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Thema des Monats Gott würfelt nicht

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12.12.2004
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Gott würfelt nicht

Gott würfelt nicht

Zaki schrak auf, als es an seiner Tür klopfte.
„Was ist?“, rief er und verstaute seine Werkstücke unter ein paar Blättern.
„Komm raus, Zaki! Wir wollen jagen!“, kam es zurück.
„Nein, geht ohne mich, ich fühle mich nicht besonders!“
Er fühlte sich wirklich nicht gut. Der Regen hatte zwar etwas nachgelassen, aber der Regenwald war zu stickig. Zumindest für ihn.
„Na gut, wir sehen uns am Abend, Zaki!“
Die jungen Männer lachten und scherzten, als sie loszogen.

Zaki wischte sich den Schweiß von der Stirn und griff wieder nach seiner Arbeit.
Seit er vor einer Woche eine Entdeckung gemacht hatte, war er kaum aus der Hütte gekommen.

Sie hatten ein paar Affen gehäutet und am Spieß ins Feuer gestellt.
Die Sitzung der Männer war immer eine gigantische Selbstbeweihräucherung und das Langweiligste, was Zaki regelmäßig über sich ergehen lassen musste.
Um das Ganze noch zu verschärfen hatte er den fettesten Affen bekommen.
So sah er zu wie sein Affe tropfte und sich strikt weigerte gar zu werden.
Ein plötzliches Fauchen ließ ihn hochschrecken.
Sein Abendbrot war auf das Dreifache angeschwollen und entlüftete seinen Darm.
Das passierte öfters und führte unter den jüngsten Jägern zu großer Erheiterung.
Aber dieses Mal war es anders. Ein Blatt war auf den Hintern des Affen gefallen und wurde wie ein Pfeil in die Luft geschleudert.
In Zakis Kopf rauschte es. Vor seinem geistigen Auge bildete sich das Bild eines Affenmagens der mit Wasser gefüllt, bei enormer Erhitzung und notwendiger Isolierung sehr konzentriert Dampf freisetzte. Er sprang auf und lief in seine Hütte.

Nun saß er da, drehte den Tontopf, an dem feine Fäden zusammengenähte Schlangenhäute hielten, in seinen Händen und seufzte.
Der Erfinder stand auf, schlüpfte vor die Tür und verschwand in den Wald.


***​

Es war Vollmond und wie immer ein Grund zu Feiern.
Das Feuer in der Mitte des Dorfplatzes brannte mannshoch, während die Frauen das Fleisch vorbereiteten.
Die Ältesten hatten sich etwas abseits versammelt und besprachen die Initiation der neuen Jäger.
Zaki war voller Freude. Seine Erfindung war fertig und bereit der kleinen Gemeinschaft den Atem zu rauben.
„Hei Zaki!“, lallte es hinter ihm, „komm her! Trink mit mir!“.
Goio lehnte elegant alkoholisiert an einem Baum und schnippte zu den Rhythmen der Trommler.
„Und? In letzter Zeit etwas unaufmerksam, wie?“, provozierte er den ewig ungeschickten Jäger.
„Nein, nein! Du weißt, die Geschichte mit Aila geht mir nicht aus dem Sinn!“, log der Angesprochene.
„Ach, mach dir nichts draus! Besser ein fetter Affe am Spieß, als die Tochter des Häuptlings im Bett! Ist sowieso kein großer Unterschied!“
Das dreckige Grinsen des Medizinmannes sprach Bände.
Zaki griff nach ein paar gährenden Beeren und stopfte sie in den Mund.
Sein Lampenfieber sank.

Lautes Kreischen der Frauen und Trommelwirbel ließen die zwei bunt bemalten Jünglinge in die Mitte der Ältesten treten.
„Los geht’s!“, sagte Goio, griff nach seinem Steinmesser und marschierte los.
Irgendwie hatte Zaki dass Gefühl, dass dieser Ritus auch dieses Mal wieder in großem Geschrei und Gejammer enden würde, denn der Medizinmann ließ sein Beschneidungswerkzeug dreimal auf dem Weg zur Zeremonie fallen.
Auf alle Fälle würde es den Jungen den Rundtanz um das Feuer erleichtern.

Es vergingen zwei Stunden, bis der Ältestenrat zu Allfälligem am Ende des offiziellen Teils kam.
Häuptling Thaki stand auf und stellte die traditionelle Frage: „Was gibt’s sonst noch?“
Zaki trat mit seiner Erfindung vor und erklärt: „Liebe Gemeinde! Ich darf euch hier meine Erfindung zeigen, die eine neue Ära einleiten wird!“.
Mit diesen Worten nahm er ein Stück Kohle, warf es in das vorgewärmte Wasser und ließ nach einigen Minuten seinen Ballon steigen.
Die staunenden Augen der Ältesten, das ängstliche Lachen der Frauen und die verdeckten Kinderaugen waren ihm Bestätigung genug.
Der Ballon verschwand, getragen von der Hitze der großen Feuerstelle im Urwald.
Lautes Jubelgeschrei löste die erdrückende Stille ab.
„Zaki! Zaki! Das ist wunderbar!“, rief der Häuptling, „aber sag uns, wozu ist das gut?“
Auf diesen Moment hatte der Erfinder gewartet und schilderte dem großäugigen Publikum seine Pläne bis ins kleinste Detail.
Er sprach geschlagene drei Stunden und am Ende wurde er zum „Schützer und Bewahrer der Atazi“ ernannt.

Im Großen und Ganzen enthielt seine Rede nur Lobhudeleien auf die Ältesten, was immerhin zwei Stunden füllte. Der kleine Rest beschäftigte sich mit der Möglichkeit die Jagd durch seine Konstruktion zu verbessern.
Wenn man genug dieser Geräte hätte, könnte man sie mit Gift versetzt im Wald hochsteigen lassen, die Tiere im oberen Blätterdach vergiften und alles was zu Boden fällt essen.
Der Abend endete in einer rituellen Berauschung in der Zaki doch noch zu Aila kam.


***​

Es ist dem Menschen zu Eigen, dass er bei zu großen Entwicklungsschritten die Kontrolle verliert.
So erging es auch den Atazi.

In den folgenden Jahren stieg Zaki zu großer Macht auf.
Seine Vorschläge Jägergruppen zu spezialisieren brachte sie durch die Regenzeit. Seine Pläne zu Arbeitsteilung ermöglichte es die Kinder zu unterrichten und mehr Platz für seine Forschungen einzurichten.
Bäume wurden gefällt, der nasse Waldboden um die Hütte mit Holz belegt und die Feuerstelle neu gefasst.
Zaki hatte alles. Er hatte seine Hütte in der Dorfmitte, Sex soviel er wollte und vergorene Beeren bis der Medizinmann kam.
Natürlich hatte er auch Feinde, aber bei seinem Schutz, kostete ihn diese Sorge nur eine handvoll Beeren.
Der Häuptling und seine Freunde versuchten schon seit längerem Zaki zur Sonne zu bringen, aber seine Spezialjäger schützen ihn mit ihrem Leben.
Die Gemeinschaft blühte auf, ein paar Nachbarstämme wurden unterworfen, das Reich vergrößert sich.
Er unterrichtete seine Freunde im Umgang mit seinen Erfindungen, die wiederum andere ausbildeten.
Die gängige Währung von zwei Affen zu einem guten Bogen war schon längst überholt und der Kurs kaum mehr zu bestimmen.
Es ging den Atazi in ihrer Welt sehr, sehr gut.

Zwei Wochen vor Vollmond, war Zaki mit den Vorbereitungen zur Krönung schwer beschäftigt. Im Hauptraum seiner Hütte saßen Frauen und flochten am Umhang.
Der Abend war für das rituelle Kinderfest bereitet. Ein kleiner Einfall Zakis, um die Jüngsten im Volk an ihn zu gewöhnen.
Es gab Affenfleisch, Früchte aus den kultivierten Regionen und Berauschungsmittel aller Art.
Leider hatte er bei letzterer Errungenschaft seinen Medizinmann verloren, aber ungeheure Bewusstseinserweiterung gewonnen.
Der Erlauchte schickte ein paar Frauen nach seinen Beeren und ging ins Arbeitszimmer, wo er seine neueste Erfindung fertigbastelte.
Ein Bogen auf horizontalem Gestell. „Die Goioschleuder!“, dachte er vergnügt.
Der Tag verkroch sich im Blätterdach, als er fertig wurde.

„Edler Zaki! Wir sind soweit! Das Fest kann beginnen!“, sagte Katho und breitete den Umhang um Zakis Schultern.
Das Oberhaupt trat vor die Hütte im Blütenkranz.
Ein Getöse brach los, dass alle Tiere im näheren Umkreis rasch das Weite suchen ließ.
Beschwingt von seinen Beeren schritt er die Stufen hinab zu seinem Thron, der in langer Arbeit von den Kindern geschnitzt worden war.

Die Trommler begannen ihren hypnotischen Rhythmus zu schlagen und auf einen Wink hin, begannen die jüngeren Töchter seiner Freunde zu tanzen.
Hitze, Berauschung, Töchter mit Früchten behangen, Zaki im Ornat des Wissens.
Nach einiger Zeit rief Katho: „Kommt zusammen! Schart euch um Zaki!“.
Sein Volk kam näher und nahm in gebotenem Abstand Platz.
Zaki schaute auf die gesunden Gesichter, die starken Männer und erhob sich.
Seinen Umhang geschmeidig zurückwerfend trat er vor und hob „die Goioschleuder“ in die Höhe. Das Erwartete „ooohhhh“ und „aaaahhhh“ ließ nicht lange auf sich warten.


***​

„Jetzt?“
„Ja, Jetzt!“
Aus dem Urwald brach ein Gruppe „Dies Irae“ singend.

Der schwitzende Mönch an der Spitze ließ laut sein „Vade retro, Satanas!“ an Jesu Lenden vorbeidonnern und bleipulvernde Geschoße durchdrangen Zakis Affenlederhemd.
Sein Pfeil wurde vom großen Feuer in den Urwald getrieben.

Lanzenbewährt drangen Soldaten aus allen Richtungen in die Gemeinschaft ein.
Frauen wurden in den Wald gezerrt, Kinder ins Feuer gestoßen und die Bibel durchschnitt die Luft.

Die Atazi versuchten Schutz um den toten Körper ihres Zaki zu finden.
In Reih und Glied marschierten die Legionäre Christi auf den Thron zu.
Der kreuztragende Mönch schrie seinen Exorzismus in Extase.

Es dauerte nicht länger als man einen Affen häutet und der heilige Friede war hergestellt.

Hinter der Hütte Zakis trat der Häuptling an seinem wimmernden Volk vorbei und tat seinen Schwur auf ein Bündel Papier.

Zakis Leichnam verbrannte im reinigenden Feuer.

Katho stieß Aila an und sagte: „Dein Großvater hatte schon recht. Egal wo wir in zehn Sommern stehen, es gibt immer einen noch stärkeren Affen!“

 
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ZUERST DIE GESCHICHTE LESEN...
HIER KOMMT MEINE INTENTION!

Jaja Uwe, ich weiß,...

Nachdem ich heute die Zeitlinie der Entwicklungsstufen der Menschheit durchgesehen habe, wurde mir klar, daß die Alternativwelten kaum haltbar sind.

Sobald eine Erfindung gemacht wird und eine Kultur vorantreibt, kommt früher oder später eine Stärke, die Alles auf ein voraussehbares Ziel angleicht.
Macht!

Hier habe ich die Situation karikiert, wenn eine abgeschlossene "Welt" eine Entdeckung macht, die ihre Zukunft rasant verändert.
Egal wie sich die Welt verändert hätte, wenn dieses oder jenes eingetreten wäre, im Endeffekt wird alles wieder angeglichen über Kurz oder Lang.

Viel Spaß, LE

 

hi Lem

mal ein wenigs Textzeug, ist ja nicht viel

Zaki griff nach ein paar gehrenden Beeren und stopfte sie in den Mund.
gärend

hmm, jo, das wars dann auch schon

Jetzt zum Inhalt:
Nun, ja, nett... Mein Problem ist, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass ein einzelner Mensch aufgrund einer einzigen Beobachtung 500 Jahre technische Evolution überspringt. Immerhin kannten schon die alten Agypter Seile, Pergament und Feuer und trotzdem haben sie ihre Pyramiden nicht von oben in einem Ballon besichtigt. Es gab sicher immer wieder Beobachtungen wie Zaki sie hatte, aber die Menschen konnten sich so etwas wie einen Ballon wahrscheinlich nicht einmal in ihren kühnsten Träumen vorstellen, oder, Gott bewahre, dass damit ein Mensch in der Lage sein sollte gen Himmel zu fahren...
Aber na gut, nehmen wir einfach mal an, dass Zaki gern abwegige Gedanken nachhing...

In Zakis Kopf rauschte es. Vor seinem geistigen Auge bildete sich das Bild eines Affenmagens der mit Wasser gefüllt, bei enormer Erhitzung und notwendiger Isolierung sehr konzentriert Dampf freisetzte. Er sprang auf und lief in seine Hütte.
Das stört mich doch etwas... dieser Teil ist einfach zu technisch. Die Schlüsse, die Zaki aus der Beobachtung zog, sind auch recht abwegig. Ich denke, nicht einmal ein moderner Mensch käme nach so einer Bebachtung auf die Idee einen Ballon zu bauen. Der Zusammenhang Hitze - Wasser - Wasserdampf - Auftrieb ergibt sich sicher nicht einfach mal so...

Das wäre eigentlich mein einziger Kritikpunkt, jedoch ist er doch sehr entscheident wie ich finde. Mir gefällt allerdings, die Pointe, auch wenn ich deine Intention im seperaten Posting nicht nachvollziehen kann.

Unsere Entwicklung ist nicht unbedingt zwangsläufig. (außer man hängt dem Determinismus nach, und glaubt, dass alles bereits in Stein gemeißelt ist. Ob man jetzt Gott dafür verantwortlich macht, oder höhere Mathematik, ist schon eine Glaubensfrage). Nehmen wir mal an, Bismark wäre es nicht gelungen, Preusen zum Sieg und zur Vereinigung Deutschlands zu führen. Der erste Weltkrieg hätte nicht in der bekannten Form stattfinden können, ergo wäre auch der zweite Weltkrieg hinfällig gewesen. Dadurch wäre das Britische Empire nicht zwangsläufig zusammengebrochen, da es seine Energien auf ihre Kolonien konzentrieren hätte können... und so weiter und so fort...
Schon haben wir eine Alternativwelt, mit Britisch Empire, Otto von Habsburg in Schönbrunn und 15 verschiedene deutsche Klein(st)staaten...

Oder was wäre passiert, wenn das oströmische Reich nicht untergegangen wäre? Wenn die Türken Wien erobert und ein islamsiches Reich auf europäischen Boden gegründet hätten?

phu, aber ok... ich rede schon mehr über deine Intention, als über deine Geschichte :shy:

Auch wenn ich einige Aspekte deiner Geschichte so nicht glauben will, gefällt mir die Grundidee. Es hätte ja wirklich so passieren können. Und in diesem Fall hätte es tatsächlich keinen Unterschied gemacht... Es gab allerdings (auch in der jüngeren Geschichte) Ereignisse, die sehr an der Kippe standen. Wer weiß was passiert wäre, wenn Preusen die ersten Panzer an die Front gebracht hätten und den Briten das Laufen gelernt hätten, oder... ach, ich schweife schon wieder ab :read:

mfg
Kerberos

 

Hi Lem,

ein kluges Köpfchen wird im Namen Christi, schnell vernichtet, bevor es noch mehr Satanszeug erfinden kann.

Egal wie sich die Welt verändert hätte, wenn dieses oder jenes eingetreten wäre, im Endeffekt wird alles wieder angeglichen über Kurz oder Lang.
Ungeheuerlich, dass dies sooft im Namen Gottes geschieht, auch heute noch.
Dabei stellt sich die Frage, wer die Würfel wirft.

Obwohl, die Bäume sollen wohl nicht in den Himmel wachsen, auf diesem Planeten. Die Menschen würden es nicht verkraften.

Aber wie du schon sagst: Im Endeffekt wird alles wieder angeglichen.
Es wird immer wieder einen Zaki geben und immer wieder eine vernichtende Macht.

Das wolltest du mit deiner KG zeigen, denke ich.
Ansonsten ist mir zuwenig emotionale Handlung drin, du weißt schon :D
Aber ich denke, das war nicht deine Absicht, gelle :shy:

lieben Gruß, coleratio

 
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Hi LE!

Ja, bis auf den Schluss fand ich die Handlung und die Idee mit der bahnbrechenden Erfindung in der ( vermeintlichen ) Steinzeit einfach super.
Der Schluss macht dann deutlich, dass es sich bei dem Stamm der Atazi um ein Naturvolk in einer frühmittelalterlichen Welt handelt. Und das hat mich, ehrlich gesagt, ziemlich enttäuscht.
Ach komm, jetzt sei doch nicht so phantasielos! ;) Stell dir vor, Zaki sei ein Steinzeitgenie und hätte die Entwicklung der Menschheit viel schneller vorangetrieben. Welche Auswirkungen hätte das auf die Mentalität der Menschen? Ohne dass sie die Entwicklung zum Monotheismus, der Aufklärung und vieler anderer geistiger Strömungen durchlaufen haben?
Ist geschichtliche Entwicklung wirklich so vorhersehbar? Klar, bei diesen "Alternativentwicklungen" kannst du letztendlich nur Versatzstücke von bekannten Entwicklungen kombinieren, aber damit kann man schon eine Menge machen. Wie wär's, wenn die Menschen 2000 Jahre später mit Raumschiffen zu ihrem Mondgott fliegen, um auf seinem Körper religiöse Zeremonien abzuhalten? Nur als Beispiel... :)

Ein paar Stellen haben mir übrigens nicht so gefallen:

Es ist dem Menschen zu Eigen, dass er bei zu großen Entwicklungsschritten die Kontrolle verliert.
So erging es auch den Atazi.

Muss das sein, den Ausgang des Ganzen so vorauszunehmen? Wäre es dramaturgisch nicht wesentlich eleganter, es sich als Überraschung aufzusparen, damit der Leser am Ende genauso geschockt ist wie die Atazi?

ein paar Nachbarstämme wurden unterworfen, das Reich vergrößerte sich.

Buchstaben einfügen.

Es gab Affenfleisch, Früchte aus den kultivierten Regionen und Berauschungsmittel aller Art.
Leider hatte er bei letzterer Errungenschaft seinen Medizinmann verloren, aber ungeheure Bewusstseinserweiterung gewonnen.
Der Erlauchte schickte ein paar Frauen nach seinen Beeren und ging ins Arbeitszimmer, wo er seine neueste Erfindung fertigbastelte.
Ein Bogen auf horizontalem Gestell. „Die Goioschleuder!“, dachte er vergnügt.

Ich bin jetzt ein bisschen verwirrt. Wodurch hat er jetzt den Medizinmann verloren? Durch die Rauschmittel oder durch die Schleuder? Ersteres würde mich wundern, weil Rauschmittel ja bestimmt schon vorher da waren, und Zaki Techniker, kein Giftmischer ist. Ist Letzteres gemeint, dann heißt es nicht "letzterer Errungenschaft", sondern "durch seine letzte Errungenschaft".
"Der Erlauchte" passt nicht so recht, es ist sicher ironisch aus der Perspektive des Erzählers gemeint, aber die Ironie im übrigen Text ist viel feiner, nicht so direkt wie an dieser Stelle, deshalb stört das Wort ein wenig.

Frauen wurden in den Wald gezerrt, Kinder ins Feuer gestoßen und die Bibel durchschnitt die Luft.

Was heißt das, die Bibel durchschnitt die Luft? :confused: Als bildhafte Wendung sitzt das nicht so richtig, weil ich mir nichts darunter vorstellen kann. Bibel als sinnbildlich für Schwert=Gewalt? Das kommt zu bemüht. Ersetze das lieber.
Außerdem, der Satz hört sich irgendwie nach Ausrottungsfeldzug an. Frauen in die Wälder, Kinder ins Feuer... Das steht nicht ganz im Einklang mit der relativen Ruhe in den folgenden Szenen, wo der Häuptling mal eben einen Friedensvertrag unterzeichnet und zwei Frauen einen lakonischen Dialog abhalten.

Insgesamt muss ich sagen, dass deine Intention erst in deinem Antwortbeitrag wirklich rauskam.
Ich zum Beispiel kam eher auf "Böse Christen verhindern die Weiterentwicklung einer Kultur".
Es bleibt abzuwarten, wie die anderen Kritiker sich zu dem Punkt äußern.

Fazit:
Haupthandlung interessant, nicht unbedingt spannend umgesetzt, aber immerhin so gut, dass meine Neugier wach bleibt.
Für die Idee dahinter und ihre Umsetzung kann ich eher wenig Beifall aufbringen.
Kein Meisterwerk, aber nach meinen bisherigen Erfahrungen für kg.de-Verhältnisse immerhin durchschnittlich.

Ciao, Megabjörnie

 

Es ist dem Menschen zu Eigen, dass er bei zu großen Entwicklungsschritten die Kontrolle verliert.
So erging es auch den Atazi.
Show, don't tell!

Wollte ich schon lange mal wieder sagen ;)

Mir gefällt die Geschichte, obwohl ich ein großes Problem damit habe: Die Leute unterhalten sich nicht anders als z.B. wir heute. Da fehlt mir eine ganze Menge Atmosphäre. Sprachlich ist nur der letzte Abschnitt wirklich gelungen, wenn auch einen Tick zu bildhaft (Jesu Lenden, Bibel durchschneidet die Luft).

Sehr interessant und diskussionswürdig finde ich Deine Aussage.

Ich möchte ihr aber widersprechen, bzw. sie einschränken. Natürlich werden manche Entwicklungen einfach überrannt. Andere aber nicht. Es ist eine Frage der Verbreitung. In Deiner Geschichte hat Zaki ein Wissensmonopol. Damit ist die Existenz seiner Erfindung allein von ihm abhängig. Hätte sich seine Erfindung z.B. durch Mundpropaganda in der ganzen Gegend ausgebreitet, hätte sie nicht so leicht ausradiert werden können.
Wir beobachten in der Geschichte außerdem, dass viele Erfindungen nicht ausradiert, sondern gestohlen werden, wenn der bisherige "Besitzer" erobert wird. Man denke nur an die Schokolade, die die Spanier den Maya gestohlen haben.
Dass ein Naturvolk wie in Deiner Geschichte eine Erfindung nicht so leicht nutzen kann wie eine vorindustrielle Kultur wie die Spanier, ist richtig dargestellt. Aber folgende Frage muss erlaubt sein: Wie hätte sich Deine Alternativwelt entwickelt, wenn die Eroberer die Bedeutung der Erfindung erkannt und sich zueigen gemacht hätten?

Fazit: sprachlich okay aber nicht atmosphärisch genug, inhaltlich interessant.

Uwe
:cool:

 

Hi LE,

ich bin mir nicht ganz sicher, aber nach meiner Interpretation beschreibst Du ein südamerikanisches Naturvolk, das kurz vor seinem Durchbruch zur Hochtechnologie von spanischen Erorberern plattgemacht wird. Insofern erfüllst Du den Anspruch der Alternativwelt, da es eine solche Konstellation nicht gab (die Steinzeitkulturen Südamerikas haben sich nie derart entwickelt, viele von ihnen wurden einfach von der "nächsthöheren" Kultur (Tolteken, Olmeken, Azteken, Maias) eingemeindet).

Die Idee gefällt mir gut, es ist die alte These der "starken Tendenz", der Geschichte, die nicht von Personen bestimmt wird, sondern von überpersönlichen Trends.

Die Umsetzung ist so mittel, Du beschreibst gut, Charaktere und Dialoge sind zweckdienlich schön gestaltet. Einzig der Spannungsbogen sitzt nicht so ganz, sieh Anmerkungen meiner Vorposter und folgende Anmerkung zum auktorialen Erzähler.

Insgesamt gut erzählt, mit treffender Intention, etwas spannungsarm.

Grüße,
Naut

Der Regen hatte zwar etwas nachgelassen, aber der Regenwald war zu stickig.
Regen...Regen
Sie hatten ein paar Affen gehäutet [...] sein Affe tropfte und sich strikt weigerte gar zu werden.
Etwas viele Affen in so einem kurzen Absatz.
Das passierte öfter und führte
Irgendwie hatte Zaki dass Gefühl, dass dieser Ritus auch dieses Mal wieder in großem Geschrei und Gejammer enden würde, denn der Medizinmann ließ sein Beschneidungswerkzeug dreimal auf dem Weg zur Zeremonie fallen.
Auf alle Fälle würde es den Jungen den Rundtanz um das Feuer erleichtern.
Fand ich persönlich eher geschmacklos, aber ich bin da wohl empfindlich.
Es ist dem Menschen zu Eigen, dass er bei zu großen Entwicklungsschritten die Kontrolle verliert.
So erging es auch den Atazi.
Hier wechselst Du auf eine andere Erzählebene. Das finde ich verwirrend, da in der Einleitung davon nichts zu sehen war. Auktorialer Erzähler ist Ok, aber man muss mE den Leser darauf vorbereiten.
Lanzenbewährt drangen Soldaten aus allen Richtungen in die Gemeinschaft ein.
Vielleicht "Lanzenbewehrt"?

 

Hi Lem,

Stilistisch bischen mau, da hat Hagen zum selben Thema eher brilliert.
Einige nicht ganz schluessige Dinge:
Wenn die noch mit dem Steinmesser hantieren, ist es wohl eher seltsam, dass sie Frauen ist Bett ziehen (eher aufs Fell).
Das Beschneidungswerkzeug steht fuer eine ausgepraegte Metaphysik, die sich mit der beschriebenen Entwicklungsstufe nicht deckt (und ist das Beschneidungswerkzeug auch aus Stein? Doppel-Aua.)
Auch der Ballon ist eher zweifelhaft - aus welchem Stoff soll der sein, Nylonseide? Und die Tiere von oben vernichten - womit? Zyklon B?
Mehr habe ich auf die Schnelle nicht zu bemaekeln.

Gruss Proxi

 

Hi Lem,

irgendwie zieht deine Geschichte sprachlich bei mir nicht recht. Die Dialoge scheinen mir nicht in dieses Urwald/Naturvölker-Ambiente zu passen. Dazu sind sie einfach zu modern und Begriffe, wie Arbeitszimmer, Bett, "Liebe Gemeinde!" oder Ära unterstreichen das noch. Und auch wenn du karikierst sollte doch das Bild zusammenpassen.

Die Erfindung will auch nicht so recht vor meinen Augen entstehen - Gift in einem Tontopf mit Wasser an einem Ballon aus Schlangenhaut? Was ist daran denn nun vergiftet, wie weit fliegt so ein Ballon überhaupt in den Urwald hinein und will das Volk dann wirklich vergiftetes Fleisch essen? Vielleicht macht sich Zaki ja aber auch nur zum großen Zampano mit seinem erfurchtgebietenden Flugding, das gar keinen wirklichen Nutzen hat.

Die Bilder mit Jesu Lenden und der fliegenden Bibel erscheinen mir ein wenig zu üppig und abstrakt gegenüber den übrigen Formulierungen.

Textlich sind mir grad noch folgende zwei Fehlerchen präsent:

ein paar gährenden Beeren
gärende

Lanzenbewährt drangen Soldaten aus allen Richtungen
Lanzenbewehrt - außer die Soldaten haben sich an ihren Lanzen bewährt ;)

Und ich meine, es könnten an manchen Stellen noch ein paar Kommas mehr sein.

Alles in allem könnte man da durchaus noch ein wenig rumbasteln, um die Geschichte stimmiger zu machen. Geh doch nochmal dran. ;)

Ermutigende Grüße,

kira.

 
Zuletzt bearbeitet:

@ all:

Habt herzlichen Dank für eure Mühen!
Dachte mir nicht, daß dieses Machwerk solche Reaktionen nach sich zieht.
Großes Freu :D

Ich weiß, das die Story etwas unausgegoren ist.
Werde mich daher euren Ratschlägen fügen und nochmal drübergehen.
Hab jetzt viele schöne Sachen auf meiner "Pfui-Gack"-Liste.
Vielleicht wird's ja noch was ;)

bg, LE

 

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