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Gib dir das ma
Hey hab auf Snap gesehen dass du am Samstag auch im Gibson warst ?16:01
War mit meinen Mädels unterwegs ?Biste am Freitag auch wieder da lol 16:04
Yo schon hättest du Bock vorher was essen zu gehen 16:04
Wär schon nice so 16:10
Ja geilo freu mich ?16:10
Ich mich auch ?16:21
Elias säubert die Fugen, die schwarzen Stellen, die sonst ausgespart werden, poliert das Murano-Glas, die Swarowskifiguren, putzt den Boden, die Fenster, benutzt Zitrusreiniger, bis die Wohnung behaglichsauber duftet, die Sonne ihr Licht verbreiten kann. Als er den Türrahmen abreibt, spürt er auf der waagrechten Oberkante die Mesusa. Leah bestand darauf, die Kapsel mit dem Spruch anzubringen. Höre Israel, der Ewige ist unser Gott, der Ewige ist einzig. Nach der Gebetsformel verspeiste der Rabbi alle verfügbaren Teigtaschen, achtete darauf, dass keine Krümel übrigblieben, trank Wein und erwartete eine großzügige Spende.
„Weißt du was?“, ruft Leah. Ihre Stimme singt, vibriert.
„Mm?“
„Das Datum ist besonders. Am Sonntag ist der 7.8.“
„Na und?“
„Die Sieben steht in der Kabbala für Glück und die Acht für einen gelungenen Neuanfang.“
„Okay, verstehe. Was soll das für ein Anfang sein, wenn ein Ismail vorbeikommt, um mir meine Tochter wegzunehmen.“
„Komm schon, er ist bestimmt ein guter Junge. Du bist eifersüchtig.“
„Ach was, ich will das Beste für meine Tochter, sonst nichts. Außerdem ist er Moslem.“
„Na und?“
„Ich werde die Talmudausgabe auf die Kommode legen.“
„Warum?“
„Einfach so.“
Leah singt Radiosongs mit, Coldplay, Shakira, füllt die Backform mit der Brotmischung, stellt sie in den Ofen. Teiggeruch breitet sich in der Wohnung aus. Sie fädelt das Chamsa-Amulett ein, betrachtet die Kette im Spiegel, um zu sehen, wie es an ihrem Hals aussieht. Das Gold wärmt ihre Haut. Dann öffnet sie das Fenster, bemerkt die Wolken am Sommerhimmel, erinnert sich an Krasnojarsk, an die Gewitter, die von den Bergen herüberjagten, wüteten, sich über der Stadt austobten, bis sie genug hatten, abzogen, um sich in der Steppe zu verlieren. Die Mutter legte ihr den Talit um die Schulter, las Gebetsformeln Der Vater erklärte, dass es am besten sei, nach Deutschland zu gehen, dort sei es sicher für Juden, wegen der Geschichte, weil das Grauen nicht wiederholt werden könnte. Die Bat-Mizwa fand noch in Sibirien statt, in einer Synagoge inmitten des Plattenbauviertels. Die Gesänge stiegen dennoch zum Himmel, warfen Licht zur Gemeinde zurück. Leah kannte den Rabbi. Er hieß Samuel und war ein Freund ihres Vaters. Sein Bart kitzelte ihre Wangen, wenn er sich zu ihr beugte. Kurz danach packten sie ihre Sachen und zogen nach Deutschland.
Am Himmel fliegen Krähen. Leah nimmt ein Stück Papier, notiert die Zutaten für das Tscholent, Fleisch, Bohnen, Kartoffeln und Datteln, die dem Gericht süße Melancholie verleihen. Weil es ein Festmahl wird, fährt sie zur Markthalle, um die Zutaten zu besorgen. Später verschließt sie den Topf mit angedicktem Mehl, lässt das Ganze den Sabbat lang köcheln, damit es Seele erhält.
Und wann treffen wir uns wo 15:10
Lass ma um halb 7 am bhf treffen 15:11
Okii ?❤ 15:11
Hey denkst du noch dran für meine Mum Blumen mit zu bringen ?❤ 15:44
Ja klar 15:46
Nix besonderes nur irgendwas buntes vielleicht ?15:46
Jetzt ma ne blöde Frage: das essen ist schon halal oder? 16:55
?16:56
Ja chill ??♀️ Koscher ist doch quasi das selbe wie halal 16:56
Hast du Lust heute mit mir und ein paar Freuden Smash zu spielen bei Max 17:33
Klar kann ich evtl auch ne Freundin mitbringen 17:33
??17:37
Malik wartet auf seinen Sohn, überlegt, was er ihm sagen soll. Und wie. Nicht dass er etwas gegen Juden hätte. Juden sind Kinder Allahs, Saat Gottes. Obwohl sie einer Irrlehre anhängen, glauben sie doch an den einen Gott, was schon viel bedeutet in einer Zeit der Gott- und Morallosigkeit, des Leugnens, Egoismus und der Gier. Trotz all dem darf ein moslemischer Junge nichts mit einem Judenmädchen anfangen. Das geht nicht. Wenn die Nachbarn, die Männer in der Moschee tuscheln, sich zuflüstern, dass Maliks Sohn Ismail eine jüdische Freundin hat, eine, die dem Glauben des Erzfeindes anhängt, Teil eines Volkes, das die Moslems aus Palästina vertrieben hat, gute, gläubige Menschen, die sich an die Regeln halten, beten, fasten, nach Mekka pilgern, Almosen geben.
Malik war seinem Sohn bis zur Schule hinterhergeschlichen, um sich das Mädchen anzuschauen. Sie hat schöne Haare, diese Sarah, tiefschwarz, schwer, gewellt, eine gerade Haltung, bewegt sich wie eine Katze. Dennoch muss irgendwo etwas Krankes in ihr stecken, etwas Dunkles, Dämonisches. Über die Ressentiments spricht keiner, versteckt sie hinter einem Lächeln.
Malik hört das Klacken der Haustür, die Schritte Ismails, springt auf, um den Sohn gleich im Flur zu erwischen. Ismail grinst als habe er Lachgas geschluckt, will die Tür zu seinem Zimmer öffnen, bemerkt die Schritte seines Vaters erst im letzten Moment. Malik tippt ihm auf die Schultern.
„Hast du kurz Zeit, Ismail?“
„Ja, klar, warum?“
„Muss was mit dir besprechen. Komm, wir gehen ins Wohnzimmer und trinken Tee.“
„Muss ja wichtig sein.“
„Männergespräch. Heute können wir ungestört reden. Deine Mutter ist bei Maryam.“
Sie setzen sich. Malik holt die Kanne, hört zu, wie der Tee in die Gläser plätschert, sammelt sich, während Ismail die Beine spreizt, sich auf die Lehne zurückfallen lässt, die Hose hochrutscht, die Unterschenkelhaare wie ein abgemähtes Getreidefeld hervorlugen. Er verschränkt die Arme, blickt nach vorne, wartet, schweigt, bis der Vater zu sprechen anfängt.
„Du gehst doch am Sonntag die Eltern deiner Freundin besuchen?“
„Woher weißt du das?“
„Hat Mama erzählt.“
„Na und?“
„Na ja, das sind doch Juden, oder?“ Malik schaut zur Seite, fixiert irgendeinen Punkt an der Wand, hält den Kopf schief.
„Was dagegen?“
„Du musst das mit dem Judenmädchen lassen.“
„So, muss ich?“ Ismail setzt sich aufrecht, sucht den Blick seines Vaters, stützt die Ellbogen auf den Oberschenkeln ab.
„Ja!“
„Chill mal, Papa, ich heirate sie doch nicht gleich.“ Er dreht die Handflächen nach oben, als wolle er beten.
„Über uns wird geredet.“ Maliks Stirn glänzt, die Stimme wird leiser, fester.
„Papa, ich bin mit ihr befreundet, mehr nicht.“
„Habt ihr schon?“
„Was?“
„Du weißt, was ich meine.“
„Und wenn?“
„Inshallah.“
„Du spinnst total, Papa.“
„Was die anderen denken, interessiert dich nicht, was?“
„Die anderen interessieren mich nicht.“
„Ich bin immer noch dein Vater!“ Malik fuchtelt mit den Armen, die Augen glühen.
„Geht dich nichts an!“ Ismail spannt die Muskeln an, schnellt vom Sofa hoch und stellt sich vor seinen Vater: „Misch dich nicht in meine Angelegenheiten ein, Papa, verstanden!“
„Hier setzt sie jedenfalls keinen Fuß rein, verstanden!“
Ismail stürmt aus dem Wohnzimmer. Obwohl er seinen Sohn nicht überzeugen konnte, fällt eine Last von ihm ab. Mehr konnte er nicht tun, mehr konnte keiner von ihm verlangen. Wenn Samira erst zu Hause ist, wird Malik von der Unterredung berichten, den Teil betonen, in dem er Ismail klar gemacht hat, dass ein jüdisches Mädchen bei ihm zu Hause nicht willkommen ist.
Alles klar? ? 21:25
Ja ☺ bei dir so 21:33
Geht so 21:33
Was ist passiert? ? 21:33
Hab Stress mit meinem Vater 21:33
Wieso 21:33
Der hat das mit uns mitbekommen ? 21:34
Oh Shit 21:34
Wegen der jüdischen Sache ?? 21:34
Der soll sich mal einkriegen 21:34
Wir sind so am Arsch ? 21:36
Was hast du eig gesagt ? 21:36
Dass es ihn nix angeht 21:36
? 21:36
Die Tür fällt leise ins Schloss. Korianderduft erfüllt die Wohnung. Ismail streift die Chucks ab, senkt den Blick, als wäre er dadurch unsichtbarer, weiß, dass er acht Schritte bis zu seinem Zimmer braucht, hält die Hand genau auf der Höhe des Türknaufs, wie abgespeichert, exakt justiert. Samira öffnet die Küchentür und bemerkt ihn.
„War’s gut?“
„Was?“
„Na ja, alles.“
„Frag nicht. Essen war lecker.“
„Was gab’s?“
„Eintopf.“
„Halal?“
„Ja, Rindfleisch.“
„Sind Sarahs Eltern nett?“
„Keine Ahnung.“
„Wir können Sarah mal einladen.“
„Nein.“
„Wieso?“
„Har Papa verboten.“
„Ach, der.“
„Ich geh mal lernen. Nächste Woche Matheklausur.“
Ismail schließt die Tür, setzt sich an den Computer, stellt den Ton ab. Die Finger gleiten über den Joystick, bis der Kopf schwer wird, die Augenlider zufallen, das Spiel verloren geht.
Am Himmel glüht die Dämmerung, zeigt ihr fleckenrotes, an manchen Stellen rosanes Antlitz, bereitet die Dunkelheit vor. Leah und Elias sitzen auf dem Balkon, prosten sich mit Rotweingläsern zu, eine Kerze steht auf dem Tisch. Sie schlucken durstig, was durch die Kehle fließt. Leah hält den Kelch gegen den Horizont, seufzt.
„War doch nett heute. Ich mag Ismail, ein feiner Kerl. Und so zurückhaltend“, sagt Elias.
„Findest du?“
Sie schweigen, bis Leah die Hand ihres Mannes nimmt, die Finger einzeln abtastet, seinen Handrücken streichelt, die weichen Haare auf der Haut.
„Ich liebe Sonnenuntergänge“, sagt Leah.
„Ich weiß“, sagt Elias.
„Er hat die Augen beim Tischgebet verdreht“, sagt Leah.
„Weil er dich nicht verstanden hat.“
„Nein, das war’s nicht.“
„Du hast ihn ganz eigenartig angeschaut.“
„Na und? Die meisten Moslems hassen Juden.“
Sie trinken wieder vom Wein, blicken zum Himmel. Zeit vergeht.
„Schau mal, die Wolke da oben! Sieht aus wie ein Smiley!“, sagt Leah nach einer Weile.
„Stimmt.“
Elias küsst Leah erst die Hand, dann die Lippen.
„War doch ein schöner Tag“, sagt er.
Leah nickt.
23:45
Gib dir das ma ?23:45
Lmfao ?23:45
Gehst du morgen zu dem Geburtstag ??23:46
Ja mal schauen 0:07
Ja ich weiß auch noch nicht 0:15
7:35
Haha ?7:45