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Geschlossene Augen

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30.03.2004
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Geschlossene Augen

„Warum küsst man wohl mit geschlossenen Augen?“
Verständnislos sah ich ihr ins Gesicht und zuckte die Schultern.
„Ich weiß es nicht, aber was ...“,wollte ich nach einer ganzen Weile antworten.
„Fühlen!“, fiel sie mir ins Wort, „Fühlen statt sehen!“
„Hähh?“, ich verstand es nicht.
„Schau mal. Wenn du blind bist, dann wartest du“, erklärte sie mir mit leerem Blick, „Du wartest auf die Berührung einer Seele um zu „sehen“, was wichtig ist. Wenn du beim Küssen die Augen schließt, willst du mit dem Herzen sehen und dafür musst du blind werden, damit du fühlst.“
„Seele?“, fragte ich abfällig, „Ich glaube an den Intellekt und an alles was ich sehen kann. Ich habe noch nie eine Seele gesehen, geschweige denn, dass ich sie mir erklären kann oder einen Beweis für sie akzeptiert hätte. Also wo sitzt deine sogenannte „Seele“?“
Sie lachte hell auf, so als hätte ich etwas unglaublich Dummes gesagt. Aber es war ein warmes Lächeln, frei von Häme oder Tadel, mit dem sie mich näher wunk.
„Die Seele“, flüsterte sie und ich musste mich noch näher zu ihr beugen um sie zu verstehen. Dabei streifte mich ihr Atem im Gesicht.
„Die Seele“, flüsterte sie von Neuem und zuckte dabei blitzartig mit dem Kopf nach vorne. Ihre Lippen berührten mich und ich erstarrte zur Salzsäule. Sanft und warm breiteten sich ihre Lippen über meinem Mund aus. Ihre Zunge drängte gegen meine Lippen, verlangte Einlass um mich in einen Wirbel aus verknotetem Magen, zittrigen Händen und angenehmer Wärme in der Brust zu reißen.
Ich öffnete mich der Zunge, schloss meine Augen und wollte nur noch fühlen.
In diesem Moment löste sie sich von mir mit einem feinen Lächeln um den Lippen. Ich wollte protestieren, aber sie legte mir ihren Zeigefinger auf die Lippen.
„Die Seele,“ sagte sie sanft, „sitzt dort, wo es jetzt weh tut.“ Dabei rutschte ihre Hand von meinen Lippen und blieb über meiner linken Brust liegen. Das Herz verkrampfte sich mir, ein Speerfeuer aus roten Nadeln bohrte sich in meinen Schädel und mein Magen begehrte auf, als hätte er einen Schlag abbekommen.
Ich wandte mich ab, vergessend, dass man seine Schmerzen vor einer Blinden wohl kaum auf diese Weise verbergen kann. Ich fühlte mich so dumm und unbeholfen, so einsam und zeitgleich zerrissen von Freude.
„Hey!“, rief sie, „Komm her!“
Ich zögerte erst, kam dann aber doch in ihre offenen Arme.
Sie hielt mich im Arm und streichelte meinen Kopf. Stumm lagen wir da und genossen ganz einfach.
„Mit dir im Arm vergesse ich, dass ich nicht mehr sehen kann,“ stöhnte sie auf, als meine Hände streichelnd über ihren Rücken fuhren.
Sanft massierten ihre Fingerspitzen meine Ohrläppchen und wanderten über die Schulten zu meiner Brust.
„Anfassen ist schön“, kicherte sie, während ich meine Hände unter ihren Pullover schob.
„Hände sind Leben“, hauchte ich ihr ins Ohr, „Und Leben kann man anfassen“, dabei strichen meine Hände über ihren Bauch und meine Lippen wanderten ihren Hals entlang. Mit geschlossenen Augen, schoss es mir durch den Kopf, schmeckte sie mindestens noch mal so gut.

 

Hallo Nice,

die Heilung eines Realisten? Deine Geschichte ist schön geschrieben, liest sich sehr flüssig und ist einer der wenigern Geschichten, bei der mir die Momentaufnahme auch als Handlunc völlig genügt.
Zwei Anmerkungen habe ich trotzdem.

„Seele?“, fragte ich abfällig, „Ich glaube an den Intellekt, an alles was ich sehen und fühlen kann. Ich habe noch nie eine Seele gesehen, geschweige denn berührt oder gefühlt, außerdem kann ich sie mir nicht erklären
An dieser Stelle würde ich das Fühlen gänzlich raus lassen. Es verdeutlicht dann den Kontrast besser. Ersetze es durch beweisen, spüren oder denken.
Sie lachte hell auf, so als hätte ich etwas unglaublich dummes gesagt.
in diesem Zusammenhang ist Dummes ein Hauptwort.

Das wars aber auch schon. Schöne Geschichte.

Lieben Gruß, sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo lieber Sim freut mich das dir meine KG gefallen hat(ist ja erstaunlich, wie schnell hier geantwortet worden ist:))
Hab deine anmerkung auch gleich umgesetzt.
LG Nice

*hüstel**räusper*

 

Hallo Nice

sehr schön einfühlsam hast du deine Geschichte geschrieben. Um die Gefühle und das Empfinden zu beschreiben muss man ja nicht unbedingt blind sein, doch glaube ich, dass sich sehr viele um ihren Empfindungen keine Gedanken machen. Die Situationen als solche einfach hinnehmen.
Ich werde das nächste Mal, sollte ich mal wieder küssen darauf achten, wo meine Seele sitzt.


Morpheus

 

Na, dann pass auf das du dich nicht verletzt;)
Freut mich das dir die Geschichte gefallen hat, was den blinden Prot angeht, das hat sich irgendwie beim schreiben so ergeben und ich wollte es dann so lassen. (In der ursprünglichen Version habe ich sie noch etwas sagen lassen wie: Das wir Blinden euch Sehenden immmer die Welt erklären müssen*lachend* War mir dann aber zu Schulmeisterrisch also hab ichs rausgestrichen:D)
Nice

 

Hallo !lln;)
Danke fürs Lesen und dem Austreiben des FT:shy:
Was die WR angeht ich dacht immer das wäre "Blabla", klein weiter. Oder hab ich hier was übersehen das das hier nicht zu trifft?

Was die länge angeht, ich wollte sie nicht länger machen aus Angst langweiligen Müll zu fasseln. Kannst du mir 'nen Tipp geben wo ich noch was dazu setzen kann ohne langatmig zu werden? Wäre net:D
Nice

 

Freut mich das dir die KG gefällt und was den Bezug zum RL angeht, muss ja nicht alles unmittelbar erlebt werden, manchmal erleben wir halt übers Lesen.:D
Nice

 

Hallo,

ich lese sehr gerne „kurze“ Kurzgeschichten. In langen Texten viel Inhalt auszuschmücken ist verhältnismäßig einfach, aber in einer kurzen Geschichte eine spannende Handlung zu integrieren ist, nach meiner Meinung, Kunst. Und ich finde, dass Du eine nette Geschichte mit Spannung kurz beschrieben hast.

Gruß
Sylvia

:)

 

Hallo Nice,

kurze Geschichte, die dennoch eine schöne Atmosphäre erzeugt und deshalb berührt. Weiter so!

Chris

 

Hey, da hat noch wer archäologische Interessen,
darf ich dir meine Grubenlampe ausborgen?:D
buddeln hier also doch mehr Maulwürfe rum als gedacht...
@Sylvia Vielen herzlichen Dank fürs ausbuddeln... und es freut mich das ich ein bisschen nettte Atmosphäre vermitteln konnte... *kunst*, dass liest man natürlich gerne...
@Christoph freut mich das dir die Atmosphäre (trotz der Kürze) gefällt...
*berührt* geht runter wie Öl

Weiter so!
Du hast gut reden... sitz du mal nach fast einem Jahr "Erzählpause" vor deinen Notizen und finde gleich wieder ins Schreiben:D
Aber ich bemüh mich... langsam wieder anzufangen... auch wenn ich im Moment lieber Geschichten lese und meinen Senf dazu abgebe...
Man liest sich und
Gruß
Nice

 

Nice schrieb:
Du hast gut reden... sitz du mal nach fast einem Jahr "Erzählpause" vor deinen Notizen und finde gleich wieder ins Schreiben:D

Schau mal, wann meine letzte Geschichte veröffentlicht wurde :)

 

Hallo Nice,

„Warum küsst man wohl mit geschlossenen Augen?“
Verständnislos sah ich ihr ins Gesicht und zuckte die Schultern.
„Ich weiß es nicht, aber was ...“,wollte ich nach einer ganzen Weile antworten.
„Fühlen!“, fiel sie mir ins Wort, „Fühlen statt sehen!“
„Hähh?“, ich verstand es nicht.
Diesen Abschnitt kann ich nicht ganz nachvollziehen, wenn der Protagonist mit einer Blinden zusammen ist (als Paar, so wie es scheint). Dann ist man in der Konversation doch auf so ein Thema sensibilisiert.

„Schau mal. Wenn du blind bist, dann wartest du“, erklärte sie mir mit leerem Blick, „Du wartest auf die Berührung einer Seele um zu „sehen“, was wichtig ist.
... du wartest ...

Ich habe noch nie eine Seele gesehen, geschweige denn, dass ich sie mir erklären kann oder einen Beweiß für sie akzeptiert hätte.
Beweis


„Die Seele,“ sagte sie sanft, „sitzt dort, wo es jetzt weh tut.“ dabei rutschte ihre Hand von meinen Lippen und blieb über meiner linken Brust liegen.

Dabei


Das Herz verkrampfte sich mir, ein Speerfeuer aus roten Nadeln bohrte sich in meinen Schädel und mein Magen begehrte auf als hätte er einen Schlag abbekommen.

auf, als hätte


Hände sind Leben“, hauchte ich ihr ins Ohr, „Und Leben kann man anfassen“, dabei strichen meine Hände über ihren Bauch und meine Lippen wanderten ihren Hals entlang.
... und Leben kann ...

Die Idee zu der KG finde ich interessant, jedoch habe ich das Gefühl, dass dich genau das umgetrieben hat und du aus dieser Idee eine Geschichte geschrieben hast. Nicht so ganz klar wird mir, was du mir als Leserin damit sagen willst - der Protagonist ist mir viel zu sehr in Abwehrhaltung (obwohl er doch scheinbar mit der Protagonistin zusammen ist) um dies mit den paar Worten zu lösen, die die Prota zu ihm gesprochen hat. Ds ist für mich nicht stimmig.

Also scheint mir die Geschichte erzählt um der Idee und nicht um der Geschichte willen. Ich habe sie dennoch gerne gelesen, jedoch beim zweiten Lesen fangen diese Gedanken dazu an zu wirbeln.

Viele Grüße
bernadette

 

Hi bernadette,
danke für das ausbuddeln der Geschichte und danke für das Begrenzen der Schlechtschreibfehler.
btw. Wörtlicherede nur dann hinter den Anführungszeichen klein weiter, wenn die Rede unterbrochen wurde und kein Punkt am Ende war. Da Punkte nach meinem wissen aber vor dem Kommata wegfallen (auch bei Zwischenschüben) ist das ganze ein bisschen kniffelig du hast gerade so grenzwertige Beispiele herausgesucht, deswegen lass ich sie erst einmal unangetastet.

Ich musste mir die Geschichte erst einmal wieder durchlesen und ein bisschen drüber nachdenken bevor ich auf deine Anmerkungen eingehen konnte ...

Also, dein Hauptkritikpunkt die Unstimmigkeit der Gefühle der Protagonisten ergibt sich aus deiner Annahme die beiden Figuren würden bereits ein Paar bilden.
Nun muss ich gestehen, dass meine Absicht eigentlich nicht darin lag ein "altes" Paar zu zeigen, sondern gute Freunde, aus deren Freundschaft ein mehr wird; quasi die ersten zarten Triebe einer Liebesbeziehung entwickeln lassen. Daraus erklärt sich die Reserviertheit des Protagonisten und auch auch die fehlende Sensibilität am Anfang dieser ... dieses Wortbildes.
Woraus könnte jetzt der nicht beabsichtigte Eindruck entstanden sein, dass die Beiden schon länger ein Paar bilden?
Wohl aus dem Nachsatz die letzten Bilder der beiden, wie sie ineinander versinken. Dieses Bild scheint vlt. zu intensiv zu sein, sich zu schnell an die Eingangssituation anzuschließen, als dass dem Leser die Freiheit gelassen würde zu erkennen, dass hier kein "altes" Paar miteinander agiert.
Wobei ich immer noch hoffe, das es eigentlich aus dem, in der Geschichte präsentierten Gesamtkontext deutlich wird (warum sonst die Überraschung des Protagonisten, warum die anfängliche Abwehrhaltung, warum sonst die intensiven Gefühle?).
Was die Reduktion auf die Idee betrifft muss ich gestehen, dass ich das weder damals noch heute als direkten Kritikpunkt sondern eher als Lob auffasse. Dieses Werk, ist im tieferen Sinn der Bedeutung keine Geschichte, sondern eher eine Momentaufnahme, wie sim sie bezeichnete, welche eine Geschichte erzählt (alle Klarheiten beseitigt?;)).
Und das es mir im Großen und Ganzen gelungen ist ein stimmungsvolles Bild aus einer interessanten Idee zu scheiben ist doch ein Lob?
Ich habe die Befürchtung, dass wenn ich ein mehr an Handlung oder Gefühl liefern würde, die Geschichte und ihre Stimmung kaputt geht.

Dem Leser, Verzeihung, der Leserin, möchte ich eigentlich eine Geschichte erzählen sie unterhalten und ihr ein zugegebener Maßen kurzes aber Stimmungsvolles Bild zeigen. Diese Geschichte hat keinerlei Absicht zu belehren oder neue Ideen auf möglichst experimentelle Art zu präsentieren, sie ist viel arroganter, da ich mir wie gesagt eine Unterhaltung des Lesers wünsche und zwar keine Holzhammerunterhaltung wie in TV-Serien. Die Geschichte möchte in sanftem Ton innere Musik zum klingen bringen und leicht nachwirken ohne aufdringlich oder allzu offensichtlich zu wirken.

Ansonsten sollte noch gesagt werden dass sie wie alle Geschichten ein Ausdruck des Autors nach Zuspruch ist.:D

Nein im ernst, ich seh' schon, das sie ein wenig konstruiert anmuten kann, habe aber zur Zeit keine Idee wie ich das beheben könnte ohne die Geschichte zu verschandeln.
Außerdem bin ich was das schreiben eigener Geschichten angeht, mehr als nur ein bisschen eingerostet, wie du an meinem Profil siehst. Deswegen bin ich für weiterführende Vorschläge zur Gestaltung der Geschichte dankbar, muss aber gestehen, dass mir ohne solche (gewissermaßen als Starthilfe) eine Überarbeitung schwer fallen wird. Da ich sowohl von dem Thema der Geschichte als auch vom Schreiben selbst zu lange fort bin.

ps.: Hab' ich früher echt so viele Smileys verwendet? Ist ja grauenhaft ...

Herzlichst Bedankt für deine Anregungen und die Gedanken zu diesem kleinen Momentbild.
les' dich
Nice

 

*ausgrab*

Mir gefällt die Geschichte gut. Kurz und knapp zeichnet sie ein berührendes, aber nicht zu sentimentales Stimmungbild einer sich gerade anbahnenden Liebesbeziehung zwischen einem gesunden und einem blinden Menschen.
Da ich selber längere Zeit mit einem blinden Partner zusammen war, konnte ich die Situation und die beschriebenen Gefühle als realistisch nachempfinden.
Von mir thumb up!

Quoth

 

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