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Geschlechtslos

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07.03.2005
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Geschlechtslos

Ab einem gewissen Alter muss man einfach Sex gehabt haben, die Gesellschaft bestimmt das und gibt einem den ungefähren Termin vor, bis wann es spätestens zu passieren hat, damit man auch weiterhin als normal durchgeht.
Ich werde morgen 30.
Ich blicke auf mein Leben, vor allem auf mein Liebesleben, zurück.
Habe ich überhaupt ein Liebesleben gehabt?
Zählt es als Liebesleben, wenn ich in jemanden verliebt war?
Oder zählt nur körperlicher Kontakt mit dem anderen oder auch gleichen Geschlecht?
Wenn ja, dann habe ich nie ein Liebesleben gehabt, obwohl es wohl auf gleichgeschlechtlicher Ebene möglich gewesen wäre. Da ich aber durch und durch heterosexuell bin, kann ich am eigen Geschlecht nichts erotisch Anziehendes finden. Es ist für mich also auch nie als Ersatz für den mangelnden, besser gesagt, nie vorhandenen sexuellen Kontakt mit dem anderen Geschlecht in Frage gekommen. Auch Sex mit Prostituierten nicht…

In letzter Zeit hat auch das andere Geschlecht seine Anziehungskraft auf mich verloren. Die ewige Monotonie meines Gefühlslebens, nur geben ohne etwas zu bekommen, die ewig unerwiderte Liebe, hat mich abstumpfen lassen, mich beinahe geschlechtslos werden lassen. Beinahe nur deswegen, weil der letzte Funke vom Trieb nach Zuneigung und Geschlechtsverkehr, der jahrelang nur ungebraucht im Boden meines Herzen versickert ist, sich jetzt ins Gegenteil verwandelt hat.

Ich war nie ein aufdringlicher oder gewalttätiger Mensch, doch tief in mir verspürte ich immer stärker aufbrodelnden Hass, der von Tag zu Tag schwerer unter Kontrolle zu halten war. Eine Zeit lang habe ich es damit abgetan, dass ich in meiner jetzigen Gefühls- und Lebenslage eben ein wenig leichter zu reizen bin. Doch die unaufhörlichen Aggressionen, die ich ständig in mich hineingefressen habe, wurden mit der Zeit zu einem Geschwür in meinem Kopf, das in der Folge mein Herz verhärten und meine Seele verdunkeln ließ.

Da liegen sie nun vor mir, in ihrer gefesselten Schönheit und versuchen sich strampelnd zu befreien. Immer wieder rufen sie um Hilfe, obwohl die Knebel nur erstickende Laute aus ihren Mündern zulassen. Keiner kann sie retten, ihr Anmut und ihre Lieblichkeit werden hier vor meinen Augen schwinden, dahinwelken, wie kleine schwache Blumen, die unter dem gestrengen Blick der allmächtigen Sonne zu Staub vertrocknen. Ich werde es genießen, sie schreiend und zappelnd sterben zu sehen.

Stunde um Stunde weicht. Jede Minute, die vergeht und den Mädchen ein wenig mehr an Lebenskraft raubt, gibt mir selbst immer mehr Genugtuung für mein unerfülltes Leben. Ich kann es richtig fühlen, wie ihre schwindende Energie auf mich übergeht und mich tröstet. Ich versuche jeden einzelnen Tropfen aufzusaugen, um endlich den bereits mein Leben lang andauernden Durst endgültig stillen zu können.

Immer weniger bewegen sich ihre Körper. Die Panik und die Angst sind gewichen, es herrscht Resignation. Sie haben sich aufgegeben und mir damit meine Übermacht bestätigt. Aufgesprungene Lippen, verkrustete Augen und knochige Leiber verleihen meiner Person ein neues strahlendes Aussehen. Ich bin der Herr über die Zeit, verfüge nach Gutdünken über Leben und Tod.

Als sich die Augen aller geschlossen haben, ihre Häupter zur Seite gesunken sind und sich ihre Brustkörbe nicht mehr zum Atmen heben, in diesen Augenblick, in diesem einmaligen und siegreichen Moment, bin ich Herrscher über alles und jeden. Durch meine Venen wird nur mehr reine Kraft gepumpt. Ich stehe auf hebe meine Hände triumphierenden gen Himmel, um den Götter zu trotzen.

Scheinbar eine Ewigkeit später ist der schönste Augenblick meines Lebens vorbei. Ich hebe meine rechte Hand an meinen Kopf und schieße ein Loch hindurch. Die Welt verschwimmt in Zeitlupe vor meinen Augen, mein Körper erschlafft und mein Geist macht sich auf den Weg in die Welt des Unergründlichen, hoffentlich aber des Schönen und Perfekten…

 

Das ist eben die Tuecke von so kurzen KGs wie meiner. Da ist noch einiges sehr ausbaufaehig und sollte vielleicht noch gesagt werden. Aber meistens gefaellt es mir sehr gut, wenn sich der Leser einige Dinge selbst zusammenreimen muss. Ausserdem kommen einige Stellen in de KG einfach ueberraschender daher, wenn vorher nicht zu viel erklaert wird. Aber unglaubwuerdig sollte es natuerlich nicht sein. Ich haette die KG wohl eher in Englisch schreiben sollen, denn so ein Extremfall passt wohl weniger nach Europa, als in die Vereinigten Staaten...

 

jaja, so geht es mir auch oft. Wenn nicht alle Dinge ausgesprochen werden, ist es doch viel interessanter, oder nicht? Es muss einem ja nicht gesamte Geschichte vorgekaut werden.

So what

Hobbit

 
Zuletzt bearbeitet:

Nein, solche Extremfälle passen durchaus auch nach Europa, aber wenn ich deinen Plot mal vereinfache zu "Mann bekommt nie ne Frau, deswegen Hass auf alle Frauen und bringt sie um", dann reicht mir die Tatsache, dass sie ihn alle verschmähten nicht aus.
Um sich etwas selbst zusammenzureimen, braucht man Futter. Das Augenmerk liegt bei deiner Geschichte deshalb so sehr auf der Gewaltfantasie, weil nichts dahinter liegt außer dem oberflächlichen Motiv. Auch in den USA hätte ein solcher Extremfall eine tiefere Psychologie. Sich von Frauen in der sexuellen Befriedigung derartig abhängig zu fühlen kann sicherlich pissig machen, erst recht, wenn Mann nicht zum Schuss kommt. Aber so geht es vielen Männern. Was unterscheidet deine Prot von denen, die nicht zum Serienmord greifen? Warum erlebt er diese Abhängigkeit so stark?

Hobbit schrieb:
jaja, so geht es mir auch oft. Wenn nicht alle Dinge ausgesprochen werden, ist es doch viel interessanter, oder nicht? Es muss einem ja nicht gesamte Geschichte vorgekaut werden.

So what

Hobbit

Das ist das dämlichste, weil am häufigsten missbrauchte Argument.
Es geht nicht darum, alles vorzukauen, sondern darum, dass diese Geschichte von allen außer einer Leserin, die alles lobt, als oberflächlich empfunden wird, und ich versuche, dem Autor Denkansätze zu geben, woran das liegen könnte.

Lieben Gruß, sim

 

Natuerlich muesste man (genauer gesagt: ich) das Motiv genauer herausarbeiten, um die Tat wirklich zu verstehen. Doch dieses Motiv entsteht in jahrelanger "Kleinarbeit" und bedarf sicher einer sehr ausfuehrlichen Schilderung. Und die Enstehung ist sicher nicht so spannend wie das Resultat. Deshalb hab ich mich (wahrscheinlich) mehr auf die Gewalt konzentriert (1. weil ich ja eher "minimal maximal" unterwegs bin und 2. weil erst die Tat einen wachruettelt, denn die Vorgeschichte spielt sich nur im Prot selbst ab, der der Welt nicht zeigen will, wie schlecht es ihm geht, sondern kaempft, bis er nicht mehr kann). Und wie schon gesagt, so eine Vorgeschichte waere mir wohl ein bisschen zu langatmig zum Erzaehlen. Ja, ich weiss, fauler Sack, schon klar...

LG an Hobbit und sim
Und danke sim fuer deine nicht enden wollende Serie von Tipps. Du hast zwar eine andere Sichweise als ich, stellst diese aber immer sehr verstaendlich und deutlich dar. Sehr konstruktive Kritik! :thumbsup:
eRAM

 

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