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03.09.2024
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Die meisten, die hier auftauchen, sind der letzte Dreck. Das erste Mal schämte ich mich, aber man gewöhnt sich daran. Kleingeld ist wichtig. Die nehmen auch Karten, aber wenn das Konto gesperrt ist, helfen Münzen. Man muss ein bisschen Zeit mitbringen. Weggehen ist nicht gut, gar nicht gut. Ich war nur kurz draußen, fünf Minuten vielleicht. Es hat zu schneien angefangen, nur ganz leicht, das erste Mal dieses Jahr. Als ich wiederkomme, ist alles geklaut. Die ganzen Klamotten weg. Ich fasse es nicht. Was für Drecksäcke klauen einem die letzten Sachen? Stehe da vor den Waschmaschinen, die sich drehen. Räume dann eine andere aus, ist sonst keiner da, außer dem Penner, der immer auf der Bank schläft. Liegt da, als wäre er tot, mit einer echt fiesen Stelle am Oberschenkel, wo es durchsuppt in seiner Jeans. Wenigstens hat er es warm hier drin und schnarcht nicht. Aber der sollte mal zum Arzt.
Die Sachen sind ein bisschen zu groß, aber es geht. Ein Barcelona-Trikot mit der Nummer 10 ist dabei. Das ziehe ich gleich an, ich liebe Messi. Als ich mit vollgepackter Tasche und offenem Parka rausgehe, rempelt mich ein Typ an, etwas größer als ich, geschniegelt, gehört hier nicht her. Er entschuldigt sich und zeigt auf das Messi-Trikot. „Hab´ ich auch“, sagt er und grinst. Ich sehe zu, dass ich durch die Tür komme, draußen laufe ich los. Gar nicht so einfach mit der Tasche. Ich nehme einen offenen Hauseingang und verschwinde in Richtung Keller. Ich hab´ keine Eile, hier ist es nicht so kalt wie auf der Straße, ist richtig Winter geworden, ewig wird der mich nicht suchen. In zwanzig Minuten ist die Luft rein, spätestens. Die Kellertür ist nicht verschlossen, manche Leute sind so dämlich, man fasst es nicht. Ich schalte das Licht an. Sieben, acht Kellerverschläge in dem Gang rechts, die meisten mit Zahlenschlössern davor. Links stehen jede Menge Fahrräder, dahinter ist eine Stahltür. Ich gehe an den Rädern vorbei, zwei E-Bikes sind darunter. Es gab schon Freitage, die schlechter waren. Ich stelle die Tasche vor der Tür ab und drücke die Klinke. Offen. Die Bewohner dieses Hauses sind dermaßen sorglos, dass mich brennend interessiert, was sich hinter der Stahltür verbirgt, auch wenn sie keiner abschließt. Außen Ist kein Lichtschalter, ich taste die Wand drinnen ab, finde aber keinen. Irgendwo muss einer sein. Ich versuche es auf der anderen Seite, auch nichts, die Tür fällt hinter mir zu, es ist dunkel. Als ich sie aufdrücken will, bewegt sie sich nicht. Ich taste nach einer Klinke. Da ist keine. Nur Stahl, an manchen Stellen rissig, vermutlich blättert Farbe ab. Das Smartphone hat kein Netz, immerhin funktioniert die Taschenlampe. Der Lichtkegel zeigt einen grauen Betonboden, der Raum ist leer, Steinmauern an den Seiten, fleckig, die Oberfläche zum Teil abgebröckelt, es riecht leicht modrig. Die gegenüberliegende Seite ist begrenzt durch Stahlstreben, mit einer Tür aus demselben Material. Es hallt leicht, als ich darauf zugehe und daran rüttele. Verschlossen. Ein weiterer Raum hinter der Vergitterung scheint ebenfalls leer zu sein, bis auf zwei billige Plastikstühle, die im fahlen Licht der Taschenlampe schmutzig wirken. Nicht gut. Was ist das für eine Scheiße? Selbst an die Tasche mit den ganzen Klamotten komme ich nicht ran, die steht hinter der Stahltür ohne Griff. Ich ärgere mich, dass ich sie nicht aufgehalten habe, aber wer kann ahnen, dass da kein Griff auf der anderen Seite ist. Der Freitag fing gut an, jetzt ist nicht so gut. Ich leuchte den Raum ab, komplett leer, an der Decke sind Neonröhren angebracht. Kein Schalter, der muss irgendwo anders sein. Ich versuche, mit den Fingern in den Spalt der Stahltür zu kommen, sinnlos. Ich sinke an der Wand zu Boden, die Knie angewinkelt, viel Saft hat das Handy nicht mehr. Ich schalte es aus. Stockdunkel. Jede kleinste Bewegung erzeugt ein Geräusch, das Schaben der Schuhe, das Reiben des Parkas an der Wand, sogar mein Atmen höre ich. Ich gehe aus der Hocke und setze mich auf den kalten Boden. Ruhig bleiben, Geduld haben, irgendwann wird jemand kommen.
Ich weiß nicht, wie lange ich dagesessen habe, vielleicht war ich kurz weggenickt. Ich höre Stimmen, hell und aufgeregt, Kinderstimmen, nicht weit entfernt. Ich rappel mich hoch und rufe: „Hallo!“
Die Stimmen werden lauter.
„Hallo, ich bin hier! Hilfe!“
Eine Tür wird aufgeschlossen, ein lautes Knallen folgt, als sie wieder zufällt. Das Licht geht an in meinem Stahlgefängnis, eine Neonröhre flackert surrend, die anderen scheinen defekt zu sein. Das spärliche Licht erhellt den Raum nur schwach. Die Geräusche kommen von der gegenüberliegenden Seite, wo die Tür mit den Gitterstäben ist. Der Raum dahinter bleibt im Halbdunkel, aber ich kann zwei kleine Gestalten ausmachen, die sich nähern. Kinderstimmen, sie scheinen zu streiten. Ich renne zum Gitter, halte das Handy hoch, die Taschenlampe eingeschaltet. Sie kommen zielstrebig auf mich zu, ein Junge und ein kleineres Mädchen, er vielleicht elf, zwölf Jahre, sie jünger. Beide halten etwas in ihren Händen, hoffentlich haben sie Schlüssel für die Tür.
„Ich bin so froh, euch zu sehen!“, sage ich, ihre Konturen werden deutlicher, sie tragen Umhänge mit Kapuzen hintendran, sieht aus, als kämen sie von einem Mittelalterfest. Vielleicht tragen die beiden deshalb Armbrüste. Der Junge schubst das Mädchen, es fällt hin, die Armbrust scheppert auf den Betonboden.
„Könntet ihr bitte … “, fange ich an, aber sie hören mir nicht zu. Das Mädchen hat sich wieder aufgerappelt und schlägt nach dem Jungen.
„Ich darf erst!“, schreit sie.
Sie sind jetzt so nah, dass ich ihre Gesichter erkennen müsste. Ihre Augen, Nasen, Münder. Das Licht ist spärlich, aber eigentlich, nur eine Neonröhre, zuckendes Licht, ich gehe einen Schritt zurück, dann noch einen, sie kommen näher, ihre Gesichter, das Mädchen spannt die Sehne und legt einen Pfeil ein, der Junge tut es auch, sein Gesicht, was zum Teufel, ich weiche weiter zurück, er hat kein Gesicht. Kein Gesicht. Da ist nichts, nur ein milchiger Fleck. Auch ihr Gesicht ist unkenntlich. Vielleicht haben sie Masken auf.
„Passt auf!“, sage ich, während ich weiter nach hinten gehe. „Es ist alles nicht schlimm, wirklich nicht schlimm, aber …“
Das Mädchen feuert den Bolzen ab, er zischt knapp an mir vorbei und kracht an die Stahltür hinter mir, vor der er klappernd auf den Boden fällt.
„Seid ihr verrückt geworden?“, brülle ich.
„Du kannst es nicht!“, sagt der Junge, schiebt sie beiseite und zielt seinerseits. Ich mache eine schnelle Ausweichbewegung, auch der zweite Pfeil verfehlt mich um Haaresbreite.
„Hört auf!“, schreie ich. Die beiden legen neue Pfeile ein.
„Ich treffe jetzt!“, sagt das Mädchen, der Junge lacht hämisch.
Die sind komplett wahnsinnig, das Mädchen nimmt die Armbrust hoch. Ich greife einen der Bolzen auf dem Boden, springe nach vorn und stoße damit auf die Neonröhre an der Decke. Einmal, zweimal. Es gibt ein splitterndes Geräusch, dann ist es dunkel. Schwarz. Ich bewege mich leise nach links, gehe in die Hocke.
„Das ist unfair“, höre ich das Mädchen sagen.
„Ich kann ihn riechen“, sagt der Junge.
Etwas scheppert gegen die Mauer, der Bolzen hat mich verfehlt, das Mädchen flucht.
„Jetzt pass auf!“, flüstert der Junge.
Ich lege mich flach auf den Boden, halte den Atem an und robbe weiter nach links. Langsam, leise.
„Hörst du ihn?“, fragt er sie.
„Nein“, antwortet sie.
„Ich schon“, sagt er und dann gibt es einen entsetzlichen Schmerz in meinem Oberschenkel. Ich schreie und fasse an mein Bein, ich fühle den Pfeil, aber noch mehr den Schmerz, es tut so weh, so wahnsinnig weh, ich brülle.
„Jetzt bin ich dran!“, sagt das Mädchen.
Ich umklammere mein Bein, kann mich nicht wegbewegen.
„Bitte!“, schreie ich. Ich kann nicht aufstehen, ich kann nicht.
„Du musst weiter rechts zielen!“, höre ich den Jungen sagen.
„Lass mich!“, kreischt das Mädchen.
Ich falle. Durch ein Loch. Da, wo eben noch der Boden war. Es raubt mir den Atem. Kein Halt, so rasend, immer weiter. Ich will schreien, es geht nicht, ich werde aufschlagen, ich weiß es, ich weiß das doch alles!
Als das Licht angeht, sagt jemand: „Sie müssen jetzt gehen, bitte!“
Ich versuche, den Sprechenden anzusehen.
„Wir schließen jetzt!“, sagt die Stimme.
Ich sehe Neonlichter über mir. Waschtrommeln neben mir. Einen Mann, der sich über mich beugt und mich anfasst.
„Sie sollten zum Arzt gehen!“, sagt er und zeigt auf meinen blutenden Oberschenkel.
Ich sehe zu ihm auf. Er hat kein Gesicht.
„Schneit es noch?“, frage ich flüsternd, um Zeit zu gewinnen.
„Ganz leicht“, sagt er und zerrt mich hoch.

 

Hallo @Jaylow,

Die meisten, die hier auftauchen, sind der letzte Dreck.

Ich finde, der "geheimnisvolle" Einstieg müsste nicht sein. Ja, es wird recht schnell klar, wo man sich dort befindet, aber trotzdem hat sich der gesamte erste Absatz ein wenig wie eine Spurensuche angefühlt, aha, Kleingeld, sich drehende Maschinen, jetzt versteh ich's, aber das lenkt im Grunde nur vom eigentlichen Inhalt ab, fühlt sich bloß an wie ein unnötiges Versteckspiel.
Und es wird so fast unfreiwillig komisch, wenn dann im Zuge dessen von "Maschinen, die sich drehen" gesprochen wird statt von Waschmaschinen. Würde ja keiner sagen: Maschinen, die sich drehen.

Sonst mag ich den abgehakten Sound und dass man sich direkt in der Action befindet, gleich was auf dem Spiel steht, der Ton ist gesetzt. Auch der Erzähler kriegt gleich viele Facetten: Wenn er so abschätzig über andere spricht und dann keinen Deut besser ist, selbst die Wäsche klaut.

Und dann immer so weiter, Schlag auf Schlag, alles sehr stimmig, mir gefällt, wie du das "Verlies" beschreibst. Stelle ich mir nicht einfach vor, aus so wenig doch so viel zu machen. Sprachlich bin ich dann nur zwei mal gestolpert:

Das Licht ist spärlich, aber eigentlich, nur eine Neonröhre,

Da stimmt was nicht, ein Komma zu viel

dann gibt es einen entsetzlichen Schmerz in meinem Oberschenkel.

"es gibt einen Schmerz" klingt ein bisschen hölzern, da hätte ich mir etwas bildlicheres gewünscht, dann durchfährt mich ein Schmerz oder so was in die Richtung

Inhaltlich habe ich quasi nichts zu beanstanden, außer vielleicht das Ende. Auch das ist stimmig, ich mag den Kreis, den du da zeichnest, wenn es um den "Penner" geht. Aber es ist halt eine Aufwach-Story: Etwas passiert, einer wacht auf, war wohl doch bloß ein Traum. Das sollte verboten werden, wenn man mich fragt. Aber mich fragt ja keiner :shy: Vielleicht fällt dir ja aber doch noch was anderes ein, Möglichkeiten gäbe es.

So oder so - hab ich sehr gerne gelesen, danke fürs Teilen!

Bas

 
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Hallo @Jaylow ,

Obdachlosentexte stehen hier viele, da gab es immer mal Phasen im Forum, genau wie die Ich bin endlich frei, weil ich jetzt vom Dach springe oder die Ich wache im Dunklen gefesselt auf, was ist passiert? Mord-Texte. An einigen Punkten gefällt mir dein Text besser als die meisten anderen, weil nicht sofort die Moralkeule kommt, so Art: hier der Weihnachtsmarkt / die Shopping Mall mit den blinden Konsumschafen und dort eben die immer übersehenen Randständigen. Der Text beginnt erstmal also mit einer Prota (einem? wäre aber Latte), mit handfesten Szenen und Gedanken, eben nicht als Parabel mit den üblichen Bildern.

Du fängst mit einer realistisch erscheinenden Szene an (Klamottenklau), von da aus kann man sich selbst viele prekäre, bedrohliche Situationen denken, das finde ich gut. Mit dem Anfang hab ich - s.u. - allerdings stilistisch massive Probleme. Ist der Text vor dem Einstellen editiert worden? Das sieht mir nach zu viel als nur Wald/Bäume-Problem aus.
Im Detail:

Die meisten, die hier auftauchen, sind der letzte Dreck.
Das ist als Verortung / Einordnung maximal kontraproduktiv. An dieser Stelle ist noch unklar, dass die Erzählstimme sich quasi auch dazu zählt. Dann ist es eine extrem unsympathische Wertung, die ich nicht unterbringen kann, weil ich nicht weiß, wer 'die meisten' sind - Fußballfans, Nazis, oder der Gegenblick: Flüchtlinge?, Kriminelle, Konzernchefs, Politiker, Besoffene ...? Es klingt nicht nach Sarkasmus, sondern neutraler Aussage. Dann weiß ich noch nicht, dass es ein Icherzähler ist und frage mich schon im ersten Satz, ob ich Bock hab, einem solchen auktorialen, objektiven Erzähler zu folgen, denn hier könnte es ja auch 3. P. sein.

Die meisten, die hier auftauchen, sind der letzte Dreck. Das erste Mal schämte ich mich, aber man gewöhnt sich daran.
Hier? Wo?
Aha, ich. Weswegen schämt sich das Ich? Weil sie das aus dem ersten Satz dachte? Weil sie dazu gehört? Und woran gewöhnt 'man' sich? An das Schämen oder daran, der letzte Dreck zu sein? Warum sollte sie das so sehen? Schlechte Bezüge, unklare Semantik, unklare Verortung.

Kleingeld ist wichtig. Die nehmen auch Karten, aber wenn das Konto gesperrt ist, helfen Münzen.
Die (?) Wer? Der Erzähler macht sich die Mühe, eine Einführung zu bieten, aber weigert sich Infos preiszugeben, die in eine Einführung gehören.
Die Münzen helfen beim Kontoentsperren? Don't think so. (Semantik / Bezug)
Münzen helfen ja auch nicht beim Bezahlen, sie sind das Mittel dazu, genau wie Scheine, die man auch nehmen könnte, wenn man sie besäße, sie meint hier also gar nicht Münzen, sondern Bargeld. Ich verstehe nicht, warum die Erzählstimme klingt, als begreife sie simple Zusammenhänge nicht. Jetzt bin ich bei den ersten Sätzen und denke schon dran, rauszuclicken.
Und Vorsicht: Du hast echt viele bestimmte Artikel zu Dingen, die ungenannt blieben, das nervt. Es ist eine Geschichte, damit ein Erzähler und der sollte imA dann auch erzählen.

Okay, Leser sind nicht auf den Kopf gefallen, und man kann das auch zurechtrücken und das unsinnige "helfen" durch was anderes ersetzen, womit man schnallt, dass die Prota wenig Geld hat und irgendwas Kleines (Essen -> "Die" ... Bäckereiverkäufer ..?) von ihrem vermutlich erbettelten Kleingeld zahlt. Aber hey, vielleicht - wenn du schon ein Intro schreibst - magst du das auch zum eigentlichen Zweck nutzen: den Leser reibungslos in die Geschichte leiten?

Weggehen ist nicht gut, gar nicht gut.
My name is Bond. James Bond.

Seltsam, oben sich weigern, eine Einführung zu bieten und hier dann rhetorische Stilmittel verwenden. Also offensichtlich doch an einen Zuhörer gerichtet, denn sowas sagt man sich ja nicht selbst. Das geht im ganzen Text so ungleichmässig weiter.
Wiederholungen können funzen, aber es kommt auf den Klang an. Wieso klingt die Prota so naiv-dumm? Das ist sie doch gar nicht, wenn ich den Stellen zu den geklauten Klamotten (schön gemacht mit dem Smiley-Shirt! Tolle Szene, mehr davon) ansehe.

Was für Drecksäcke klauen einem die letzten Sachen?
Was macht das 'einem' dort? Ja klar, grad ihr, aber ... Das ist ja nicht gegen sie gerichtet, sondern die Leute klauen genrell. Lieber: Wer klaut Leuten denn die letzten Sachen? (oder so).

Die ganzen Klamotten weg. Ich fasse es nicht. Was für Drecksäcke klauen einem die letzten Sachen? Stehe da vor den Maschinen, die sich drehen.
Abgesehen von dem 'einem' finde ich das aber sehr gut. Hier kommt das Dissoziative gut durch.

Das Aufgreifen der Wunde beim Mann so als Rundschluss finde ich sehr gut - also wenn man sich erst eine Erklärung denkt (eben eine reguläre Verletzung, die wegen Nichtkümmern / unsteriler Umgebung suppt) und dann etwas kommt, das absolut nicht abzusehen war.

Allerdings: Der ganze Mittelteil wirkt sehr schlecht vorbereitet (also vom Timing, der Erzählstruktur / Plazierung) und ich musste dann leider lachen, weil ich die Bedrohung eher albern als verstörend fand - was sie bei etwas besserer Einbindung hätte werden können. Da gibt es ja ne Reihe aktuellerer Filme zu, die jenseits vom Exorzisten genau das Unheimlich-Grausame in Kindern / Familien ausspielen, sei es The Innocence (NOR 2021), Pahanhautoja / Hatching, Dogtooth und irgendein deutscher Film mit zwei Jungs, die Masken aufsetzen und ihre Eltern zerlegen (oder so). Und eben deswegen reicht es imA nicht mehr, einfach gestörte Horrorkinder fiese Sachen machen zu lassen, egal aus welchen Gründen und in welchen Settings.
Ab davon: Wie verstört man damit vor dem Hintergrund realer Taten?: Der Fall Bulger oder 3 Men and a Hammer, was auch Teens/Twens waren. Das hat mich echt voll rausgekegelt und da denke ich, dass die beiden Themen / Ebenen einfach viel stärker durchdacht und aufeinander abgestimmt bzw. verzahnt werden müssten, damit dieser Plan aufgeht. Im Sinne von suspension of disbelief, aber auch schlichtweg im Sinne von Plotstruktur.

Im Hinblick auf den Hauptteil bekommt der eigentlich recht realistisch wirkende Anfang etwas Redundantes - willst du, dass man mit der Prota mitfühlt? Dass es kein gesichtsloses, anonymes Opfer ist? Dann darfst du sie im Hauptteil aber nicht als solche zeigen. Dann müsstest du die Sicht auf sie durchziehen, und nicht so ein - sorry - 0815 Szenario aufziehen. Ich kriegs auch nicht in den Kopf, wie die Kids das so Saw-generalstabsmässig durchziehen mit Entführungen und allem, selbst einen spekulativen Text und dichterischer Freiheit. (Und ja, es mag ein Traum sein, aber imA stützt die Gesamtstruktur, der Aufbau die Traumvariante nicht - ich lese es also als paranormal, aber textimmanent 'wahr'.)
Im Nachhinein erscheint mir das Intro als etwas, das sonst als Backstory irgendwo mittig reingegrätscht wird, damit man auch ja nicht den Bezug zum Prota verliert. Auch das mag ich nicht, aber da ist man immerhin schon im Flow der Geschichte.

Ich bin jetzt die letzte, die hier mit pc:ness kommt (das nervt mich massiv), aber :DObdachlose als Opfer von spekulativen Sadisten hat nun auch ein Geschmäckle, weil viele ja Opfer von Grausamkeiten und Gewalt (durch Nichtobdachlose, oft Teens/Kids) werden. Man sieht dann alles ja gar nicht mehr durch ihre Augen, die Obdachlosigkeit ist egal und damit nimmst du das, was vllt. betroffen machen sollte, dann als billigen Backdrop für irgendwas, das auch Schwangere, Sportler oder Bänker hätte treffen können.

Mir erscheint es auch, als begänne die Geschichte mit dem letzten Satz erst - nicht als open end, sondern als eine Implikation, die eigentlich mehr Plot nach sich ziehen sollte. Vllt. poetic justice (was bei der Obdachlosigkeit naheläge), vielleicht aber auch etwas, das diese Welt etwas mehr verankert, auserzählt. Ja, die Wunde im Bein des Mannes kommt wohl auch da von den Kids. So what? Ist das die Enthüllung, Erkenntnis, die ich mitnehmen soll oder hab ich ganz massiv was übersehen?
Ja, es mag ein Traum / Rausch sein, die Verletzung kommt von etwas anderem und die Figur ist eigentlich auch der Mann, den sie vorher sah wie eine zweite Person? (Letzteres glaube ich nicht, weil es dazwischen die Klau/T-Shirtszene gab, die sonst nicht passiert sein kann.) Auch unter dem Gesichtspunkt, dass nichts von dem Kellerteil tatsächlich passierte, ergibt die Mitte imA keinen Sinn.

Will man das als Parabel im Horror verarbeiten, sollte es imA zumindest eine nachvollziehbare (paranormale oder realistische) Bedrohung geben, die nicht den Fokus auf die Täter verschiebt.
Denn du endest ja nach dem persönlichen Intro mit einem massiv von der Prota entfernten Blick, ganz von außen, neutraler, empathiegestörter Erzähler - warum hat der - und das noch in der 1. Person! - seine Haltung im Laufe des Textes so geändert? Ist imA nicht nachvollziehbar. Also, ich denke die Ichperspektive ist nicht so zielführend für die Geschichte, die du ab dem Intro erzählst.

Sorry, das funzt imA null. Weder auf Plotebene, noch auf sprachlicher, da fehlt noch reichlich Editing.

Nix für Ungut, herzlichst,
Katla

 
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Hey @Jaylow,
ich glaube, wir zwei hatten noch nicht das Vergnügen, obwohl du ja schon eine Weile aktiv bist und einige Texte eingestellt hast, habe ich - glaube ich - noch keinen kommentiert, auch weil ich selbst einige Zeit nicht sehr aktiv war, aber die Challenge lockt dann doch ein paar alte und neue Hasen hervor, sehr schön.

Was ich von deinem Text verstanden habe, ist nicht viel: Einer ist im Waschsalon, offenbar mit bestimmten Klientel ("Dreck" und er schämt sich, weil er selbst dazugehört?). Ein Obdachloser mit einer Wunde im Oberschenkel schläft dort. Ihm werden die Klamotten geklaut, er klaut daraufhin selbst Klamotten, damit er etwas zum Anziehen hat. Er sucht Schutz in einem Keller, wird von zwei gesichtslosen, mit Armbrüsten bewaffneten Kindern angegriffen, zieht sich eine Wunde im Oberschenkel zu, wacht im Waschsalon auf, ein gesichtsloser Mann sagt ihm, dass er gehen müsse, weil der Waschsalon schließt und empfiehlt ihm wegen der Wunde im Oberschenkel zum Arzt zu gehen.

Jetzt komm ich mal zu meinen Fragen ja? Also, der, der am Anfang den Obdachlosen mit der Wunde im Oberschenkel sieht und der Obdachlose selbst, sind das die gleichen Personen? Wegen der Wunde im Oberschenkel ... Warum haben die Kinder und der Mann am Ende keine Gesichter? Weil der Prota im Waschsalon gar nicht aufwacht, sondern immer noch träumt? Träumt er von dem Obdachlosen, den er dort hat liegen sehen, träumt er, dass er das sei? Bedeuten die sich drehenden Maschinen vielleicht gar nicht Waschmaschinen, sondern irgendetwas anderes? Ist der Prota vielleicht gar nicht in einem Waschsalon, sondern in der Psychiatrie (wofür es absolut keine Hinweise gibt, aber der Text ergibt für mich halt irgendwie keinen Sinn, darum kann es wohl alles sein, ich nutze einfach meine eigenen Assoziationen zum entschlüsseln). Wenn ich jetzt so drüber nachdenke, wäre meine Vermutung: Der Typ ist nicht in einem Waschsalon, sondern irgendwo anders (sonst würde er es wohl einfach Waschsalon nennen und Waschmaschine) und er ist arg psychotisch und/oder träumt.
Falls ja, ist mir das ein bisschen zu wenig. Falls nein, auch, denn dann weiß ich ja noch weniger, als ich vermutet habe. In Anbetracht des realistisch erzählten Settings und des Tags Alltag (hab extra noch mal geschaut) fehlt mir hier wirklich die Orientierung, um dem Text überhaupt Sinn entnehmen zu können. Auch in Anbetracht des Themas hast du dir ja sicher was gedacht mit dem Ort, aber ich komm halt nicht drauf, was.

Viele Grüße mit vielen Fragezeichen
von Katta

 

Guten Morgen @Jaylow

Das ist eine atmosphärisch dicht erzählte Geschichte, die vieles richtig macht.

Im letzten Drittel verliert sie mich aber, weil mich dieses Kippen ins Groteske verwirrt.

„Kleingeld ist wichtig. Die nehmen auch Karten, aber wenn das Konto gesperrt ist, helfen Münzen.“

Roh und authentisch geschrieben. Mir gefallen diese kurzen, harten Sätze. Das passt perfekt zum Charakter und seiner harten Lebenswirklichkeit.

Bis zur Hälfte hältst du das sehr gut durch, diesen Ich-Erzähler, der uns mitnimmt auf die Straße und den Dreck.

Ein realistisches und gut geschriebenes Portrait vom Leben am Rande der Gesellschaft. Das hat mir gefallen.

Ich weiß nicht, wie lange ich dagesessen habe, vielleicht war ich kurz weggenickt.

Im Prinzip eröffnest du ab diesem Satz eine komplett neue Geschichte. Dieses ,,weggenickt‘‘ lässt mich natürlich zweifeln. Ist das jetzt ein Traum? Ein Übergang in eine andere Welt? Oder ist er sogar gestorben? Alles ist möglich, weil es hier so vage bleibt. Und genau hier liegt das Problem.

Natürlich musst du nicht alles haarklein erklären. Auch explizitere Schilderungen müssen nicht sein. Ich bin selbst ein großer Freund des subtilen (Wird bei meiner Challenge Geschichte auch ein großes Thema sein).

Aber gerade wenn du nur andeuten willst, muss ein bisschen Vorbereitung sein. Einfach nur wegnicken reicht nicht. Lass vorher schon irgendwas passieren, das uns zweifeln lässt.

Ich schreibe dir das alles, weil der zweite, unheimlichere Teil mich auch sehr gut abholt. Du kannst wirklich tolle Stimmung erzeugen.

Jetzt müsstest du dich eben entscheiden, wohin du willst: Soll es subtiler Horror, ein hartes Realismus Drama oder eine Mischung sein. Letzteres ist wohl am schwierigsten umzusetzen. Potential ist aber jede Menge da.

Liebe Grüße
Rainbow Runner

 

Hallo @Bas,

Ich finde, der "geheimnisvolle" Einstieg müsste nicht sein. Ja, es wird recht schnell klar, wo man sich dort befindet, aber trotzdem hat sich der gesamte erste Absatz ein wenig wie eine Spurensuche angefühlt, aha, Kleingeld, sich drehende Maschinen, jetzt versteh ich's, aber das lenkt im Grunde nur vom eigentlichen Inhalt ab, fühlt sich bloß an wie ein unnötiges Versteckspiel.
Und es wird so fast unfreiwillig komisch, wenn dann im Zuge dessen von "Maschinen, die sich drehen" gesprochen wird statt von Waschmaschinen. Würde ja keiner sagen: Maschinen, die sich drehen.
Intendiert ist der direkte Einstieg, ohne Aufbau bzw. Erklärung des Settings. Ich hatte gehofft, dass der Ort sehr schnell klar wird, geheimnisvoll war hier nicht die Absicht. Die Maschinen, die sich drehen, habe ich bereits konkretisiert, vielen Dank für deinen Hinweis!

Sonst mag ich den abgehakten Sound und dass man sich direkt in der Action befindet, gleich was auf dem Spiel steht, der Ton ist gesetzt. Auch der Erzähler kriegt gleich viele Facetten: Wenn er so abschätzig über andere spricht und dann keinen Deut besser ist, selbst die Wäsche klaut.
Du glaubst nicht, wie sehr mich das freut. Wichtig war mir tatsächlich, keine moralische Wertung vorzunehmen, er ist nichts besser, kann er in der Lage auch nicht sein, aber ich wollte keinen Zeigefinger.
Und dann immer so weiter, Schlag auf Schlag, alles sehr stimmig, mir gefällt, wie du das "Verlies" beschreibst. Stelle ich mir nicht einfach vor, aus so wenig doch so viel zu machen. Sprachlich bin ich dann nur zwei mal gestolpert:

Da stimmt was nicht, ein Komma zu viel
Der ganze Satz stimmt nicht, völlig richtig. Ich wollte hier die Hektik/Panik sprachlich als Aneinanderreihung von Gedankenfetzen, um die Schlaggeschwindigkeit des Textes zu erhöhen. Ich habe da bereits gehadert, als ich das geschrieben habe, möglicherweise ist mir das nicht gelungen, ich überdenke das die ganze Zeit. Deine Reaktion weist eher darauf hin, dass es nicht optimal ist.
"es gibt einen Schmerz" klingt ein bisschen hölzern, da hätte ich mir etwas bildlicheres gewünscht,
Guter Hinweis, etwas bildlicher ist eine gute Idee, mir fällt etwas ein, hoffe ich!
Inhaltlich habe ich quasi nichts zu beanstanden, außer vielleicht das Ende. Auch das ist stimmig, ich mag den Kreis, den du da zeichnest, wenn es um den "Penner" geht. Aber es ist halt eine Aufwach-Story: Etwas passiert, einer wacht auf, war wohl doch bloß ein Traum. Das sollte verboten werden, wenn man mich fragt. Aber mich fragt ja keiner
Ich nehme mal das Positive vorweg. Hat mich sehr gefreut! Deinen Nachsatz verstehe ich absolut! Bei der eigenen Geschichte ist man naturgemäß etwas nachsichtiger gestimmt, außerdem hatte ich die Hoffnung, dass es nicht nur eine Aufwachgeschichte ist.

Vielen Dank für deine Zeit, sind einige gute Anregungen dabei!

Schönen Gruß

Jaylow

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Katla,

durch einige deiner vorherigen "Hüstel*hüstel"-, "Toitoitoi"- und "Funzt-null"-Kommentare weiß ich, dass wir ziemlich unterschiedlich ticken; was Kritik angeht sowieso, bei Literatur kann ich es nicht beurteilen. Weiß also, dass da was auf einen zukommen kann.

Ist der Text vor dem Einstellen editiert worden?
Sowas zum Beispiel, ich bleib mal lieber bei den konkreten Sachen: Du kritisierst den ersten Satz:
Das ist als Verortung / Einordnung maximal kontraproduktiv. An dieser Stelle ist noch unklar, dass die Erzählstimme sich quasi auch dazu zählt. Dann ist es eine extrem unsympathische Wertung, die ich nicht unterbringen kann, weil ich nicht weiß, wer 'die meisten' sind - Fußballfans, Nazis, oder der Gegenblick: Flüchtlinge?, Kriminelle, Konzernchefs, Politiker, Besoffene ...? Es klingt nicht nach Sarkasmus, sondern neutraler Aussage. Dann weiß ich noch nicht, dass es ein Icherzähler ist und frage mich schon im ersten Satz, ob ich Bock hab, einem solchen auktorialen, objektiven Erzähler zu folgen, denn hier könnte es ja auch 3. P. sein.
Wenn man sich im ersten Satz schon fragt, ob man Bock hat, einem möglicherweise auktorialen Erzähler zu folgen, kann ich nur für mich sagen: Geht mir anders! Auch wenn die Kritik anders gemeint sein sollte. Ich will einen direkten Einstieg, ich will keine Erklärungen, "die" sind die anderen Gestalten aus Sicht des Ich-Erzählers, ob das Nazis, Besoffene oder sonstwas sind. Wenn das maximal kontraproduktiv ist als Einstieg, dann ist natürlich alles verloren. Ich sehe das aber nicht so.
Hier? Wo?
Aha, ich. Weswegen schämt sich das Ich? Weil sie das aus dem ersten Satz dachte? Weil sie dazu gehört? Und woran gewöhnt 'man' sich? An das Schämen oder daran, der letzte Dreck zu sein? Warum sollte sie das so sehen? Schlechte Bezüge, unklare Semantik, unklare Verortung.
Geht in dieselbe Richtung. Ich will das nicht im zweiten Satz erklärt haben!
Und Vorsicht: Du hast echt viele bestimmte Artikel zu Dingen, die ungenannt blieben, das nervt
Werde ich überprüfen, danke für den Hinweis!
Was macht das 'einem' dort? Ja klar, grad ihr, aber ... Das ist ja nicht gegen sie gerichtet, sondern die Leute klauen genrell. Lieber: Wer klaut Leuten denn die letzten Sachen? (oder so).
Könnte besser klingen, ja.

Abgesehen von dem 'einem' finde ich das aber sehr gut. Hier kommt das Dissoziative gut durch. Das Aufgreifen der Wunde beim Mann so als Rundschluss finde ich sehr gut - also wenn man sich erst eine Erklärung denkt (eben eine reguläre Verletzung, die wegen Nichtkümmern / unsteriler Umgebung suppt) und dann etwas kommt, das absolut nicht abzusehen war.
Hier bin ich fast ohnmächtig geworden. Aber nur kurz:
Allerdings: Der ganze Mittelteil wirkt sehr schlecht vorbereitet (also vom Timing, der Erzählstruktur / Plazierung) und ich musste dann leider lachen, weil ich die Bedrohung eher albern als verstörend fand - was sie bei etwas besserer Einbindung hätte werden können.
Ich vermute, dass du mit der Horror- bzw Mystery-Szene vertrauter bist als ich. Nicht mein Metier! Aus dieser Sicht ist die Bedrohung möglicherweise läppisch. Wenn man darüber lachen muss, würde ich die Geschichte tatsächlich einstampfen. Bisher bleibe ich bei meiner Sichtweise, ich finde die Nummer relativ stringent eingebaut und vom erzählerischen Flow an der richtigen Stelle.
Ich bin jetzt die letzte, die hier mit pc:ness kommt (das nervt mich massiv), aber :DObdachlose als Opfer von spekulativen Sadisten hat nun auch ein Geschmäckle, weil viele ja Opfer von Grausamkeiten und Gewalt (durch Nichtobdachlose, oft Teens/Kids) werden. Man sieht dann alles ja gar nicht mehr durch ihre Augen, die Obdachlosigkeit ist egal und damit nimmst du das, was vllt. betroffen machen sollte, dann als billigen Backdrop für irgendwas, das auch Schwangere, Sportler oder Bänker hätte treffen können.
Mit diesem Abschnitt konnte ich nichts anfangen; mag an mir liegen.

Sorry, das funzt imA null. Weder auf Plotebene, noch auf sprachlicher, da fehlt noch reichlich Editing.
Danke fürs Beschäftigen und Kommentieren!

Gruß

Jaylow

 

Moin,

ich denke, das ist im Grunde eine Art Horrortext. Sehr urban, man könnte die Szene im Keller noch auswalzen, sie wirklich essentiell werden lassen, ein Kampf, Flucht etc. Ich empfinde das Ende dann irgendwie enttäuschend, weil es einen hängen lässt, war es nur ein Traum?, oder vielleicht doch die Realität? Das ist insofern unbefriedigend, weil da halt Potential ist, wie ich finde, aber eben vielleicht nicht so, wie du dir das vorstellst, ich weiß es ja nicht?

Du könntest an einigen Stellschrauben drehen: der Sound könnte meiner Meinung nach noch assoziativer werden, mehr stream of consciousness, es wirkt sehr erklärend, sehr detailliert, es ist noch zu sehr Erzählung; es könnte ausgefranster, wahnsinniger werden. Er reflektiert während er rennt, er erklärt sein Handeln, das könnte man anders auflösen, das ist ja eines der großen Schwierigkeiten beim Ich-Erzähler, vor allem im Präsens, man muss diese Erzählperspektive kaufen, die muss man wollen, denn wem erzählt er das eigentlich? Eigentlich ist das ja unmöglich, und der Leser weiß das im Grunde auch. Man kann, wie ich finde, aber den Raum eng machen, damit der Leser gar nicht erst auf diese Fragen kommt: Wem erzählt er das hier gerade und warum? Oft ist es so, dass wenn der Erzähler einmal etabliert ist, wenn etwas was er sagt oder tut Glaubwürdigkeit simuliert, ich glaube was der da gerade sagt, dann hat man schon viel gewonnen.

Vielleicht auch mal grundsätzlich die Perspektive überdenken. Dritte Person, sehr neutral erzählt, da würde vieles anders gewichtet werden. Mal mit einem Absatz probieren, es schadet sicher nichts. Mich erinnert der Text von der Anlage her an Menschenjagd von Osborne, glaub ich, oder an einen Film mit Ice T aus den frühren 90ern, wo er von reichen Typen durch den Wald gejagt wird. Das ist ja ein eigener Topos, diese Geschichten. Jack Ketchum fällt mir noch ein. Für mich wirkt das noch eher wie ein Fragment, es passiert sehr viel sehr schnell, und man könnte das ausdehnen, sich Zeit nehmen, um den Charakter einzuführen. Muss es ein Obdachloser sein? Könnte auch einfach ein Dieb sein, der in Keller einbricht.

Sind auch einige logische Fragen: Wenn er öfters bei diesem Waschdings ist, warum ist ihm dieser Hauseingang jetzt erst aufgefallen? Man könnte es auch so spielen, dass andere ihn vor genau diesem Haus warnen, es ist schon eine Legende fast, aber er tut das ab und landet dann doch dort ... vielleicht passiert dann etwas Unerwartetes, eben nichts Brachiales, Böses, weil man das eben erwartet, man hat die entsprechenden Filme und Bücher im Kopf. Nachher sitzt er bei einer alten Oma am Tisch und die kocht im Tee, eben gegen den Strich gebürstet. Naja, sind jetzt so Überlegungen, du weißt, was ich meine, ist ja dein Text.


Gruss, Jimmy

 

Hallo @Katta,

Was ich von deinem Text verstanden habe, ist nicht viel
Du gibst einen groben Abriss der Geschehnisse, der soweit zutrifft.
Jetzt komm ich mal zu meinen Fragen
Das sind ziemlich viele. Ich wollte absichtlich einige Möglichkeiten anbieten, die offen bleiben, aber vielleicht möglich sind, darüber hinaus doch eine Aussage haben. Klingt wie eine billige Ausrede, deine Reaktion scheint darauf hinzudeuten, dass der Text meine Intention nicht hergibt.
Wenn ich jetzt so drüber nachdenke, wäre meine Vermutung: Der Typ ist nicht in einem Waschsalon, sondern irgendwo anders
Nein, nein, der ist da schon, das ist der Raum, die drehenden Maschinen habe ich bereits konkretisiert.
In Anbetracht des realistisch erzählten Settings und des Tags Alltag (hab extra noch mal geschaut) fehlt mir hier wirklich die Orientierung, um dem Text überhaupt Sinn entnehmen zu können.
Das ist für mich frustrierend, aber auch Aufforderung. Sinn sollte er schon haben.

Herzlichen Dank für Deine Einschätzung!

Jaylow

 

Hallo @Rainbow Runner,

Das ist eine atmosphärisch dicht erzählte Geschichte, die vieles richtig macht.
Ich darf mal was Positives zitieren, das Aber kommentiere ich noch!
Roh und authentisch geschrieben. Mir gefallen diese kurzen, harten Sätze. Das passt perfekt zum Charakter und seiner harten Lebenswirklichkeit.
Wenn ich schon mal dabei bin ... Ja, die Idee für den Protagonisten ist, dass hier Empathie ein Fremdwort ist. Das gilt für die Außenwelt, aber auch für ihn selbst. Es gibt diesen Wert nicht.
Ein realistisches und gut geschriebenes Portrait vom Leben am Rande der Gesellschaft. Das hat mir gefallen.
Jetzt kommt das Aber:
Im Prinzip eröffnest du ab diesem Satz eine komplett neue Geschichte. Dieses ,,weggenickt‘‘ lässt mich natürlich zweifeln. Ist das jetzt ein Traum? Ein Übergang in eine andere Welt? Oder ist er sogar gestorben? Alles ist möglich, weil es hier so vage bleibt. Und genau hier liegt das Problem.
Ja, ganz genau! Und vielleicht hast du ja recht mit dem Problem.
Ich schreibe dir das alles, weil der zweite, unheimlichere Teil mich auch sehr gut abholt. Du kannst wirklich tolle Stimmung erzeugen.
Das beruhigt mich etwas, eine andere Kritikerin musste an dieser Stelle lachen. Das würde mich killen, wenn man das so empfinden würde.
Jetzt müsstest du dich eben entscheiden, wohin du willst: Soll es subtiler Horror, ein hartes Realismus Drama oder eine Mischung sein. Letzteres ist wohl am schwierigsten umzusetzen. Potential ist aber jede Menge da.
Vielleicht. Ja. Das Realismus-Drama, das du ansprichst, nimmt mich am meisten mit. Aber ich überlege noch!

Herzlichen Dank für deine Kritik, hat mich sehr gefreut!

Jaylow

 

Hallo @Jaylow ich habe die anderen Kommentare noch nicht gelesen und lasse dir erst mal meinen Eindruck hier.

Ich steige direkt mal ein:

Die meisten, die hier auftauchen, sind der letzte Dreck. Das erste Mal schämte ich mich, aber man gewöhnt sich daran. Kleingeld ist wichtig. Die nehmen auch Karten, aber wenn das Konto gesperrt ist, helfen Münzen. Man muss ein bisschen Zeit mitbringen.
Ich denke, dass es dem Anfang guttun würde, da noch mal drüberzugehen. So liest es sich im Moment fast schon ein bisschen so in Richtung Gedankenstrom (natürlich nicht komplett durchgezogen). Das kann gewollt sein (und du bleibst später ja auch dabei), aber hat mich zumindest ein wenig stolpern lassen. Ich habe die einzelnen Fragmente nicht zusammenbekommen, finde es zu abgehackt. Vielleicht könntest du es ein wenig stimmiger verbinden?

Weggehen ist nicht gut, gar nicht gut. Ich war nur kurz draußen, fünf Minuten vielleicht. Es hat zu schneien angefangen, nur ganz leicht, das erste Mal dieses Jahr. Als ich wiederkomme, ist alles geklaut.
Hier reihst du sehr ähnliche (von der Satzmelodie her) Konstruktionen aneinander. Lies es dir mal laut vor. Ich würde zumindest einen der Sätze entweder ausbauen oder vom Rhythmus her anpassen.

Ich hab´ keine Eile, hier ist es nicht so kalt wie auf der Straße, ist richtig Winter geworden, ewig wird der mich nicht suchen.
Hier fand ich den Satz ein wenig überfrachtet. Du vermischst die Kälte, den Winter, das Gesuchtwerden. Mach da doch vielleicht zwei Sätze draus? Außerdem: Wer soll ihn denn suchen? Derjenige, mit dem er vorher zusammenstößt? Warum sollte der das tun? Das kommt ja nicht so richtig raus, finde ich.

Links stehen jede Menge Fahrräder, dahinter ist eine Stahltür. Ich gehe an den Rädern vorbei, zwei E-Bikes sind darunter. Es gab schon Freitage, die schlechter waren. Ich stelle die Tasche vor der Tür ab und drücke die Klinke.
Manchmal kommt es mir so vor, als passten einzelne Sätze nicht in den Fluss. Bzw. sind es ja Gedanken deines Protagonisten - für mich als Leser damit aber nicht so recht nachvollziehbar. Wo kommt zB. das jetzt her?

Der Freitag fing gut an, jetzt ist nicht so gut.
Der Satz ist ein wenig holprig.

das Mädchen spannt die Sehne und legt einen Pfeil ein, der Junge tut es auch, sein Gesicht, was zum Teufel, ich weiche weiter zurück, er hat kein Gesicht.
Du packst da wieder viel in diesen einen Satz. Eben gedankenstrommäßig. Das wird wohl eine bewusste Entscheidung von dir sein. Grundsätzlich habe ich mir dazu aber Folgendes überlegt: Da der Text erzählt wird von deinem Protagnoisten wird er es wohl überleben (meine Annahme). Daher ist für mich aber dieser direkte, gedankenstromartige Modus nicht so richtig nachvollziehbar. Wenn ich als Leser eh weiß, dass er es wohl schaffen wird, fände ich eine andere Art des Erzählens reizvoller. Aber vielleicht ist das Geschmackssache.

„Passt auf!“, sage ich, während ich weiter nach hinten gehe. „Es ist alles nicht schlimm, wirklich nicht schlimm, aber …“
Was ist hiermit gemeint? Was soll denn nicht so schlimm sein und zu wem sagt dein Protagonist das?

„Ich schon“, sagt er und dann gibt es einen entsetzlichen Schmerz in meinem Oberschenkel.
Gibt es einen Schmerz - klingt für mich irgendwie falsch ...

Das Ende: Das ging mir zu schnell. Und ganz verstanden, habe ich es auch nicht. War das alles nur ein Traum? Ich kann es mir ansonsten auch räumlich nicht so ganz vorstellen. Wo kommt das Loch her? Wo fällt er hinein? Oder wacht er eben auf?

Insgesamt: Meine Anmerkungen waren jetzt alle relativ kritisch. Ich denke aber, dass du dem Text auch noch einen guten Turn geben könntest. Ich würde dafür plädieren, dieses Gedankenstromartige (ist kein richtiger Gedankenstrom - i know aber ich meine damit diesen abgehackten, gehetzt wirkenden Stil) zu überdenken. Das macht aber natürlich nur dann Sinn, wenn du auch über ein alternatives (nicht dieses traumartige) Ende nachdenkst. Vorschlag: Vielleicht schafft es dein Protagonist nach Hause, erzählt die ganze Geschichte irgendwem, dann klingelt es, eines der Kinder steht vor der Tür. Irgendwie so. Zum Ort: Vielleicht würde es außerdem guttun, den Ort noch ein wenig in den Vordergrund zu stellen? Also noch ein paar mehr Details usw.?
Sind aber auch alles nur meine Gedanken. Nimm von meinen Anmerkungen mit, was du möchtest.

Beste Grüße
Habentus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Jaylow,

dein Text ließ sich insgesamt gut herunterlesen und hat auch ein Thema, das mich bei der Stange gehalten hat. Dennoch hatte ich einige Probleme mit ihm. Ich habe ein wenig durch die Kommentare gelesen und dort wurde schon alles angemerkt, was mir auch so aufgefallen ist.

Traumstruktur

Surreale Szenen, die sich als Traum entpuppen, nerven immer mehr oder weniger stark, weil damit das Erzählte im Nachgang mit einem Handstreich entwertet wird. Das eigene Fazit ist dann immer irgendwie: Ja, schade, wäre interessant gewesen ...

Die Verknüpfung mit dem Oberschenkel wäre spannender, ohne das Aussprechen, dass es ein Traum ist. Lesern, denen diese Parallele auffällt – ich hätte wahrscheinlich nicht dazu gehört, aber gut – könnten sich selbst denken, dass er vielleicht eingeschlafen ist. Aber das wäre gar nicht so naheliegend als Interpretation, denn zumindest meiner Erfahrung nach tritt man im Traum nicht aus sich heraus und beobachtet sich von außen. Diesen Kunstgriff verbinde ich mehr mit dem Sterben oder einer mit Depersonalisierung während Panikattacken.

Bleibt man mal bei Variante Tod, hieße das, dass dein Protagonist am Anfang seinen Körper verlässt, um in einer neuen Realität weiterzuleben. Diese neue Realität gleicht vermeintlich der alten, nur dass sie plötzlich grundlos ultrabrutal ist. Das wäre eine spannende Sache.

Sprache

Der Erzähler bzw. Protagonist erzählt irgendwie unrund. Einerseits versucht er sich daran, die Drastik der Situation rüberzubringen, andererseits wirkt er beflissen berichtend. Es würde helfen, ihn weniger aussprechen und erklären zu lassen, sodass der Leser einfach dabei ist. Dafür müsstest du genau das Gegenteil dessen tun, was du momentan tust, und manche Dinge mit ein, zwei Worten klar umreißen. Also nicht umschreiben, was ein Waschsalon ist, sondern dich auf Details im Waschsalon konzentrieren, die die Handlung vorantreiben oder Symbolik enthalten.

Die Schilderung der Kellerräumlichkeiten habe ich zudem als zu detailliert und umständlich empfunden. Ein rechtes Bild der Begebenheiten konnte ich mir dennoch nicht machen. Vielleicht hier enger an bekannten Verhältnissen bleiben? – Ist natürlich eine Gratwanderung, weil Träume ja immer diese bekannten Verhältnisse verfälschen. Aber das sind dann auch immer genau die Traumpassagen, über die man morgens so was sagt wie: "Keine Ahnung, wie ich das beschreiben soll, es war irgendwie ..." Ist halt grundsätzlich nicht gerade eine dankbare Ausgangssituation für eine Short Story mit Punktlandung.

Plot

Auch hier: Ja, in Träumen passieren Dinge unmotiviert, grundlos (angeblich ja, weil alles – mittlerweile bezweifle ich das – für das Unterbewusste und irgendwelche unverarbeiteten Erlebnisse stehen soll). Wenn man Geschichten erzählt, bringt man aber Ordnung in ein Chaos. Man ordnet das Leben so, dass es sich erzählen lässt, weil man sich sonst in der Komplexität der Welt verlieren würde und die Leser gar nichts mehr kapieren.

Wir haben damit schon den nächsten Grundsatzkonflikt: Du willst hier die normale Ordnung hinter dir lassen, musst aber gleichzeitig weiterhin überhaupt erst eine Ordnung schaffen. Kein Wunder, tut sich der Text schwer – das kann ja kaum gelingen.

Im Ergebnis enttäuscht mich der Plot: Die Ordnung findet sich auf der Achse "Beraubt-werden-selbst-stehlen-Flucht-verstecken", das Chaos bricht dann völlig unmotiviert von außen ein und hat eigentlich keinen richtigen Bezug zur Ordnungsachse. Auch das ist in echten Träumen meiner Meinung nach tendenziell anders: Dort ist es ja meistens so, dass sich der Horror aus den eigenen Handlungen ableitet und nicht einfach von außen kommt. Zum Beispiel muss man schnell irgendwo hin, aber kommt nicht vom Fleck. Oder man will etwas tippen, aber vertippt sich immer. Soll heißen: Die eigenen Wünsche und Motivationen durchzusetzen wird durch groteske Veränderungen der Traumwelt zur Unmöglichkeit.

In deinem Text würde das vielleicht so etwas bedeuten, wie einen endloser Gang einzusetzen, oder eine Klinke, die der Protagonist von der Tür abzieht, wenn er sie drücken will. Und obwohl er den Sechskantbolzen und den Schlitz in der Fassung sieht, bekommt er die Klinke nicht mehr hinein. Er fährt an der Fassung entlang, positioniert alles immmer wieder korrekt, aber die Klinke geht nicht mehr hinein. – Das wäre für mich ein wirklich traumartiges Element.

Nach einmaligem Lesen kann ich auch keine tiefergehende Psychologe in der Story entdecken außer der Wunde, die ihm im Traum stellvertretend noch einmal zugefügt wird. Aber was symbolisiert das? Ein nicht aufgelöstes Schuldgefühl, also eine Schuld, die von den Kindern getilgt wird? – Ergibt für mich wenig Sinn, wenn ein Mittelloser, der selbst beraubt wird, nur seine Existenz sichern will.

Der Text liefert durch die knappe Rahmenhandlung hier einfach keinerlei Anhaltspunkt, die Innen und Außen psychologisch verschränken; der Traum bzw. die Passage steht irgendwie für nichts, ist ein wenig ein leerer Effekt (es sei denn, mir ist etwas völlig entgangen).

+++++

Soweit mal. Du siehst, der Text funktioniert für mich (noch) nicht so gut. Welches Potenzial er hat, wäre die Frage. Ich glaube, so etwas gut zu schreiben, ist sehr schwer, weil es wie gesagt grundsätzliche Konflikte zwischen Chaos und Ordnung gibt – und zwischen konkreten Schilderungen und Bedeutungsoffenheit.

Freundliche Grüsse

Henry

 

Hallo @Jaylow

Die Vorgabe des Challenge-Themas ist vorbildlich erfüllt und ich mochte auch diesen schnörkellosen Stil, wobei ich immer Schwierigkeiten habe mit diesem Stil im erzählenden Ich-Präsens. (Komischerweise hatte ich auch schon nach dem ersten Satz, anders als @Katla, einen Ich-Erzähler auf dem Schirm. Wie heißt der Fachausdruck für diese Perspektive nochmal?) Das ist für mich so, als würde jemand, während er dies und das erlebt, ständig vor sich hin plappern, aber das bin nur ich. Auf jeden Fall ist man als Leser dicht dran, ein Vorteil. Im ersten Teil verstehst du Spannung zu erzeugen und die Episode mit dem „echten“ Messi ist ein gutes Beispiel für Situationskomik.

Auch das Abdriften in eine originelle surreale Welt gefällt mir gut. Allerdings hast du den Protagonisten in eine ausweglose Situation gebracht und für den Autor ist es immer schwierig, ihn ohne Hintertürchen da wieder rauszubringen. Dementsprechend ist der Schluss dann leider für mich nicht befriedigend. Immerhin gibt es noch den Bezug zu der Wunde am Oberschenkel zum Anfang der Geschichte. Das allein reicht aber für mich nicht. So steht der zweite Teil wenig verknüpft dem ersten gegenüber und es fehlen Brücken, über die ich gehen, oder Linien, die ich gedanklich ziehen kann.

Das erste Mal schämte ich mich, aber man gewöhnt sich daran.
Warum sollte man sich schämen, einen Waschsalon aufzusuchen?
Er entschuldigt sich und zeigt auf das Messi-Trikot. „Hab´ ich auch“, sagt er und grinst.
Schöne Situationskomik. Das lockert auf

Grüße
Sturek

 

Hi @Jaylow,

jetzt habe, wenn ich das richtig sehe, bisher auch alle anderen schon an deinem Einstieg herumgnörgelt, da ist es ein bisschen fad, wenn ich das auch tue. Aber es ist halt der Eintieg, daran kommt man weniger vorbei als an anderen Passagen. Kurz gefasst:
Das:

Die meisten, die hier auftauchen, sind der letzte Dreck.
- gefällt auch mir nicht, weil es zu indirekt ist. Er meint sich selbst mit, spricht aber von "den meisten". Kann man sicherlich machen, aber eher dann, wenn das auch wirklich zum Thema wird: Ausweichen vor Schamgefühlen. Du kommst aber überhaupt nicht darauf zurück, und das würde in diesen Text auch gar nicht passen. Mein Plydoyer also: Weg damit.
Besser als Einstieg fände ich jeden dieser Sätze:

Ich war nur kurz draußen, fünf Minuten vielleicht.
oder auch noch direkter:
Als ich wiederkomme, ist alles geklaut.
oder auch mit etwas Einstimmung:
Es hat zu schneien angefangen, nur ganz leicht, das erste Mal dieses Jahr.
(- in dem Fall natürlich mit minimaler Anpassung des Folgesatzes: Als ich zurück in den Waschsalon komme ...)

Sonst gibt es von der Konzeption her nicht viel, was ich im Einzelnen kritisieren würde. Sprachlich fügt sich das alles gut, Spannungsaufbau funktioniert auch.
Dass der Typ in dem Kellerraum so ruhig bleibt, gefällt mir an sich auch ganz gut. Ist zwar etwas unrealistisch, aber vielleicht interessanter als die eigentlich zu erwartende Panik - und es passt auch gar nicht so übel im übertragenen Sinn für das Bild von jemandem, der sich irgendwo vom Leben ausgeschlossen fühlt.

Allerdings frage ich mich: Was willst du mit diesen gesichtslosen Kindern, außer dass du halt eine ulterhaltsame Szene entwirfst? Vielleicht nichts weiter, und das wäre völlig in Ordnung, man darf ja einfach zur Unterhaltung schreiben. Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass du da Potential verschenkst. Bloß weiß ich gar nicht so genau, warum. Es wirkt unheimlich, man gruselt sich ein bisschen (jedenfalls Leute wie ich, die Horrorgeschichten allenfalls hier gelegentlich im Forum lesen), dagegen ist nichts zu sagen. Vielleicht ist es doch die soziale Lage: Der Typ ist irgendwie am Ende, und das kommt in der Kellerszene eben gar nicht raus. Das könnte irgendjemand sein. Der ganze Waschsalon könnte dafür eigetlich weg, es könnte auch ein Märchenprinz sein, der aus Neugierde - was er sonst nie macht - ein einziges Mal dieser offenen Tür folgt, und bamm, hängt er drin.

Ja schon, es gibt diese Anbindung nach dem Aufwachen. Dazu erst mal: Das fidne ich auch wieder gut, wie es sich hier rundet, wie er mit einem Mal der ist, den er vorhin von außen gesehen hat. Ein Stück weit kann ich das dann schon so sehen: Der Traum als innere Episode, die er erlebt, eben weil er am Ende ist oder es mit ihm zu Ende geht. In jedem Fall akzeptieren kann ich dieses Aufwachen deswegen auch in dem Sinn, dass ich das Ganze nicht als eine Ätsch-alles-nur-geträumt-Geschichte lese. Und trotzdem ist es mir zu lose. Die gesichtslosen Kinder und was er mit den beiden erlebt, kann ich inhaltlich kaum mit seiner Situation verbinden. Sollte es eine Art Nahtod-Erlebnis sein, wäre es mir dafür (1) zu sehr ausgewalzt und (2) immer noch zu abgekoppelt von seiner persönlichen Lage. Ich sehe nur den Pfeil im Oberschenkel in der suppenden Wunde wiederkehren (und das weiß ich übrigens schon auch zu schätzen, diesen konkreten Bezug finde ich wichtig).

Ich könnte da jetzt noch eine Weile drum herum kreisen, es läuft eigentlich auf eines hinaus: Ich sehe unterm Strich zwei Geschichten, die nicht richtig zusammenkommen.

Den Gedanken, das Nahtod-Erlebnis, das du zumidnest nahelegst, im Keller stattfinden zu lassen und zwar so, dass es am Ende kein Licht gibt, finde ich übrigens gut. Wollte ich etwas kontextlos wenigstens noch anfügen, oben hat's irgendwie nicht reingepasst :)

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hallo @jimmysalaryman,

mittlerweile bin ich selber unzufrieden mit Einstieg, der Ich-Perspektive (zumindest wie dargestellt) und dem Schluss. Drei Punkte, ganz schön viel. Beim Ich-Erzähler möchte ich bleiben, muss aber umstellen. Ich habe nach deinem Vorschlag mal einen Teil mit einem neutralen Erzähler probiert, aber das wird eine völlig andere Geschichte.

Ich empfinde das Ende dann irgendwie enttäuschend, weil es einen hängen lässt, war es nur ein Traum?, oder vielleicht doch die Realität? Das ist insofern unbefriedigend, weil da halt Potential ist, wie ich finde, aber eben vielleicht nicht so, wie du dir das vorstellst,
Der Schluss hängt vielleicht etwas, ja, denke über einen Switch nach.
Er reflektiert während er rennt, er erklärt sein Handeln, das könnte man anders auflösen, das ist ja eines der großen Schwierigkeiten beim Ich-Erzähler, vor allem im Präsens, man muss diese Erzählperspektive kaufen, die muss man wollen, denn wem erzählt er das eigentlich?
Muss mal sehen, ob es Sinn macht, das Reflektierende, wie du es nennst, runterzubrechen. Das so ein Mensch quasi sich selbst Sachen erzählt, scheint mir nicht völlig aus der Luft gegriffen, aber es muss dann sauber sein. Evtl. switche ich da zu sehr hin und her. Du hast sicher recht: Die Perspektive muss man kaufen.
Muss es ein Obdachloser sein? Könnte auch einfach ein Dieb sein, der in Keller einbricht.
In diesem Fall habe ich tatsächlich einen im Kopf, der schon aus dem Raster gefallen ist, aus der Gesellschaft gekippt ist. Ein Dieb ist sicher auch möglich, aber dem würde etwas fehlen, und ich sehe die Problematik nicht, dass ich auf dem Rücken von Obdachlosigkeit irgendetwas erzähle.

Sind auch einige logische Fragen: Wenn er öfters bei diesem Waschdings ist, warum ist ihm dieser Hauseingang jetzt erst aufgefallen?
Könnte man vlt anders beschreiben, aber mir geht es häufig so, dass auch wenn ich an bestimmten Orten häufiger bin, ich nicht sagen könnte, was zwei Häuser weiter los ist.

Hast du mal real-life-issues erwähnt? Die treiben mich jetzt, herzlichen Dank für die Kritik und auch deine Ideen, hat mich sehr gefreut!

Jaylow

 

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