossen sein muss).

Ach ja, die holprige Sprache: Ich fürchte ein bisschen, dass ich die Geschichte neu schreiben müsste, um das rauszubekommen. Beim nächsten Mal versuche ich, aus dem Zustand reinster Inspiration heraus zu schreiben (oder auch nicht). Jetzt kommen erstmal die Klausuren, dann sehe ich weiter.

Make it work, everybody! :chaosqueen: (Ich peitsche mich schon mal selbst an den Schreibtisch.)

Geschaffte Grüße,
Maria

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo TeddyMaria.
Mensch, du solltest öfter mal was spontan machen.
Ich bin begeistert. Das ganze Gedöns um den Bleistift gefällt mir richtig gut. Und ich finde, an jeder Stelle, wo sie den Bleistift anleckt, hat das haargenau gepasst und macht nochmal viel mehr Stimmung.
Den Seidenschal mag ich auch.
Und ich finde, du hast die Rückblenden super eingebaut. Sag noch ein Mal, dass du nicht weißt, wie das geht!

Und jetzt wieder ein bisschen Minimalgemecker.

Die Miene ist wieder abgebrochen, und ich lasse den Bleistift fallen.
Jup. Jetzt passt der erste Satz. Nein, jetzt ist er richtig gut. Aber eine Frage. Kommt das Komma da wirklich hin und wenn ja, warum? Du weißt ja inzwischen, dass ich mit Kommas vor „und“s auf dem Kriegsfuß stehe, nicht wirklich durchblicke. Also stelle ich die Frage auch aus ganz persönlichem Interesse. :D

Ich fand, die ersten paar Zeilen klingen jetzt ein bisschen gehetzt. Weiß auch nicht genau, warum. Vielleicht einfach, weil da sehr viel auf wenig Raum passiert.

die Uhr über der Tür ... laufe ich zur Tür
Zwei Mal Tür, ziemlich kurz hintereinander.

Sie studiert die Speisekarte. Oder tut so. Zumindest schlägt sie sie auf und blickt hinein. Doch die Zeichen auf dem blassgelben Papier ergeben keinen Sinn.
Ich finde, das „Oder tut so.“ kannst du weglassen. Das wird schon durch die nächsten zwei Sätze klar.

Nach einer Weile, in der Gegenwart, kehrt er zurück.
Schon klar, du willst deutlich machen, dass die Rückblende vorbei ist. Aber so sieht das echt komisch aus und gefällt mir überhaupt nicht.

„Bitte, Lena.“ Er erinnert sich an ihren Namen, stößt dann ein kurzes Lachen aus. „Noch so ein Zufall.“
Wieso schreibst du, dass er sich an ihren Namen erinnert, wenn er ihn gerade sowieso sagt? Oder meinst, du, dass er sich erinnert, dass das der Name aus Huangs Geschichte ist, und deswegen auch sagt: „Noch so ein Zufall“? Aus der Stelle bin ich eigentlich auch schon früher nicht ganz schlau geworden. Wenn du es so meinst, dann finde ich das zwar echt cool, aber schwer rauszulesen, weil das ein bisschen komisch klingt.

Er gestikulierte hinter sich.
Würde der Gast hinter ihm gestikulieren, dann hätte ich keine Probleme mir das vorzustellen, wie er das hinter Mo macht. Wenn Mo eine Geste nach hinten machen würde, dann auch nicht. Aber so irgendwie schon.

den Seidenschal, den Mo von Lenas Hals zupfte, warf sie später in den Altkleidercontainer.
Den Relativsatz könntest du streichen, das hast du nämlich schon vorher erwähnt. Deshalb würde mir völlig reichen, wenn da stünde: den Seidenschal warf sie später in den Altkleidercontainer.

esse ein Sandwich
Kurz vorher hast du auch schon das Wort Sandwiches. Hier würde ich deshalb vielleicht einfach schreiben: esse eins. Man wird dann schon wissen, was gemeint ist.

Sie zittert, beobachtet jede Bewegung seiner Hände. Sie schwitzt ...
Hier beginnen zwei Sätze mit sie. Aber hey, ich finde eigentlich, dass es sonst überhaupt nicht mehr holprig klingt. Dafür brauchst du gar nicht alles neu schreiben.

dass er den Glanz auf ihrem Gesicht nicht sähe
Vielleicht einfach sieht statt sähe?

Ich habe übrigens tatsächlich noch ein kleines Präteritum gefunden, das du übersehen hast:

sagt Mo, hielt die Hände der Frau umklammert.

So, und das wars dann auch schon wieder. Ich finde, das war auf jeden Fall eine Verbesserung, und ich liebe die Sache mit den Bleistiften.
Viele Grüße,
Anna

 

Hallo TeddyMaria,

das ist schon viel besser als vorher. Du bist mehr auf das Umfeld eingegangen, die Monotonie ihres Daseins kommt besser zur Geltung.
Ich glaub das wird schon mit deinen Geschichten, habe jetzt mittlerweile alle deine Geschichten gelesen und da ist von einer zur anderen eine deutliche Steigerung zu sehen ... gut Ding braucht Weile. Ist wie bei mir und den Kommas weißt du, nur weiß ich nicht ob meine Lebenszeit dafür ausreicht. :-)

Das Wort pieksig ist niedlich, eigentlich gefällt es mir. Ich musste kurz lachen ... merkst du was?

Der erste Absatz nimmt mich jetzt mehr mit, so kann ich mich besser auf Lena einlassen, denn sie ist so gesehen ja ein Teil von ihr und ich bin ja jetzt bei ihr.

"Barfuß laufe ich zur Tür, klopfe gegen das Holz. 'Mo? Bist du da?' Stille."
Mag ich total.

Ich weiß nicht wie ich das so genau erklären soll, ich glaube ich bin nicht so gut darin, daher werde ich dir gleich einfach anhand eines Beispiel zeigen wie ich das meine.
Wenn du die Atmosphäre schaffst, dann versuch diese mit dem was sie fühlt zu verbinden. Du darfst nicht vergessen mir zu erzählen was sie empfindet, ich weiß das ja nicht, kann nicht in sie reinsehen. Das kannst nur du.
Da wo du beschreibst was sie sich vorstellt, da draußen. Das klingt wunderschön, was löst das aus?
Wenn du nun ihre Gefühle ausdrückst, ist das toll!
Sie könnte denken, ich wünschte ich könnte einfach mit ihm davonfliegen, frei sein. Oder du könntest schreiben, Ich spüre wie die Sehnsucht jeden Tag größer wird ... sowas in der Art.

Genauso mit der Uhr, finde ich gut. Auch hier, verknüpf es mit dem was sie fühlt. Du möchtest sagen, wie langsam die Zeit für sie vergeht, wie lang so ein Tag sich in ihrem tristen Dasein anfühlt, wo einer doch dem anderen gleicht.
Verbinde das, jede Stunde gleicht der anderen, Minuten vergehen wie Stunden oder das sie das ticken wütend macht.

Liebe Grüße
Charly

 

Hallo, annami

Mensch, du solltest öfter mal was spontan machen.
Ich bin begeistert. Das ganze Gedöns um den Bleistift gefällt mir richtig gut. Und ich finde, an jeder Stelle, wo sie den Bleistift anleckt, hat das haargenau gepasst und macht nochmal viel mehr Stimmung.
Den Seidenschal mag ich auch.
Und ich finde, du hast die Rückblenden super eingebaut. Sag noch ein Mal, dass du nicht weißt, wie das geht!

Puh. Jedes Mal, wenn ich überarbeite, habe ich Angst. Aber anscheinend kriege ich langsam den Bogen raus. Und ich muss auch sagen, während dieser Geschichte habe ich viel über Schreibflüsse gelernt, übers Bedächtige aber zugleich Intuitive. Ich hoffe, dass ich ganz viel davon behalten kann. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, und Du hast mich dahin gepusht. Danke!

Das mit den Rückblenden, na ja, das habe ich sorgfältig gefeilt, weil das ja anfänglich im Präteritum war, und als ich es ins Präsens umgeschrieben habe, da wurde es einfacher, die Szenen habe ich aber so stehenlassen. Deshalb nehme ich an, ich hatte irgendwie Glück. Und das mit dem Präsens hat sehr geholfen.

Aber eine Frage. Kommt das Komma da wirklich hin und wenn ja, warum? Du weißt ja inzwischen, dass ich mit Kommas vor „und“s auf dem Kriegsfuß stehe, nicht wirklich durchblicke. Also stelle ich die Frage auch aus ganz persönlichem Interesse.

An „und“s müssen ganz wenige Kommata. Inzwischen bin ich mir nach einer Friedel-Lektion letzte Woche nicht einmal mehr sicher, ob überhaupt jemals an ein „und“ ein Komma muss.

Es ist so: Wenn nach einem „und“ kein neues Subjekt oder Prädikat kommt, darf dort KEIN Komma hin.

Beispiel kein neues Prädikat: „Sophie, Andreas und Malte gingen ins Kino.“ Hier darf kein Komma hin, denn dann würden Sophie und Andreas ohne Prädikat dastehen. Und das geht nicht. Ein Satz muss Subjekt und Prädikat enthalten, voneinander darf man sie nicht trennen.

Beispiel kein neues Subjekt: „Sophie, Andreas und Malte gingen ins Kino und kauften eine große Packung Popcorn.“ Auch ans zweite „und“ darf kein Komma, denn dann wäre das Prädikat „kauften“ vom Subjekt abgeschnitten. Und das geht nicht.

Aber, wenn man zwei vollständige Hauptsätze durch ein „und“ verbindet, dann darf ein Komma gesetzt werden. Wenn ich also schreibe (was nicht schön wäre, aber nehmen wir es mal an): „Sophie, Andreas und Malte gingen ins Kino, und sie kauften eine große Packung Popcorn“, dann kommt auf beiden zweiten des zweiten „und“s jeweils ein Subjekt und ein Prädikat, es handelt sich also um zwei eigenständige Hauptsätze.

Genauso ist es in meinem ersten Satz:

„Die Mine ist wieder abgebrochen, und ich lasse den Bleistift fallen.“

Das Komma darf man aber auch weglassen, es muss nicht gesetzt werden. Ich persönlich setze es immer, wenn das „und“ zwei Hauptsätze verbindet, weil ich als Leserin häufig ein Problem damit habe, wenn das Komma fehlt. Dann stolpere ich oft über das neue Subjekt, weil ich annehme, dass eine Aufzählung von Handlungen folgt. Deshalb setze ich persönlich dieses Kann-Komma immer, weil ich persönlich das Lesen dadurch einfacher finde. Ich verstehe aber auch, wenn Schreiber/innen darauf verzichten, es zu setzen. Wenn Du an einem „und“ kein Komma setzt, ist mir, seit Friedel mir verklickert hat, dass das Komma nicht einmal dann obligatorisch ist, wenn auf einer Seite des „und“s ein Hauptsatz und auf der anderen ein Nebensatz ist (Beispiel: „Sophie, Andreas und Malte gingen ins Kino, und bevor sie sich in den Saal setzten, kauften sie eine große Packung Popcorn.“), kein Fall bekannt, in dem das verkehrt wäre. Deshalb: Man macht sich das Leben leichter, wenn man am „und“ aufs Komma verzichtet. Es sind fast alles Kann-Kommata, und es gibt viele Stellen mit Darf-nicht-Kommata.

So. Das soll genügen. Ich könnte aber noch ein paar Jahre so weitermachen.

Ich fand, die ersten paar Zeilen klingen jetzt ein bisschen gehetzt. Weiß auch nicht genau, warum. Vielleicht einfach, weil da sehr viel auf wenig Raum passiert.

Ich habe versucht, den Anfang weiter zu entschleunigen. Daran werde ich aber, wie gesagt, in nächster Zeit langsam weiterfeilen. Bin selbst noch nicht ganz zufrieden, denke aber, der Weg ist schon einmal der richtige.

Vielleicht einfach sieht statt sähe?

Das hatte Anne49 korrigiert: Sie weiß ja nicht einmal, ob der Glanz überhaupt da ist, deshalb Konjunktiv.

Den restlichen Firlefanz habe ich widerspruchslos eingearbeitet.

Liebe Anna, vielen Dank für Dein unermüdliches Engagement. Wie gesagt, selbst wenn ich für diese Geschichte nicht unbedingt viel getan habe, so habe ich hier doch viel über mich selbst gelernt. Und dafür warst Du auch verantwortlich. Dankeschön!

Wünsche einen wunderbaren Tag.

Und-Grüße,
Maria

Hallo, Charly1406

Oh, wie schön, dass Du doch noch hier bist!

Ich glaub das wird schon mit deinen Geschichten, habe jetzt mittlerweile alle deine Geschichten gelesen und da ist von einer zur anderen eine deutliche Steigerung zu sehen ... gut Ding braucht Weile.

Das klingt zwar etwas ernüchternd, aber da stetiges Bergauf mein erklärtes Ziel ist, freue ich mich auf jeden Fall über dieses Lob. Denn selbst wenn sich hier insgesamt nicht viel bewegt hat – bei mir hat sich was getan. Momentan spiele ich mit dem Gedanken, schnellschnell hochzuladen, was ich letztens innerhalb kürzester Zeit geschrieben habe, einfach bevor ich es zerpflücken kann. Aber ich will eins nach dem anderen machen, also lasse ich mir Zeit. ;)

Der erste Absatz nimmt mich jetzt mehr mit, so kann ich mich besser auf Lena einlassen, denn sie ist so gesehen ja ein Teil von ihr und ich bin ja jetzt bei ihr.

Das ist super, freut mich sehr. Gerade der Anfang ist so wichtig, und gerade mit dem Anfang tue ich mich momentan noch schwer. Ich bin dabei, ihn schrittweise auszutauschen, habe auch eben wieder etwas geändert.

Da wo du beschreibst was sie sich vorstellt, da draußen. Das klingt wunderschön, was löst das aus?
Wenn du nun ihre Gefühle ausdrückst, ist das toll!
Sie könnte denken, ich wünschte ich könnte einfach mit ihm davonfliegen, frei sein. Oder du könntest schreiben, Ich spüre wie die Sehnsucht jeden Tag größer wird ... sowas in der Art.

Hier aber, ich weiß nicht, da muss ich vorsichtig sein, Dich als Kritikerin nicht zu vergrätzen. Ich würde mich damit nicht wohlfühlen. Wenn ich jemanden lesen würde, der das schreibt, würde ich ihm das so was von rot anstreichen. Und dazu würde ich schreiben: "Das ist reines Tell. Lass den Leser/inne/n den Raum, selbst zu fühlen."

Ja, das löst etwas aus. Das soll auch was auslösen. Aber ich möchte den Leser/inne/n den Raum geben, das, was es auslöst, selbst zu fühlen. Wenn ich ihnen vorkaue, was das ist, dann nehme ich ihnen ein zentrales Element des Lesererlebnisses, nämlich Fantasie. Die gehört in meinen Augen zum Schreiben genauso dazu wie zum Lesen. Wenn ich den Leser/inne/n alles vorkaue, was ich mir vorstelle, dann ist das reines Tell, und dann ist das nicht mehr fühlig, sondern nur noch belehrend.

Bist Du sicher, dass Du nichts fühlst, wenn Du das liest? Wenn das so ist, dann würde ich mir Gedanken machen. Aber wenn Du schon was fühlst, dann gehört das so. So wie ich das gerne möchte, ist es, dass Du als Leserin den Text mit Emotionen füllst. Emotionen entstehen nicht, wenn ich sage: „Huang ist sehnsuchtsvoll.“ Emotionen entstehen, wenn ich sage: „Weißt Du, Charly, wenn ich an den gelben Drachen denke, wie Huang das silberne Band hier auf dem Rasen in meinen Innenhof ausrollt, wie sie rennt mit dem Drachen in der Hand, er in die Höhe steigt und sich sofort in den Ästen der Birke verheddert … Und wenn ich dann daran denke, dass Huang nie hier stehen wird, dass es den Drachen gar nicht gibt – dann könnte ich heulen.“

Hm, ich hoffe, Du verstehst, was ich meine, und vielleicht kannst Du Dich auf diesen Gedanken einlassen. Vielleicht wünschst Du Dir trotzdem noch was von mir, selbst wenn Du berücksichtigst, dass ich versuche, Emotionen auszulösen, ohne sie zu benennen. Denn Du schaust ja schon in Huang hinein, und dass Du sie verstanden hast, zeigen mir die Stellen, die Du benennst und ganz alleine, ohne meine Hilfe, mit Emotionen füllst. Wenn das jetzt ohne harte Arbeit Deinerseits entstanden ist, dann würde ich sagen, der Text ist auf einem guten Weg. Wenn nicht: schnell Bescheid sagen.

Sehnsuchtsvolle Grüße,
Maria

 

Nachdem ich Seide eingebaut habe, damit man mehr über Lenas Vergangenheit erfährt, habe ich die Geschichte ein paar Tage liegen lassen, wollte sie dann vor dem Hochladen noch einmal laut lesen, um letzte Fehlerchen auszumerzen. Dabei begann ich ganz automatisch, auch das zweite Kapitel im Präsens zu lesen. Zuerst habe ich diesen Vorschlag von Dir abgelehnt, aber wenn man die Geschichte laut liest, fließt das richtig. Außerdem erleichtert mir das die Flashbacks. Ich habe mich also doch dazu entschieden und eben einfach alles ins Präsens versetzt.
:D Freut mich, dass mein Vorschlag weitergewirkt hat und dir das nun selbst besser gefällt. Ich bin großer Präsenz-Fan, einfach weil ich selbst beim Lesen immer merke, ich bin dann näher dran an der Geschichte. Deshalb schlage ich das wohl zu gegebener Zeit immer mal wieder vor ;)

Liebe Grüße
RinaWu

 

Hallo, RinaWu

Ah, Präsenz, Präsens. Ich muss sagen, man könnte ja argumentieren, dass Präsens unmittelbarer klingt. Tatsächlich nehme ich es immer genau gegenteilig war, habe immer das Gefühl, Präsens klingt so ... weltentrückt, nachdenklich, melancholisch. Es muss zur Geschichte passen.

Aber hier, das hast Du genau richtig gesehen, hier passt es super. Wie gesagt, beim lauten Lesen ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen. Also danke für den Vorschlag, ich glaube, das hat dem Text noch richtig was gegeben (die Flashbacks aber auch).

Weltentrückte Grüße,
Maria

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey,

du bist @TeddyMaria, richtig? Das erkenne ich an einem deiner Beiträge hier, in dem du wirklichwirklich geschrieben hast und bei dem Namen Mo konnte ich nicht anders, als an mein liebstes Feuerkid zu denken. Spaß beiseite, der Maskenball ist längst vorbei. Ich wage mich hiermit an eine umfangreiche Interpretation. Sollte ich zu großen Teilen daneben liegen, könnte sie notfalls als eine Parallelspur zu der von dir intendierten Lesart angesehen werden. Los geht's.

I. Lange Naht
Lena ist eine apathische Figur. Dass sie in Isolation lebt, wird ab den Brettern vorm Fenster klar. Mo, der entweder nach dem göttlichen General Mo Lishou, der über einen Drachen verfügt, benannt ist oder nach den vier göttlichen Generälen generell, die allesamt den Familiennamen Mo tragen, bringt ihr auf Anfrage Kerzen mit. Sie schreibt viel, das Radiergummi ist bereits aufgebraucht, ihren Anspitzer sieht sie als ihren treusten Freund, weil sie Angst davor hat, ohne ihre Therapie auskommen zu müssen. Jap, Therapie, ich sehe ihre Schreiberei als Flucht aus der Realität. Die Reisetasche ist bereits gepackt. Der gelbe Drache steht für mich für die innere Freiheit, ihre seelische Freiheit. In Wahrheit handelt diese Szene nicht wirklich von Lena, sondern von Huang. Diese glaubt, alles was sie schreibt, sei wahr. Und weil sie die wahre Autorin dieser Geschichte ist, wird es das auch.

Folgendes hat mir die Augen geöffnet: Ich bedeutet Huang, sie bedeutet Lena. Wenn man das erst versteht, geht der Rest runter wie Öl. Naja, zumindest fast. I. Lange Naht ist aus Huangs Perspektive geschrieben, II. Seide schon aus Lenas. Ich vermute, dass Huang den Sex mit Mo unerträglich findet und deswegen Lena daran teilhaben lässt, als Flucht sozusagen - um das dadurch entstandene Leid mit ihr zu teilen, vielmehr zu halbieren. Problem daran ist, dass Lena als Fantasiegebilde einen eigenen Willen entwickelt und sich aus dieser endlos anmutenden Schleife der Therapie befreien möchte. Das kann aber erst gelingen, wenn sie Huangs sehnlichsten Wunsch, nämlich frei zu sein, erfüllt, damit die Therapie so ihr Ende finden kann. Diese Gedanken entnehme ich unter anderem dem ersten Gedicht:

Sehnsucht gab mir ihr weites Kleid,
Seine Naht ist lang wie die Ewigkeit.
Streicht die Sehnsucht um das Haus,
Trocknen die plaudernden Brunnen aus;
Die Tage kommen wie Tiere daher,
Du rufst ihren Namen, sie atmen nur schwer;
Du suchst dich im Spiegel, der Spiegel ist leer,
Hörst nur der Sehnsucht Schritt,
Du selbst bist nicht mehr.

Huangs Sehnsucht gab ihr ein Kleid mit endlosen Nähten, also die Möglichkeit auf eine selbstzerstörischerische Therapie, die nicht enden will. Sie verliert ihr Gefühl für das Ich, weil sie sich selbst mit ihrem Alter Ego verwechselt, es verdrängt ihre eigene Persönlichkeit. Wie aber kann Huang ihre Freiheit zurückerlangen? Indem Mo getötet wird. Als Lena Mos Rücken abtastet, musste ich gleich an einen hinterlistigen Mord denken, bei dem das Opfer von hinten erstochen wird. Es kommt später natürlich anders. Sie drückt ihre Finger aber in Mos Schultern - in die weichen Stellen zwischen den Knochen, wohlgemerkt - um seine Verwundbarkeit auszumachen. Vielleicht weit hergeholt, allerdings hält sie ihre Augen dabei geschlossen, so als würde sie sich etwas vorstellen.

II. Seide
Wichtig zu verstehen ist, dass das Restaurant Huangs schriftlichem Treiben entspringt. Das erkenne ich unter anderem daran, dass ihre Haare gelb wie eine Butterblume sind und ihre Haut dünn wie Papier. Das erinnert an den Gelben Papierdrachen und dem eingangs vorkommenden blühenden Garten, vorallem aber an die Speisekarte im Restaurant, welche ebenfalls gelblich und wahrscheinlich aus Papier ist. Lena kann die Schrift darauf nicht nur nicht lesen, sie ergeben gar keinen Sinn. Vorher dachte ich, das hat damit zu tun, dass es sich bei der Schrift möglicherweise um chinesische Schriftzeichen handelt. Dass sie aber keinen Sinn ergeben, geht in eine andere Richtung. Huangs Schrift übersteigt einfach Lenas eigene Vorstellungskraft. Und weil das Restaurant an Huang erinnert, ist es nur logisch, dass es ihrer eigenen Fantasie entsprungen ist, denn egal, was man schreibt, es fliesst immer die eigene Persönlichkeit mit ein. Die Frau mit den leuchtenden Augen, meiner Interpretation nach Huang selbst, bewegt ihre Hände zum Rhythmus der Worte, weil sie Geschriebenes heraufbeschwört. Im Restaurant ist es heiß, Elektroschocks durchfahren Lenas Körper. Das kann ich mir nur dadurch erklären, dass Huang in der echten Welt gerade mit Mo schläft. Das würde auch seine raubtierartigen Zähne erklären, die seiner sexuellen Erregung geschuldet sein könnten und ihr Angst einflössen. Die Luft ist schwer vom Kerzenwachs, wieder eine Parallele zur Realität. Lena bestellt das Eis, um sich abzukühlen, sich zu sammeln - also vom Sex zu erholen. Lena und der fantasierte Mo nennen die Dinge, die sich früher schon auf die gleiche Weise im Restaurant ereignet haben, Zufälle, um herunterzuspielen, dass das alles nicht echt ist. Der Grund, warum sie das alles (also das Restaurant, den Kellner oder die Art, wie Lena Mos Namen auspricht), schon kennt, ist der, dass Sex seine Regelmäßigkeit hat. Das Restaurant ist also eine Flucht (geteiltes Leid ist halbes Leid) für Huang und ein Gefängnis für Lena.

III. Kerzenlicht
Huang hat den Sex überstanden, sitzt wieder an ihrem Schreibtisch. Die vollgeschriebenen Zettel landen in der Reisetasche. Dann fängt sie wieder an zu schreiben, leckt die Bleistiftmine an, um dem Geschriebenen mehr Grimm zu verleihen. Währenddessen hat Lena ihren Weg in die Realität gefunden. Jetzt wirds ernst.

IV. Gelb
Lena steht auf dem Bürgersteig vor Huangs Haus. Sie hat das Eis noch im Magen, ein Beweis dafür, dass sie gerade erst aus ihrem Gefängnis, Huangs Fantasie, ausgebrochen ist. Der fantasierte Mo bedrängt sie, will wieder zurück. Lena hingegen möchte zu ihm, also seiner Entsprechung in der Realität und bedroht ihn mit einer Waffe. Der rote Schal, der in II. Seide bereits Erwähnung fand, ist ein Symbol für die Unterdrückung Lenas. Er wurde mit den Worten für immer und beschwert beschrieben, weil die Unterdrückung kein Ende findet, dagegen kann auch der Altkleidercontainer nichts machen. Die Seide ist an den Bettfosten geknotet, um symbolisch eine Verbindung zwischen der Unterdrückung und dem Sex herzustellen. Lena will Mo nun umbringen, um Huangs eingangs erwähnte Therapie zu beenden. Erst, wenn Huang frei ist, kann auch Lena frei sein. Mo sagt, sie dürfe das nicht tun, denn er müsse sich um jemanden, Huang, kümmern. Dann stürmt er in die Schreibstube aus III. Kerzenlicht, Huang befindet sich noch darin. Ihr Haar ist gelb wie eine Butterblume, ihre Haut dünn wie Papier. An dieser Stelle wird aufgelöst, dass es sich bei der Frau mit den leuchtenden Augen aus II. Seide tatsächlich um Huang handelt. Lena erkennt sich selbst in Huang wieder. Gleichtzeitig glaubt sie aber, Huang besser zu kennen, als sich selbst. Das hat damit zu tun, dass Lena Huangs Kreation ist. Danach sagt Mo, Huang könne ohne ihn nicht überleben. Da stelle ich mir die Frage, ob hier endlich auf Mo Lishou angespielt wird, der den Drachen, also Huangs Freiheit, beherrscht. Er würgt Lena mit seinem raubtierartigen Lächeln, bei dem sich ebenfalls an einen Drachen oder eine Schlange denken lässt. Am Ende gewinnt Lena jedoch die Oberhand und bringt ihn um.

V. Abreise
Jetzt wird es verworren. Es sieht so aus, als wäre doch alles bloß Fantasie gewesen und der Leser sei jetzt erst wirklich in der Realität angekommen. Ich glaube aber eher, dass durch den Tot des Mo Lishou eine neue, gefängnisfreie Welt geschaffen wurde, in der Huang sich mit ihrem Schicksal abfindet und glücklich wird. Denn diesmal ist sie diejenige, die vorschlägt, mit ihm ins Bett zu gehen, sein Lächeln wärmt ihr Gesicht, sie sieht endlich das Positive in ihm. Sonnenstrahlen, die sie lange vermisst hatte - sie findet Freiheit in der Isolation und in ihrem Zusammenleben mit Mo.

... Das wäre aber zu einfach.

Sie schaut zwischendurch auf die Reisetasche neben der Tür: Ein Hinweis darauf, dass sie doch bald flüchten wird. Der Titel dieser Szene geht in dieselbe Richtung.

Was du erschaffst und was du bist,
Bewahre ich als der Chronist:
Buchstabe, tot, unwandelbar,
Wird alles, was einst Leben war.
Willst du zu mir nun streben,
Es wird ein Unheil geben!
Hier endet, was durch dich beginnt.
Du wirst nie alt sein, Kaiserkind.
Ich Alter war nie jung wie du.
Was du erregst, bring ich zur Ruh.
Dem Leben ist verboten
Sich selbst zu sehen im Toten.

Lena scheint aus der Realität verschwunden zu sein, weil Huang ihre Therapie beendet hat. Huang bewahrt ihre Erinnerungen an sie aber in Form von Zetteln auf, in Form von unwandelbaren, toten Buchstaben, die mal Leben waren. Will Lena in die Realität zurückkehren, wird es ein Unheil geben. Der Kaiser ist laut chinesischer Mythologie mit dem Drachen (Freiheit) gleichzustellen, also könnte mit dem Kaiserkind Lena gemeint sein, welche ein Resultat aus Huangs herbeigesehnter Freiheit ist. Dem Leben (Huang) ist verboten, sich selbst zu sehen im Toten (Lena): Huang soll sich nicht mehr mit Lena vergleichen, um die von ihr geraubte Autonomie zurückzuerlangen. Schon im ersten Gedicht steht, dass Lena Huangs Persönlichkeit verdrängt hat. Das zweite baut darauf auf.

Das Ende verrät aber, dass ihre Sehnsucht kein Ende gefunden hat, sie erhofft sich ein Wiedersehen mit Lena. Das macht die Geschichte unendlich. Die Unendlichkeit findet sich auch im ersten Gedicht, darin ist die Rede von einem Kleid mit endloser Schöne Geschichte!

Mit freundlichen Grüßen,
Dein Niklas

 

Hallo @TeddyMaria

deine Geschichte ist damals, als sie noch unter der Maske lief, an mir vorbeigegangen. Schön, dass sie wieder aufgepoppt ist.
Außerdem mag ich es auch, Texte zu kommentieren, wo kein großer Kommentar-Stau besteht und sich noch vieles ändern kann, bis der Autor sich zu meiner Antwort durchgedrängelt hat ;)

Mit dem Wissen von heute würde ich alleine schon an den Kapitelüberschrften sehen, dass der Text von dir stammt.
Finde ich schon recht ungewöhlich für Kurzgeschichten. Machst du das hautsächlich, damit sich die Kommentatoren besser auf Tetxstellen beziehen können oder du beim Bearbeiten Stellen für dich als erledigt/abgehakt/offen kennzeichnen kannst ? :)

Die Seite meiner Hand schimmert silbern vom Grafit, Spuren von Buchstaben, die ich mit dem Handrücken verwische, seit ich das letzte Fitzelchen des Radiergummis aufgebraucht habe. Als ich sie strecke, schmerzen meine Finger. Ich blicke auf die Uhr – kurz vor neun.
Barfuß laufe ich zur Tür, klopfe gegen das Holz.
»Mo? Bist du da?«
Stille.
Ich schließe die Augen, drücke mit den Fingern auf die Augenlider.
Ist mir nur aufgelfallen, diese vielen Körperteile in den wenigen Sätzen. Vielleicht kannst du damit etwas anfangen. Wenn nicht, schimpf mich bitte nicht aus, wie es zuletzt jemand mit mir gaten hat, als ich ihm genau das gleiche aufgezeigt habe. :shy:
(Später hast du gar drei in einen Satz:"Er lacht, stützt das Tablett auf der Hüfte ab, streicht mit der freigewordenen Hand über mein Haar, zieht daran." oder:
"Als er an ihren Tisch tritt, reißt sie den Kopf hoch, Elektroschocks jagen von ihren Fingerspitzen hinauf in die Ellenbogen."
Falls es dich interessiert: 22 x kommt Hand/Hände im Text vor. :D

ich finde, der Strich wird dadurch dunkler, grimmiger.
"grimmiger" gefällt mir sehr gut.

Wir setzen uns an den kleinen Esstisch vor dem Fenster. Licht fällt durch die Ritzen zwischen den Brettern, die Mo davor genagelt hat,
Zugenageltes Fenster? Das lässt mich aufmerken.

Als Lena zu schwitzen beginnt, entfaltet sich der Geruch ihres Parfüms, süß, widerlich.
Ich würde "süß, widerlich" in einen eigenen Satz schreiben. Das verstärkt es.

An diesem Abend vor acht Monaten bewegte Lenas Begleiter die Hände auf die gleiche Weise, Raubtierlächeln hinter hochgezogenen Lippen.

Hier habe ich leichte Orientierungsprobleme.
"An diesem Abend vor acht Monaten": Damit könnte der aktuelle Handlungsstrang gemeint sein. Oder ein anderer, zurückliegender Tag. Dann würde ich aber schreiben: "An jenem Abend vor acht Monaten"

Sie greift in die Handtasche und schließt die Finger um den glatten Griff der Waffe, presst ihm den Lauf gegen die Rippen. Seine Augen weiten sich.
»Zu dir«, sagt sie.
»Was …?«
WTF. Was geht denn da ab? So hätte ich sie nicht eingeschätzt.

Im Haus ist es kühl und riecht muffig.
Der Satzaufbau passt m.E. irgendwie nicht. Da steht ja: Im Haus ist es kühl. Im Haus ist muffig.
Mag vielleicht sogar gehen, aber trotzdem klingt es in meinen Ohren falsch.

Sie reißt die Pistole hoch, doch er schlägt gegen sie, rammt sie zu Boden.
Wer ist mit "sie" #2 und #3 gemeint? Ich würde ein "sie" durch die Waffe ersetzen.

Knurrend verkrallt sie die Hände in seinen Schultern, drückt die Finger in die weichen Stellen zwischen seinen Knochen.
Das hatten wir doch schon mal oben. Muss etwas bedeuten. Nur, was?

Hat mir gut gefallen.

Vielleicht kannst du mit meinen Anmerkungen ja was anfangen.
Wünsche dir noch einen tollen Abend.

Liebe Grüße, GoMusic

 

Hi, @N. Ostrich

Meine Güte, ich habe, während Du an diesem Kommentar geschrieben hast (das sollte jede/r hier mal machen, live Kommentare schreiben), beobachtet, wie sich Dein Gehirn dreimal verknotet und wieder entknotet hat. Und das alles auf weniger als 15.000 Zeichen. Ich würde also sagen: Das war der Beweis für meine These, dass Kurzgeschichten nicht mit unterkomplexen Charakteren auskommen müssen. :)

Spaß beiseite. Es freut mich, dass Du tatsächlich hier warst – das wäre doch nicht nötig gewesen. :bounce: Ich hätte jetzt total Lust darauf, Dir die Genese des Textes zu erzählen. Ich denke, für mich als Autorin ist das der einfachste Weg zu erzählen, was ich mir gedacht habe. Aber das mache ich lieber am Sonntag. Wenn Du Lust hast, lies bis dahin diese Geschichte und frage Dich, was das alles mit allem zu tun hat: Halbes Herz

Und jetzt … puh. Ich glaube, ich kann diesen Kommentar nicht bewältigen, ohne ihn chronologisch abzugehen. Verzeih mir also dieses plumpe Mittel (lieber fasse ich ja immer zusammen und suche die signifikanten Stellen zu verschiedenen Themen heraus, aber das ist hier so lang, und da würde mir sicher einiges durch die Lappen gehen).

Also erstmal:

Dass sie in Isolation lebt, wird ab den Brettern vorm Fenster klar.
Ich vermute, dass Huang den Sex mit Mo unerträglich findet und deswegen Lena daran teilhaben lässt, als Flucht sozusagen - um das dadurch entstandene Leid mit ihr zu teilen, vielmehr zu halbieren.

Was ich am faszinierendsten an Deiner Lesart finde, ist, dass Du Begriffe wie „Freiheit“ und „Flucht“ zwar verwendest, aber den wesentlichen Punkt in der Beziehung zwischen Huang und Mo nicht aufgreifst. Ich bin mir unsicher, ob Dir das unwichtig erschien oder ob Du es nicht gemerkt hast: Huang hat die Bretter natürlich nicht selbst vor die Fenster genagelt, sie hat die Tür nicht selbst von außen abgeschlossen, sie hat die Zeitschaltung fürs Licht nicht selbst installiert. Sie ist Mos Gefangene. Nicht nur im metaphorischen, sondern quasi im Realitätssinn.

Nun müssen wir uns eigentlich klarmachen, was an dieser Geschichte überhaupt die Realität ist. Hier verbirgt sich der dreifache Boden, den ich Dir an anderer Stelle versprochen habe.

Immer, wenn ich Contemporary Fantasy lese, suche ich nach Beweisen dafür, dass die Fantasy-Aspekte echt sind und nicht bloß der Fantasie des Prots entspringen. Die Grenze zu verwischen zwischen Fantasy-Geschichte und Wahnsinn, das ist etwas, was Guillermo del Toro in Pans Labyrinth (ja, ein Film) ziemlich eindrucksvoll gelungen ist. (Wobei ich der Überzeugung bin, dass es einen Beweis für Fantasy und gegen Eskapismus gibt.) Denn eigentlich ist das Lesen von Fantasy und auch das Schreiben erstmal Eskapismus.

Huang flieht sich also durch das Schreiben aus ihrer Realität (die daran besteht, dass sie von einem Typen in ein kleines Zimmer gesperrt wurde und dort festsitzt, wahrscheinlich schon sehr lange Zeit).

Diese glaubt, alles was sie schreibt, sei wahr.
Und weil sie die wahre Autorin dieser Geschichte ist, wird es das auch.

Und da sie glaubt, dass alles, was sie schreibt, war wird, schmiedet sie einen Fluchtplan, der darin besteht, eine andere gepeinigte Frau auf Mo zu hetzen, zum Haus zu locken und sich befreien zu lassen.

Irgendwo hattest Du sie mal Huang Lena genannt, was natürlich im Zusammenhang mit Huang Long großartig ist. Danke dafür! In einer Arbeitsversion (es gibt sehr viele Arbeitsversionen von diesem Text) hat Huang einen anderen Charakter geschaffen, nämlich Long, der Lena verrät, wo Huang festgehalten wird. Das habe ich später gestrichen und Lena ein bisschen investigativer gemacht.

Denn der Gelbe Drache brachte ja auch dem Kaiser die Schrift, und deshalb dachte ich: Es wäre total cool, wenn Huangs Fantasy-Superkraft das Schreiben wäre.

Das heißt, das ist der erste Boden, den man finden kann: Lena ist Huangs Schöpfung. Und als Leser/in muss man sich fragen, ob Huang wirklich Zauberkräfte hat, mit denen sie Figuren erschaffen kann, die ihr in der Realität helfen. Sie ist davon überzeugt. Es ist quasi der/die Leser/in, der die Hoffnung nicht aufgeben darf, um an ihre Rettung zu glauben. Und hier kommt Die unendliche Geschichte ins Spiel, und das ist der dreifache Boden. Und jetzt wird’s richtig meta.

Huang bewahrt ihre Erinnerungen an sie aber in Form von Zetteln auf, in Form von unwandelbaren, toten Buchstaben, die mal Leben waren. Will Lena in die Realität zurückkehren, wird es ein Unheil geben. Der Kaiser ist laut chinesischer Mythologie mit dem Drachen (Freiheit) gleichzustellen, also könnte mit dem Kaiserkind Lena gemeint sein, welche ein Resultat aus Huangs herbeigesehnter Freiheit ist. Dem Leben (Huang) ist verboten, sich selbst zu sehen im Toten (Lena): Huang soll sich nicht mehr mit Lena vergleichen, um die von ihr geraubte Autonomie zurückzuerlangen.

In Die unendliche Geschichte treten an der von Huang zitierten Stelle drei Personen auf: Die Kindliche Kaisern, die durch ihr Handeln das Land Phantasién erschafft und hütet. Der Alte vom Wandernden Berge, der alles, was die Kindliche Kaisern schafft, auf Papier bannt. Und Bastian Balthasar Bux, der Leser dessen, was der Alte vom Wandernden Berge geschrieben hat. Durch die Begegnung der Kindlichen Kaisern und dem Alten von Wandernden Berge (Begegnest du mir altem Mann,/Geschieht, was nicht geschehen kann:/Der Anfang sucht das Ende auf) wird Die unendliche Geschichte aus der Bahn geworfen, und nur Bastians Fantasie kann sie jetzt noch retten. Diese drei Personen treten auch an dieser Stelle in meiner Geschichte auf, und hier wird das, was wir vorher für Realität gehalten haben, umgekehrt.

Huang hält sich selbst für die Chronistin, die fantasielose, automatisch gesteuerte Aufschreiberin von dem, was wirklich passiert ist, was nämlich durch Lenas Handeln und Lenas Fantasie zur Wahrheit geworden ist. Nicht Huang ist das Leben, sondern Lena. Denn Lena handelt, Huang schreibt nur auf, was Lena tut. Und der/die Leser/in kommt hier ins Spiel, denn als die beiden sich begegnen, kann nur die Fantasie des/der Leser/in Huang noch retten. Denn wenn Du jetzt glaubst, dass sie einfach nur verrückt ist, dann ist es aus. Sie wurde nicht gerettet und ist für immer mit Mo eingesperrt.

Jap, Therapie, ich sehe ihre Schreiberei als Flucht aus der Realität. Die Reisetasche ist bereits gepackt. Der gelbe Drache steht für mich für die innere Freiheit, ihre seelische Freiheit. In Wahrheit handelt diese Szene nicht wirklich von Lena, sondern von Huang. Diese glaubt, alles was sie schreibt, sei wahr. Und weil sie die wahre Autorin dieser Geschichte ist, wird es das auch.

Ein Schlüsselmoment aus Deinem Kommentar. :D Für mich ist der Drache auch ein Symbol dieser Sehnsucht und Hoffnung, die Huang glauben lässt, dass alles, was sie schreibt wahr wird. Therapie, ja, wenn man der Überlegung folgt, dass Huang vielleicht eigene Erlebnisse verarbeitet.

Denn aus einer psychoanalytischen Perspektive …

Da stelle ich mir die Frage, ob hier endlich auf Mo Lishou angespielt wird, der den Drachen, also Huangs Freiheit, beherrscht.

… mal ganz davon ab, dass Du hier voll ins Schwarze triffst (er hat sogar die Schlüssel), könnte es auch sein, dass er ein personifizierter Abwehrmechanismus ist, dass Huang also traumatische Erinnerungen hat (vielleicht an die Vergewaltigung, die sie Lena durchleben lässt), diese aber von Mo (Mneme) weggeschlossen werden, um sie zu schützen.

Huangs Sehnsucht gab ihr ein Kleid mit endlosen Nähten, also die Möglichkeit auf eine selbstzerstörischerische Therapie, die nicht enden will. Sie verliert ihr Gefühl für das Ich, weil sie sich selbst mit ihrem Alter Ego verwechselt, es verdrängt ihre eigene Persönlichkeit. Wie aber kann Huang ihre Freiheit zurückerlangen? Indem Mo getötet wird.

Klingt plausibel. Bis auf den Part mit der Therapie, das kriege ich nicht ganz mit dem Rest unter einen Hut. Aber wenn wir nicht über Therapie sprechen, sondern tiefer in die Psychoanalyse tauchen, bemerken wir, dass Du hier einen weiteren Abwehrmechanismus nennst: die Dissoziation, da Huang Konfliktanteile aus ihrem eigenen Ich ausklammert. Das heißt, die Überlegung, dass ein abgewehrter Konflikt all diese Probleme heraufbeschwört, nimmt weitere Konturen an.

Sie drückt ihre Finger aber in Mos Schultern - in die weichen Stellen zwischen den Knochen, wohlgemerkt - um seine Verwundbarkeit auszumachen. Vielleicht weit hergeholt, allerdings hält sie ihre Augen dabei geschlossen, so als würde sie sich etwas vorstellen.

Gut beobachtet.

So, und jetzt wird es … Hui. Ich muss zugeben, dass ich mir bei Huangs Realität mehr gedacht habe als bei Lenas. Deshalb wird es jetzt für mich sehr überraschend.

Das erkenne ich unter anderem daran, dass ihre Haare gelb wie eine Butterblume sind und ihre Haut dünn wie Papier. Das erinnert an den Gelben Papierdrachen und dem eingangs vorkommenden blühenden Garten, vorallem aber an die Speisekarte im Restaurant, welche ebenfalls gelblich und wahrscheinlich aus Papier ist.

Zufall? Ich glaube nicht. :D

Lena kann die Schrift darauf nicht nur nicht lesen, sie ergeben gar keinen Sinn. Vorher dachte ich, das hat damit zu tun, dass es sich bei der Schrift möglicherweise um chinesische Schriftzeichen handelt.

Na ja, eigentlich kann Lena die Schrift nur nicht lesen, weil sie so aufgeregt ist. Dachte ich mir so.

Huangs Schrift übersteigt einfach Lenas eigene Vorstellungskraft.

Das ist aber auch spannend.

Die Frau mit den leuchtenden Augen, meiner Interpretation nach Huang selbst, bewegt ihre Hände zum Rhythmus der Worte, weil sie Geschriebenes heraufbeschwört.

Ich muss sagen, die Frau am Nachbartisch habe ich erst später eingeführt, weil ich dachte, es wäre besser, wenn Lena ihre Umgebung beobachtet und sich darin auch ihre eigene Anspannung und ihre eigenen Ängste ausdrücken würden. Das heißt, die Frau wäre in diesem Falle nur eine Projektionsfläche. Nur weil Lena allen Männern misstraut, fürchtet sie um diese Frau. Andererseits ist Deine Deutung extrem interessant.

Nebenbei erwähnt habe ich die Geschichte jetzt auch nochmal gelesen und einige Stellen gefunden, die Feinschliff nötig hätten. Diese Sache werde ich inhaltlich auch nochmal glattziehen. Eigentlich mag ich es nicht, an dieser Stelle falsche Fährten zu legen, die die Konfusion nur erhöhen und am Ende nicht dahin führen, wo ich hinmöchte. Denn natürlich sind andere Lesarten schön und gut, wenn sie am Ende aber keinen Sinn ergeben, weil ich sie nicht intendiert habe, dann ist das nicht so schön und gut.

Der rote Schal, der in II. Seide bereits Erwähnung fand, ist ein Symbol für die Unterdrückung Lenas. Er wurde mit den Worten für immer und beschwert beschrieben, weil die Unterdrückung kein Ende findet, dagegen kann auch der Altkleidercontainer nichts machen. Die Seide ist an den Bettfosten geknotet, um symbolisch eine Verbindung zwischen der Unterdrückung und dem Sex herzustellen.

Ja! Mann! Es geht hier nicht darum, dass der „Sex unangenehm ist“. Es geht um Unterdrückung, um Freiheitsberaubung, Unterwerfung, Nötigung und Vergewaltigung. Ich weiß nicht, ob Du es nur nicht so deutlich sagen wolltest oder ob Du es nicht gemerkt hast.

Mo sagt, sie dürfe das nicht tun, denn er müsse sich um jemanden, Huang, kümmern.

Denn das wirklich Interessante an Mo ist ja eigentlich, dass er sich selbst für einen totalen Helden hält und auch so auftritt. Er merkt nicht, was er tut, er glaubt sogar, er würde Huang etwas Gutes tun. Und sie unterwirft sich, ihr einziges Aufbegehren ist das Schreiben über seine Ermordung.

Lena erkennt sich selbst in Huang wieder. Gleichtzeitig glaubt sie aber, Huang besser zu kennen, als sich selbst. Das hat damit zu tun, dass Lena Huangs Kreation ist.

Das ist eigentlich der zentrale Gedanke der Geschichte. Wie gesagt, schau ruhig mal in Halbes Herz rein.

Es sieht so aus, als wäre doch alles bloß Fantasie gewesen und der Leser sei jetzt erst wirklich in der Realität angekommen.

Je nachdem, was Du glaubst, ne? Das liegt jetzt in den Händen des/der Leserin/Lesers, was mit Huang passiert.

Ich glaube aber eher, dass durch den Tot des Mo Lishou eine neue, gefängnisfreie Welt geschaffen wurde, in der Huang sich mit ihrem Schicksal abfindet und glücklich wird. Denn diesmal ist sie diejenige, die vorschlägt, mit ihm ins Bett zu gehen, sein Lächeln wärmt ihr Gesicht, sie sieht endlich das Positive in ihm. Sonnenstrahlen, die sie lange vermisst hatte - sie findet Freiheit in der Isolation und in ihrem Zusammenleben mit Mo.

Das ist widerlich. Aber auch ein bisschen der Punkt. Letztes Jahr wurde ja viel darüber diskutiert, was eigentlich einvernehmlicher Sex ist. Und über diese Frage könnte man hier auch diskutieren. Wenn ich schicksalsergeben mit einem Typen schlafe, der mich einsperrt, mir Essen gibt, für mich sorgt (ergo, von dem ich hundertprozentig abhängig bin), ist das dann einvernehmlich? Hier hast Du nämlich recht: Huang ist apatisch – schicksalsergeben. Ihr einziger Widerstand äußert sich in der Geschichte, die sie schreibt. Da erfindet sie eine stärkere Figur – über Lena erfahren wir, dass sie sportlich und sehr groß ist für eine Frau, und außerdem hat sie eine Waffe. Das ist ihre einzige Möglichkeit, sich zu retten.

Sie schaut zwischendurch auf die Reisetasche neben der Tür: Ein Hinweis darauf, dass sie doch bald flüchten wird.

Und sie ist fest davon überzeugt, dass Mos Ende nahe ist. Deshalb ihre Duldsamkeit. Ich wurde auch gefragt, ob es für sie nicht total gefährlich ist, ihre Sachen zu packen und diese Geschichte offen rumliegen zu lassen. Die Antwort: Nur, wenn sie zweifeln würde, dass Lena sie rettet. Aber sie zweifelt nicht an ihrer „Zauberkraft“, nämlich der Kraft ihrer Geschichte.

Huang soll sich nicht mehr mit Lena vergleichen, um die von ihr geraubte Autonomie zurückzuerlangen.

Hier kommen wir zur psychoanalytischen Konfliktlösung. Diese könnte aber ohne eine Integration der dissoziierten Anteile schwierig werden, würde ich sagen. Wenn man allerdings annimmt, dass Mo ein Abwehrmechanismus ist und sich dieser Abwehrmechanismus auflösen würde, dann würde der Konflikt mit einem Schlag in Huangs Bewusstsein auftauchen. Was … fatale Folgen haben könnte. Es wird ein Unheil geben. Wahnsinn. Die psychoanalytische Lesart funktioniert also praktisch auch. Hat aber eher unangenehme Implikationen. I need to think.

Hm. Ich finde Deine Lesart auf jeden Fall interessant, und vieles davon entspricht dem, was ich mir gedacht habe. Das mit der Therapie ist … hm … Ich glaube, wenn Du verbalisiert hättest, dass Huang nicht nur metaphorisch, sondern tatsächlich von Mo ihrer Freiheit beraubt wurde, dann wärest Du eher darauf gekommen, dass es tatsächlich um Befreiung geht und nicht um Behandlung. Denke ich. Wobei ich glaube, dass die Bearbeitung verdrängter Konflikte auch eine mögliche, wenn auch nicht ganz ausgereifte Lesart wäre.

Auf jeden Fall eine sehr interessante Analyse.

Ich könnte jetzt noch zwei Dinge tun:

1) Mo boshafter machen, um das wahre Verhältnis darzustellen. Aber das werde ich nicht tun. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, dass er nicht als reines Monstrum auftritt. Und ich finde es tatsächlich spannend, wie unterschiedlich er von zahlreichen Leser/inne/n bewertet wurde. Während manche sich darüber freuen, wie liebevoll und fürsorglich er ist, ekeln sich andere richtiggehend vor ihm. Ich glaube, dass das zur gesellschaftlichen Debatte gut passt. Die Grenze zwischen: Ich kümmere mich um Huang, und sie liebt mich und Ich zwinge mich ihr auf, mache sie von mir abhängig, und sie kann gar nichts anderes tun, als sich zu ergeben ist extrem fein (während Mo wiederum eindeutig nicht sonderlich feinfühlig ist), und genauso habe ich auch versucht, sie darzustellen. Deshalb sehen manche Leser/innen die Grenze und manche nicht. Übrigens ist das ja auch für das Opfer eine schwierige Sache. Mo ist der einzige Mensch in Huangs Leben. Sie kann ihn nicht mit jeder Faser ihres Körpers hassen. Das ist ja auch etwas, was Opfer beschreiben. Im Vorfeld habe ich mich v.a. mit Natascha Kampusch beschäftigt, daher auch die Zeitschaltung des Lichts, die ja auch eine totale Abhängigkeit von ihrem Peiniger ist, der alle Vorgänge von außen steuert.

Kampusch hat nicht wirklich gehasst, denke ich. Und so steht auch Huang Mo total zwiegespalten gegenüber. Er ist der einzige Mensch, mit dem sie sprechen kann, den sie berühren kann. Deshalb tauchen auch all ihre Aggressionen nur in Lenas Geschichte auf, oder, um es mit der Sprache der Psychoanalyse zu sagen: Diese triebhaften Aggressionen des ES hat sie dissoziiert und in eine abgespaltene Persönlichkeit ausgelagert. Denn ihr Überleben, ihr Seelenheil hängen davon ab, dass sie Mo erträgt. Und deshalb ist Mo keine absolut böse dargestellte Figur. Vor allem, da er sich selbst für den Guten hält.

2) Ich glaube, die Restaurantszene werde ich nochmal überarbeiten. Mir gefällt die Sache mit der Sitznachbarin nicht wirklich. Wenn man es so stark interpretiert wie Du, wirft das zahlreiche Fragen auf, die spätere Interpretationen erschweren. Das ist nicht gut.

Vielen Dank für Deine ausführlichste Rückmeldung. Es hat Spaß gemacht, sie zu lesen, und es hat auch Spaß gemacht, mich mal wieder mit dieser Geschichte auseinanderzusetzen. Sie ist ja irgendwie mein Liebling. Da setze ich mich auf jeden Fall nochmal dran.

Bis bald,
Deine Maria

Hi, @GoMusic

Ich freue mich auch, dass Du da bist. Ja, Maskenball war spannend, weil man sonst immer spezielle Leute auf spezielle Weise anzieht, und da konnte ich nichts davon kontrollieren, musste vollkommen loslassen … Ziemlich coole Sache.

Über die Kapitel habe ich eine Weile nachgedacht:

Finde ich schon recht ungewöhlich für Kurzgeschichten. Machst du das hautsächlich, damit sich die Kommentatoren besser auf Tetxstellen beziehen können oder du beim Bearbeiten Stellen für dich als erledigt/abgehakt/offen kennzeichnen kannst ?

Bei dieser Geschichte habe ich damit angefangen. Tatsächlich habe ich häufig das Gefühl, dass meine Geschichten recht lang sind. Durch die Überschriften schaffe ich es, jedem Absatz ein Thema zu geben und selbst einen Überblick darüber zu bekommen, in welche Abschnitte der Text unterteilt ist, was wann passieren muss. Das hilft mir beim Schreiben, weil ich genau weiß, was wann erzählt wird, gleichzeitig aber auch den Aufbau leicht umdrehen kann. Hier habe ich auch Szenen gekickt und Reihenfolgen geändert, und ich glaube, ohne die Überschriften wäre mir das nicht so leicht gefallen.

Nun frage ich mich gerade, ob man die Überschriften vielleicht löschen könnte, wenn man den Aufbau erstmal fertig hat. Aber ich glaube irgendwie auch, dass sie den Leser/inne/n ebenfalls Struktur und Orientierung geben und gerade hier, wo ja nicht besonders geradlinig erzählt wird, sehr viel Halt geben. Oder was meinst Du?

In meinen Nachfolgergeschichten, wo ich das gleiche System verwendet habe, finde ich es eher streitbar. Da sind die zeitlichen Abfolgen doch recht geradlinig, und es gibt auch keine Perspektivwechsel. Man könnte also argumentieren, dass die Leser/innen die Kapitel nicht wirklich brauchen. Andererseits sind sie recht lang. Na ja, lange Rede, kurzer Sinn: Die Unterteilung und die Überschriften helfen mir, mich zu strukturieren, und deshalb bilde ich mir ein, dass es den Leser/inne/n auch hilft, sich zu orientieren.

Wenn nicht, schimpf mich bitte nicht aus, wie es zuletzt jemand mit mir gaten hat, als ich ihm genau das gleiche aufgezeigt habe.

Das habe ich mitgekriegt, und nein, ich schimpfe Dich nicht aus. :D

Falls es dich interessiert: 22 x kommt Hand/Hände im Text vor.

Oh Gott. Als hier neue Kommentare reinflatterten, habe ich die Geschichte auch nochmal gelesen. Ich glaube, ich habe sie zuletzt im Juli vollständig gelesen. Vorgestern sind mir einige Details aufgefallen, die man anpassen könnte. Und darum werde ich mich gleich als erstes kümmern! Danke für die Anmerkung.

Wer ist mit "sie" #2 und #3 gemeint? Ich würde ein "sie" durch die Waffe ersetzen.

Was ist, wenn mit allen drei „sie“s Lena gemeint ist? Dann in der Mitte einmal Lena schreiben? Sie reißt die Pistole hoch, doch er schlägt gegen Lena, rammt sie zu Boden.

Die ganz kleinen Detailanmerkungen habe ich direkt umgesetzt. Vielen Dank dafür. An den Körperteilen werde ich nochmal arbeiten. Ich glaube, das wird relativ kniffelig, weil es ja schon eine sehr körperliche Geschichte ist, vor allem in den Lena-Abschnitten. Da geht es um Vergewaltigung und Mord. Aber das bekomme ich bestimmt hin. Leider nicht mehr dieses Wochenende, fürchte ich, aber Du weißt ja: Gut Ding will Weile haben.

Und deshalb habe ich tatsächlich wieder Lust, mich nochmal mit der Geschichte zu beschäftigen. :D Vielen Dank also für Deine Rückmeldungen, die treffen auf offene Ohren.

Körperliche Grüße,
Maria

 

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