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- 31.10.2003
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Gemein zu Dir
Ich war wieder gemein zu Dir.
Und jetzt sitze ich auf unserem alten Sofa und weiß es. Ich merke es nicht, wenn ich es bin. Es ist beinahe normal. Und es ist umso schrecklicher, wenn ich es weiß.
Es dauert immer eine gewisse Zeit. Es dauert, bis sich die inneren Wogen beruhigen. Ich werde nie laut, wenn ich gemein zu Dir bin; niemals. Und das ist vielleicht sogar das Gemeine daran.
Ich sehe Dich, wie Du da vor mir sitzt; wie Du versuchst, dich zu rechtfertigen; klein und niedlich sitzt Du da, und Du schaust mich mit Deinen tollen Augen an. Mit diesen Augen, die ich so liebe.
Aber nicht in jenem Moment, wenn ich gemein zu Dir bin.
Ich stehe über Dir, und nicht nur meine erhobene Position, auch meine Worte sind erhaben; sie können schmerzen. Ich will, dass sie schmerzen. Sie sind Dir haushoch überlegen, wenn Du versuchst, dagegen anzugehen. Du mit Deiner zarten Stimme; Du mit Deinen anmutigen Augen, die ich doch so liebe.
Ich weiß nicht, warum ich gemein zu Dir bin; ich weiß, dass Du mir immer irgendeinen Grund dafür gibst. Einen lapidaren Grund; einen lächerlichen Grund, um mich Dir überlegen zu fühlen.
Warum tue ich das? Ist es meine männliche Eitelkeit? Akzeptiere ich Dich nicht so wie Du bist?
Wenn ich gemein zu Dir bin, akzeptiere ich nicht einmal Dein Dasein.
Merke ich eigentlich, dass ich gemein zu Dir bin? Nein! Nicht in dem Moment.
Manchmal sehe ich Deine Tränen. Es gibt mir kein Glücksgefühl; ich will nicht, dass Du weinst. Ich hasse Dich dafür. Und weil ich Dich dafür hasse, werde ich Dich auch nicht trösten. Denn ich stehe über Dir.
Du weinst leise, während Du versuchst, meinen herablassenden Worten die Schärfe zu nehmen; doch so was lasse ich nicht zu. Ich bin Dir überlegen. Ich bin ein Mann.
Lächerlich! Einfach nur lächerlich. Sollte ich stolz darauf sein? Ein Mann ohne Gefühle zu sein?
Aber ich habe Gefühle; ganz große sogar. Immer, nachdem ich gemein zu Dir war.
Irgendwann gibt Deine kleine Stimme immer auf. Du brichst das Gespräch – mein Gespräch – ab. Du merkst, dass Du keine Chance hast. Nicht gegen meine peinigende Ironie, nicht gegen meinen schmerzenden Sarkasmus. Oh ja, ich weiß ihn einzusetzen. Aber Du gibst auf!
Gehst einfach. Verlässt den Raum.
Meistens sagst Du: „Gute Nacht!“ Du sagst es lieb, und Deine Augen, die ich so liebe, lächeln mich zwischen winzigen Tränen hindurch an.
Ich blicke demonstrativ – erhaben – zur Seite, denn ich weiß, dass ich Dich damit noch ein letztes Mal treffe; tief ins Herz. Ein harter Stich ins Herz, hervorgerufen durch meine Arroganz, bevor Du schlafen gehst.
Und Du schläfst immer ein. Ich könnte das nicht. Manchmal höre ich ein Schluchzen, aber wenn ich irgendwann nach Dir sehe, ist Dein Atem tief und gleichmäßig. Du bist eingeschlafen und träumst von einer schöneren Welt.
Vielleicht sogar von einer Welt ohne mich. Aber das glaube ich einfach nicht, denn Du erzählst mir doch immer, wie sehr Du mich liebst.
Und ich denke genau an diese Worte, eine kurze Zeit später, nachdem ich gemein zu Dir war. Nachdem sich diese Wogen der Arroganz gelegt haben; nachdem dieses schleichende, zuschnappende Tier in mir, sich zurück gezogen hat. Weit zurück in die hinterste Ecke seines erbärmlichen Daseins.
Ich möchte Dich dann in den Arm nehmen. Ich möchte Dich halten; ganz fest und für immer.
Ich möchte weinen in Deinen Armen; möchte Deinen süßen Duft tief in mich hineinsaugen; ihn festhalten und für immer mit ihm verschmolzen sein.
Ich möchte Dich küssen, ganz sanft nur. Und ich möchte über Dein Haar streicheln. Ich möchte zusammen mit Dir einschlafen. Ohne Tränen, ohne Schluchzen. Und wenn doch, dann nur der Freude – des unendlichen Glückes – wegen.
Ich möchte Dir sagen wie leid es mir tut und wie glücklich ich mit Dir bin; und ich möchte in Deine strahlenden Augen schauen, die mich in diesem Moment verstehen und mir glauben.
Ich weiß, dass ich Dich unendlich liebe – immer! – und ich weiß, dass ich bald wieder gemein zu Dir sein werde ...