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"Geregeltes Leben"

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08.06.2003
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"Geregeltes Leben"

Heute war es in der Direktion besonders hektisch gewesen!
Nur noch die Übergabe an meinen Stellvertrter, dann würde ich für ein paar Tage beim Skiurlaub die Uni vergessen!
Wo blieb nur Dr. Hannsmann?
Plötzlich stand da diese alte Frau in meinem Büro. Wahrscheinlich war sie von der telefonierenden Sekretärin nicht bemerkt worden.
Noch bevor ich eine Frage an die Dame richten konnte, stürzte diese auf mich zu und stammelte glücklich: "Erika, mein Kind! Endlich habe ich meine kleine Erika wieder!"
Ich war peinlich berührt, zumal gerade Dr. Hannsmann durch die Tür schaute.
Ich fühlte mich von dieser Situation überfordert, schickte meinen Stellvertreter wieder hinaus. Ich glaubte, dass sich das Ganze in wenigen Minuten als ein großer Irrtum aufklären würde.
Schon ein flüchtiger Blick hatte genügt, um festzustellen, dass diese zierliche Frau, die höchsten die Hälfte von meinem Gewicht auf die Waage brachte, nichts mit mir zutun haben konnte.
Nachdem sie abermals mit weinerlicher Stimme "Meine kleine Erika!" hervor-gebracht hatte, verlor ich die Fassung gänzlich.
"Was soll das Theater? Meine Eltern sind seit Jahren tot! Ich habe keine Mutter mehr!"
Unbeeindruckt kramte die alte Dame aus ihrer Tasche eine Geburtsurkunde und ihren Ausweis hervor und ich mußte zur Kenntnis nehmen, sie hatte Recht!
Völlig verstört fuhr es aus mir heraus: "Und was soll das jetzt noch, nach über 40 Jahren? Mein Leben ist geregelt! Jetzt brauche ich keine Mutter mehr!"
Zutiefst verletzt wollte die Frau mein Büro verlassen.

In diesem Augenblick begriff ich erst, dass es ja die Stimme m e i n e r Mutter war, die noch etwas von langer Geschichte, Zwangsadoption und DDR murmelte. Ich lief ihr nach und legte meine Hand auf ihre Schulter.
Der Winterurlaub war inzwischen in weite Ferne gerückt.

 

Hallo Stauni,

dieser Text ist schon kompletter.
Man kann darüber streiten, ob es ein Vor- oder Nachteil ist, dass die Gründe für die Trennung so knapp daher kommen. Es gibt ja zahlreiche denkbare Gründe, aus denen Mütter von ihren Kindern getrennt werden.
Als Aufarbeitung einer DDR Vergangenheitstrennung ist es tatsächlich wieder nur angerissen. Mögliche Wutmomente, aber auch Momente des Mitleids werden ausgespart und das erweckt für mich den Eindruck einer verpassten Chance.
Auch ist es zwar plausibel, aber in der Entwicklung immer sehr ausgespart. Scheinbar mühelos ist die alte Dame in der Lage von einer "glücklich stammelnden" Frau zu einer "unbeeindruckt" agierenden zu mutieren.
Auch der Denkprozess im Icherzähler kommt recht unvermittelt.
Selbst, wenn man Zwangsadoptionen zugrunde legt, könnten ja auch Wutgefühle über den Egoismus der Mutter eine Rolle spielen, die diese mit einer "egoistischen" Flucht in Kauf genommen hat. Wenn dem Prot tatsächlich erzählt wurde, die Eltern seien tot, dann ist das plötzliche Auftauchen vor allem erstmal so überraschend, dass er nicht in der Lage sein wird, so schnell sein Verhalten zu ändern, selbst für die Entwicklung von Neugier bräuchte es Zeit. Ein Mensch wurde den größten Teil seines Lebens belogen. Da schluckt er die Wahrheit nicht mal einfach mit einem wütenden Satz herunter und bekommt sofort Erbarmen, wenn die Vergangenheit sich enttäuscht wegdreht.
In der Hinsicht ist es tatsächlich alles zu schnell. Selbst, wenn es sich so zugetragen haben sollte, würde ich als Leser erwarten, dass mir diese zügigen Entwicklungen glaubhaft gemacht werden.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Stauni,

deine Geschichte liest sich für mich stellenweise eher wie ein Bericht - als wäre da ein Polizist, dem deine Protagonistin das Wiedersehen mit ihrer Mutter beschreiben soll.
Hier fehlt mir eindeutig mehr über das Innenleben sowie die Gefühle deiner Prot!
Ich versuche gerade, mir die Situation vorzustellen bzw. mich in Erika hineinzuversetzen - da kommt eine Frau, die behauptet, ich wäre ihre Tochter. Ich halte meine Eltern aber für tot - ich würde vielleicht traurig werden, ihr übel nehmen, dass sie so tut als ob. Vielleicht wütend, wenn sie nicht davon abrückt. Schließlich würde sie mir die Geburtsurkunde zeigen - ich schätze, ich könnte es im ersten Moment - trotz allem - nicht glauben, wäre aufgeregt, häte hunderte Fragen etc.
Du könntest aus dieser Begegnung wirklich noch mehr herausholen.

Der gesellschaftliche Aspekt kommt mir in dieser Geschichte etwas zu kurz - hier hat Sim ja schon einiges gesagt und ich muss mich ihm da anschließen. Die Worte "DDR" und "Zwangsadoption" erklären nicht automatisch alle Geschehnisse. Hier wäre es interessant die Hintergründe zu erfahren.

So ist mir die Geschichte noch zu dünn, aber es wäre schön, wenn du sie nocheinmal überarbeitest.

Lieben Gruß, Bella

 

Hallo Ihr Zwei, ich glaube, ich habe verstanden. Eine Kurzgeschichte sollte also nicht nur kurz, sondern auch eine Geschichte sein. Danke!!!
Liebe Grüße von Stauni
Mache mich demnächst an die Überarbeitung

 

Hallo Stauni,

ich stimme sim und Bella zu. Auch mir war deine Geschichte zu wenig - es ging zu schnell, ich konnte mir weder die Emotionen der Tochter noch der Mutter vor Augen führen. Es passiert einfach zu viel in kurzer Zeit. Das könntest du gut beheben, in dem du zum Beispiel Rückblenden oder Erinnerungen einbaust, möglicherweise aus beiden Perspektiven - zum einen das Leben ohne Mutter, auf der anderen Seite das Schicksal der Frau, die sich von ihrem Kind trennen musste. Gerade der gesellschaftliche Bezug hätte mich sehr interessiert, auch wenn hierfür mit Sicherheit Recherchearbeit erforderlich ist. Also: ich bin gespannt auf die Überarbeitung.

Details:

Nur noch die Übergabe an meinen Stellvertrter, dann würde ich für ein paar Tage beim Skiurlaub die Uni vergessen!
Stellvertreter, außerdem würde ich mit den Ausrufezeichen sparsamer umgehen.
Schon ein flüchtiger Blick hatte genügt, um festzustellen, dass diese zierliche Frau, die höchsten die Hälfte von meinem Gewicht auf die Waage brachte
höchstens
Nachdem sie abermals mit weinerlicher Stimme "Meine kleine Erika!" hervor-gebracht hatte, verlor ich die Fassung gänzlich.
Hier ist die Silbentrennung bei hervor-gebracht noch aktiviert.

Liebe Grüße
Juschi

 

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